Ausgabe 18 (Saison 2009/2010): TBV Lemgo - Rhein-Neckar Löwen
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38 Gegner<br />
Holger Glandorf<br />
Der, den alle wollten<br />
Unter Kent-Harry Andersson und Ola Lindgren zum Nationalspieler gereift<br />
Eigentlich wäre Holger Glandorf gerne in Nordhorn geblieben.<br />
Bereits als 16-Jähriger stieß er zur HSG, weil die<br />
Möglichkeiten in seiner Heimatstadt Osnabrück begrenzt<br />
waren. Bei den Grafschaftern reifte der rechte Rückraumspieler<br />
zu internationaler Klasse und debütierte<br />
2003 in der Nationalmannschaft. Hier hätte der heute<br />
27-Jährige gerne weitere schöne Jahre verbracht, doch<br />
die Insolvenz der HSG Anfang <strong>2009</strong> machte den Verkauf<br />
ihres von der halben Bundesliga und europäischen Spitzenklubs<br />
gejagten Juwels unausweichlich. „Alle wollten<br />
ihn – wir haben ihn“, verkündete der <strong>TBV</strong> <strong>Lemgo</strong> Mitte<br />
Februar <strong>2009</strong> stolz.<br />
Glandorf stand im Rampenlicht,<br />
obwohl er es gar nicht<br />
suchte. Als seine Kollegen<br />
von der Nationalmannschaft<br />
den WM-Triumph 2007<br />
ausgelassen feierten, fuhr er<br />
nach Hause zu seiner Freundin<br />
Christin, weil er ihr versprochen<br />
hatte, sie am nächsten<br />
Tag pünktlich zur Arbeit<br />
zu fahren. Der torgefährliche<br />
Rückraumspieler ist eher der<br />
bodenständige Typ. Bei der<br />
EM 2008 war er mit 36 Toren<br />
der beste deutsche Schütze,<br />
das Werben großer Klubs wie<br />
Barcelona oder Ciudad Real<br />
wurde immer heftiger. Aber<br />
Glandorf hielt der HSG, bei<br />
der er unter dem damaligen<br />
Trainer Kent-Harry Andersson<br />
ins kalte Bundesliga-<br />
Wasser geworfen worden<br />
war, die Treue. „Manch andere<br />
wären froh, wenn sie<br />
vor dieser Entscheidung stehen<br />
würden“, sagte Glandorf,<br />
dem in Spanien ein lukratives<br />
Jahresgehalt winkte. „Sie<br />
würden aber den Fokus vielleicht<br />
nicht mehr so sehr auf<br />
das Sportliche richten, ich<br />
habe das ganz gut im Griff.“<br />
Mit dem Handballspielen<br />
begann Glandorf als Neunjähriger,<br />
zwischendurch versuchte<br />
er sich auch als Basketballer.<br />
Den Wechsel nach<br />
Nordhorn fädelte der Sponsor<br />
– die Spedition Rigterink<br />
– ein, wo Glandorf auch eine<br />
Ausbildung zum Speditionskaufmann<br />
absolvierte. Unter<br />
Anderssons Nachfolger Ola<br />
Lindgren reifte der wurf- und<br />
sprunggewaltige Glandorf<br />
weiter. „Holger ist ein Gewinnertyp“,<br />
sagte Lindgren<br />
nach der Vertragsverlängerung<br />
seines früheren Schützlings.<br />
Doch die Rechnung<br />
der HSG-Verantwortlichen,<br />
einen Weltmeister mit einem<br />
lukrativen Vertrag zu binden<br />
und dadurch mehr Aufmerksamkeit<br />
bei potenziellen<br />
Sponsoren zu generieren,<br />
ging nicht auf. Vielleicht lag<br />
es auch daran, dass Glandorf<br />
– wie Die Welt einst über ihn<br />
schrieb – „einfach nur ganz<br />
nett, aber auch ein bisschen<br />
langweilig“ ist. Das sehen<br />
seine Gegenspieler wahrscheinlich<br />
anders, Fakt ist<br />
allerdings, dass er nicht so<br />
ein öffentlichkeitswirksamer<br />
Typ wie etwa ein tätowierter<br />
Stefan Kretzschmar – der<br />
über Glandorf sagte, er sei<br />
einer „wie früher bei uns Volker<br />
Zerbe“ – oder ein Irokesenschnitt<br />
tragender Pascal<br />
Hens ist.<br />
Als sich die fi nanzielle Lage<br />
in Nordhorn zuspitzte, war<br />
Glandorf schließlich nicht<br />
mehr zu halten. „Wenn der<br />
Verein sagt, wir müssen dich<br />
wegen der wirtschaftlichen<br />
Lage abgeben, habe ich<br />
vollstes Verständnis dafür“,<br />
sagte der Weltmeister wenige<br />
Stunden vor Bekanntwerden<br />
seines Wechsels nach <strong>Lemgo</strong>,<br />
der Nordhorn geschätzte<br />
150.000 Euro einbrachte. In<br />
elf Spielen bis <strong>Saison</strong>ende<br />
traf der spektakuläre Neuzugang<br />
53 Mal, dabei sank sein<br />
Nordhorner Schnitt jedoch<br />
um ein Tor – und der fromme<br />
Wunsch, mit Glandorf in die<br />
Königsklasse einzuziehen,<br />
erfüllte sich für <strong>TBV</strong>-Geschäftsführer<br />
Volker Zerbe<br />
nicht. Beim „Debakel von<br />
León“, dem Ausscheiden in<br />
der CL-Qualifi kationsrunde,<br />
wusste der Nationalspieler<br />
nicht zu überzeugen und erzielte<br />
nur fünf Treffer.<br />
Glandorfs Vertrag beim<br />
<strong>TBV</strong> läuft bis Juni 2011. In<br />
dieser <strong>Saison</strong> hat der Mann<br />
mit der Nummer 11 noch<br />
nicht ganz an die starken<br />
Leistungen aus seiner Nordhorner<br />
Zeit anknüpfen können,<br />
und mit der Champions<br />
League scheint es wieder<br />
nichts zu werden. �