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Psychische Erste Hilfe bei unverletzt-betroffenen Kindern in ...

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Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 4kritischen Rat, Kraft und Energie gegeben haben: Ohne sie hätte ich diese Ar<strong>bei</strong>t niemals<strong>in</strong> der vorliegenden Form abschließen können.Besonders nennen möchte ich <strong>in</strong> diesem Zusammenhang Herrn Dipl.-Psych. Prof. Dr.Bernd Gasch und Herrn Dipl.-Psych. Prof. Dr. Frank Lasogga, Herrn Dipl.-Pfl.-wiss. HerbertHockauf, Herrn Landespfarrer Joachim Müller-Lange, Herrn Pfarrer Johannes Duven,Herrn Pfarrer Hajo Witte, Herrn Oberbrandrat Burkhard Kle<strong>in</strong>, Herrn Brandamtsrat He<strong>in</strong>zter Wiel, Herrn Brandamtmann Uwe Sieger, me<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> Antje vom Berg sowie me<strong>in</strong>eFreunde Jessica Demmer, Stefan Dreesen, Jörg Ehrentraut, Christian Noetzel, StephanR<strong>in</strong>ke und Sarah Vennhaus.Dank gilt <strong>in</strong> besonderem Maße aber auch den notfall<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, mit denen ichsprechen konnte und deren Aussagen der zweifellos wichtigste und wertvollste Teil dieserAr<strong>bei</strong>t s<strong>in</strong>d.Mülheim, den 01.10.2003 Dipl.-Päd. Harald Karutz


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 5InhaltsverzeichnisVorwort 3Inhaltsverzeichnis 51. E<strong>in</strong>führung 61.1. Def<strong>in</strong>ition verwendeter Begriffe 61.2. Begründung, Zielsetzung, Fragestellungen, Gliederung 201.3. Thematische E<strong>in</strong>ordnung 242. Der bisherige Forschungsstand zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> 272.1. Wahrnehmung und Erleben von Notfallsituationen 272.2. Auswirkungen und Spätfolgen von Notfallsituationen 342.3. Bisherige Ansätze und Konzepte für die psychologische <strong>Hilfe</strong>leistung 422.4. Bestehende Defizite des bisherigen Forschungsstands 553. <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> 583.1. Planung e<strong>in</strong>er explorativen Studie 583.2. Durchführung e<strong>in</strong>er explorativen Studie 663.3. Auswertung e<strong>in</strong>er explorativen Studie 743.4. Diskussion 1014. Neue H<strong>in</strong>weise für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> 1104.1. Grundsätzliche Überlegungen 1104.2. Ableitung konkreter Regeln und Forderungen 1115. Umsetzung der neuen H<strong>in</strong>weise für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> 1175.1. Umsetzung der neuen Regeln zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>in</strong> der Schule 1175.2. Umsetzung der neuen Regeln zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> im Rettungsdienst 1246. Exkurs: Pädagogische Vorbereitung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf Notfallsituationen 1276.1. Konkrete H<strong>in</strong>weise zu notfallpädagogischen Maßnahmen 1287. Exkurs: Critical Incident Stress Management (CISM) <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> 1337.1. CISM-Methodik im kritischen Überblick 1337.2. Entwicklung e<strong>in</strong>es Nachsorge-K<strong>in</strong>dertreffens 1388. Diskussion und Ausblick 1489. Zusammenfassung 15410. Literaturverzeichnis 15611. Selbständigkeitserklärung 16812. Anlagen 16912.1. Fragebogen 17012.2. Anschreiben 17412.3. Bestätigung des Dissertationsvorhabens 17612.4. Schreiben der Berufsfeuerwehr Dortmund 17712.5. Schreiben der Berufsfeuerwehr Duisburg 17812.6. Informationsbrief für Eltern 17912.7. Tabelle 18 18112.8 Tabelle 19 184


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 61. E<strong>in</strong>führung1.1. Def<strong>in</strong>ition verwendeter BegriffeDie e<strong>in</strong>zufordernde Transparenz und Nachvollziehbarkeit wissenschaftlicher Forschungsvorhaben- <strong>in</strong>sbesondere die geplante Durchführung e<strong>in</strong>er eigenen Explorationsstudie -setzt zunächst voraus, daß diskutiert und begründet wird, <strong>in</strong> welcher Bedeutung die zentralen,<strong>in</strong> dieser Ar<strong>bei</strong>t enthaltenen Begriffe verstanden und verwendet werden. In den folgendenAusführungen werden deshalb die Begriffe „Notfall“, „<strong>unverletzt</strong>-betroffenesK<strong>in</strong>d“ sowie „Mediz<strong>in</strong>ische und <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong>“ ausführlich erläutert.1.1.1. NotfallWenngleich die Bezeichnungen „Notfallpsychologie“, „Notfallseelsorge“ und „Notfallrettung“– zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den entsprechenden Fachkreisen - regelmäßig und auf e<strong>in</strong>e durchausselbstverständliche Weise gebraucht werden, ist mit e<strong>in</strong>iger Verwunderung festzustellen,daß es e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Def<strong>in</strong>ition des Begriffs „Notfall“ bislang offenbar nicht gibt. DieVerwendung dieses Wortes <strong>in</strong> der Literatur – und demzufolge auch das Verständnis derSachverhalte, die mit ihm konkret bezeichnet werden sollen – ist stattdessen mehrdeutigund variiert <strong>in</strong> Abhängigkeit von <strong>in</strong>dividuellen Betrachtungsweisen der jeweiligen Autoren.Ethymologisch läßt sich der Begriff „Fall“ zunächst – abgeleitet vom mittelhochdeutschen„val“ bzw. dem althochdeutschen „fal“ und der Vorstellung e<strong>in</strong>es Würfelfalls - auf e<strong>in</strong>plötzlich e<strong>in</strong>tretendes und <strong>in</strong> sich abgeschlossenes Geschehen zurückführen, während„Not“ das geme<strong>in</strong>germanische Wort für „Zwang“ sowie „Bedrängnis“ ist und u. a. alss<strong>in</strong>n- und sachverwandt mit den Begriffen „Übel“, „Misere“, „Krise“, „Schwierigkeit“,„Zwickmühle“, „Schlamassel“, „Ausnahmefall“ und „Unglück“ e<strong>in</strong>geordnet wird. E<strong>in</strong> Bedeutungswörterbuchkennzeichnet Notfälle zudem als gefahrvolle Situationen (vgl. DU-DEN 1985, S. 469; DUDEN 1986, S. 485; DUDEN 1989, S. 174 u. 489), so daß e<strong>in</strong> Notfall– <strong>in</strong> Abgrenzung zur längerfristig andauernden Notlage bzw. auch zum Notstand - alse<strong>in</strong> nur kurzfristig andauerndes Ereignis betrachtet werden kann, dem man zweifellos unfreiwilligausgesetzt ist und das man m<strong>in</strong>destens als unangenehm empf<strong>in</strong>det.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 8Vergiftungen Verletzungen ErkrankungenNotfallLebensgefahr durch Störung von VitalfunktionenAbb. 1: Notfälle aus mediz<strong>in</strong>ischer SichtZahlreiche Autoren, die sich um e<strong>in</strong> ganzheitlich-umfassenderes Verständnis von Notfallsituationenbemühen, verweisen seit e<strong>in</strong>igen Jahren jedoch darauf, daß Notfälle grundsätzlichauch mit psychischen und sozialen Auswirkungen verbunden s<strong>in</strong>d und daß das nurursachenbezogene bzw. ausschließlich auf körperliche Folgen bezogene Verständnis vonNotfällen <strong>in</strong>sofern unvollständig und unzureichend ist (Abb. 2; vgl. z. B. RIEGER 1992, S.610; REMKE 1993a, S. 107; STEPAN 1993, S. 154; BOURAUEL 1994, S. 477; BUCH-MANN 1997, S. 224 u. HANNICH 1997, S. 12; Abb. 2).NotfallkörperlicheAuswirkungenpsychischeAuswirkungensozialeAuswirkungenAbb. 2: Notfälle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ganzheitlich-umfassenderen VerständnisNicht zuletzt im S<strong>in</strong>ne der bekannten WHO-Def<strong>in</strong>ition von Gesundheit 3 wird <strong>bei</strong>spielsweisefestgestellt, daß e<strong>in</strong> verletzter Mensch sicherlich mehr ist als nur e<strong>in</strong>e Ansammlung vonOrganen (vgl. LASOGGA/GASCH 2000, S. 7-13), und daß es <strong>in</strong> Notfallsituationen nichtnur zu körperlichen E<strong>in</strong>schränkungen, sondern ebenso zu e<strong>in</strong>er „erheblichen Bee<strong>in</strong>trächtigungdes subjektiven Wohlbef<strong>in</strong>dens“ (THIERBACH 2002, S. 324) kommt. Zwischen3 Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Gesundheit als „Zustand des völligen körperlichen, sozialenund geistigen Wohlbef<strong>in</strong>dens“ def<strong>in</strong>iert (JUCHLI 1994, S. 37).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 9körperlichen und psychischen Auswirkungen e<strong>in</strong>es Notfalls s<strong>in</strong>d da<strong>bei</strong> zahlreiche Wechselwirkungenzu beobachten (vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 27).Alle<strong>in</strong> aus diesen Ausführungen wird somit deutlich, daß äußerlich feststellbare, objektiveMerkmale wie z. B. die Notfallursache („Es war e<strong>in</strong> Unfall“), die Anzahl beteiligter Personen,die meßbaren Witterungsbed<strong>in</strong>gungen zum Zeitpunkt des Notfalls und die Beschränkungauf körperliche Auswirkungen („Der Arm ist gebrochen“) nicht ausreichen, um Notfälleumfassend def<strong>in</strong>ieren zu können. Vielmehr ist die Tatsache, daß Notfälle stets <strong>in</strong>dividuellwahrgenommen und (z. B. im H<strong>in</strong>blick auf die Verletzungsschwere) bewertet werden,<strong>in</strong> das Verständnis von Notfällen e<strong>in</strong>zubeziehen, so daß Lasogga und Gasch Notfälleauch als Ereignisse def<strong>in</strong>ieren, die „aufgrund ihrer subjektiv erlebten Intensität physischund/oder psychisch als so bee<strong>in</strong>trächtigend erlebt werden, daß sie zu negativen Folgen <strong>in</strong>der physischen und/oder psychischen Gesundheit führen können“ (LASOGGA/GASCH2002b, S. 13).Aus psychologischer Sicht wurden allerd<strong>in</strong>gs noch zahlreiche weitere Merkmale von Notfallgeschehenthematisiert. Beispielsweise stellt Bierhoff fest, daß Notfälle plötzlich, seltenund <strong>in</strong>sofern meist unerwartet, jedoch <strong>in</strong> sehr unterschiedlicher Weise auftreten, wodurchv. a. e<strong>in</strong>e angemessene Vorbereitung auf Notfälle außerordentlich erschwert wird (vgl.BIERHOFF 1990, S. 101-102).Gasch, Hannich und Lasogga schreiben e<strong>in</strong>ander ergänzend, daß Notfälle mit e<strong>in</strong>er besondershohen Intensität erlebt werden, stets mit erheblichen Veränderungen für die gesamteLebenssituation der Betroffenen e<strong>in</strong>hergehen und <strong>in</strong>sofern auch e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>schneidendes Ereignisvon außerordentlich großer, mitunter existentieller Bedeutung für die beteiligtenMenschen darstellen. Zudem sei man Notfällen häufig unausweichlich ausgeliefert, ohneE<strong>in</strong>fluß auf sie nehmen bzw. Kontrolle über sie ausüben zu können, so daß man letztlichauf die (möglichst rasch beg<strong>in</strong>nende!) <strong>Hilfe</strong>leistung durch andere angewiesen ist (vgl.LASOGGA/GASCH 2000, S. 7 u. HANNICH 1997, S. 4, 9 u.11).Rupp nennt schließlich Gefühle der Überforderung, den Verlust des seelischen Gleichgewichtssowie das Mißl<strong>in</strong>gen eigener Problemlösungsversuche bzw. das Versagen eigenerBewältigungsstrategien als weitere Merkmale von Notfallsituationen, die er im übrigenauch als psychosoziale Krisen charakterisiert (vgl. RUPP 1996, S. 17) 4 .4 Zur Problematik e<strong>in</strong>er Abgrenzung zwischen Notfällen und Krisen vgl. den Beitrag von Schmitt, Pajonkund Poloczek (SCHMITT/PAJONK/POLOCZEK 2000).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 10Im Anschluß an die bisherigen Ausführungen wäre es nunmehr denkbar, Notfälle analogzu psychisch traumatisierenden Ereignissen 5 zu def<strong>in</strong>ieren, und es ließe sich für Notfällewie auch für psychisch traumatisierende Ereignisse feststellen, daß es sich um Geschehenhandelt, die außerhalb der üblichen menschlichen Erfahrung liegen, für die vergleichbareVorerfahrungen fehlen und die die Ressourcen zur selbständigen Bewältigung übersteigen(vgl. MITCHELL/EVERLY 1998, S. 49-53 u. MÜLLER-LANGE 2001, S. 69; zur weiterenDef<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es psychischen Traumas sowie v. a. zur Unterscheidung von Typ I- undTyp II-K<strong>in</strong>dheitstraumata [wo<strong>bei</strong> sich die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne ausschließlichauf Typ I-Traumata bezieht] vgl. auch FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 250 u. 351 u.FISCHER 2001, S. 16-20).In eben diesem S<strong>in</strong>ne bezeichnet Lucas das psychologische Notfallgeschehen als das Geschehennach e<strong>in</strong>em traumatischen Ereignis (vgl. LUCAS 2001, S. 13), und auch Lasoggaund Gasch schlagen e<strong>in</strong>e Klassifikation von Notfällen vor, die der Klassifikation psychischtraumatisierender Ereignisse <strong>in</strong> anderen Veröffentlichungen durchaus ähnelt (vgl.LASOGGA/GASCH 2002b, S. 13ff u. LANDOLT 2001, S. 6).Demnach können Notfälle <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens drei Dimensionen betrachtet bzw. e<strong>in</strong>ander zugeordnetwerden, nämlich 1. bezogen auf den Notfalltyp, 2.die <strong>betroffenen</strong> Personen (bzw.Personengruppen und -zahlen) sowie 3. die Zeit (Abb. 3):1. Der Notfalltyp (mit der jeweiligen Notfallursache) entscheidet da<strong>bei</strong> z. B. darüber, <strong>in</strong>welchem Umfang es den Betroffenen möglich ist, sich unmittelbar auf das Notfallgeschehenvorzubereiten. Auch das Ausmaß des entstehenden (Sach- und Personen-)Schadens wird sehr wesentlich von der Notfallart bestimmmt.2. Die <strong>betroffenen</strong> Personengruppen s<strong>in</strong>d aus psychologischer Sicht zunächst deshalb vonInteresse, weil z. B. K<strong>in</strong>der oder alte Menschen spezifisch anders auf Notfälle reagierenals Erwachsene mittleren Alters. Auch s<strong>in</strong>d geschlechtsspezifische Unterschiede <strong>in</strong> Bezugauf die Wahrnehmung und das Erleben von Notfallsituationen denkbar.Die Anzahl der <strong>betroffenen</strong> Personen ist v. a. für die e<strong>in</strong>satztaktische Planung der Rettungsdienstevon Bedeutung. So s<strong>in</strong>d <strong>bei</strong> Großschadensereignissen mit e<strong>in</strong>em Massenanfallvon Verletzten (MANV) je nach Anzahl der Betroffenen verschiedene Alarmie-5 Müller-Lange schlägt vor, bevorzugt nicht von traumatisierenden, sondern von besonders belastendenEreignissen zu sprechen, weil <strong>in</strong> der Notfallsituation zunächst gar nicht erkannt werden kann, ob überhaupte<strong>in</strong> Trauma verursacht wurde. Im übrigen wendet sich Müller-Lange gegen e<strong>in</strong>en „<strong>in</strong>flationären Gebrauch“des Traumabegriffs; und durch e<strong>in</strong>e entsprechende Wortwahl soll schließlich auch verdeutlicht werden, daß


