PraxisPRAKTIKUMSBERICHT EUROPÄISCHES PARLAMENTvon Dipl.-<strong>iur</strong>. Hanna Furlkröger (Universität Bonn)A. EINLEITUNGauszutauschen.Bei der Europäischen Union zu arbeiten, ist der Wunsch vieler <strong>junge</strong>r <strong>Juristen</strong>.Dabei zu sein, wenn Entscheidungen gefällt werden, die die ZukunftEuropas prägen, lockt viele nach Brüssel <strong>und</strong> Straßburg. Daher habe ich dieChance sehr gern wahrgenommen, ein Praktikum im Europäischen Parlamentbei Martin Schulz, dem Vorsitzenden der 184-köpfigen, multinationalenFraktion der Sozialdemokraten absolvieren zu dürfen. Ein Praktikum imEuropäischen Parlament bietet nicht nur einen Einblick in die europäischeGesetzgebung, sondern auch die Teilnahme an Konferenzen, Debatten, Fernsehinterviews<strong>und</strong> Empfängen. Während meiner Zeit im Parlament habe ichspannende Sitzungen verfolgen <strong>und</strong> interessante Menschen kennen lernendürfen <strong>und</strong> gleichzeitig viel über Europa, Brüssel <strong>und</strong> Straßburg gelernt, dasso in keinem Lehrbuch zu finden ist.B. BEWERBUNGAlles beginnt mit der richtigen Bewerbung. Bewerben kann man sich für ein<strong>stud</strong>ienbegleitendes Praktikum entweder bei einer Fraktion oder direkt bei einemAbgeordneten des Europäischen Parlaments, eine Parteizugehörigkeit istnicht erforderlich, Politikinteresse <strong>und</strong> -verständnis aber unentbehrlich. Darüberhinaus bietet das Parlament nach dem Studienabschluss bezahlte, fünfmonatigeRobert-Schuman-Praktika an. Für die Bewerbung reichen Lebenslauf<strong>und</strong> Motivationsschreiben; Zeugnisse <strong>und</strong> Empfehlungsschreiben sindjedoch ebenso hilfreich wie der Nachweis guter Fremdsprachenkenntnisse.Eine frühzeitige Bewerbung (etwa 1 Jahr im Voraus) ist ratsam, da die Plätzehart umkämpft sind.C. AUFGABEN & ERFAHRUNGENMeine Zeit verbrachte ich je zur Hälfe im Europabüro in Alsdorf bei Aachen<strong>und</strong> im Parlamentsbüro in Brüssel <strong>und</strong> Straßburg. Das Europabüro unterstütztdie Arbeit des Abgeordneten in seinem Wahlkreis, die Mitarbeiter koordinierenseine Tätigkeiten. Dabei bildet das Büro die Schnittstelle zwischenPolitik <strong>und</strong> Bürgern. <strong>Die</strong> Arbeit ist also häufig darauf gerichtet Bürgern dieEuropäische Union näher zu bringen oder mit Interessensverbänden ins Gesprächzu kommen. Während des ersten Monats in Alsdorf habe ich MartinSchulz unter anderem zu einer Europakonferenz im Rahmen der Karlspreis-Verleihungin Aachen <strong>und</strong> zu mehreren Parteiveranstaltungen der SPDbegleitet. Im Gegensatz zum riesigen Verwaltungsapparat in Brüssel, wo dieMitarbeiter in eher spezialisierten Tätigkeitsbereichen arbeiten, übernehmendie Mitarbeiter im vergleichsweise kleinen Europabüro die unterschiedlichstenAufgaben. <strong>Die</strong>s eröffnete mir die Möglichkeit, Zeitungsbeiträge <strong>und</strong> Redenzu verfassen, mich gleichzeitig um die Internetpräsenz zu kümmern <strong>und</strong>Artikel zu aktuellen Themen zu schreiben. Fingerspitzengefühl ist insbesonderebei der Bearbeitung von Bürgeranfragen zu häufig speziellen, <strong>und</strong> meistkniffeligen europarechtlichen Problemstellungen gefragt. Besonders wichtigwar mir dabei, mit den Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen, ihnen Fragenzu stellen <strong>und</strong> mich mit ihnen über aktuelle politische FragestellungenIn Brüssel <strong>und</strong> Straßburg dagegen erlebt man hautnah die einzelnen Stadiender politischen Willensbildung. Vorschläge für neue Richtlinien <strong>und</strong> Verordnungenkommen in den meisten Fällen von der Kommission, ein eigenes Initiativrechthat das Parlament nicht. Neue Richtlinien <strong>und</strong> Verordnungen müssenaber, bevor sie in Kraft treten können, als erstes in den Ausschüssen begutachtetwerden. Gerade dann, wenn ein Vorschlag auf ein breites Meinungsbildtrifft, wird leidenschaftlich <strong>und</strong> kontrovers