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MBZ Ausgabe 06/2009 - Zahnärztekammer Berlin

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Psychosomatik in der Zahnmedizin<br />

Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen zunehmend die Bedeutung<br />

der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde für den allgemeinen<br />

Gesundheitszustand der Patienten. Eine Reihe von Studien<br />

belegen direkte und indirekte kausale Beziehungen von oralen<br />

Erkrankungen zu wichtigen allgemeinmedizinischen Erkrankungen.<br />

So sind die regelmäßige zahnärztliche Kontrolluntersuchung<br />

und die frühzeitige Diagnostik von oralen Schleimhautveränderungen<br />

ein wichtiger Teil der Tumorfrühdiagnostik. Parodontale<br />

Erkrankungen erhöhen das Risiko für Schlaganfall und<br />

Apoplex, einen Diabetes mellitus und Komplikationen während<br />

der Schwangerschaft.<br />

All diese Erkenntnisse fordern den Zahnarzt nicht zuletzt auch<br />

unter den Bedingungen des demographischen Wandels in seiner<br />

medizinischen Kompetenz. Darüber hinaus stellt aber auch<br />

jeder Zahnarzt im Versorgungsalltag fest, dass eine ausschließlich<br />

biomedizinische Sichtweise auf Befunde und Symptome im<br />

oralen Bereich für eine effektive Behandlung nicht immer<br />

erfolgreich ist.<br />

Rund ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland leidet zu<br />

einem gegebenen Zeitpunkt des Lebens unter einer psychischen<br />

oder psychosomatischen Erkrankung. Vor diesem Hintergrund<br />

und der hohen Inanspruchnahme zahnärztlicher Dienstleistungen<br />

durch die Bevölkerung kann man davon ausgehen, dass in<br />

der Zahnarztpraxis mindestens 20% aller Patienten Beschwerden<br />

haben, bei deren Ursache und Verlauf psychosoziale Faktoren<br />

eine relevante Rolle spielen. Somit wirken psychosomatische<br />

Symptome und Krankheitsbilder hinein in alle Gebiete der<br />

Zahnmedizin. Man spricht hier von einem biopsychosozialen<br />

Krankheitsverständnis. Die Zusammenhänge von Seele und<br />

Zähnen dokumentieren sich in Aussagen, wie „die Zähne<br />

zusammenbeißen“, „dem Gegner die Zähne zeigen“, „sich<br />

durchbeißen“, sich in einer Sache „verbeißen“ oder etwas<br />

„zähneknirschend“ hinnehmen. Selbst im Schlaf kauen viele an<br />

ihren Problemen weiter.<br />

Psychische und psychosomatische Beschwerden beeinflussen<br />

das körperliche Wohlbefinden. So sind Depressionen, Alltagsstress,<br />

Ärger im Büro aber auch Schicksalsschläge häufig verantwortlich<br />

für die Angst vor der Behandlung oder eine unbefriedigende<br />

Zahnarzt-Patienten-Beziehung. Sie können darüber<br />

hinaus sogar die Therapie zum Scheitern bringen. Zahnmedizinisch<br />

relevante Krankheitsbilder sind insbesondere die Zahnbehandlungsphobie,<br />

die psychogene Zahnersatzunverträglichkeit,<br />

die cranio-mandibuläre Dysfunktion, der Zusammenhang<br />

von Stress und Parodontitis, der chronische Gesichtsschmerz,<br />

somatoforme Störungen, Depressionen und Essstörungen.<br />

Deswegen ist es notwendig, dass die zahnärztliche Diagnostik<br />

und Therapie um den psychosomatischen Blickwinkel erweitert<br />

wird. Eine zentrale Feststellung in diesem Zusammenhang ist,<br />

dass oftmals eine Diskrepanz zwischen Befund und Befinden<br />