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 11rungsstufen vorgesehen. Auch ist auf grundsätzliche Unterschiede <strong>in</strong> der Vorgehensweiseder Rettungsdienste am E<strong>in</strong>satzort h<strong>in</strong>zuweisen, je nachdem, ob z. B. e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnerVerletzter zu versorgen ist (Individualmediz<strong>in</strong>) oder e<strong>in</strong> Ungleichgewicht zwischenden Versorgungsbedürftigen sowie den zur Verfügung stehenden personellen und materiellenRessourcen zunächst e<strong>in</strong>e Beschränkung der <strong>Hilfe</strong>leistung auf e<strong>in</strong>zelne Betroffenenotwendig macht (Katastrophenmediz<strong>in</strong>; Triageproblematik) 6 .3. Bezogen auf den Zeitfaktor ist neben der zeitlichen Ausdehnung 7 e<strong>in</strong>es Notfalls auchvon Bedeutung, wann, d. h. zu welcher Tageszeit e<strong>in</strong> Notfall e<strong>in</strong>getreten ist. E<strong>in</strong> weitererAspekt der zeitlichen Dimension von Notfällen ist schließlich auch die Dauer desNotfallgeschehens bis zum Beg<strong>in</strong>n der <strong>Hilfe</strong>leistung (Hilfsfrist).NotfalltypBeteiligtePersonenZeitAbb. 3: Notfalldimensionen nach Lasogga und Gasch (LASOGGA/GASCH 2002a, S. 249)Im Rahmen dieser „mehrdimensionalen“ Betrachtungsweise werden von mehreren Autorenallerd<strong>in</strong>gs nicht nur – wie oben beschrieben – Unfälle, Vergiftungen und akute Erkrankungen8 als Notfälle bezeichnet, sondern – im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es relativ weit gefassten Rahmens -auch Naturkatastrophen (u. a. Erdbeben, Schneestürme, Vulkanausbrüche, Stürme, Über-(vorübergehende) Belastungsreaktionen zunächst völlig normal – und ke<strong>in</strong>eswegs immer Symptome e<strong>in</strong>erbereits erfolgten Traumatisierung – s<strong>in</strong>d (vgl. MÜLLER-LANGE 2001, S. 81).6Zur weiteren Unterscheidung und Def<strong>in</strong>ition der Begriffe „Katastrophe“, „Großschadensereignis“,„Großunfall“ und „Großschadensfall“ vgl. e<strong>in</strong>en Beitrag von Häcker im Handbuch Notfallseelsorge (HÄK-KER 2001, S. 225-226).7 Zur zeitlichen Ausdehnung e<strong>in</strong>es Notfalls ist kritisch anzumerken, daß zwar relativ klar festgestellt werdenkann, was den E<strong>in</strong>tritt bzw. Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es Notfallgeschehens kennzeichnet – daß die Frage danach, wann e<strong>in</strong>Notfall als abgeschlossen bzw. beendet gilt, allerd<strong>in</strong>gs nicht e<strong>in</strong>deutig beantwortet werden kann: Das Verlassendes Ortes, an dem der Notfall e<strong>in</strong>getreten ist, die Beendigung der ersten Phase der mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Hilfe</strong>leistung;das Abkl<strong>in</strong>gen bestimmter Symptome (wie z. B. Schmerzen) oder auch die eigene Wahrnehmungund Bewertung von Betroffenen, die die Situation ab e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt eben nicht mehr unmittelbarals Notfall erleben, könnten gleichermaßen und jeweils gut begründet als das Ende e<strong>in</strong>es Notfalls betrachtetwerden.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 12schwemmungen sowie Waldbrände) und „zwischenmenschliche Notfälle“ wie z. B. E<strong>in</strong>brüche,Raubüberfälle, Vergewaltigungen, Entführungen, Kriege und Terrorakte (vgl.LANDOLT 2001, S. 6 u. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 10; Abb. 4): Nach Auffassungvon Lasogga und Gasch seien dies die Situationen, „an die man am ehesten <strong>bei</strong> dem Wort‚Notfall‘ denkt“ (LASOGGA/GASCH 2002b, S. 16); gleichwohl könne auch e<strong>in</strong>e solcheAuflistung und Klassifikation von Notfallsituationen immer nur <strong>bei</strong>spielhaften Charakterhaben bzw. zu e<strong>in</strong>er ersten Orientierung dienen (vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 14) 9 .Zwischenmenschliche und mediz<strong>in</strong>ische NotfälleE<strong>in</strong>malig• E<strong>in</strong>bruch• Raubüberfall• Vergewaltigung• Mord• Terrorakt• Suizid und Suizidversuch• Herz<strong>in</strong>farkt, Schlaganfall etc.• Vergiftung• Fehlgeburt• Geburt e<strong>in</strong>es beh<strong>in</strong>derten K<strong>in</strong>des• Eröffnung schwerer Krankheitsdiagnosen• Erdbeben, Erdrutsch• Schneesturm, Law<strong>in</strong>enabgang• Vulkanausbruch• Sturm, Hurrikan, Blizzard• Tierangriff• Verkehrs-, Haus-, Ar<strong>bei</strong>ts-, Freizeitunfall• Brand, Explosion• Bergwerksunglück• Talsperrenbruch• Pipel<strong>in</strong>e-Bruch• K<strong>in</strong>desmißbrauch• Entführung• Krieg, Aufstand, Revolution• Folter• Todesfall von Bezugspersonen• ungewollte Schwangerschaft• Vermisste Person• Epidemien• Seuchen• Überschwemmung• Waldbrand• Dürre• Hungersnot• Austreten von Giftstoffen• Freiwerden von RadioaktivitätChronischNaturkatastrophen und technisch verursachte NotfälleAbb. 4: Notfallklassifikation nach Landolt (LANDOLT 2001, S. 6)E<strong>in</strong>en weiteren H<strong>in</strong>weis, der im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er anzustrebenden und sehr umfassendenDef<strong>in</strong>ition von Notfällen deshalb ebenfalls noch berücksichtigt werden soll, gibtder Theologe Zippert. Im Referateband zum Bundeskongreß Notfallseelsorge 2001schreibt er, daß „das, was wir als Notfälle wahrnehmen, e<strong>in</strong> Ergebnis der Kultur- undMentalitätsgeschichte“ (ZIPPERT 2001, S. 11) ist, so daß Notfälle, deren Auswirkungen8 Solche mediz<strong>in</strong>ischen Notfälle werden von Lasogga und Gasch auch als „biologische Notfälle“ bezeichnet(vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 16).9 Z. B. kann auch das Miterleben e<strong>in</strong>er heftigen Ause<strong>in</strong>andersetzung zwischen den Eltern oder der Tod e<strong>in</strong>esgeliebten Haustieres <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als e<strong>in</strong> Notfall empfunden werden, obwohl diese Situationen – wie vieleandere auch – nicht explizit <strong>in</strong> der Auflistung von Gasch und Lasogga enthalten s<strong>in</strong>d.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 13und Folgen sowie die Reaktionsweisen von Menschen <strong>in</strong> Notfällen immer auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emgesellschaftlichen und historischen Kontext betrachtet werden müssen.Die „Kasseler Thesen“ zur Notfallseelsorge vom 5. Februar 1997 verweisen schließlich aufexplizit philosophisch-religiöse Zusammenhänge, <strong>in</strong>dem festgestellt wird: „Notfallsituationens<strong>in</strong>d Schnittstellen des Lebens, an denen S<strong>in</strong>n- und Wertfragen aufbrechen, der eigeneLebensentwurf und se<strong>in</strong>e schlagartige Veränderung besonders bewußt werden, [die]Schuld- und Theodizeefrage die Gegenwart überschatten und die Lebenskraft absorbieren“(HENNINGER 1999, S. 21; Zus. v. H.K.).ObjektiveSeiteHelfer(sekundär Betroffene)TertiärBetroffeneSzBökolDNkgprD psAökonDNotfallpatienten(PrimärBetroffene)Zeugen, Zuschauer(sekundärBetroffene)Situativer KontextGesellschaft und InstititutionenKultur und GeschichteSubjektiveSeiteAbb.5: Zusammenfassung: Strukturelle Bestandteilen und Interaktionsbezüge <strong>in</strong> NotfällenIn Abbildung 5 sollen die strukturellen Bestandteile und Interaktionsbezüge e<strong>in</strong>es Notfallgeschehensnun vor dem H<strong>in</strong>tergrund der bisherigen Darstellung noch e<strong>in</strong>mal zusammengefasstwerden. In der Tat wird da<strong>bei</strong> deutlich, daß „e<strong>in</strong> Notfall e<strong>in</strong> außerordentlich komplexes[...] Geschehen darstellt“ (LASOGGA/GASCH 2002a, S. 248):• E<strong>in</strong> von der Art, der zeitlichen Ausdehnung und dem Zeitpunkt des E<strong>in</strong>tritts her zubestimmendes Notfallereignis (N) wirkt demnach auf die beteiligten Personen bzw.Personengruppen e<strong>in</strong>, deren Verhalten sich wiederum wechselseitig bee<strong>in</strong>flusst und


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 14zugleich jedoch durch den situativen Kontext 10 , gesellschaftlich-<strong>in</strong>stitutionelle 11 sowiekulturell-historische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen im S<strong>in</strong>ne Zipperts determ<strong>in</strong>iert ist.• Jeder Notfall hat – wie oben beschrieben und <strong>in</strong> der Abbildung 5 durch die gebogenenPfeile dargestellt – e<strong>in</strong>e objektive und e<strong>in</strong>e subjektive Seite: Da<strong>bei</strong> ist diese Feststellungke<strong>in</strong>eswegs so banal, wie sie sich zunächst möglicherweise anhört: So kann z. B.auch e<strong>in</strong>e Verletzung, die objektiv betrachtet überhaupt nicht bedrohlich ersche<strong>in</strong>t,durchaus massive Ängste <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em Notfallpatienten verursachen.• Abweichend bzw. <strong>in</strong> Ergänzung der von Lasogga und Gasch vorgeschlagenen und bereitsbeschriebenen Klassifizierung von Notfällen <strong>in</strong> drei Dimensionen werden zudem(m<strong>in</strong>destens) fünf (andere) Dimensionen gesehen, <strong>in</strong> denen sich Notfälle auswirkenbzw. betrachtet und beschrieben werden können:<strong>Erste</strong>ns erfordern sämtliche Notfälle <strong>in</strong> gleichem Maße e<strong>in</strong>e (technische) Strategie zurBekämpfung der Notfallursache (SzB), dies kann e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische Intervention (z. B.durch Ersthelfer oder den Rettungsdienst) se<strong>in</strong>, aber auch der E<strong>in</strong>satz der Polizei (z. B.<strong>bei</strong> der Festnahme e<strong>in</strong>es Geiselnehmers), das Löschen e<strong>in</strong>es Brandes durch die Feuerwehrsowie die Durchsetzung politischer oder militärischer Mittel (z. B. <strong>bei</strong> kriegerischenAuse<strong>in</strong>andersetzungen).Zweitens s<strong>in</strong>d Notfälle, wie bereits dargestellt, mit psychischen und sozialen Auswirkungen(psA) verbunden, dies s<strong>in</strong>d u. a. die entstehenden Gefühle und Gedanken, aberauch die <strong>in</strong>dividuellen Verhaltensweisen von Menschen <strong>in</strong> Notfällen.Drittens darf die kulturell-gesellschaftliche bzw. auch philosophisch-religiöse Dimension(kgprD) von Notfällen nicht übersehen werden, <strong>in</strong> der es <strong>bei</strong>spielsweise um dieBegründung und Bewertung von Notfällen geht.Viertens ist festzustellen, daß auch e<strong>in</strong>e ökonomische Dimension (ökonD) von Notfällennicht geleugnet werden kann: Jeder Notfall hat e<strong>in</strong>e Ursache, die e<strong>in</strong>e bestimmteIntervention notwendig macht, jeder Notfall wird auf e<strong>in</strong>e bestimmte Weise erlebt, jederNotfall wird auf e<strong>in</strong>e bestimmte (kulturell-gesellschaftlich bzw. philosophisch-10 Hier ist u. a. der Notfallort, die Witterung zum Zeitpunkt des Notfalls, aber auch die Aktivität der Anwesendenund ihr Verhältnis untere<strong>in</strong>ander von Bedeutung: So ist es e<strong>in</strong> Unterschied, ob sich e<strong>in</strong> Notfall <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Fabrikhalle während der Ar<strong>bei</strong>tszeit und im Beise<strong>in</strong> von Kollegen oder <strong>in</strong> der Küche ereignet, währende<strong>in</strong>e Familie zu abend ißt.11 Zu den gesellschaftlich-<strong>in</strong>stitutionellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen gehören z. B. die jeweiligen Strukturen desRettungsdienstes bzw. der öffentlichen Gefahrenabwehr und die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Gesellschaft üblichen Verfahrensweisenund vorhandenen Möglichkeiten im Umgang mit bzw. zur Bewältigung von Notfällen. So ist <strong>in</strong> <strong>in</strong>frastrukturelleher schwach entwickelten Ländern zweifellos e<strong>in</strong>e andere <strong>Hilfe</strong>leistung zu erwarten als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erhochentwickelten Industrie- bzw. High-Tech-Gesellschaft.