PraxisJunge Anwältinnen mit Kindern –Eine lohnenswerte Herausforderung?!von Rechtsanwältin Katharina Miller, LL.M. (Madrid)A. EINLEITUNGEs war ein harter Kampf um die Zulassung von Anwältinnen zum anwaltlichenBerufsstand <strong>und</strong> noch im Januar 1922 hatte die Vertreterversammlungdes Deutschen Anwaltvereins mit einfacher Mehrheit beschlossen, dass sichdie Frau nicht zur Rechtsanwaltschaft eigne. 1 Trotzdem wurde Dr. Maria Ottoam 7. Dezember 1922 vom Bayrischen Staatsministerium der Justiz zur erstendeutschen Rechtsanwältin zugelassen. 2 In der Zwischenzeit beträgt der weiblicheAnteil unter der Anwaltschaft 30 %. 3 Seit fast einem Jahr gehöre ich zudieser Berufsgruppe, deren Zugang von meinen Geschlechtsgenossinnen sohart erkämpft wurde. Ich bin Anwältin in einer internationalen Wirtschaftskanzleiin Madrid, wo ich meinen Lebensmittelpunkt habe <strong>und</strong> kurz vor derGeburt meines ersten Kindes stehe.B. FESTSTELLUNG DES „ZUSTANDS SCHWANGERSCHAFT“ IM4. BERUFSMONATNatürlich war die Überraschung sehr groß, als mein spanischer Mann <strong>und</strong> ichinmitten meiner Mandate feststellten, dass ich schwanger bin. <strong>Die</strong> Gefühlewährend der ersten Tage schwankten von immenser Freude einerseits zumbefürchteten Ende meiner beruflichen Karriere andererseits. Mittlerweilekann ich über die negativen Gedanken schmunzeln, obwohl wir erst am Anfangdes Abenteuers „Kind“ stehen.Zunächst stellte sich für mich die Frage, wie ich die Schwangerschaft meinemspanischen Arbeitgeber mitteilen sollte, da ich erst seit vier Monaten meineAnstellung als deutsche Rechtsanwältin <strong>und</strong> eingetragene Abogada 4 mit einemunbefristeten Arbeitsvertrag begonnen hatte.C. MITTEILUNGSPFLICHTENMein Mann <strong>und</strong> ich hatten zunächst beschlossen, niemandem außerhalb unsererFamilien etwas von der Schwangerschaft zu erzählen. Ich setzte mir willkürlicheine Frist von vier Monaten, um meinen Arbeitgeber über das freudigeEreignis in Kenntnis zu setzen. In dieser Zeit hatte ich die Gelegenheitmich mit dem Gedanken Mutter zu werden anzufre<strong>und</strong>en, mich an die Veränderungendes Körpers zu gewöhnen <strong>und</strong> auch die Möglichkeit, meinen Berufnach außen hin ganz normal weiter auszuüben, wobei ich über mein normalesEngagement hinaus versuchte, Höchstleistungen zu erbringen.In Deutschland ist die Schwangere gemäss § 5 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes zumSchutz der erwerbstätigen Mutter (MuSchG) dazu verpflichtet, ihren Arbeitgeberüber die Schwangerschaft <strong>und</strong> den mutmaßlichen Tag der Entbindungzu informieren, sobald ihr die Schwangerschaft bekannt ist. In Spanien kanneine Arbeitnehmerin ihren Zustand so lange verschweigen wie dieser nichtoffenk<strong>und</strong>ig ist <strong>und</strong> sie ihrem Arbeitgeber gegenüber nicht illoyal wird 5 .Dementsprechend hat es mir persönlich gut getan, meiner Mitteilungspflichterst später nachzukommen. Ich hatte dadurch nämlich Zeit meine Gedankenzu sortieren, Erfahrungsberichte zu sammeln <strong>und</strong> festzustellen, dass eineSchwangerschaft das Normalste der Welt ist <strong>und</strong> es für das Kinderkriegenauch nie den richtigen Moment gibt. Ganz davon abgesehen mobilisierte dieanstehende Mutterschaft meinen Ehrgeiz <strong>und</strong> nach nur vier Monaten Berufstätigkeiterkämpfte ich eine Gehaltserhöhung, die ich im nichtschwangerenZustand wahrscheinlich so nicht durchgesetzt hätte.D. GEHÄLTER VON ANWÄLTENIn Spanien beträgt das Einstiegsgehalt <strong>junge</strong>r Anwälte im Durchschnitt monatlich2.400,-- EUR brutto 6 , wobei im Augenblick auf Gr<strong>und</strong> der ökonomischenKrise sehr restriktiv eingestellt wird 7 . Für die Einstiegsgehälter von angestelltenJunganwälten