19.11.2012 Aufrufe

WaKo Wahrnehmung und Kommunikation - Michael Giesecke

WaKo Wahrnehmung und Kommunikation - Michael Giesecke

WaKo Wahrnehmung und Kommunikation - Michael Giesecke

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kapitel 2<br />

Wahrnehmen als Informationsverarbeitung<br />

Referentielle Typologie: Umwelt-, Selbst- <strong>und</strong> Beziehungswahrnehmung<br />

<strong>Wahrnehmung</strong> ist ein überkomplexes Phänomen. Es sind beliebig viele Definitionen<br />

<strong>und</strong> Modellierungen möglich. Man kann sie eingrenzen, indem man<br />

Anwendungsbereiche bestimmt. Wenn man die Funktion der <strong>Wahrnehmung</strong> für die<br />

interpersonelle <strong>Kommunikation</strong> bestimmen will, ist es sinnvoll zunächst zwischen<br />

Umweltwahrnehmung, Selbstwahrnehmung einer Form der <strong>Wahrnehmung</strong> zu<br />

unterscheiden, die die Beziehung zwischen Umweltereignissen oder -objekten <strong>und</strong><br />

der Person des Wahrnehmenden fokussiert. Es handelt sich also um eine Definition,<br />

die von den unterschiedlichen Referenzobjekten der <strong>Wahrnehmung</strong> ausgeht.<br />

Jegliche Face-to-face-<strong>Kommunikation</strong> lebt davon, daß die Kommunikatoren den<br />

Anderen wahrnehmen <strong>und</strong> wahrnehmen, daß sie selbst von diesem wahrgenommen<br />

werden. Letzteres bedeutet immer Beziehungswahrnehmung <strong>und</strong> führt auch zu<br />

relationalen Informationen. Aus der Beobachtung der eigenen Gedanken, Gefühle,<br />

Körpersensationen usf. ergeben sich dann erst intentionale Handlungsimpulse. Die<br />

meisten <strong>Wahrnehmung</strong>stheorien konzentrieren sich entweder auf die<br />

Umweltwahrnehmung oder, wenn es sich um therapeutische Ansätze handelt, dann<br />

stellt man die Selbsterfahrung in den Mittelpunkt. Dabei wird zu wenig unterschieden<br />

zwischen der <strong>Wahrnehmung</strong> der Spannungen zwischen dem Ich <strong>und</strong> der Umwelt<br />

(Beziehungswahrnehmung) <strong>und</strong> dem als abgegrenzt erlebten Selbst. Viele<br />

Emotionen (z.B. Zorn, Haß, Liebe, Furcht, Trauer, Ekel) sind Ergebnis von<br />

Beziehungswahrnehmungen <strong>und</strong> in gewissem Sinne läßt sich in dem relationalen<br />

Bezug überhaupt die Spezifik von Affekten <strong>und</strong> Emotionen sehen. ‚Überraschung’,<br />

die häufig als ‚Basisemotion’ (z.B. von Dreitzel) bezeichnet wird, kann überhaupt nur<br />

dann basal <strong>und</strong> nicht das Produkt vielfältiger abgeleiteter kognitiver Anstrengungen<br />

sein, wenn man eine Unmittelbarkeit von Beziehungswahrnehmungen unterstellt.<br />

Sozialpsychologische Untersuchungen fokussieren ebenfalls schwerpunktmäßig die<br />

Wechselbeziehungen zwischen Fremd- <strong>und</strong> Selbstwahrnehmungen<br />

(‚Einschätzungen’). Andererseits sind alle diese Überlegungen <strong>und</strong><br />

Unterscheidungen letztlich fragwürdig, weil sie alle die komplizierten simultanen <strong>und</strong><br />

sich vielfach überlagernden psychischen, biochemischen <strong>und</strong> neuronalen Prozesse<br />

vereinfachen. Sie rechtfertigen sich dadurch, daß wir eben im Alltag auch zu<br />

derartigen Vereinfachungen greifen müssen.<br />

Eine isolierende Behandlung der drei <strong>Wahrnehmung</strong>sformen empfiehlt sich für die<br />

<strong>Kommunikation</strong>swissenschaft jedenfalls am wenigsten, da dort alle drei Typen der<br />

<strong>Wahrnehmung</strong> zusammenwirken müssen, wenn es denn zur <strong>Kommunikation</strong><br />

kommen soll. Wir starten also mit einem triadischen <strong>Wahrnehmung</strong>sbegriff.<br />

6

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!