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 15religiös geprägte) Weise begründet und bewertet – und jeder Notfall verursacht bestimmteKosten: Neben etwaigen Behandlungskosten für die Betroffenen s<strong>in</strong>d hier Reparatur-bzw. Instandsetzungskosten an beschädigten oder zerstörten Gegenständen, dieLeistungen von Versicherungen sowie nicht zuletzt auch der volkswirtschaftlicheSchaden zu nennen, der u. a. aus e<strong>in</strong>er vorübergehenden oder sogar dauerhaft anhaltendenVerm<strong>in</strong>derung der Ar<strong>bei</strong>tsfähigkeit bzw. sogar e<strong>in</strong>er Ar<strong>bei</strong>tsunfähigkeit geschädigterPersonen resultiert.Fünftens könnte – <strong>in</strong>sbesondere <strong>bei</strong> Erdbeben, Waldbränden, Überschwemmungen undanderen Naturkatastrophen – sogar noch e<strong>in</strong>e ökologische Dimension (ökolD) von Notfällen<strong>in</strong> Betracht gezogen werden.In jeder dieser Dimensionen e<strong>in</strong>es Notfalls lassen sich Probleme, Bedürfnisse der Betroffenenund drohende Gefahren, aber auch zur Verfügung stehende Ressourcen, situationsimmanenteChancen, durchzuführende Maßnahmen und anzustrebende Zieledef<strong>in</strong>ieren.In der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t sollen Notfälle pr<strong>in</strong>zipiell durchaus <strong>in</strong> diesem umfassendenS<strong>in</strong>ne verstanden werden. Aus pragmatischen Überlegungen, vor dem H<strong>in</strong>tergrund derZielsetzung der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t und <strong>in</strong>sbesondere im H<strong>in</strong>blick auf die Durchführunge<strong>in</strong>er explorativen Studie sche<strong>in</strong>t es dennoch s<strong>in</strong>nvoll und legitim, sich auf e<strong>in</strong>ige, anhandbestimmter Merkmale ausgewählte Notfallsituationen zu beschränken. Als Ar<strong>bei</strong>tsdef<strong>in</strong>itionfür die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t soll daher gelten:Notfälle s<strong>in</strong>d außerordentlich komplexe Situationen, die – wie beschrieben - <strong>in</strong> vielen unterschiedlichenDimensionen betrachtet werden können. Im Bewußtse<strong>in</strong> dieser Tatsachesteht <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t dennoch die psychologische Dimension v. a. solcher Notfälleim Mittelpunkt, <strong>in</strong> denen <strong>bei</strong> m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er Person e<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische <strong>Hilfe</strong>leistungdurch den Rettungsdienst notwendig wird.Im H<strong>in</strong>blick auf die noch näher zu erläuternde Betroffenheit von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> rücken auf dieseWeise vor allem folgende Notfälle <strong>in</strong> den Mittelpunkt der Betrachtungen:• Unfälle <strong>in</strong> Schulen, K<strong>in</strong>dergärten und K<strong>in</strong>derheimen sowie im Straßenverkehr und aufSpielplätzen,• mediz<strong>in</strong>ische Notfälle <strong>bei</strong> Familien- und K<strong>in</strong>derfesten,


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 16• mediz<strong>in</strong>ische Notfälle (z. B. akute Erkrankungen) im häuslichen Bereich, sofern K<strong>in</strong>deranwesend s<strong>in</strong>d und das Notfallgeschehen miterleben,• krim<strong>in</strong>elle Akte bzw. Gewaltverbrechen, <strong>bei</strong> denen K<strong>in</strong>der (z. B. als Augenzeugen)anwesend s<strong>in</strong>d, Brande<strong>in</strong>sätze, <strong>bei</strong> denen K<strong>in</strong>der aus e<strong>in</strong>em Gebäude evakuiert werden sowie andere E<strong>in</strong>sätze des Rettungsdienstes, sofern K<strong>in</strong>der am E<strong>in</strong>satzort oder <strong>in</strong> der näherenUmgebung anwesend s<strong>in</strong>d.1.1.2. Unverletzt-betroffenes K<strong>in</strong>dDie vorliegende Ar<strong>bei</strong>t stellt K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den Mittelpunkt, die e<strong>in</strong>en Notfall zwar körperlich<strong>unverletzt</strong> miterlebt haben, aber durch das bloße Erleben psychisch betroffen s<strong>in</strong>d. Lasoggaund Gasch schreiben diesbezüglich, daß „auch Personen, die mediz<strong>in</strong>isch kaum [oder garnicht] verletzt s<strong>in</strong>d, [...] psychisch außerordentlich stark bee<strong>in</strong>trächtigt se<strong>in</strong> [können]. E<strong>in</strong>epsychische Intervention kann <strong>bei</strong> ihnen sogar notwendiger se<strong>in</strong> als <strong>bei</strong> mediz<strong>in</strong>ischSchwerverletzen“ (LASOGGA/GASCH 2002a, S. 250; Zus. v. H.K.).Was unter dem Begriff „Betroffenheit“ verstanden wird, bedarf nun allerd<strong>in</strong>gs noch e<strong>in</strong>erweiteren Klärung. Im Bedeutungswörterbuch wird Betroffenheit als „unangenehmes Berührtse<strong>in</strong>“beschrieben, und e<strong>in</strong> Betroffener ist demnach e<strong>in</strong> „leidtragender Mensch“; jemand,der u. a. bestürzt, entsetzt, verwirrt und erschrocken ist, der die Fassung verliert undder etwas nicht mit ansehen oder anhören kann (vgl. DUDEN 1985, S. 140).Weil jedoch davon auszugehen ist, daß letztlich jeder Mensch – <strong>in</strong> gewissem Maße – vonNotfallsituationen betroffen ist, sobald er <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise von ihnen erfährt, ist diebeschriebene Erläuterung von Betroffenheit für die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t nur wenig hilfreich.Um zu e<strong>in</strong>em exakteren Begriffsverständnis zu gelangen, wird deshalb folgende Unterscheidungvorgeschlagen:• Primär betroffen s<strong>in</strong>d Menschen, die – unabhängig von körperlichen Verletzungen (!) -unmittelbar an e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen beteiligt s<strong>in</strong>d, wie z. B. als Fahrzeug<strong>in</strong>sasse <strong>bei</strong>e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall, als Bewohner e<strong>in</strong>er brennenden Wohnung oder als Geisel <strong>bei</strong>e<strong>in</strong>em Entführungsfall. Häufig werden diese primär bzw. direkt Betroffenen auch als„Notfallopfer“ bezeichnet (vgl. INNENMINISTERIUM NRW 1999, S. 4) 12 ; im H<strong>in</strong>-12 E<strong>in</strong> erweitertes Verständnis des Opferbegriffs, demzufolge auch die im folgenden Text beschriebenen,sekundär und tertiär <strong>betroffenen</strong> Personenkreise explizit als „Opfer“ des Notfallgeschehens zu betrachtens<strong>in</strong>d, f<strong>in</strong>det sich <strong>bei</strong> Trappe (TRAPPE 2000, S. 16).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 17blick auf die Zuständigkeit für die Versorgung dieser Betroffenen durch den Rettungsdienstist von „Notfallpatienten“ die Rede (vgl. RETTG NRW 1992, § 2 Abs. 1 Satz2) 13 .• Sekundär betroffen s<strong>in</strong>d Menschen, die <strong>in</strong> nächster Nähe bzw. e<strong>in</strong>er sehr ger<strong>in</strong>gen Distanzam tatsächlichen Notfallort anwesend s<strong>in</strong>d und das Geschehen real miterleben, z.B. als Augenzeuge e<strong>in</strong>es Unfalls, als Schaulustiger <strong>bei</strong> Feuerwehr- und Rettungsdienste<strong>in</strong>sätzenoder als (Erst-) Helfer <strong>in</strong> den verschiedensten Notfällen (vgl. zumAusmaß der Betroffenheit der genannten Personengruppen LASOGGA/GASCH2002a, S. 251).• Tertiär betroffen s<strong>in</strong>d schließlich Menschen, die aus den Medien oder unmittelbar vonanderen Menschen Nachricht von e<strong>in</strong>em Notfall erhalten, z. B. <strong>in</strong>dem sie e<strong>in</strong>e Tageszeitunglesen, Radio hören, e<strong>in</strong>e TV-Dokumentation sehen oder mit jemandem sprechen,der se<strong>in</strong>erseits primär oder sekundär von e<strong>in</strong>em Notfall betroffen ist (vgl. erneutLASOGGA/GASCH 2002a, S. 251).Die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t bezieht sich vor dem H<strong>in</strong>tergrund dieses Verständnisses von Betroffenheitnur auf K<strong>in</strong>der, die von e<strong>in</strong>em Notfall primär oder sekundär betroffen s<strong>in</strong>d.Gleichwohl ist es natürlich denkbar, daß auch auf die psychische Situation tertiär Betroffenerund die <strong>bei</strong> ihnen angebrachte <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> begründete Rückschlüsse gezogenwerden können.1.1.3. Mediz<strong>in</strong>ische und <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong>Wie <strong>in</strong> den vorangegangenen Abschnitten der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t beschrieben, wirkensich Notfälle gleichermaßen auf Körper und Psyche e<strong>in</strong>es Menschen aus und machen demzufolgee<strong>in</strong>e mediz<strong>in</strong>ische und auch e<strong>in</strong>e <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> erforderlich:Mediz<strong>in</strong>ische <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> (MEH) ist die Durchführung e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>fachen, vorläufigen, aberstets sehr wirkungsvollen mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Hilfe</strong>leistung durch Laien (sog. „Ersthelfer“), um13 Notfallpatienten s<strong>in</strong>d demnach „Personen, die sich <strong>in</strong> [...] entweder <strong>in</strong> Lebensgefahr bef<strong>in</strong>den oder <strong>bei</strong>denen schwere gesundheitliche Schäden zu befürchten s<strong>in</strong>d, wenn sie nicht unverzüglich mediz<strong>in</strong>ische <strong>Hilfe</strong>erhalten“ (RETTG NRW 1992, § 2 Absatz 1 Satz 2). Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ließe sich übrigens diskutieren,ob der Rettungsdienst nicht auch für die <strong>unverletzt</strong>en Betroffenen zuständig ist: Die mögliche Entstehunge<strong>in</strong>er Posttraumatischen Belastungsstörung oder e<strong>in</strong>er anderen psychischen Störung <strong>bei</strong> (alle<strong>in</strong>) psychisch„Verletzten“ - die zweifellos als schwere gesundheitliche Schädigung im S<strong>in</strong>ne der Normung anzusehen ist -legt diesen Gedanken zum<strong>in</strong>dest nahe bzw. könnte rechtfertigen, sogar die <strong>unverletzt</strong>en Betroffenen als Notfallpatientenzu betrachten (vgl. hierzu auch SCHMITT/PAJONK/POLOCZEK 2000 u. DASCHNER 2001,S. 12).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 18drohende oder bestehende Gefahren für die Gesundheit von Betroffenen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallabzuwenden, ihren Zustand zu stabilisieren und somit e<strong>in</strong>er Verschlimmerung der Situationentgegenzuwirken (vgl. z. B. KÖHNLEIN/WELLER/VOGEL/NOBEL/MEINERTZ1992, S. 1; PSCHYREMBEL 1994, S. 434; KARUTZ/VON BUTTLAR 1999, S. 11 u.SCHÄR/TAPPERT 1996, S. 1).Die Rettung aus Gefahrenbereichen, die Herstellung der stabilen Seitenlage <strong>bei</strong> Bewußtlosen,die Durchführung der Atemspende und der Herzdruckmassage zur Wiederbelebung,die Wundversorgung, die Ruhigstellung von Knochenbrüchen sowie die sachgerechte Lagerungvon Notfallpatienten, z. B. zur Schmerzl<strong>in</strong>derung, s<strong>in</strong>d da<strong>bei</strong> als wesentliche Bestandteileder mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> zu nennen.<strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> (PEH) 14 beschreiben Gasch und Lasogga als den „psychologischangemessenen Umgang mit Personen <strong>in</strong> akuten Notsituationen wie z. B. Unfällen. Nichtgeme<strong>in</strong>t ist die längerfristige 15 Betreuung im Rahmen von psychotherapeutischen Maßnahmen“(LASOGGA/GASCH 1997a, S. 70; vgl. auch SCHMITT/PAJONK/POLOCZEK2000, S. 533). In e<strong>in</strong>er anderen Quelle wird <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> als „e<strong>in</strong>e besondere Artder verbalen und nonverbalen Zuwendung zum Betroffenen“ def<strong>in</strong>iert (KARUTZ 1999b,S. 1008).Als Ziele der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> werden da<strong>bei</strong> genannt: Die Ermutigung und Stärkungdes Selbstvertrauens (KÜHNER 1988, S. 42-43), die Realisierung von Bedürfnissendes Betroffenen (vgl. REMKE 1995) sowie die Förderung von Sicherheit und Kontrolledes Patienten durch die Reduktion von Angst und Hilflosigkeit (vgl. NYBERG/MAYER/FROMMBERGER 2000, S. 29). An anderer Stelle ist von e<strong>in</strong>er Haltefunktion und e<strong>in</strong>erorientierend-strukturierenden Funktion der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> die Rede (vgl. HAN-NICH 1997, S. 13), während Lasogga und Gasch v. a. die psychische Stabilisierung unddie kurzfristige Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit von Betroffenen als Ziele der<strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> nennen (vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 59; vgl. aber auchMÜLLER-LANGE 2001, S. 80-81 u. BOURAUEL 1994, S. 477).14 Teilweise werden <strong>in</strong> der zur Verfügung stehenden Fachliteratur auch die Begriffe „psychologische Soforthilfe“(vgl. z. B. NETZWERK-PSYCHOLOGIE 2002) sowie „<strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> für die Seele“ (vgl. NAUMANN1996) verwendet.15 Auf die problematische Feststellung, wann e<strong>in</strong> Notfall eigentlich „beendet“ ist, wurde bereits h<strong>in</strong>gewiesen.Hier stellt sich nun z. B. die Frage, ab welchem Zeitpunkt e<strong>in</strong>e so zu bezeichnende „psychische zweite <strong>Hilfe</strong>“e<strong>in</strong>setzt!