des Patienten existiert. Dies sollte Anlass sein, eine biopsychosoziale<br />

Anamnese zu erheben und eine spezifische Strategie zur<br />

Führung dieser Patienten zu entwickeln. Gleichzeitig zeigen<br />

sich hierbei ebenso die Grenzen des eigenen zahnärztlichen<br />

Handelns auf. Im Verständnis, dass eine moderne Zahn-, Mundund<br />

Kieferheilkunde als multidisziplinäres Gebiet zu verstehen<br />

ist, ist eine Kooperation mit Ärzten, Psychotherapeuten oder<br />

Krankengymnasten angezeigt. Unter Beachtung dieser Aspekte<br />

kann es gelingen, einen Misserfolg zahnärztlicher Therapiemaßnahmen<br />

zu vermeiden und den Patienten im Sinne des kausalen<br />

Ansatzes einer effektiven Behandlung zuzuführen. Langanhaltende,<br />

wenig erfolgreiche zahnärztliche Therapiemaßnahmen<br />

können somit vermieden und gleichzeitig kann eine vertrauensvolle<br />

Zahnarzt-Patienten-Beziehung gestärkt werden.<br />

Die Erweiterung des zahnärztlichen Blickwinkels um die<br />

Psychosomatik in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist<br />

auch vor dem Hintergrund der epidemiologischen Datenlage<br />

unausweichlich. Sie stärkt die medizinische Kompetenz des<br />

Zahnarztes und ist wichtiger Baustein eines erfolgreichen<br />

Praxiskonzeptes. Der von der Bundeszahnärztekammer veröffentlichte<br />

Leitfaden „Psychosomatik in der Zahn-, Mund- und<br />

Kieferheilkunde“ stellt die wesentlichen psychosomatischen<br />

Störungen, Krankheitsbilder und therapeutischen Ansätze im<br />

zahnärztlichen Versorgungsalltag dar und führt in die professionsübergreifende<br />

Zusammenarbeit ein. Auf Grundlage dieses<br />

Leitfadens ist ein Fortbildungskonzept zu psychosomatischen<br />

Störungen in der Zahnmedizin nicht nur zu empfehlen, sondern<br />

sollte verstärkt Bestandteil der Fortbildungsangebote sein.<br />

Dr. Dietmar Oesterreich<br />

Studium/Examen 1976–1981<br />

Studium der Zahnheilkunde in<br />

Rostock | 1981 Approbation<br />

Beruflicher Werdegang<br />

1981–1990 Tätigkeit in der Poliklinik<br />

für Stomatologie des Kreiskrankenhauses<br />

Malchin | seit 1985 Fachzahnarzt<br />

für Allgemeine Stomatologie | seit 1988<br />

Dr. med. | 01.02.1991 Niederlassung in eigener Praxis<br />

<strong>Zahnärztekammer</strong> Mecklenburg-Vorpommern<br />

seit 29.04.1990 Präsident<br />

Bundeszahnärztekammer (BZÄK)<br />

seit 1990 Mitglied des Vorstandes der BZÄK | seit<br />

03.11.2000 Vizepräsident der BZÄK<br />

Arbeitsschwerpunkte/Referate/Ausschüsse<br />

Mitglied des IDZ – Vorstandsausschuss | Referent der<br />

BZÄK für Wissenschaft und Forschung in der<br />

Zahnmedizin | Vorsitzender des Ausschusses<br />

„Präventive Zahnheilkunde“ der BZÄK | Alternierender<br />

Vorsitzender der DAJ | Referent für Presse- und<br />

Öffentlichkeitsarbeit der BZÄK | Referent der BZÄK für<br />

Patientenberatung<br />

Strukturierte Fortbildung:<br />

Psychosomatik in der Zahnmedizin<br />

6025.1 Erster Termin: 11./12.09.<strong>2009</strong><br />

(insgesamt 4 Wochenenden)<br />

Moderatoren:<br />

Dr. Dietmar Oesterreich (Stavenhagen),<br />

Prof. Dr. Rainer Richter (Hamburg)<br />

Weitere Infos für Fortbildung: www.pfaff-berlin.de<br />

<strong>MBZ</strong> Heft 6 <strong>2009</strong><br />

F ORTBILDUNG<br />

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