in Deutschland hat der BGH erst kürzlich bekräftigt,dass Rechtsanwälte nur zu angemessenen Bedingungen beschäftigt werdendürfen, § 26 BORA. Eine zu geringe <strong>und</strong> unangemessene Vergütung durchden Arbeitgeber stelle demnach ein Verstoß gegen die Berufspflichten dar,§ 43 BORA. 8 Demnach sei ein Bruttogehalt von 1.000,-- EUR monatlich unangemessenniedrig <strong>und</strong> verstoße gegen die guten Sitten, § 138 BGB. DerBGH legte dagegen als durchschnittliches Einstiegsgehalt r<strong>und</strong> 2.300,-- EURbrutto für eine Vollzeitstelle zu Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> bezog sich dabei auf einen angestelltenRechtsanwalt ohne besondere Spezialisierung, ohne besondere Zusatzqualifikation<strong>und</strong> ohne Prädikatsexamen im Jahr 2006. 9Eine Statistik, wonach sich belegen lässt, dass Anwältinnen mit Kindern wenigerverdienen als ihre männlichen Kollegen mit Kindern, liegt (noch) 10nicht vor. Allerdings lässt sich diese Vermutung herleiten, denn es sind nurwenige Anwältinnen Partner in den Kanzleien 11 <strong>und</strong> Anwältinnen 12 bzw.Frauen 13 verdienen weniger als Anwälte bzw. Männer. <strong>Die</strong>s ist gelebte Wirklichkeitsowohl in Deutschland als auch in Spanien 14 .E. MUTTERSCHUTZ UND RÜCKKEHR IN DEN BERUFMein Arbeitsumfeld hat sich nach Mitteilung der Schwangerschaft nicht verändert.Nach den 16 Wochen Mutterschutz, die in Spanien zeitlich nach derGeburt liegen <strong>und</strong> in Art. 48 Abs. 4 der spanischen Arbeiterstatuten vorgesehensind, werde ich wieder ganztags in die Kanzlei zurückkehren. In Deutschlandist der Mutterschutz für berufstätige Schwangere gemäß § 3 Abs. 2MuSchG auf sechs Wochen vor der Geburt <strong>und</strong> gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG auf8 Wochen nach der Geburt aufgeteilt. Welches System das bessere ist, kannich nicht beurteilen. Meinen Plan, bis zum Tag der Geburt zu arbeiten, mussteich leider aufgeben. Mein Körper hat genau einen Monat vor dem geschätztenGeburtstermin auf Gr<strong>und</strong> der spanischen Hitze <strong>und</strong> der 9-10 täglichen Arbeitsst<strong>und</strong>ennicht mehr mitgemacht, weshalb ich bis zur Geburt krankgeschriebenbin. Dass das kindliche Wohl dem Berufsleben vorgeht, war einewesentliche Erfahrung.<strong>Die</strong> Mandanten haben in der Regel freudig reagiert, wenn sie mich mit demschwangeren Bauch gesehen haben oder ich sie, um meine zeitlich befristeteAbwesenheit zu erklären, über meine Schwangerschaft schriftlich oder telefonischin Kenntnis setzte. Es gab allerdings auch Reaktionen von Mandanten,die Bedenken um ihre weitere Betreuung während meiner fast viermonatigenAbwesenheit äußerten. Auch dies stellen erste Lernerfahrungen bezüglich der170<strong>Iurratio</strong>Ausgabe 3 / 2010
Tatsache dar, dass ich nun nicht mehr nur eine 100 % Anwältin, sondern auchMutter eines kleines Kindes sein werde. In Deutschland arbeiten einige Anwältinnennach der Geburt Teilzeit bzw. zu flexiblen Arbeitszeiten. 15 Vieledeutsche Kanzleien beschäftigen vorbehaltslos Anwältinnen mit Kindern <strong>und</strong>werben auch damit. 16 <strong>Die</strong> Betreuung während der Arbeitszeiten übernehmenin der Regel die Partner, Kinderfrauen oder eine Kindertagesstätten. EineTeilzeitarbeit habe ich für mich persönlich von Anfang an ausgeschlossen.Aus diesem Gr<strong>und</strong> kommt es mir zugute, dass in Spanien das Familiennetzwerksehr ausgeprägt ist <strong>und</strong> die meist aus Südamerika oder Osteuropa stammendenKinderfrauen für wenig Geld bereit sind, ein Kleinkind zu betreuen.In unserem Fall wird mein Mann die Kinderbetreuung übernehmen, da ervon Zuhause aus seinem Beruf nachgehen kann. Er freut sich schon sehr aufdiese Zeit. Ich freue mich ebenfalls schon sehr auf den Kleinen <strong>und</strong> verfolgegleichzeitig fernmündlich mit Spannung die erfolgreiche Abwicklung der Liquidierungeiner spanischen Mandantin, die gütliche Einigung in einer internationalenErbschaftsangelegenheit, den Anteilskauf eines großen spanischenUnternehmens, etc. Wieder einmal bewahrheitet sich der Sinnspruch: „Eskommt, wie es kommt!