diskutiert. Dank der hervorragendenArbeit der Dolmetscher kann jeder Abgeordnete in seiner Muttersprachezu Wort kommen. <strong>Die</strong> Änderungsvorschläge, auf die sich der Ausschuss einigt,werden dann zunächst in den Fraktionen, später im Plenum debattiert.Da das Europäische Parlament, anders als etwa der B<strong>und</strong>estag, keine starrenKoalitionen kennt, werden von den Fraktionsvorsitzenden für jede einzelnezur Abstimmung kommende Änderung Allianzen geschmiedet. Das istzwar mühsam, ermöglicht aber eine an der einzelnen Sachentscheidung orientiertePolitik.Dass die europäische Gesetzgebung maßgeblich vom Zusammenspiel zwischenRat, Kommission <strong>und</strong> Parlament bestimmt wird, zeigt sich auch daran,dass häufig Mitglieder der Kommission oder des Rates bei den AusschussoderPlenarsitzungen zugegen sind <strong>und</strong> Fragen beantworten sowie Vorschlägediskutieren. So konnte ich Debatten mit Herman van Rompuy, Lady CatherineAshton, José Manuel Barroso, Jean-Claude Juncker <strong>und</strong> Günther Oettingerverfolgen. Vorbereitet werden die Sitzungen, Konferenzen <strong>und</strong> Pressegesprächevon den Mitarbeitern <strong>und</strong> zahlreichen Praktikanten der Mitglieder<strong>und</strong> der Ausschüsse. So ergab sich auch für mich die Möglichkeit, im Teammit zwei anderen Praktikanten, ein Dossier zu den Positionen Deutschlands<strong>und</strong> Frankreichs bei der Bekämpfung der europäischen Finanzkrise zu erarbeitenoder eine Stellungnahme der S&D Fraktion zu einer geplanten Richtliniezu verfassen. Gerade diese inhaltliche Arbeit, die jederzeit up to datesein muss, hat mir besonders gefallen, macht sie doch die einzelnen Stadiender europäischen Gesetzgebung <strong>und</strong> politischen Willensbildung erfahrbar;von der Begutachtung eines Vorschlags innerhalb des zuständigen Ausschussesüber die wohlüberlegte Positionierung einer Fraktion bis hin zur Abstimmungim Plenum ist es ein weiter Weg.Neben der Gesetzgebung widmet sich ein weiterer wichtiger Teil der Parlamentsarbeitder Kommunikation mit den Bürgern. Dabei sollen mit unterschiedlichstenMedien Informationen <strong>und</strong> Meinungen zu aktuellen Themen,aber auch die Funktionsweise des Parlaments <strong>und</strong> des Mikrokosmos Brüsselerläutert werden, so erlebte ich Martin Schulz bei Presseinterviews <strong>und</strong> Fernsehdebatten,bereitete einen Live-Chat im Internet vor <strong>und</strong> organisierte einenBesuch interessierter Bürger im Europäischen Parlament. Um mich mitden Mitarbeitern abstimmen <strong>und</strong> mit den Bürgern verständigen zu können,musste ich ständig zwischen Englisch, Deutsch <strong>und</strong> Französisch wechseln.<strong>Die</strong>s gehört zum Alltag im Parlament <strong>und</strong> man gewöhnt sich schnell daran,schließlich sind alle europäischen Mitgliedstaaten vertreten. <strong>Die</strong> meisten Mitarbeitersprechen drei oder mehr Sprachen fließend.168<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 3 / 2010
PraxisAls <strong>junge</strong>, spezialisierte Boutiquekanzlei begleiten wir unsere Mandanten in allenFragen des gewerblichen Rechtsschutzes sowie des Urheber- <strong>und</strong> Medienrechts.Wir bieten interessierten <strong>und</strong> engagierten Praktikanten oder Referendaren dieMöglichkeit, mit uns zu arbeiten <strong>und</strong> sich die Welt des gewerblichen Rechtsschutzeszu erschließen. Bei Interesse schicken Sie bitte Ihre Bewerbungsunterlagen perE-Mail an: kanzlei@boden-rechtsanwaelte.deBoden RechtsanwältePartnerschaftsgesellschaftSchanzenstraße 5140549 DüsseldorfTelefon +49 (0)211.302634.0Telefax +49 (0)211.302634.19kanzlei@boden-rechtsanwaelte.dewww.boden-rechtsanwaelte.de<strong>Die</strong> Arbeitstage im Parlament sind – insbesondere in der Straßburgwoche– lang. Wenn es das aktuelle Tagesgeschehen erfordert, wird bis spät in dieNacht hinein beraten <strong>und</strong> entschieden. Dafür