MBZ Ausgabe 06/2009 - Zahnärztekammer Berlin
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150. Dienstagabendfortbildung der <strong>Zahnärztekammer</strong> <strong>Berlin</strong>:<br />
„Zahnmedizin immer öfter von der<br />
Medizin konsultiert“<br />
Zu einer Motivationsveranstaltung erster<br />
Klasse wurde die 150. Dienstagabendfortbildung der <strong>Zahnärztekammer</strong><br />
<strong>Berlin</strong> am 5. Mai im Hörsaal der Zahnklinik: Vorstandsmitglied<br />
Dr. Helmut Kesler, langjähriger Leiter dieser kostenlosen<br />
Fortbildungsreihe, hatte als Referenten zur Jubiläumsfortbildung<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Meyer eingeladen und ihm das Thema<br />
„ZahnMedizin ist Medizin“ gestellt.<br />
Die Jubiläums-Dienstagabendfortbildung, von Vorstandsmitglied Dr.<br />
Helmut Kesler (r.) geleitet, wurde durch den kämpferischen Vortrag von<br />
Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Meyer (l.) zu einer Motivationsveranstaltung<br />
für das zahnärztliche Ego.<br />
Professor Meyer nutzte die Vorgabe zu einem Motivationsparcour<br />
für die Qualifikation des eigenen Berufsstandes. Er erinnerte an die<br />
enge Verbindung von ZahnMedizin und Medizin und Zusammenhänge<br />
– welcher Art auch immer – von Diabetes oder auch Endokarditis<br />
mit oralen Keimen aus dem Bereich der tiefen Taschen. Die<br />
Zahnmedizin habe sich, wie man sehe, in den letzten Jahren ganz<br />
erheblich erweitert, der Blick über den Tellerrand sei faszinierend,<br />
die Anerkennung der Kollegen aus medizinischen Fachgebieten<br />
steige stetig – nur die Zahnärzte selbst hätten vielfach noch immer<br />
kein angemessenes Selbstbewusstsein und neigten eher dazu, sich<br />
mit fremden statt den eigenen Federn zu schmücken: „Die Zahnmediziner<br />
haben eine zeitlang unter der Geringschätzung des eigenen<br />
Berufes gelitten. Einige haben sich in Crashkursen mit komplexen<br />
Verfahren wie Osteopathie, Homöopathie etc. befasst und<br />
gemeint, sie könnten das, wofür andere eine intensive zwei und<br />
mehrjährige Fachausbildung absolviert haben. Das ist zum Teil einfach<br />
nur peinlich. Machen Sie Ihre Praxis zu, lernen Sie zwei Jahre<br />
und hören Sie auf, mit oberflächlichem Wissen in anderen Gebieten<br />
zu wildern!“ Das habe der Berufsstand auch gar nicht nötig,<br />
denn die Zahnärzte verfügten mit den Kenntnissen der modernen<br />
Zahnheilkunde über Expertenwissen, das mehr und mehr von anderen<br />
Disziplinen in der Medizin konsultiert werde.<br />
Exemplarisch berichtete Professor Meyer über eine interdisziplinäre<br />
KopfschmerzArbeitsgruppe an der Universität Greifswald, hier sei<br />
die Einbeziehung der zahnärztlichen Kompetenz bereits Routine:<br />
In bemerkenswert vielen Fällen habe die eigene Disziplin mit vergleichsweise<br />
minimalem Aufwand den KopfschmerzPatienten an<br />
haltende Besserung bis Beschwerdefreiheit ermöglicht – in der Regel<br />
durch Entlastung der Kaumuskulator: „Der Zusammenhang<br />
von Kopfschmerz und Druckdolenzen war signifikant.“ Professor<br />
Meyer wies darauf hin, dass keineswegs, wie oft dargestellt, Okklusionsprobleme<br />
ausschlaggebend für die Kopfschmerzsymptomatik<br />
sind, sondern vielmehr die (asymmetrische) Verspannung der Kau<br />
und Gesichtsmuskulatur, aufgrund verschiedenerer Ursachen.<br />
Der Effekt der zahnärztlichen Maßnahmen habe die Neurologen<br />
deutlich beeindruckt, zumal sie ihrerseits zuvor mit IntensivTherapie<br />
Linderung versucht, aber nicht erreicht hatten. „Ich halte es<br />
heute für einen Kunstfehler, wenn Allgemeinärzte und Neurologen<br />
bei der Diagnostik von Kopfschmerzen die Zahnärzte nicht einbeziehen,“<br />
sagte Professor Meyer, und auch für den Bereich von<br />
HalsNasenOhrenerkrankungen treffe dies zu: „Wenn Neurologen,<br />
Orthopäden und alle anderen für Kopfschmerzen in Frage<br />
kommenden Disziplinen nichts finden, stehen die Chancen 50:50,<br />
dass die Lösung bei uns liegt.“<br />
Neuromuskuläre Inkoordination (z.B. Bruxismus und Pressen)<br />
spiele bei vielen Funktionsstörungen rund um Kopf, Hals und den<br />
gesamten Körper eine eindrucksvolle Rolle.<br />
Okklusion nicht das zentrale Thema<br />
Dabei müsse sich die Zahnmedizin vor Kurzschlüssen hinsichtlich<br />
angeblich offensichtlicher Kausalität schützen: „Es kann auch<br />
eine Stoffwechselstörung oder das Wetter sein, wenn ein Patient unter<br />
CMD leidet.“ Gerade bei der CMDThematik zeige sich in eindrucksvollen<br />
Studien, dass Okklusion keineswegs generell das zentrale<br />
Thema sei: „Nicht stimmende Okklusion einhergehend mit<br />
Stress – das führt oft zu CMD. Stehen die Zähne aber wie Kraut<br />
und Rüben und der Patient ist ein entspannter Typ, ist das Risiko<br />
für eine CMD erheblich geringer. Der Stress ist also häufig erst der<br />
auslösende Hebel. Und der ist Aufgabe für den Berufsstand der Psychotherapeuten!<br />
Wir Zahnärzte machen unseren Teil der Aufgabe<br />
die begleitenden Schienen.“ Professor Meyer berichtete in Fallbeispielen<br />
von Patienten, die aufgrund einer Schmerzsymptomatik<br />
durch viele ärztliche Praxen und teilweise auch Schmerzkliniken<br />
geschickt worden waren – ehe sie bei einem Arzt landeten, der einen<br />
Zahnarzt hinzuzog. Erst dessen Vorgehen setzte der bedauernswerten<br />
Entwicklung ein Ende. Professor Meyer: „Ich appelliere hier<br />
an Ihre medizinische Verantwortung!“ Der Berufsstand müsse auch<br />
bei den Ärzten noch viel mehr Werbung machen für das, was er<br />
leisten könne: „Wir haben eine unglaubliche Verantwortung, liebe<br />
Kolleginnen und Kollegen, von der auch wir selbst oft gar nichts<br />
ahnen! Werden Sie sich dessen bewusst, bilden Sie sich in ihrem eigenen<br />
Fachgebiet, der modernen Zahnmedizin, fort und melden Sie<br />
sich mehr denn je zu Wort. Denn auch immer mehr Ärzte merken<br />
inzwischen: Nur wir Zahnärzte beherrschen manche medizinische<br />
Situation – und kein anderer!“<br />
Birgit Dohlus<br />
<strong>MBZ</strong> Heft 6 <strong>2009</strong><br />
F o r t b i l d u n g<br />
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