BLICK IN DIE GESCHICHTEMaßstäbe in Kirche und WeltVor 100 Jahren wurde Kardinal Julius Döpfner geborenEr war eine Führungspersönlichkeit,dessen Kraft, Mut und Glaubenicht nur für die Zukunft der KircheMaßstäbe setzte: Am 26. Augustwäre Kardinal Julius Döpfner100 Jahre alt geworden.Seine Herkunft aus bescheidenenVerhältnissenließ nicht erahnen,dass er einmal zu denherausragenden Gestaltendes Weltepiskopatesaufsteigen würde. SeinVater war Hausmeisterin einem Hotel in Unterfranken.Döpfners Begabungwurde schon bald erkannt.Den größten Teilseiner theologischenAusbildung absolvierteDöpfner in Rom, wo er1939 zum Priester geweihtwurde. Im gleichenJahr legte er seineDoktorarbeit überden englischen KardinalHenry Newman vor.Nach einigen Jahren inder Seelsorgewurde erRegens des WürzburgerPriesterseminars und1948 mit 35 Jahren inWürzburg damals jüngsterBischof in Europa.Döpfner musste einBistum wieder aufbauen,in dem Nationalsozialismusund Kriegihre Spuren hinterlassenhatten. 1957 wurdeer nach Berlin gesandt. Dort verwehrtenihm die kommunistischen Behördenden Zugang zu dem Teil seinerDiözese, der auf DDR-Gebiet lag. EinJahr später berief ihn Papst JohannesXXIII. als jüngsten Purpurträger derWelt ins Kardinalskollegium. Döpfnersdrittes Bistum wurde die ErzdiözeseMünchen-Freising, deren Leitunger 1961 nach dem überraschendenTod von Kardinal Joseph Wendelübernahm.VON NORBERT STAHLEine Wende im Leben des eherkonservativ geprägten Kardinals bedeutetedas Zweite Vatikanische Konzil(1962 bis 1965). Döpfner sah sichmit der Aufgabe konfrontiert, an derJulius Kardinal Döpfner(Foto: ullstein bild – Harry Wagner)Öffnung der Kirche zur Welt mitzuwirken.Es ging darum, den Geist derErneuerung in einer Kirche freizusetzen,die sich nicht mehr wie eineFestung auf Verteidigung einrichtensollte, wie sie es bis dahin gegenüberder modernen Welt und ihrer Freiheitsideegetan hatte.Döpfner wurde Mitglied der vorbereitendenZentralkommission undwar einer der vier Moderatoren desKonzils. Die Kirchenversammlungwurde von ihm deutlich mitgeprägt.Dabei zeigte er sich weniger als „Progressiver“,sondern als Vertreter einer„offenen Mitte“, bei dem Extreme keineChance hatten.Die Last des Konzils spürte derKardinal jedoch erst nach dessenBeendigung auf seinen Schultern.Döpfner wirkte in der PäpstlichenKommission für Ehefragen mit. SeineEnttäuschung war groß, als PapstPaul VI., der das Konzil zu Ende geführthatte, das Mehrheitsgutachtenseiner Berater verwarf. Die Folge war1968 die umstrittene Enzyklika „Humanaevitae“ mit dem Verbot empfängnisverhüten-derMittel.Döpfner, der den Ernst der entstandenenpastoralen Lage sofort erkannte,brach seinen Urlaub ab, beriefals Vorsitzender der DeutschenBischofskonferenz eine Sondersitzungnach Königsstein ein und ließeine Stellungnahme vorbereiten, dieals „Königssteiner Erklärung“ verabschiedetwurde. Mit ihr gelang es,das Gewissen der Eheleute in Fragender Geburtenregelung anzusprechenund gleichzeitig die Einheitmit dem Papst und seinem Lehramtzu wahren.Zu Döpfners herausragendenLeistungen zählt die Einberufungund Durchführung der GemeinsamenSynode der bundesdeutschenBistümer (1971 bis 1975) in Würzburg.In acht Sitzungsperioden solltedie aus Laien und Klerikern mit gleichemStimmrecht zusammengesetzteVersammlung das Konzil „eindeutschen“.Dabei musste der Kardinalals Präsident bisweilen großen Einsatzdarauf verwenden, die Auseinandersetzungenzu einem versöhnlichenAbschluss zu bringen.Umso enttäuschender war es fürihn, dass die Beschlüsse der Synodein Rom kaum Beachtung fan-den.Dazu gehörte auch der von Döpfnerunterstützte Vorschlag, dem Priestermangeldurch die Wei-he von inBeruf und Ehe bewährten Männernzu begegnen. „Die Hirten der Kir-28 AUFTRAG <strong>291</strong> • SEPTEMBER 2013