ist man ganz nah an den Entscheidungendran, die die Schlagzeilen der Zeitungen des nächsten Tages füllenwerden. Während meines Praktikums erlebte ich, wie Martin Schulz <strong>und</strong>seine Mitarbeiter auf die Gazablockade <strong>und</strong> die Finanzkrise schnell <strong>und</strong> adäquatregieren mussten. Dennoch blieb irgendwo zwischen Interviews, Debatten,Konferenzen <strong>und</strong> Besuchen europäischer Spitzenpolitiker immer nochZeit für ein persönliches Gespräch mit Martin Schulz, der mich auch einlud,mich mit seinen Positionen auseinander zu setzen <strong>und</strong> politische Sachverhaltezu hinterfragen.Zum festen Bestandteil des Parlamentsalltages gehören auch zahlreiche Veranstaltungen<strong>und</strong> Workshops, bei denen man mit den verschiedenen Teilnehmernlebhaft Meinungen zu unterschiedlichsten Themen austauschen <strong>und</strong>neue Ideen erarbeiten kann. <strong>Die</strong>ser Austausch kann Denkanstöße liefern <strong>und</strong>ganz neue Horizonte eröffnen, so dachte ich bisher nicht, dass ich mich fürdie Herausforderungen des „Internet of Things“, gegenwärtige Probleme desFischereirechts oder die Schwierigkeiten des Bürokratieabbaus interessierenkönnte. Abends ist jeder Parlamentarier eingeladen, Empfänge zu besuchen,bei denen sich europäische Staaten vorstellen oder Interessensvertreter fürihre Positionen werben. Sowohl in Brüssel als auch in Straßburg gibt es vieleBars, Kneipen <strong>und</strong> Restaurant, in denen sich Mitarbeiter <strong>und</strong> Praktikantennach der Arbeit treffen <strong>und</strong> miteinander ins Gespräch kommen.Brüssel <strong>und</strong> Straßburg haben neben dem Europaviertel viele Sehenswürdigkeitenzu bieten, deren Besuch sich lohnt. In Brüssel kann man am Wochenendedas Atomium, Konzerte <strong>und</strong> Ausstellungen besuchen oder den historischenStadtkern erk<strong>und</strong>en. Auch die Städte Brügge, Gent sowie die belgischeKüste sind einen Ausflug wert. In Straßburg sollte man die ausgezeichneteelsässische Küche genießen. Meist planen einige Praktikanten gemeinsameAusflüge, auf denen man sich umso besser kennen lernt <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>schaftenschließt.D. BERUFSPERSPEKTIVENWer einige Monate im Europäischen Parlament verbringt, kann Kontakte zuspäteren Arbeitgebern knüpfen, so kann das Praktikum zum Ausgangspunktder Karriere werden. Einen Concours wie für die Kommission gibt es für dasParlament nicht, die Mitarbeiter werden entweder von den Mitgliedern eingestelltoder sind direkt beim Parlament beschäftigt. <strong>Die</strong> Arbeitsverträge derAssistenten sind dabei meist auf eine Legislaturperiode befristet, nicht seltenwerden diese Stellen von ehemaligen Praktikanten besetzt. Für <strong>Juristen</strong> mitInteresse am Europarecht besonders interessant ist die Mitarbeit in den einzelnen,spezialisierten Ausschüssen. Da diese Stellen öffentlich ausgeschriebenwerden, kann sich jeder Jurist mit erstem Staatsexamen bewerben, ab <strong>und</strong>zu werden einige Jahre Berufserfahrungen vorausgesetzt. <strong>Die</strong> Aufstiegschancensind dabei im Unterschied zur Kommission sehr flexibel, da man nichtverbeamtet, sondern angestellt wird <strong>und</strong> sich immer wieder auf neue Stelleninnerhalb des Parlaments, der Europäischen Institutionen <strong>und</strong> auch der Vertretungenbewerben kann.E. FAZITEin Praktikum im Europäischen Parlament macht sich nicht nur gut im Lebenslauf,sondern war für mich eine Bereicherung, die ich nur jedem empfehlenkann. <strong>Die</strong> Erfahrungen, die man in Brüssel <strong>und</strong> Straßburg sammelt<strong>und</strong> die Bekanntschaften, die man schließt, prägen nicht selten den weiterenden Lebensweg. Mich persönlich hat es zu der Überzeugung gebracht, dassich mir eine berufliche Laufbahn bei der Europäischen Union sehr gut vorstellenkann.<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 3 / 2010169