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 19Auf die o. g. Aspekte der E<strong>in</strong>fachheit, Vorläufigkeit sowie der nachgewiesenen Wirksamkeitkann <strong>bei</strong> den Maßnahmen zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> übrigens <strong>in</strong> gleichem Maßeh<strong>in</strong>gewiesen werden wie <strong>bei</strong> der mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> 16 .Wichtig ist außerdem e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf, daß die <strong>Psychische</strong> und die Mediz<strong>in</strong>ische <strong>Erste</strong><strong>Hilfe</strong> sich nicht gegenseitig beh<strong>in</strong>dern bzw. die jeweiligen Zielsetzungen nicht im Gegensatzzue<strong>in</strong>ander stehen, sondern vielmehr e<strong>in</strong>ander ergänzen. In e<strong>in</strong>igen Def<strong>in</strong>itionen wirddie PEH im Übrigen auch als unmittelbarer Bestandteil der MEH betrachtet bzw. es ist vone<strong>in</strong>er <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> die Rede, die aus den gleichberechtigten (!) Bestandteilen MEH undPEH besteht (vgl. z. B. BOURAUEL 1994, S. 477 u. LASOGGA/GASCH 1997, S. 326).Der frühere <strong>Erste</strong>-<strong>Hilfe</strong>-Leitfaden des Deutschen Roten Kreuzes <strong>bei</strong>nhaltet als entsprechendeLehraussage: „Physische und psychische <strong>Hilfe</strong>leistung bilden e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit“(DEUTSCHES ROTES KREUZ 1998, S. 19a; Hervorh. v. H.K.).Zur Verfügung steht <strong>in</strong>zwischen jedenfalls e<strong>in</strong>e größere Anzahl unterschiedlicher Konzepte(bzw. Veröffentlichungen) zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong>, wo<strong>bei</strong> es sich hier nur teilweiseum die Ergebnisse notfallpsychologischer Forschung handelt (vgl. u. a. BENGEL1997; STEPAN 1998; LASOGGA/GASCH 1999a u. b; LASOGGA/GASCH 2000;LASOGGA 2001a, b u. c; DASCHNER 2001 sowie MÜLLER-LANGE 2001).„Empirisch abgesicherte Leitl<strong>in</strong>ien zum Umgang mit Notfallpatienten“ (LASOG-GA/GASCH 1999, S. 228) sowie persönliche Me<strong>in</strong>ungsäußerungen e<strong>in</strong>zelner s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sofernvone<strong>in</strong>ander zu unterscheiden – wenngleich mit dieser Feststellung nicht notwendigerweisee<strong>in</strong>e Wertung verbunden ist: Regeln zur Betreuung von Betroffenen, die z. B. auf persönlichenErfahrungen basieren, können durchaus s<strong>in</strong>nvoll und korrekt se<strong>in</strong>, nur ist dieGültigkeit empirisch abgesicherter Konzepte eben e<strong>in</strong>e andere.Auch wird darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß PEH-Konzepte unterschiedlich konkretisiert und „vielfachvor dem H<strong>in</strong>tergrund unterschiedlicher Theorieansätze, Menschenbilder [...] [,] Zielsetzungen[und Zielgruppen!] entwickelt worden s<strong>in</strong>d: So stehen z. B. Regelwerke, die aufwissenschaftlich analysierten Bedürfnissen von Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen bzw.der Bedürfnishierarchie nach Maslow basieren [...] neben anderen, die etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kirchlich-theologischfundierten Seelsorgetradition stehen“ (KARUTZ 2001, S. 37-38; Zus. v.H.K.).16 Bezugnehmend auf die Vorläufigkeit der psychischen <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> beschreiben z. B. mehrere AutorenMaßnahmen der PEH – wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise - als e<strong>in</strong>en Bestandteil e<strong>in</strong>er „(psychologischen)Rettungskette“ (vgl. z. B. FERTIG 1994, S. 7-11; LUCAS 2001, S. 17; POLOCZEK/SCHMITT/PAJONK 2001, S. 354).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 20Zusammenfassende Übersichten verschiedener Modelle und Regelwerke zur <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> bzw. e<strong>in</strong>e weitere Orientierungsmöglichkeit über bisherige Ar<strong>bei</strong>ten zur PEHs<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang <strong>bei</strong> Hockauf (HOCKAUF 2000) sowie Karutz (KARUTZ2001, S. 37-45) zu f<strong>in</strong>den.1.2. Begründung, Zielsetzung, Fragestellungen, Gliederung1.2.1. BegründungDarauf, daß K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfällen – unabhängig von körperlichen Verletzungen - erheblichenpsychischen Belastungen ausgesetzt s<strong>in</strong>d, daß das Erleben von Notfällen langfristiganhaltende Auswirkungen auf die Psyche verursachen kann und daß e<strong>in</strong>e altersgerechtepsychologische <strong>Hilfe</strong>leistung grundsätzlich so früh wie möglich erfolgen sollte, wurde vonBiermann bereits 1974 h<strong>in</strong>gewiesen (vgl. BIERMANN 1974, S. 117).In diesem S<strong>in</strong>ne – und mit e<strong>in</strong>em erneuten Verweis auf Biermann – schreibt auch Riedigere<strong>in</strong>ige Jahre später, daß „K<strong>in</strong>der [...] das Elementarereignis Unfall besonders stark [trifft].Selbst ohne direkte Schadense<strong>in</strong>wirkung von außen können psychische Schäden [...] auftreten,deren Behandlung e<strong>in</strong>en erheblichen Aufwand nach sich ziehen kann. Die Bee<strong>in</strong>trächtigungens<strong>in</strong>d weitgehend unabhängig von der Schwere des erlittenen körperlichenSchadens. Die Heilungschancen erhöhen sich jedoch, je schneller das K<strong>in</strong>d von e<strong>in</strong>er Personse<strong>in</strong>es Vertrauens wieder umsorgt wird“ (RIEDIGER 1983, S. 211; Zus. v. H.K.).Die Aktion Sorgenk<strong>in</strong>d veröffentlicht daraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ige „Ratschläge für die Eltern verunglückterK<strong>in</strong>der“ und stellt e<strong>in</strong> weiteres mal fest, daß „jeder – auch der sche<strong>in</strong>bar leichte –Unfall [...] Nachwirkungen auf die Psyche des K<strong>in</strong>des [hat]“ (AKTION SORGENKIND1987, S. 384). E<strong>in</strong> wenig später veröffentlichter Beitrag von Kühner bestätigt die Notwendigkeite<strong>in</strong>er besonderen PEH <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> dann noch e<strong>in</strong>mal erneut (KÜHNER 1988, S.43).Dennoch vergehen von nun an e<strong>in</strong>ige Jahre, <strong>in</strong> denen die spezielle Situation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong>Notfällen – zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> der Fachliteratur - offensichtlich nahezu unberücksichtigt gebliebenist: Wenngleich gerade <strong>in</strong> diesem Zeitraum zahlreiche Konzepte zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> Erwachsenen entwickelt worden s<strong>in</strong>d und durchaus – mit e<strong>in</strong>igen E<strong>in</strong>schränkungen- von e<strong>in</strong>em grundsätzlichen Bewußtse<strong>in</strong>swandel <strong>in</strong> den Rettungsdiensten die Redese<strong>in</strong> kann, der zu e<strong>in</strong>er zweifellos immer stärkeren Berücksichtigung psychologischer


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 21Aspekte von Notfallsituationen führte (vgl. KARUTZ 1999a, S. 212 u. LASOG-GA/GASCH 2002b, S. 57-58), schien die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er besonderen <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> diesem Zeitraum paradoxerweise fast e<strong>in</strong> wenig <strong>in</strong> Vergessenheitgeraten zu se<strong>in</strong>.Erst 1994 f<strong>in</strong>det sich <strong>bei</strong> Bourauel (wieder) e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf, daß es – neben den bis zudiesem Zeitpunkt vorliegenden Regelwerken für die PEH <strong>bei</strong> Erwachsenen – auch lohnendersche<strong>in</strong>e, „<strong>in</strong> weiteren Forschungsar<strong>bei</strong>ten komplexere Regeln zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> [...] zu erar<strong>bei</strong>ten sowie da<strong>bei</strong> die Thematik der alters- [!] und geschlechtsspezifischenWünsche [von] Unfallopfer[n] fortzuführen“ (BOURAUEL 1994a, S. 19; Zus. v.H.K.). Ebenfalls 1994 stellt L<strong>in</strong>de erneut fest: „Nicht nur die Verletzten s<strong>in</strong>d Opfer, sondernauch andere Unfallbeteiligte, desorientierte und verzweifelte H<strong>in</strong>terbliebene, <strong>in</strong>sbesondereK<strong>in</strong>der“ (LINDE 1994, S. 7), und Cresp<strong>in</strong> vertritt fast zeitgleich die Auffassung,daß gerade die Krisen<strong>in</strong>tervention <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>en Betroffenen noch weit entfernt sei (vgl.CRESPIN 1995, S. 943).Dementsprechend wird <strong>in</strong> den folgenden Jahren wieder häufiger – und durchaus nochdeutlicher als zuvor - auf die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er besonderen Betreuung von (<strong>unverletzt</strong>en)<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsitationen h<strong>in</strong>gewiesen (vgl. z. B. GLANZMANN 1997; HEINZ1998; LANDOLT 2000, S. 615; NYBERG/MAYER/ FROMMBERGER, S. 28; SEFRIN2001 u. KARUTZ 2001, S. 103 u. 107). Daschner schreibt hierzu, daß K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfallsituationenoft übersehen würden (vgl. DASCHNER 2001, S. 95). Auf der Internet-Homepage der Notfallseelsorge Leverkusen wird darüber <strong>in</strong>formiert, daß „K<strong>in</strong>der und derenspezielle Bedürfnisse [...] <strong>bei</strong> den Vorbereitungen zur Bekämpfung von Schadensereignissennicht oder nur selten berücksichtigt [werden]“ (NOTFALLSEELSORGE LE-VERKUSEN 2001; Zus. v. H.K.), und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Fernseh<strong>bei</strong>trag heißt es sogar, daß ebendiese Situation nicht verwunderlich sei, weil das Thema „<strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>“<strong>in</strong> der regulären Ausbildung von Rettungskräften überhaupt nicht auftauche (RE-PORT AUS MÜNCHEN 2001).Vor dem gleichen H<strong>in</strong>tergrund s<strong>in</strong>d dann auch die Ergebnisse e<strong>in</strong>er Studie der AkademieBruderhilfe zu betrachten, deren Ergebnisse 2002 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Broschüre mit dem Titel „unfallbeteiligtesK<strong>in</strong>d“ (P.A.P./BARTELS/KARUTZ/MÜLLER-LANGE/SEFRIN 2002)veröffentlicht werden:Hier wird u. a. darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß es für fast 60 % der von e<strong>in</strong>em Notfall <strong>betroffenen</strong>K<strong>in</strong>der unmittelbar nach dem Geschehen überhaupt ke<strong>in</strong>e Möglichkeit gab, ausführlich


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 22über das Erlebte zu sprechen; nur 13 % der <strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>der wurden <strong>in</strong> der ersten Zeitnach e<strong>in</strong>em Notfall professionell psychisch betreut. 38 % der <strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>der littenauch noch nach mehreren Jahren unter den psychischen Folgen e<strong>in</strong>es Notfallgeschehens, d.h. sie wiesen deutliche Symptome e<strong>in</strong>er Posttraumatischen Belastungsstörung wie z. B.Angstzustände, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, Schreckhaftigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten,Trennungsangst, Traurigkeit, Alpträume, Unruhezustände, Aggressionen,Wutausbrüche sowie e<strong>in</strong> Abs<strong>in</strong>ken der schulischen Leistungen auf.50 % der Eltern von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die e<strong>in</strong> Notfallgeschehen miterlebt hatten, wünschten sichrückblickend, daß es mehr Angebote zur akuten und langfristigen Betreuung ihres K<strong>in</strong>desgegeben hätte, und auch aus Sicht der professionellen Helfer (Notärzte, Rettungsdienstmitar<strong>bei</strong>ter,Polizei- und Feuerwehrbeamte sowie Notfallseelsorger) wurde überwiegend dieMe<strong>in</strong>ung vertreten, daß die Betreuung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> – obwohl zweifellos außerordentlichnotwendig – meist defizitär sei (vgl. P.A.P./BARTELS/KARUTZ/MÜLLER-LANGE/SE-FRIN 2002, S.38-40).Zusammenassend schreiben Wendler und Bandmann, daß „die Rettungskette [...] für Erwachsenegut organisiert [ist] – <strong>unverletzt</strong>e K<strong>in</strong>der dagegen [...] häufig am Unfallort mehroder weniger sich selbst überlassen [bleiben]“ (WENDLER/BANDMANN 2002, S. 2;Zus. v. H.K.).Schließlich bezeichnen auch Lasogga und Gasch die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>als „e<strong>in</strong> besonderes Problem“ und weisen noch e<strong>in</strong>mal darauf h<strong>in</strong>, daß die Betreuung von<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> mit besonderer Priorität erfolgen solle (LASOGGA/GASCH 2002b, S. 209 u. 214;vgl. abschließend auch JUEN 2002, S. 6 u. HAUSMANN 2003, S. 177).Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund dürfte e<strong>in</strong>e ausführliche und umfassende Thematisierung der <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen folglich mehr alsbegründet und gerechtfertigt ersche<strong>in</strong>en. Dies gilt noch umso mehr, weil festzustellen ist,daß trotz der häufig (und seit mehr als 25 Jahren!) erhobenen Forderung nach e<strong>in</strong>er speziellenBetreuung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> bislang offenbar nur relativ wenig getan worden ist, um dieseForderung auch tatsächlich umzusetzen. Zu dieser Problematik sei jedoch auf die Ausführungenim Abschnitt 2 der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t h<strong>in</strong>gewiesen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 231.2.2. Zielsetzung , Fragestellungen, GliederungAls Zielsetzung der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t wird angestrebt:1. auf Defizite der bisherigen Forschungslage zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong>Notfallsituationen h<strong>in</strong>zuweisen (Abschnitt 2),2. die psychische Situation von <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen zuanalysieren (Abschnitt 3),3. möglichst operationalisierte und e<strong>in</strong>fach anwendbare Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong><strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen zu entwickeln (Abschnitt4) sowie4. e<strong>in</strong>ige Möglichkeiten zur konkreten Umsetzung dieser Regeln <strong>in</strong> der Praxis <strong>bei</strong>spielhaftvorzustellen (Abschnitt 5).Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d zwei ergänzende Exkurse vorgesehen, die <strong>in</strong> engem Zusammenhangmit der Hauptthematik der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t stehen und die sich – im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Vorunde<strong>in</strong>er Rückschau – regelrecht aufdrängen:So wird im ersten Exkurs (Abschnitt 6) aufgegriffen, welche Maßnahmen zur pädagogischenVorbereitung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf das (Mit-) Erleben von Notfallsituationen geeignets<strong>in</strong>d - und im Rahmen des zweiten Exkurses (Abschnitt 7) ist vorgesehen, die Anwendbarkeitder Methodik des Critical Incident Stress Management (CISM) nach Jeffrey T. Mitchell<strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> kritisch zu h<strong>in</strong>terfragen und H<strong>in</strong>weise zu geben, wie e<strong>in</strong> mögliches „Debrief<strong>in</strong>gfür K<strong>in</strong>der“, d. h. die weitere Notfallnachsorge gestaltet werden könnte, sofern e<strong>in</strong>belastendes Ereignis (mit-) erlebt worden ist.Die zentralen Fragestellungen der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t lauten demnach:1. Was charakterisiert die psychische Situation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die e<strong>in</strong>e Notfallsituationmiterleben, ohne jedoch selbst körperlich verletzt worden zu se<strong>in</strong>? Wie wird das Geschehenwahrgenommen, empfunden und erklärt bzw. bewertet? Welche Ängste undBefürchtungen werden ausgelöst? Welche Wünsche bzw. Bedürfnisse und Hoffnungenbestehen aus Sicht e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des?2. Welche psychologische <strong>Hilfe</strong>leistung ist s<strong>in</strong>nvoll und angebracht? Welche Verhaltensweisens<strong>in</strong>d empfehlenswert, welche sollten vermieden werden?3. Wie können die zu entwickelnden Empfehlungen für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong>körperlich <strong>unverletzt</strong> gebliebenen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen praktisch umgesetztwerden? Wer kann diese Aufgabe wahrnehmen bzw. wer sollte für diese Aufgabe zu-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 24ständig se<strong>in</strong>? Welche strukturell-organisatorischen (auch e<strong>in</strong>satztaktischen) sowie personellenund materiellen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen bzw. Voraussetzungen müssen hierfür -z. B. im Rettungsdienst – erst noch geschaffen werden?1.3. Thematische E<strong>in</strong>ordnungLasogga und Gasch def<strong>in</strong>ieren die Notfallpsychologie als „Entwicklung und Anwendungvon Theorien und Methoden der Psychologie sowie ihrer Nachbardiszipl<strong>in</strong>en <strong>bei</strong> E<strong>in</strong>zelpersonenoder Gruppen, die von Notfällen betroffen s<strong>in</strong>d. [...] Notfallpsychologie umfasst[da<strong>bei</strong>] Präventions-, Interventions- und Nachsorgemaßnahmen, bezogen auf e<strong>in</strong>en relativkurzfristigen Zeitraum“ (LASOGGA/GASCH 2002b, S. 13; Zus. v. H.K.).In diesem S<strong>in</strong>ne ist die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t zweifellos <strong>in</strong> die Notfallpsychologie e<strong>in</strong>zuordnen,zumal sie def<strong>in</strong>itionsgemäß zentrale notfallpsychologische Fragestellungen aufgreift.Gleichwohl sche<strong>in</strong>t es zur Klärung dieser Fragestellungen ausdrücklich angebracht undnaheliegend, auch die Forschungsergebnisse bzw. Fachliteratur aus dem Bereich der Entwicklungspsychologie,der Psychotraumatologie, der Pädagogik, der K<strong>in</strong>derkrankenpflegesowie der Pädiatrie zu berücksichtigen, zumal davon ausgegangen wird, daß sich e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärerAnsatz bzw. e<strong>in</strong> Forschungsdesign, das auch für die Forschungsergebnisse,Theorien und Methoden verschiedener Diszipl<strong>in</strong>en offen ist, grundsätzlich nur positiv, d.h. als Ergänzung und Bereicherung auswirken kann:• Die Entwicklungspsychologie thematisiert die Wahrnehmung, das Denken und dasEmpf<strong>in</strong>den von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> verschiedenen Altersstufen. Auch das k<strong>in</strong>dliche Erlebene<strong>in</strong>er Notfallsituation und das k<strong>in</strong>dliche Verhalten <strong>in</strong> Notfällen kann demnach kaumverstanden werden, ohne auf bereits vorhandene entwicklungspsychologische Theorienund Erklärungsmodelle zurückzugreifen.• Die Psychotraumatologie als unmittelbare Nachbardiszipl<strong>in</strong> der Notfallpsychologiebefasst sich mit der Erforschung seelischer Verletzungen und ihrer Entstehungsbed<strong>in</strong>gungen,ihrem Verlauf, ihren unmittelbaren und Langzeitfolgen sowie den Maßnahmenund Verfahren im Rahmen e<strong>in</strong>er Traumatherapie (vgl. FISCHER/RIEDESSER1999, S. 348) 17 . Denkbar ist demnach, daß sich durchaus auch aus der psychotrauma-17 Notfallpsychologie und Psychotraumatologie s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>eswegs identisch: Da Notfälle durchaus e<strong>in</strong>e psychischeTraumatisierung verursachen können, ist die notfallpsychologische Forschung e<strong>in</strong>erseits Teil der Psy-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 25tologischen Forschung e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise zur notfallpsychologischen Soforthilfe ableitenlassen.• Der Bezug zur Pädagogik ergibt sich daraus, daß K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> und nach Notfallsituationenstets auch e<strong>in</strong>er besonderen, pädagogisch orientierten Zuwendung bedürfen (vgl.WOLF 1987, S. 159) und das Miterleben e<strong>in</strong>es Notfallgeschehens – vor dem H<strong>in</strong>tergrundder dar<strong>in</strong> enthaltenen Lern- und Entwicklungspotentiale - zweifellos auch zu erzieherischenKonsequenzen führen sollte. Zudem ist bereits die Vorbereitung von<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf mögliche Notfallsituationen unmittelbarer Bestandteil der Erziehung, sodaß gut begründet z. B. nicht nur von e<strong>in</strong>er Verkehrs-, Gesundheits- und Brandschutzerziehung,sondern explizit auch von e<strong>in</strong>er Sicherheits- bzw. Notfallerziehung dieRede se<strong>in</strong> kann, deren Aufgabe u. a. die notfallbezogene Psychoeducation sowie dasErlernen und E<strong>in</strong>üben s<strong>in</strong>nvoller und hilfreicher Verhaltensweisen <strong>in</strong> Notfällen ist.• Die K<strong>in</strong>derkrankenpflege könnte u. U. deshalb verwertbare Erkenntnisse liefern, weilsie sich seit e<strong>in</strong>igen Jahren – wie die Krankenpflege <strong>in</strong>sgesamt – als wissenschaftlicheDiszipl<strong>in</strong> etabliert, die sich <strong>in</strong> besonderem Maße um e<strong>in</strong> ganzheitlich-umfassendesVerständnis junger und hilfsbedürftiger Menschen mit ihren <strong>in</strong>dividuellen Sorgen,Ängsten und Bedürfnissen <strong>in</strong> Notsituationen bemüht. Auch für die Betreuung von<strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, deren Geschwister verletzt oder (chronisch) erkrankt s<strong>in</strong>d, wurden im Bereichder K<strong>in</strong>der- bzw. Familienkrankenpflege e<strong>in</strong>ige Konzeptionen entwickelt, diemöglicherweise <strong>in</strong>teressante Anregungen für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong><strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>bei</strong>nhalten (vgl. JUCHLI 1994, S. 561-570).• Aufgabe der Pädiatrie ist schließlich die mediz<strong>in</strong>ische Behandlung erkrankter undverletzter K<strong>in</strong>der, wo<strong>bei</strong> die Bedeutung psychologischer Faktoren für die Entstehungund den Verlauf von Krankheits- bzw. Genesungsprozessen durchaus auch <strong>in</strong> dieserDiszipl<strong>in</strong> seit Jahren bekannt und bereits <strong>in</strong> zahlreichen Veröffentlichungen thematisiertworden ist. Bereits 1984 forderte Kurz <strong>bei</strong>spielsweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lehrbuch der(mediz<strong>in</strong>ischen) K<strong>in</strong>dertraumatologie, daß das „Bemühen, die mediz<strong>in</strong>ische Versorgungoptimal zu gestalten, [...] sich mit der gleichen Gewissenhaftigkeit auf den psychischenBereich erstrecken [sollte]“ (KURZ 1984, S. 29; Zus. v. H.K.). Weiterschreibt er: „Wie die Asepsis zu den Selbstverständlichkeiten der Krankenhausversorgunggehört, sollte auch die Prophylaxe gegen psychische Schäden selbstverständlichchotraumatologie. Andererseits bezieht sich die Notfallpsychologie eben nicht nur auf die Erforschung vonTraumatisierungen und ist <strong>in</strong>sofern umfassender als die Psychotraumatologie.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 26se<strong>in</strong>. [...] Die Regeln der Hygiene nicht zu beachten, gilt heute als Kunstfehler, aber esgilt noch nicht als Kunstfehler, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d unnötig <strong>in</strong> Angst zu versetzen. E<strong>in</strong>e Verbesserungdieser Situation lässt sich nur erreichen, wenn man sich die Not des K<strong>in</strong>desimmer wieder bewusst macht“ (KURZ 1984, S. 29; vgl. auch EINSIEDEL/WOLFF1984; HAUPT 1984; SAUER 1984 u. LANDOLT 2000): Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund solldie pädiatrische Fachliteratur <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t ebenfalls berücksichtigt undauf H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aus mediz<strong>in</strong>ischer bzw. ärztlicherSicht h<strong>in</strong> untersucht werden.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 272. Der bisherige Forschungsstand zur<strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>Zweifellos kann e<strong>in</strong>e <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> nur dann wirksam geleistet werden, wenn siedie psychische Situation des Betroffenen adäquat berücksichtigt, d. h. wenn die Art se<strong>in</strong>erWahrnehmung und se<strong>in</strong>es Erlebens der Notfallsituation durch den oder die Helfer zum<strong>in</strong>destpr<strong>in</strong>zipiell nachvollzogen werden kann und <strong>bei</strong>spielsweise auch die spezifischen Ängste,Sorgen, Wünsche und Bedürfnisse e<strong>in</strong>es Notfall<strong>betroffenen</strong> wenigstens ansatzweisebekannt s<strong>in</strong>d. Insofern liegt es nahe, daß im folgenden Abschnitt der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>tzunächst der Forschungsstand zur psychischen Situation notfallbetroffener K<strong>in</strong>der thematisiertwird, bevor die bereits veröffentlichten H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> vorgestelltund diskutiert werden.2.1. Wahrnehmung und Erleben von NotfallsituationenDie psychische Situation (v. a. chronisch) erkrankter K<strong>in</strong>der (im Krankenhaus) wurde bereitsvon mehreren Autoren ausführlich untersucht und dargestellt, wo<strong>bei</strong> hier <strong>in</strong> besonderemMaße auf die grundlegenden Beiträge von Petermann und se<strong>in</strong>en Mitar<strong>bei</strong>tern h<strong>in</strong>zuweisenist (vgl. z. B. PETERMANN 1995 u. PETERMANN/WIEDEBUSCH 1995). Zudemwird der Aufbau impliziter Konzepte von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> über Krankheit und Gesundheit imdeutschsprachigen Raum seit e<strong>in</strong>igen Jahren v. a. von Lohaus erforscht (vgl. z. B. LO-HAUS 1990 u. LOHAUS 1993) wo<strong>bei</strong> die genannten Ar<strong>bei</strong>ten im wesentlichen auf derTheorie der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget sowie e<strong>in</strong>er Vielzahl empirischerUntersuchungen basieren (vgl. LOHAUS 1990, S. 5-7).Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige (ältere) Beiträge zur psychischen Situation von unfallbed<strong>in</strong>gtverletzten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aus dem Bereich der Pädiatrie zu f<strong>in</strong>den, die primär jedoch ebenfallsauf die mediz<strong>in</strong>ische Versorgung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Krankenhaus bezogen s<strong>in</strong>d und somit dieWahrnehmung und das Erleben von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> an der Unfallstelle bzw. dem Notfallort (imeigentlichen Notfallgeschehen) <strong>in</strong>teressanterweise eher ausgeblendet haben (vgl. z. B.EINSIEDEL/WOLFF 1984; HAUPT 1984 u. KURZ 1984).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 28Diese orig<strong>in</strong>är notfallpsychologische Thematik wurde bislang – unterschiedlich strukturiertund z. T. offenbar auch für unterschiedliche Zielgruppen aufbereitet 18 - nur von wenigenAutoren aufgegriffen (vgl. GLANZMANN 1997; HEINZ 1998; KARUTZ 2001; KA-RUTZ 2002a; KARUTZ 2002d; JUEN 2002; P.A.P./BARTELS/KARUTZ/MÜLLER-LANGE/SEFRIN 2002 u. HAUSMANN 2003, S. 177-183), wo<strong>bei</strong> wiederum die psychischeSituation von verletzten oder akut erkrankten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>deutig im Vordergrundsteht.H<strong>in</strong>weise zur psychischen Situation <strong>unverletzt</strong>-betroffener K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfällen f<strong>in</strong>den sichexplizit nur <strong>in</strong> vier von diesen Beiträgen (vgl. KARUTZ 2002d; P.A.P./BARTELS/KA-RUTZ/MÜLLER-LANGE/SEFRIN 2002; JUEN 2002 u. HAUSMANN 2003, S. 181-183), wenngleich e<strong>in</strong>schränkend festzustellen ist, daß sich auch diese Beiträge letztlichkaum auf empirisch gesicherte Erkenntnisse, sondern vielmehr auf theoretisch begründeteÜberlegungen, subjektive Erfahrungen der jeweiligen Autoren und zahlreiche Schlussfolgerungenstützen können, die letztlich v. a. anhand der zur Verfügung stehenden Fachliteraturgezogen worden s<strong>in</strong>d.Zusammenfassend lässt sich die psychische Situation <strong>unverletzt</strong>-betroffener K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfallsituationendemnach zunächst – wie <strong>bei</strong> Erwachsenen auch - als e<strong>in</strong> „komplexes Gefügevon Belastungsfaktoren und Moderatorvariablen mit zahlreichen Bee<strong>in</strong>flussungsmöglichkeitenund Wechselwirkungen untere<strong>in</strong>ander“ (KARUTZ 2002a, S. 451) beschreiben, undpr<strong>in</strong>zipiell können durchaus auch die gleichen physischen, kognitiven, emotionalen undverhaltensbezogenen Stressreaktionen auftreten wie <strong>bei</strong> Erwachsenen (vgl. auchFROMMBERGER/LASOGGA 1997; HANNICH 1997; LASOGGA/GASCH 2000, S. 21-38; KARUTZ 2001, S. 27-35; LASOGGA/GASCH 2002b, S. 27-46 u. P.A.P/BARTELS/KARUTZ/MÜLLER-LANGE/SEFRIN 2002, S. 13; Abb. 6).18 Während Glanzmann <strong>bei</strong>spielsweise - analog zu den Phasen der kognitiven Entwicklung nach Piaget - e<strong>in</strong>erecht anspruchsvolle Darstellung der psychischen Situation von notfall<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> verschiedenenAltersstufen vornimmt, wurde <strong>in</strong> den Beiträgen von Karutz auf e<strong>in</strong>e altersabhängige Differenzierung ausdidaktischen Gründen weitgehend verzichtet und stattdessen, sofern möglich, e<strong>in</strong>e behutsame „Verallgeme<strong>in</strong>erung“der darzustellenden Inhalte angestrebt, um die Zielgruppe der Veröffentlichungen – nämlich dasrettungsdienstliche Fachpersonal – nicht zu überfordern.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 29Physiologische Belastungen• Externe Faktoren• Interne FaktorenPsychologische Belastungen• Individualpsychologisch• SozialpsychologischSubjektive Wahrnehmungund Bewertung"Subjektive Realität"Psychologische, soziographische, situative und biologische ModeratorvariablenIndividuelle Reaktionen• Emotional• Kognitiv• Verhaltensbezogen• PsychophysischKurz- und langfristige Auswirkungen; evtl. SpätfolgenAbb. 6: Die psychische Situation Betroffener <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen (vgl. LASOG-GA/GASCH 2000, S. 21; KARUTZ 2001, S. 35 u. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 28)Jedoch ist ergänzend auf zahlreiche Eigenarten des spezifisch k<strong>in</strong>dlichen Erlebens e<strong>in</strong>erNotfallsituation h<strong>in</strong>zuweisen, wo<strong>bei</strong> die Qualität der Neuheit e<strong>in</strong>es Notfallgeschehens, diebisherigen Vorerfahrungen mit Notfällen, wahrnehmungspsychologische Aspekte, dasAuftreten etwaiger Bewegungse<strong>in</strong>schränkungen, die An- oder Abwesenheit von Bezugspersonen,der Stand der Sprach- und der kognitiven Entwicklung, Erziehungse<strong>in</strong>flüsse sowienicht zuletzt auch die Art der erfolgenden <strong>Hilfe</strong>leistung bzw. das Verhalten (und dieAnzahl) der Helfer an der E<strong>in</strong>satzstelle offenbar von besonderer Bedeutung s<strong>in</strong>d (vgl. KA-RUTZ 2001, S. 52-87; KARUTZ 2002a u. KARUTZ 2002d):• Während Erwachsene <strong>in</strong> ihrem Leben meist schon mehrere unterschiedliche Notfallsituationen(mit-) erlebt haben, dürften <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (zum<strong>in</strong>dest bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Alter)vergleichbare Vorerfahrungen fast vollständig fehlen. Insofern ist die Qualität der Neu-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 30heit von Notfallsituationen für K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>e andere als für Erwachsene, und <strong>in</strong>soferndürften Notfälle auch als besonders belastend empfunden werden.• Falls bereits Vorerfahrungen mit Notfällen gesammelt werden konnten, wirkt sich aus,ob und wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihnen lernen konnte, selbständig auf neue und unbekannte Situationenzu reagieren. In diesem Zusammenhang kann <strong>bei</strong>spielsweise auch auf dasPhänomen der erlernten Hilflosigkeit h<strong>in</strong>gewiesen werden (vgl. MIETZEL 1994, S.191).• Bezogen auf wahrnehmungspsychologische Aspekte ist zunächst festzustellen, daßK<strong>in</strong>der Notfallgeschehen aus e<strong>in</strong>er besonderen Lageperspektive wahrnehmen, wasmöglicherweise dazu führt, daß die Umgebung – und z. B. auch e<strong>in</strong> her<strong>bei</strong> eilender Mitar<strong>bei</strong>terdes Rettungsdienstes, dessen mediz<strong>in</strong>isches Gerät oder auch nur e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelneBewegung – ungewöhnlich verzerrt ersche<strong>in</strong>t und als bedrohlich empfunden wird.Zudem wird von e<strong>in</strong>igen Autoren darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß die Wahrnehmung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong><strong>in</strong> besonderem Maße und stärker als <strong>bei</strong> Erwachsenen durch Gerüche geprägt wird,die – v. a. wenn sie scharf und unangenehm s<strong>in</strong>d (wie <strong>bei</strong>spielsweise Des<strong>in</strong>fektionsmitteloder Brandgase) – zusätzliche Ängste auslösen können (vgl. DE KUIPER 1999, S.39).• Bewegungse<strong>in</strong>schränkungen - die z. B. durch e<strong>in</strong>e Fraktur verursacht worden s<strong>in</strong>d oderim Rahmen der Behandlung anderer Verletzungen notwendig werden - führen <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>aus mehreren Gründen zu besonderen Belastungen: Weil K<strong>in</strong>der ohneh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>enstärkeren Bewegungsdrang verspüren als Erwachsene, s<strong>in</strong>d Bewegungse<strong>in</strong>schränkungenauch von vornhere<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>er deutlicheren E<strong>in</strong>schränkung des Lebensraumes verbunden.Zudem haben K<strong>in</strong>der i. d. R. noch nicht e<strong>in</strong>e solche Körperbeherrschung gelernt,wie dies <strong>bei</strong> Erwachsenen zweifellos vorausgesetzt werden kann, so daß es e<strong>in</strong>em verletztenK<strong>in</strong>d auch weitaus größere Probleme bereiten dürfte als e<strong>in</strong>em Erwachsenen, z.B. zu Untersuchungszwecken ruhig liegen zu bleiben oder <strong>bei</strong> der Durchführung e<strong>in</strong>zelnerHilfsmaßnahmen still zu halten. Letztlich kann von e<strong>in</strong>er regelrechten Paradoxie gesprochenwerden, weil der Notfall (im S<strong>in</strong>ne der Erregungsabfuhr) womöglich sogarden natürlichen Bewegungsdrang noch steigert, während er zugleich jedoch – verletzungs-oder krankheitsbed<strong>in</strong>gt – e<strong>in</strong>e Bewegungse<strong>in</strong>schränkung verursacht bzw. erforderlichmacht 19 . Besonders problematische Situationen können sich <strong>in</strong>sbesondere da-19 Bezogen auf das Thema der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t kann auch darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, daß K<strong>in</strong>der sich<strong>bei</strong>spielsweise <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>er Geiselnahme <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schule u. U. ebenfalls kaum bewegen dürfen und möglichst


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 31durch ergeben, daß e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, je aufgeregter es ist und umso mehr es sich bewegenmöchte, auch umso mehr <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Bewegungsfreiheit e<strong>in</strong>geschränkt werden muss, soferndies etwa für die Behandlung notwendig ist. Die Anwendung von Zwang bzw. dasregelrecht gewaltsame Festhalten e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des lässt sich dann häufig nicht vermeiden,wodurch wiederum die psychische Erregung und folglich auch der Bewegungsdrang gesteigertwerden (vgl. REMSCHMIDT 1994, S. 257-258).• Die Anwesenheit der Bezugspersonen (bzw. der Eltern) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen istfür K<strong>in</strong>der deshalb von größter Bedeutung, weil K<strong>in</strong>der sich <strong>in</strong> deren Nähe pr<strong>in</strong>zipiellzweifellos sicher und geborgen fühlen (vgl. DE KUIPER 1999, S. 40). Umgekehrt werdendie <strong>in</strong> Notfallsituationen ohneh<strong>in</strong> schon bestehenden Ängste und Gefühle der Unsicherheiti. d. R. nochmals verstärkt, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zusätzlich die Abwesenheit se<strong>in</strong>erBezugspersonen ertragen muss und sich u. U. auch alle<strong>in</strong>e gelassen fühlt. Fischer undRiedesser weisen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auf die Forschungsar<strong>bei</strong>ten von AnnaFreud und deren Mitar<strong>bei</strong>ter<strong>in</strong>nen h<strong>in</strong>: In Studien, die kurz nach dem zweiten Weltkriegdurchgeführt wurden, ließ sich da<strong>bei</strong> feststellen, daß K<strong>in</strong>der, die massive Bombenangriffegeme<strong>in</strong>sam mit ihren Eltern erlebt hatten, diese Erfahrung offenbar besser verar<strong>bei</strong>tenkonnten und weniger häufig psychisch traumatisiert wurden als K<strong>in</strong>der, die <strong>in</strong>durchaus guter Absicht von ihren Eltern getrennt und <strong>in</strong> ländliche Regionen bzw. dortigeK<strong>in</strong>derheime verschickt wurden, um vor den Angriffen der Alliierten geschützt zuse<strong>in</strong> (vgl. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 248).Allerd<strong>in</strong>gs ist die Anwesenheit von Bezugspersonen e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> Notfallgeschehenke<strong>in</strong>eswegs immer positiv zu bewerten (vgl. HOFMANN 1999, S. 991): ProblematischeAuswirkungen ergeben sich v. a. dann, wenn sich e<strong>in</strong>e eigene Aufregung und Unsicherheitder Bezugspersonen auf ihr K<strong>in</strong>d (und wieder zurück) überträgt, die sonst Halt undSicherheit vermittelnden Bezugspersonen plötzlich selbst als völlig hilflos erlebt werdenoder durch die Anwesenheit von Bezugspersonen e<strong>in</strong>e Beunruhigung bzw. Verunsicherungdes Rettungsdienstpersonals verursacht und somit möglicherweise auch die Qualitätder notwendigen <strong>Hilfe</strong>leistung bee<strong>in</strong>trächtigt wird (vgl. EINSIEDEL/WOLFF 1984,S. 51; GLANZMANN 1997, S. 130 u. KARUTZ 2001, S. 57-59).Zudem können erhebliche Störungen im Vertrauen des K<strong>in</strong>des zu se<strong>in</strong>en Bezugspersonenausgelöst werden, sofern diese nämlich selbst an der Durchführung von unangestillverhalten müssen, sofern der Täter dies von ihnen verlangt. Die weiteren Ausführungen zu den Auswirkungenvon Bewegungse<strong>in</strong>schränkungen gelten dementsprechend auch <strong>in</strong> diesem Fall.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 32nehmen oder sogar schmerzhaften Maßnahmen (des Rettungsdienstes) beteiligt s<strong>in</strong>d(vgl. GLANZMANN 1997, S. 127).• Der aktuelle Stand der Sprachentwicklung wirkt sich auf die psychische Situation von<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen <strong>in</strong>sofern aus, als daß es durch ihn – besonders dann, wenn e<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d große Angst hat - u. U. verh<strong>in</strong>dert wird, z. B. Schmerzen und andere Empf<strong>in</strong>dungenso <strong>in</strong> Worten auszudrücken, wie es der Situation entsprechend notwendig und auchaus Sicht des K<strong>in</strong>des durchaus wünschenswert wäre. Diese „kommunikative Barriere“könnte dann wiederum dazu führen, daß e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d im Rahmen der <strong>Hilfe</strong>leistung weitgehendunverstanden bleibt und auf se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuellen Bedürfnisse auch nicht angemessene<strong>in</strong>gegangen wird, weil diese von vornhere<strong>in</strong> nicht erkannt worden s<strong>in</strong>d (vgl. DEKUIPER 1999, S. 6-7 u. 10; LOHAUS 1990, S. 19).• Der Stand der kognitiven Entwicklung bed<strong>in</strong>gt das Verständnis der Notfallursache undder Abläufe <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen <strong>in</strong>sgesamt; je nach Entwicklungsphase werdenspezifisch andere Konzepte zur Erklärung (und zur Verar<strong>bei</strong>tung!) des Erlebten herangezogen.Von besonderer Bedeutung s<strong>in</strong>d da<strong>bei</strong> – v . a. im präoperationalen Stadiumder kognitiven Entwicklung - die Neigung zur Entwicklung von Schuldgefühlen undBestrafungsphantasien, der fehlende Zeit- und Erhaltungsbegriff, das ausschließlichwahrnehmungsgebundene und egozentrierte Denken; die Unfähigkeit, Teil-Ganzes-Relationen zu erkennen; die Unfähigkeit, komplexe Kausalzusammenhänge realistischnachzuvollziehen sowie die Unfähigkeit zur Perspektivübernahme bzw. zum gedachtenRollenwechsel. Außerdem ist <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> von Wissensdefiziten sowie - z. B. im H<strong>in</strong>blickauf die Anatomie, die Funktionsweise und die Bedeutung e<strong>in</strong>zelner Körperbestandteile- vom Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es regelrecht „falschen“ Wissens auszugehen, wodurchmagisch-mystische, mitunter auch vollkommen irrationale Erklärungen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>für miterlebte Notfallsituationen zum<strong>in</strong>dest teilweise verständlich werden (vgl.LOHAUS 1990). Ausführliche Darstellungen hierzu f<strong>in</strong>den sich im Übrigen <strong>bei</strong> Glanzmann(GLANZMANN 1997) und Karutz (KARUTZ 2001, S. 61-68).• Durch Erziehungse<strong>in</strong>flüsse können <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> feste Assoziationen zwischen Ungezogenheitund e<strong>in</strong>er Erkrankung bzw. e<strong>in</strong>er Behandlungsmethode geschaffen werden, dieim Notfall dann - als e<strong>in</strong>e Form des oben genannten „falschen“ Wissens und im Kontextder Tatsache, daß ohneh<strong>in</strong> die beschriebene Neigung zur Entwicklung von Schuldgefühlenund Bestrafungsphantasien besteht - zusätzlich belastend wirken (vgl. REM-SCHMIDT 1994, S. 257-258 u. 268). Dies ist z. B. dann der Fall, „wenn [...] zu Hause


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 33von Spritzen als ‚Strafe’ gesprochen wurde“ (REMSCHMIDT 1994, S. 268) oder die<strong>bei</strong> Erkrankungen häufig notwendige Bettruhe zuvor unreflektiert als Erziehungsmittele<strong>in</strong>gesetzt worden ist. „Auch bevorstehende Operationen können von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> mit e<strong>in</strong>erBestrafung <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden, wenn e<strong>in</strong> entsprechendes Verhalten der Eltern<strong>in</strong> der bisherigen Erziehung solche Gedankengänge nahelegt“ (KARUTZ 2001, S.56).Darüber h<strong>in</strong>aus hängt das k<strong>in</strong>dliche Erleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation auch vom grundsätzlichenErziehungsstil der Eltern, der Beziehung zwischen e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d und se<strong>in</strong>en Elternsowie davon ab, ob und <strong>in</strong> welchem Umfang e<strong>in</strong>e erzieherische Vorbereitung auf solcheGeschehen erfolgt ist (vgl. LOHAUS 1990; GLANZMANN 1997, S. 133 u. FISCHER2001, S. 124-126).• Die Art der <strong>Hilfe</strong>leistung ist zweifellos auch <strong>bei</strong> Erwachsenen e<strong>in</strong>e Moderatorvariable,die das Erleben von Notfallsituationen wesentlich bee<strong>in</strong>flusst. Lasogga und Gasch berichtensogar von möglichen Sekundärtraumatisierungen durch e<strong>in</strong> unangemessenesVerhalten der Helfer am E<strong>in</strong>satzort (vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 46). Bei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>sche<strong>in</strong>t allerd<strong>in</strong>gs v. a. die weiß-rote E<strong>in</strong>satzkleidung sowie die Anzahl der e<strong>in</strong>treffendenHelfer als besonders belastend und angstauslösend empfunden zu werden (vgl.KARUTZ 2001, S. 76, 87 u. 92).In e<strong>in</strong>em schematisierten Verlaufsmodell wird das k<strong>in</strong>dliche Erleben schließlich vor demH<strong>in</strong>tergrund dieser Faktoren als e<strong>in</strong> Teufelskreislauf beschrieben, der mit e<strong>in</strong>er Schockreaktionauf den E<strong>in</strong>tritt des Notfallgeschehens beg<strong>in</strong>nt und der - nach und nach bzw. imS<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er regelrechten Kettenreaktion - e<strong>in</strong>e „fragende Verunsicherung“, belastende (v.a. Angst- und Schuld-) Gefühle, e<strong>in</strong> verstärktes Informationsbedürfnis, e<strong>in</strong>e Verm<strong>in</strong>derungder verbalen Ausdrucksfähigkeit, e<strong>in</strong>e zunehmende Erregung, e<strong>in</strong>e verm<strong>in</strong>derte Fähigkeitzur zielgerichteten Informationsaufnahme und -verar<strong>bei</strong>tung, Gefühle der Überforderungund Hilflosigkeit sowie letztlich – nach dem E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en „psychischen Gefahrenbereich“- e<strong>in</strong>en völligen Kontrollverlust zur Folge hat, wodurch die anfängliche Verunsicherungnoch e<strong>in</strong>mal erneut verstärkt wird (Abb. 7; e<strong>in</strong>e ausführliche Beschreibung diesesTeufelskreises enthält KARUTZ 2002d).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 34K<strong>in</strong>dlicheWahrnehmungSchreck,Schock!TotalerKontrollverlustFragendeUnsicherheitPassivität,HilflosigkeitÜberforderung undHandlungsunfähigkeit"Danger Zone!"SchmerzAngstBelastende Gefühleund Gedanken(Schuldgefühle!)Verm<strong>in</strong>derung derverbalen AusdrucksfähigkeitVerm<strong>in</strong>derte Fähigkeitzu zielgerichteter Informationsverar<strong>bei</strong>tungund AktivitätZunehmendeErregungVerstärktesInformationsbedürfnis<strong>bei</strong> ohneh<strong>in</strong> bestehendemInformationsdefizitAbb. 7: Die psychische Situation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfall als Teufelskreis (KARUTZ2002d)2.2. Auswirkungen und Spätfolgen von Notfallsituationen2.2.1. Allgeme<strong>in</strong>e Symptome kurz- und langfristiger AuswirkungenIn der gesamten Fachliteratur besteht offenbar völlige Übere<strong>in</strong>stimmung dah<strong>in</strong>gehend, daßNotfälle für K<strong>in</strong>der sehr häufig bzw. sogar fast immer mit (überwiegend negativen) psychischenAuswirkungen verbunden s<strong>in</strong>d (vgl. LANDOLT 2000, S. 617). So schreibt Fischer:„Wir wissen heute, daß Traumatisierung [bzw. das Miterleben e<strong>in</strong>es Notfalls alspotentiell traumatisierende Situation] im K<strong>in</strong>desalter <strong>in</strong> aller Regel schwerwiegende KurzundLangzeitfolgen nach sich zieht“ (FISCHER 2001, S. 121; Zus. v. H.K.).Weiterh<strong>in</strong> ist <strong>in</strong> der Fachliteratur von „vielfältigen psychosozialen Konsequenzen“, „e<strong>in</strong>ergroßen Spannbreite psychischer Reaktionen“ (LANDOLT 2000, S. 615) sowie „grundlegendenVeränderungen der k<strong>in</strong>dlichen Lebenssituation“ (vgl. REMSCHMIDT 1994, S.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 35257) die Rede, und auf die aus dieser Erkenntnis resultierende Forderung nach e<strong>in</strong>er möglichstfrühzeitig e<strong>in</strong>setzenden <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> wurde bereits im ersten Abschnittder vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t h<strong>in</strong>gewiesen.Im folgenden Teil der Darstellung sollen die verschiedenen psychischen Symptome, diedas k<strong>in</strong>dliche Miterleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation verursachen kann, nun im e<strong>in</strong>zelnen beschriebenund erläutert werden:Die Aktion Sorgenk<strong>in</strong>d nennt zunächst Kopfschmerzen, Schlafstörungen, „Straßenängste“,aggressive Verhaltensweisen, Konzentrationsschwächen, rasche Ermüdung und Unaufmerksamkeit.Zudem weisen die Autoren auf Bee<strong>in</strong>trächtigungen des familiären Lebensh<strong>in</strong>, und außerdem wird e<strong>in</strong> – allerd<strong>in</strong>gs nicht näher begründeter - Zusammenhang zwischenmiterlebten Verkehrsunfällen und dem Auftreten von Schulängsten hergestellt (vgl.AKTION SORGENKIND 1987, S. 384).In e<strong>in</strong>er neueren Informationsbroschüre der Akademie Bruderhilfe werden neben diesenSymptomen ergänzend auch e<strong>in</strong>e erhöhte Reizbarkeit, Gedächtnis- bzw. Er<strong>in</strong>nerungsschwierigkeiten,aber auch e<strong>in</strong>e erhöhte Suizidgefährdung sowie e<strong>in</strong>e - zum<strong>in</strong>dest <strong>bei</strong> älteren<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> bzw. Jugendlichen - drohende Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit aufgeführt(vgl. P.A.P./BARTELS/KARUTZ/MÜLLLER-LANNGE/SEFRIN 2002, S. 17-22), wo<strong>bei</strong> e<strong>in</strong>e noch weitaus strukturiertere Darstellung der psychischen Notfallfolgen <strong>bei</strong>Fischer und Riedesser zu f<strong>in</strong>den ist: Sie verweisen darauf, daß die wesentlichsten Symptome,die <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nach Notfällen auftreten können, dem psychotraumatischen Belastungssyndrom<strong>bei</strong> Erwachsenen ähneln, so daß sich im Endeffekt vier Merkmale bzw.Symptomgruppen unterscheiden lassen. Dies s<strong>in</strong>d1. wiederkehrende, sich aufdrängende Er<strong>in</strong>nerungen (<strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Albträumen undsogenannten „Flashbacks“),2. sich ständig wiederholende, also „repetitive“ Verhaltensweisen wie z. B. das traumatischeSpiel, <strong>bei</strong> dem immer und immer wieder das Notfallgeschehen nachgespielt wird,ohne daß da<strong>bei</strong> e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> für den Zusammenhang des Spiels mit der verursachendenSituation besteht,3. Ängste <strong>in</strong> Bezug auf das traumatisierende (Notfall-) Ereignis und schließlich4. e<strong>in</strong>e veränderte E<strong>in</strong>stellung zu Menschen, zum Leben und zur Zukunft sowie der Verlustdes Vertrauens und negative Erwartungen an das Leben (vgl. FISCHER 2001, S.121 u. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 251).