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Knappschaftskrankenhaus Dortmund 1958–2008

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Trost spenden, Not lindern, Zuhören<br />

Marita Benggok, Alexandra Hippchen, Iris Lohse, Matthias Mißfeldt – Krankenhausseelsorge<br />

konnte das nicht ertragen. Der hat eine Maria<br />

hinein gestellt. Wir haben sie dann beschützend<br />

in Bewahrung genommen.<br />

? Sie haben dort ein Buch ausgelegt, in das<br />

jeder Besucher etwas schreiben kann ...<br />

Marita Benggok: Das Buch hat eine große<br />

Bedeutung für die Menschen, die den Raum der<br />

Stille besuchen. Klar manchmal wird in dieses<br />

Anliegenbuch auch Unsinn geschrieben, aber<br />

im Großen und Ganzen spiegelt sich schon ein<br />

tiefer Glaube wider: Der eine dankt, der andere<br />

bittet. Da liest man von Verzweiflung und<br />

Angst. Die Sätze rühren schon ans Herz.<br />

? Stimmt das Sprichwort „Not lehrt Beten?“<br />

Finden hier auch Hartgesottene zum Glauben?<br />

Matthias Mißfeldt: Gerade existenzielle Kri-<br />

101<br />

sensituationen öffnen schon den Zugang zum<br />

Glauben. Wer sonst keinen Vertrag damit hatte,<br />

nutzt hier oft die Chance, zu dieser Dimension<br />

von Spiritualitäten Zugang zu gewinnen.<br />

? Haben Sie mehr Gespräche mit den Patienten<br />

oder mit den Angehörigen?<br />

Marita Benggok: Das ist unterschiedlich. Wir<br />

haben eigentlich immer beide Seiten im Blick.<br />

? Für Wohnungslose oder sozial Schwache<br />

unterhält „Kontakt und Hilfe“ eine Kleiderkam-<br />

mer, die auch mit Hygieneartikeln und Handtü-<br />

chern bestückt ist. Wie finanzieren Sie das?<br />

Iris Lohse: Durch Spenden und durch unsere<br />

Flohmärkte. Viele Sachen kommen auch von<br />

Kollegen aus dem Haus. Auch wer unerwartet<br />

ins Krankenhaus kommt, ohne Schlafanzug<br />

und Zahnbürste und keine schnelle Hilfe von<br />

zu Hause erwarten kann, wird hier mit dem<br />

Nötigsten ausgestattet. Wer entlassen wird,<br />

und nicht auf saubere Sachen für den Heimweg<br />

zurückgreifen kann, bekommt ebenfalls ein<br />

Startpaket.<br />

? Apropos Spenden ...<br />

Matthias Mißfeldt: ... da gibt es eine hübsche<br />

Geschichte: Als wir im Erdgeschoss den Raum<br />

der Stille eröffneten, schenkte uns jemand<br />

eine riesige blaue Mutter Gottes aus Ton. Sie<br />

war schon etwas beschädigt und ihr fehlte<br />

ein Zacken in der Krone. Da der Raum neutral<br />

gehalten sein soll, wollte ich sie nicht aufstellen.<br />

Ich habe dann meine katholische Kollegin<br />

gefragt, ob sie diese Maria nicht für ihr Kloster<br />

gebrauchen könnte. Die aber wehrte ab: Solche<br />

Sachen würden immer so komische Unfälle<br />

erleiden. Dann haben wir sie bei eBay eingesetzt<br />

und noch 20 Euro für die Kasse bekommen.<br />

Zwei Männer haben sie abgeholt, die sagten, sie<br />

hätten die komplette Wohnung mit Heiligenfiguren<br />

dekoriert.<br />

? Haben Sie spezielle Räume, in denen die Angehörigen<br />

Abschied nehmen können?<br />

Matthias Mißfeldt: Wir haben zwei Räume, die<br />

auch vom gleichen Künstler gestaltet wurden,<br />

der den Raum der Stille entworfen hat.<br />

Das Palliativ-Zimmer für Sterbende und das<br />

Aufbahrungs-Zimmer für Tote. Wir wissen, dass<br />

die Gestaltung der initialen Trauersituation von<br />

enormer Bedeutung ist. Handauflegen, Segnen,<br />

mit den Angehörigen beten ist schon existenziell.<br />

Das ist für uns und auch für die Ehrenamtlichen<br />

keine oberflächliche Arbeit. Von diesem<br />

Angebot wird gerne Gebrauch gemacht. Aber es<br />

gibt auch die andere Seite, die gar nicht selten<br />

ist: Rufen Sie uns bitte erst an, wenn alles vorbei<br />

ist. Aber bitte nicht mitten in der Nacht, wird<br />

dann gesagt.<br />

Alexandra Hippchen: Seit Anfang dieses Jahres<br />

laden wir einmal im Quartal die Angehörigen<br />

der im Krankenhaus Verstorbenen zu einem<br />

Gedächtnisgottesdienst und wenn gewünscht,<br />

zu einem Trauercafé ein. Die Vorstellung, dass<br />

Sterben und Tod die alltäglichen Lebensvollzüge<br />

nicht unterbrechen, durcheinander bringen<br />

dürfen, ist nach christlichem Verständnis<br />

unerträglich. Sterben und Tod bringen den<br />

Alltag ganz beträchtlich durcheinander. Denn<br />

plötzlich, selbst wenn der Tod absehbar war,<br />

fehlt ein Mensch. Alle Theorie wird plötzlich<br />

harte Realität. Wir vertrauen darauf, dass kein

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