BLICK IN DIE GESCHICHTEche brauchen Mut, ein klares Wortzu sprechen, wenn ihr Gewissen esgebietet. Mögen sie auch dort nichtzurückschrecken, wo sie für einenAugenblick nicht verstanden undvielleicht kritisiert werden“, äußerteDöpfner einmal in einer Predigt.Nach diesem Grundsatz gestalteteer sein bischöfliches Wirken. Am24. Juli 1976, kurz vor Vollendungseines 63. Lebensjahrs, ereilte denKardinal der plötzliche Herztod. ❏„Ich bleib Euer Julius vom Berg“VON CHRISTIAN WÖLFELIn Döpfners Heimatort Hausen erinnertein Museum an den KardinalUm einen ersten Eindruck vom berühmtestenSohn seines Ortes zu vermitteln,drückt Hans Georg Keßler dieAbspieltaste seines Kassettenrekorders.Aus dem Gerät dringt die Stimmevon Kardinal Julius Döpfner. Esist eine Radioansprache, die Keßlerselbst aufgenommen hat. „Für uns warDöpfner eine Identifikationsfigur undein Hoffnungsträger.“ Damals in den1960er Jahren, als Keßler noch studierte.Deshalb ist das Döpfner-Museumfür den pensionierten Gymnasiallehrernicht nur eine nette Sammlungvon Andenken an den Kardinal, dervor 100 Jahren am 23. August geborenwurde.Keßler geht es um die Gedankenund Ideen, mit denen der Priesteraus Hausen in der fränkischen Rhöndie Weltkirche geprägt hat: Der Berufdes Pastoralreferenten, die Mitspracheder Laien in Räten oder auch derGottesdienst in Landessprache – alldas sei Döpfners Verdienst, ebensodie Umsetzung dieser Reformen mitder Würzburger Synode der westdeutschenBistümer (1971 bis 1975). „Erist der deutsche Kirchenführer, derdie Kirche in die Gegenwart geführthat.“ Solche Menschen bräuchte esauch heute in der Kirche, sagt Keßlerdann noch, bevor er weiter durchdas kleine Museum führt.In drei Räumen ist das LebenDöpfners chronologisch nachgezeichnet:anhand von Dokumenten und Exponatenwie seiner Armbanduhr, seinerZigarrenschachtel oder seinemBierkrug. 2001 hat es der vor einemJahr verstorbene Hausener PfarrerGeorg Hirschbrich zusammengestellt.Ein Schaukelpferd, auf dem nur nochwenig von der roten Farbe übrig gebliebenist, steht da aus Kindertagen,AUFTRAG <strong>291</strong> • SEPTEMBER 2013die für Döpfner keine leichten waren.Zehn Jahre ist der Junge alt, als seinVater stirbt.Er studiert gerade Theologie ander Gregoriana in Rom, da verliert erauch seine Mutter. Die Priesterweihe1939 in Italien bekommt sie nichtmehr mit. Und auch nicht die Promotionan der Päpstlichen Universität,von der eine Kopie der prachtvollenVerleihungsurkunde zeugt.Fotos erinnern an den Privatmenschen,der sich in seiner Jugend fürdas Theater begeisterte. „Er spielteimmer führende Rollen“, erklärtKeßler. Am 11. August 1948 betritter mit gerade einmal 35 Jahren eineneue Bühne. Seine Ernennung zumBischof von Würzburg ist ein Signalder Hoffnung für die Menschen, wieKeßler sagt. Döpfner ist „in dieserZeit ein junger Mann, voller Elan“.Im vom Krieg völlig zerstörten Würzburggründet er eine kirchliche Wohnungsbaugesellschaft.Die Hausener schenken ihm denBischofsstab. Der kostet 1.500 Mark,eine Stange Geld so kurz nach derWährungsreform. Bei einem Empfangin der Heimat will ihn der Bürgermeisterbesonders feierlich begrüßen.„Hör auf, Bürgermeister“, wehrt derBischof ab, „ich bin und bleib EuerJulius vom Berg. “ Auch solche Anekdotensind im Museum festgehalten.Bescheiden sei Döpfner immergewesen, erzählt Keßler. Ein roter,etwas abgewetzter Fernsehsessel ausseiner Zeit als Münchner Kardinalund ein Foto seines Zimmers dienendem Museumsführer als Beleg. Oderauch jener einfache Wäschekorb, derDöpfner von einer Bischofsstadt in dienächste begleitet.Von seiner sportlichen Leidenschaftkünden die Langlaufski odersein Rucksack. Mit zwei befreundetenPriestern besteigt er den höchsten Alpengipfel– inkognito. In den Hüttenam Montblanc schlafen sie auf Stroh.Der italienische Bergführer sagt hinterher:Wenn er gewusst hätte, dass ereinen Kardinal führe, hätte er wenigerenergisch Befehle gegeben. DenKontakt in seine Heimat lässt Döpfnerzeitlebens nicht abreißen. Immer wiedermacht er Station in dem Ortsteilvon Bad Kissingen. Und er schreibtBriefe. Sein letzter kommt an seinemTodestag in Hausen an, am 24. Juli1976. Auch er hängt im Museum, nebender Titelseite der Abendzeitungvon damals: „Kardinal wie ein Königzu Grabe getragen. “ Etwas schlichterhätte es ihm sicherlich besser gefallen.❏Sowohl die Vita von Julius Kardinal Döpfner als auch der Artikel über dasMuseum sind bei KNA anlässlich des Jubiläums veröffentlicht worden.Redaktionsschluss fürAUFTRAG 292Freitag, 11. 10. 201329