“. Hinzufügen möchte ich: „...<strong>und</strong> wie es kommt, ist esdann auch richtig!“ In diesem Sinne kann ich aus voller Überzeugung sagen,dass es eine lohnenswerte Herausforderung ist, eine schwangere <strong>junge</strong> Anwältinzu sein, die kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes steht.1Wild/Lührig, Anwaltsblattgespräch, in: AnwBl 2010, S. 175f.2Wild/Lührig, s.o.3Hommerich/Kilian, Frauen im Anwaltberuf - Ergebnisse einer Sek<strong>und</strong>äranalyse,Deutscher Anwaltverlag, 1. Aufl., Bonn 2007.4In Spanien können ausländische Anwälte, die in ihrem Heimatland alssolche in einer Rechtsanwaltskammer bzw. in einer entsprechenden Institutionzugelassen sind, die Eintragung als Abogado inscrito/ Abogada inscritain einer der spanischen Rechtsanwaltskammern beantragen, entsprechenddes Königlichen Dekrets 936/2001.5TJCE 4-10-01, Fall Tele Danmak A/S.6BAO & Partners: Análisis Comparativo de las Retribuciones en los Despachosde Abogados, Noviembre 2009.7Hidalgo Alonso, Jóvenes Abogados: Tan afectados como el que más, in:Revista del Consejo General de la Abogacía Española, Abril 2009, S. 24 f.8BGH, Beschluss vom 30.11.2009 - AnwZ (B) 11/08; NZA 2010, S. 595.9<strong>Die</strong>s gestützt auf eine Dokumentation der B<strong>und</strong>esrechtsanwaltskammer,ein Gutachten des Instituts für Freie Berufe Nü., eine Studie des Soldan-Institutsfür Anwaltsmanagement (BRAK-Mitt 2006, S. 55) <strong>und</strong> auf weiteresDatenmaterial.10<strong>Die</strong> ARGE Anwältinnen im Deutschen Anwaltverein plant zeitnah eineFragebogenaktion, wonach die berufliche Situation von Anwältinnen, dieMütter sind, erfasst werden soll.11Hommerich/Kilian, FN 2; Brenner: Kinder machen gelassen, in: AnwBlKarriere 2009, S.57; Wild/Lührig, FN 1.12Hommerich/Kilian, Strukturwandel <strong>und</strong> wirtschaftliche Situation derAnwaltschaft, in: AnwBl 2010, S.277 f., wonach Anwältinnen bis zur Hälfteweniger verdienen als ihre männliche Kollegen; Düsing/Spranger, Anwältinmit Willen – Arbeitsgemeinschaft Anwältinnen im DAV, in: DAV Ratgeber,11. Aufl., Bonn 2006, S. 74, m. w. N.13Berth, Froh zu sein bedarf es wenig, in: Süddeutsche Zeitung vom06.07.2010, http://www.sueddeutsche.de/karriere/ungleiche-bezahlungfrauen-wollen-es-nicht-anders-1.970388(Stand: 11.08.2010).14Blanco Camacho, La feminización de la Justicia: Una conquista aún a mediocamino, in: Revista del Consejo General de la Abogacía Española, Oktober2009, S. 11.15Brenner, FN 10.16Brenner, FN 10; Düsing/Spranger: FN 11.Referendars- oder Praktikumsplatzfür Rechtsreferendar/inoder Student/inSie sind Rechtsreferendar/in oder Student/in <strong>und</strong> suchen einenattraktiven Referendars- oder Praktikumsplatz? Dann sind Siebei uns richtig. Sie erhalten bei uns eine zukunftsorientierteWeiterbildung.Wir legen besonderen Wert darauf, Sie mit der notwendigenIntensität zu betreuen. Unser Ziel ist es, Ihnen in unserer wirtschaftlich-<strong>und</strong> privatrechtlich ausgerichteten Rechtsanwalts<strong>und</strong>Notariatskanzlei einen vertieften Einblick in die juristischePraxis zu gewähren <strong>und</strong> Sie bei ihrem beruflichen Werdegangtatkräftig zu unterstützen.Bewerbungen richten Sie bittez. Hd. Hans-Joachim BrockmeierWir freuen uns auf Ihre Bewerbung!Rechtsanwälte Brockmeier, Grotholt, Bietmeier, Faulhaber <strong>und</strong> KollegenBüro Rheine | Humboldplatz 4 | 48429 Rheine