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Die Zeitschrift für stud. iur. und junge Juristen - Iurratio

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FallbearbeitungExamenskandidaten im Zivilrecht:„Widerruf einer transmortalen Vollmacht“von Wiss. Mit. Marayke Frantzen (Universität Bonn)Das Erbrecht ist ein von <strong>stud</strong>entischer Seite leider nur allzu oft vernachlässigterTeilbereich des Zivilrechts. Da die Materie des Erbrechts jedoch vieleSchnittstellen gerade zum allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches,aber auch zu anderen Bereichen wie beispielsweise dem Familienrecht, aufweist,eignet sie sich bestens für Fortgeschrittenenklausuren im Zivilrecht. ImZusammenhang mit dem Erbrecht begegnen den Studenten oft altbekannteProblematiken in neuem Gewand, die eine differenzierte Notenabstufung ermöglichen.Der inhaltliche Kern des hier dargestellten Falles beschäftigt sich mit der Problematikdes Widerrufs einer transmortalen 1 Vollmacht. Es besteht eine diametraleDiskrepanz zwischen dem Willen des Erblassers <strong>und</strong> dem Willen derErbin, sodass es zu klären gilt, auf wen es letztlich ankommt. <strong>Die</strong>se Problematikhat den BGH im Jahre 1994 in gleich zwei Entscheidungen beschäftigt. 2Dass sie auch heute noch aktuell ist, beweist nicht zuletzt die Entscheidungdes BGH zur Reichweite einer einem Ehepartner erteilten transmortalenKontovollmacht aus dem März 2009. 3 Ebenfalls einen Schwerpunkt bildet dasProblemfeld um die Frage nach der Abgrenzung einer Schenkung unter Lebendenvon einer Schenkung auf den Todesfall <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>eneFrage, wann jeweils Vollzug <strong>und</strong> damit Heilung eines Formmangels anzunehmenist. <strong>Die</strong>se Fragestellung ist seit dem Bonifatius-Fall 4 des Reichsgerichtesein ebenso berühmter wie umstrittener „Klassiker“ des Erbrechts. 5I. SACHVERHALTDer schon seit längerer Zeit an schweren Depressionen leidende E ist seit über20 Jahren mit F verheiratet. F konnte die Belastung, die mit dieser Krankheitauch für den Partner einhergeht, jedoch nicht mehr ertragen, so dass sie sichtrennte <strong>und</strong> vor über drei Jahren aus der gemeinsamen Wohnung auszog. E<strong>und</strong> F haben keine Kinder. Außer seiner Tante T hat E zudem auch keinesonstigen Verwandten.Vor einem halben Jahr lernte er jedoch eine neue Lebensgefährtin, die mittelloseL, kennen. Sie zog zu ihm <strong>und</strong> kümmerte sich fortan um ihn. Ihr gegenüberäußerte er, es sei für sie im Falle seines Ablebens gesorgt. Bei T, die Bescheidwisse, liege etwas für sie bereit.Schließlich beging E im Zuge einer akuten Depression Suizid. Schon vorherhat er aber tatsächlich der T, mit der ihn ein besonderes Vertrauensverhältnisverband, Schmuck im Wert von 100.000 € in einer verschlossenen Schatulleübergeben <strong>und</strong> sie beauftragt, diese nach seinem Tod der L auszuhändigen.Am Tag nach der Beerdigung von E kommt F in die Wohnung des E <strong>und</strong> trifftdort T <strong>und</strong> L an. Sie erklärt beiden, dass sie den Schmuck suche <strong>und</strong> fragt, obsie wüssten, wo dieser sich befinde. L schweigt. T sagt, sie wisse es nicht. Fstellt die ganze Wohnung erfolglos auf den Kopf. Enttäuscht verlässt sie dieWohnung des E.T wendet sich daraufhin an L, zieht aus ihrer Tasche die Schatulle mit denSchmuck <strong>und</strong> sagt: „Hier, die soll ich dir von E geben.“ L nimmt die Schatullehocherfreut entgegen.Marayke Frantzen, Jahrgang 1983, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin<strong>und</strong> Doktorandin am Institut für römisches Recht<strong>und</strong> vergleichende Rechtsgeschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-UniversitätBonn. Sie <strong>stud</strong>ierte Rechtswissenschaftenan der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster<strong>und</strong> der Università degli <strong>stud</strong>i Roma Tre in Rom <strong>und</strong> arbeitetzurzeit an einem Promotionsvorhaben zum Thema „<strong>Die</strong>Selbsttötung im römischen Recht“.Kurz darauf erhält F von den Vorgängen Kenntnis <strong>und</strong> verlangt den Schmuckvon L heraus.Zu Recht?II. GLIEDERUNGA. Anspruch F gegen L gem. § 985 BGBI. Ursprüngliches Eigentum des E, § 1006 I 1 BGBII. Eigentumserwerb der F gem. § 1922 I 1. Alt. BGB1. Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung gem. § 1937 BGB2. Gesetzliche Erbenstellung der F gem. § 1931 BGB3. Ausschluss des Ehegattenerbrechts gem. § 1933 S.1 BGB i.V.m. §§ 1564 ff.BGBIII. Eigentumsverlust an L gem. § 929 S.1 BGB1. Direkte Willenserklärung E2. Stellvertretung durch T gem. § 164 I 1 BGBa) Eigene Willenserklärung der Tb) In fremden Namenc) Mit Vertretungsmachtaa) Vollmachtserteilung gem. § 167 I 1. Alt. BGBbb) Keine Auswirkung des Todes von E auf die Wirksamkeit gem. § 130 IIBGBcc) Widerruf der Vollmacht durch F1<strong>Die</strong> Begriffe „transmortale Vollmacht“ <strong>und</strong> „postmortale Vollmacht“ werdenin der Literatur teilweise deckungsgleich verwendet. Es ist jedoch zuunterscheiden: Eine transmortale Vollmacht bezeichnet eine zu Lebzeitenerteilte <strong>und</strong> noch über den Tod hinaus weiter bestehende Vollmacht. Einepostmortale Vollmacht beschreibt im Unterschied dazu eine Vollmacht,die erst mit dem Tod beginnt.2BGH, Urt. v. 25.10.1994 – XI ZR 239/93, NJW 1995, 250 <strong>und</strong> BGH, Urt. v.29.11.1994 – XI ZR 175/93, NJW 1995, 953, dem dieser Fall in abgewandelterFassung nachgebildet ist.3BGH, Urt. v. 24.03.2009 – XI ZR 191/08.4RGZ 83, 223.5Vgl. nur BGH, Urt. v. 18.01.2005 – X ZR 264/02; BGH, Urt. v. 26.11.2003– IV ZR 438/02; BGH Urt. v. 05.03.1986 – IVa ZR 141/84; BGH Urt. v.09.11.1966 – VIII ZR 73/64; OLG Köln, Urt. v. 20.07.2005 – 13 U 62/05;Wacke, Donner et retenir ne vaut – Kein Schenkungsvollzug ohne Aushändigung,AcP 2001, 256 ff.<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 3 / 2010161

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