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 37gen (PTBS) und verschiedener Anpassungsstörungen h<strong>in</strong>weist (vgl. LANDOLT 2000, S.616):• Akute Belastungsreaktionen s<strong>in</strong>d demnach vorübergehende Störungen, die sich alsnormale Reaktion e<strong>in</strong>es ansonsten psychisch gesunden K<strong>in</strong>des auf außergewöhnliche –eben nicht normale – Belastungen entwickeln, mit zahlreichen der bereits genanntenSymptomen, aber auch mit psychophysischen Zeichen wie z. B. Tachykardie, Schwitzenund Erröten e<strong>in</strong>her gehen und die i. d. R. <strong>in</strong>nerhalb von Stunden oder wenigen Tagenauch wieder vollständig abkl<strong>in</strong>gen.• Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) zeichnen sich demgegenüber durch diegleichzeitige und <strong>in</strong> jedem Fall länger als e<strong>in</strong>en Monat fortbestehende „Symptomtrias“von beständigem Wiedererleben der traumatischen Situation (<strong>in</strong> Bildern, Alb- oderTagträumen, Flashbacks oder Spielen), anhaltendem Vermeidungsverhalten (um jedeMöglichkeit e<strong>in</strong>er Er<strong>in</strong>nerung an die traumatische Situation von vornhere<strong>in</strong> auszuschließen)sowie e<strong>in</strong>er physiologischen Übererregung (mit e<strong>in</strong>er dauerhaft vermehrtenAusschüttung von Stresshormonen) aus, wo<strong>bei</strong> diese Symptome <strong>in</strong> den Diagnosekriteriendes DSM IV nochmals wesentlich differenzierter beschrieben s<strong>in</strong>d 22 (vgl. LAN-DOLT 2000, S. 616).• Anpassungsstörungen werden abschließend als „Zustände subjektiver Bedrängnis undemotionaler Bee<strong>in</strong>trächtigung [bezeichnet], die im allgeme<strong>in</strong>en soziale Funktionen undLeistungen beh<strong>in</strong>dern und während des Anpassungsprozesses nach e<strong>in</strong>em belastendenEreignis auftreten“ (LANDOLT 2000, S. 616; Zus. v. H.K.). Diese Anpassungsstörungenkönnen ebenfalls mit Depressionen und Ängsten, aber auch mit Störungen des Sozialverhaltenswie z. B. e<strong>in</strong>em dissozialem Verhalten verbunden se<strong>in</strong>.2.2.2. H<strong>in</strong>weise zu den Symptomen weiterer KomplikationenZahlreiche weitere H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> der Fachliteratur beziehen sich auf die mitunter sehr langfristigenpsychischen („Sekundär“-) Folgen e<strong>in</strong>es Notfallgeschehens bzw. auf jene Komplikationen,die sich unter Umständen erst aus den bereits beschriebenen („Primär“-) Folgenergeben.22 Insbesondere die ebenfalls nachweisbaren Veränderungen im Bereich des Immunsystems und der hormonellenRegulation betroffener Menschen (vgl. LANDOLT 2000, S. 619 u. MITCHELL/EVERLY 1998, S.53-55) sollen <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t jedoch weitgehend unberücksichtigt bleiben.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 38So neigen Eltern mitunter dazu, notfallbetroffene K<strong>in</strong>der übertrieben zu beschützen oderauch übermäßig zu verwöhnen (vgl. LOHAUS 1990, S. 92), wodurch dann wiederum Veränderungen(bzw. gerade auch E<strong>in</strong>schränkungen!) des k<strong>in</strong>dlichen Verhaltens ausgelöstwerden könnten. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn Eltern ihrem K<strong>in</strong>d aus Angst vor e<strong>in</strong>ererneuten Notfallsituation verbieten, mit Freunden zu e<strong>in</strong>er Zeltfreizeit zu fahren – sie ihmstattdessen jedoch e<strong>in</strong> hochmodernes Computerspiel schenken, mit dem es sich – völliggefahrlos – zu Hause beschäftigen kann. Akzeptiert e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d diese fragwürdigerzieherischenMaßnahmen, drohen dadurch Veränderungen im eigenen Freundeskreis.Lehnt e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d sich stattdessen gegen den übertriebenen Schutz der Eltern auf, s<strong>in</strong>d Konfliktezwischen ihm und se<strong>in</strong>en Eltern wahrsche<strong>in</strong>lich.Sofern das Miterleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation die E<strong>in</strong>schätzung der eigenen Krankheitsbzw.Verletzungsanfälligkeit e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des verändert haben sollte, kann dies ebenfalls zurDes<strong>in</strong>tegration aus e<strong>in</strong>em Freundeskreis führen: „So wäre zu erklären, daß e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d nache<strong>in</strong>em Unfall z. B. nicht mehr mit Freunden Fußball spielen möchte, weil es zu großeAngst vor e<strong>in</strong>er erneuten Verletzung hat [und folglich lieber alle<strong>in</strong>e zu Hause bleibt]“(KARUTZ 2001, S. 15; Zus. v. H.K.).Schließlich bewirken auch Entwicklungsrückstände und –verzögerungen durch eventuellerlittene (körperliche!) Schäden ähnliches (vgl. SEIFFGE-KRENKE 1994): Im Mittelpunktder langfristigen („Sekundär“-) Folgen e<strong>in</strong>es Notfalls stehen <strong>in</strong>sofern immer wiederVeränderungen der familiären Interaktionsstruktur sowie gravierende Auswirkungen aufdas übrige soziale Umfeld (vgl. LOHAUS 1990, S. 92), wo<strong>bei</strong> die Akademie Bruderhilfenoch e<strong>in</strong> zusätzliches, kommunikationspsychologisches Problem beschreibt:Demzufolge haben „traumatisierte K<strong>in</strong>der [...] häufig e<strong>in</strong> starkes Bedürfnis, über das Erlebtezu sprechen. Paradoxerweise fällt es aber gleichzeitig vielen schwer, mit ihren Elternoder Gleichaltrigen zu reden. Dies mag mit dem Versuch zusammenhängen, die Schweredes eigenen Leides vor Erwachsenen zu verbergen. Gegenüber Gleichaltrigen kann auchder Wunsch, sich nicht durch das eigene Erlebnis von den anderen abzuheben, ‚am Randzu stehen’ e<strong>in</strong>e Rolle spielen. Gleichzeitig vermeiden Gleichaltrige es oft, nach dem Erlebniszu fragen, um den Spielkameraden nicht aufzuregen. Dies wird von den Betroffenenunter Umständen als e<strong>in</strong>e subtile Form von Zurückweisung aufgefasst“ (P.A.P./BARTELS/KARUTZ/MÜLLER-LANGE/SEFRIN 2002, S. 20), so daß die bereits erläuterten Konfliktpotentialeund Probleme im sozialen Umfeld notfallbetroffener K<strong>in</strong>der nochmals verstärktwerden können.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 392.2.3. Häufigkeit von SpätfolgenDie Forschungslage zur Prävalenz langfristiger Spätfolgen <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nach Notfällen istderzeit une<strong>in</strong>heitlich und kaum zu überschauen (vgl. hierzu auch LASOGGA/GASCH2002b, S. 52). In der jüngeren Vergangenheit wurden allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>ige Studien durchgeführt,denen zufolge Posttraumatische Belastungsstörungen <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> offenbar unerwartethäufig s<strong>in</strong>d.Landolt stellt die Ergebnisse dieser Studien <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gesamtüberblick vor und weist –übrigens <strong>in</strong> weitgehender Übere<strong>in</strong>stimmung mit den Ergebnissen e<strong>in</strong>er aktuellen Untersuchungder Akademie Bruderhilfe, auf die bereits im ersten Abschnitt der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>th<strong>in</strong>gewiesen wurde 23 - darauf h<strong>in</strong>, daß bis zu 40 Prozent der <strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>der nochnach Monaten an den Symptomen e<strong>in</strong>er Posttraumatischen Belastungsstörung leiden. Ine<strong>in</strong>er Studie wurden sogar <strong>bei</strong> allen sieben Jugendlichen, die e<strong>in</strong>en Schulbusunfall miterlebthatten, nach drei Monaten kl<strong>in</strong>isch relevante Auffälligkeiten festgestellt, die die Diagnosee<strong>in</strong>er Posttraumatischen Belastungsstörung erfüllten (vgl. LANDOLT 2000, S. 617-618 u. 620).Kritisch anzumerken ist allerd<strong>in</strong>gs, daß zunächst „die Spannbreite der Befunde aufgrundunterschiedlicher methodischer Zugänge recht breit ist. [Zudem] [...] konzentrieren sich diebisher publizierten Studien fast ausschließlich auf die Opfer von Verkehrsunfällen, obwohles deutliche H<strong>in</strong>weise gibt, daß auch anderweitig verunfallte K<strong>in</strong>der (z. B. brandverletzteK<strong>in</strong>der) hohe Raten an posttraumatischen psychischen Reaktionen aufweisen können“(LANDOLT 2000, S. 618; Zus. v. H.K.).Darüber h<strong>in</strong>aus ist <strong>in</strong> den bisherigen Studien e<strong>in</strong>e überwiegende Fokussierung auf dieSymptome der Posttraumatischen Belastungsstörung erfolgt, so daß andere psychischeSpätfolgen (z. B. die beschriebenen Anpassungsstörungen und Veränderungen im sozialenUmfeld) nicht berücksichtigt wurden, und schließlich stammt e<strong>in</strong> Großteil der vorliegendenStudien aus anderen Ländern, so daß e<strong>in</strong>e Übertragbarkeit auf die unterschiedlichstenNotfälle <strong>in</strong> der Bundesrepublik Deutschland u. U. auch von daher nicht une<strong>in</strong>geschränktmöglich ist (vgl. zur Übertragbarkeit von Untersuchungen, die <strong>in</strong> anderen Ländern durchgeführtwurden, LOHAUS 1990, S. 6).23 Vgl. S. 21-22.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 402.2.4. Moderatorvariablen für die Entstehung und Ausprägung von SpätfolgenVon verschiedenen Autoren wird <strong>in</strong> der Fachliteratur schließlich auf Moderatorvariablenh<strong>in</strong>gewiesen, die nicht nur das Erleben der Notfallsituation an sich, sondern <strong>in</strong>sbesondereauch die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit, Ausprägung und Dauer der soeben beschriebenen psychischenSpätfolgen bee<strong>in</strong>flussen können.Um den Überblick über die psychische Situation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> und nach Notfällen zuvervollständigen, wurden diese Moderatorvariablen <strong>in</strong> den Tabellen 1 und 2 – e<strong>in</strong>em Vorschlagvon Landolt folgend - als notfall-, personen- und umfeldspezifische Merkmaleschematisch aufgelistet und den jeweiligen Quellen zugeordnet (vgl. LANDOLT 2000, S.618-619):• Protektive Faktoren können da<strong>bei</strong> e<strong>in</strong>e Traumatisierung verh<strong>in</strong>dern, deren Verlauf mildernoder bereits durch e<strong>in</strong>e Traumatisierung aufgetretene Schäden wieder ausgleichen.Fischer und Riedesser bezeichnen dies als „korrektive Wirkung“ (vgl. FI-SCHER/RIEDESSER 1999, S. 133 u. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 52), während• Risikofaktoren bzw. „zusätzlich traumatisierende Situationsfaktoren“ (vgl. FI-SCHER/RIEDESSER 1999, S. 252) die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit e<strong>in</strong>er Traumatisierung erhöhenund die Ausprägung der entsprechenden Symptome i. d. R. verstärken 24 .Protektive FaktorenNotfallbezogene Merkmale• Der Notfall ist Folge e<strong>in</strong>er Naturkatastrophe und nicht von Menschen verursachtwordenPersonenbezogene Merkmale• E<strong>in</strong>e relativ schnelle Öffnung des Betroffenen gegenüber anderen vertrautenPersonen• Gute Beziehungen des Betroffenen zur eigenen Familie• Fähigkeit des Betroffenen, sich selbständig Unterstützung zu holen• E<strong>in</strong>e dauerhaft gute Beziehung zu m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er Bezugsperson• Überdurchschnittliche Intelligenz• E<strong>in</strong> robustes, aktives und kontaktfreudiges Temperament („easy temperament“)• Sicheres B<strong>in</strong>dungsverhalten• E<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Risiko-Gesamtbelastung(vgl. LASOGGA/GASCH2002b, S. 47)(vgl. LASOGGA/GASCH2002b, S. 52)(vgl. FISCHER/ RIE-DESSER1999, S. 133 u.134)Tab. 1: Protektive Faktoren für die Entwicklung psychischer Spätfolgen (Fortsetzung folgtauf der nächsten Seite)24 Es ist unschwer nachvollziehbar, daß das gleichzeitige Vorhandense<strong>in</strong> mehrerer Risikofaktoren auch zue<strong>in</strong>em entsprechend größeren Risiko führt bzw. sich das Risiko potenziert. Um das tatsächliche PTBS-Risikoe<strong>in</strong>es Betroffenen <strong>in</strong>dividuell errechnen zu können, wurde vor diesem H<strong>in</strong>tergrund der Kölner Risiko-Indexentwickelt, der sich allerd<strong>in</strong>gs vorrangig auf die PTBS-Entwicklung nach Gewalterfahrungen bezieht (vgl.FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 253 u. 301-316).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 41Protektive FaktorenUmfeldbezogene Merkmale• Anwesenheit der Eltern <strong>in</strong> der Notfallsituation (vgl. FISCHER 2001, S.122-125 u. LANDOLT2000, S. 619).• E<strong>in</strong>e soziale Umgebung, die e<strong>in</strong>e Verar<strong>bei</strong>tung zulässt und <strong>in</strong>dividuelleBewältigungsstrategien unterstützt• Familie und Freunde, die ke<strong>in</strong>e Sekundär-Traumatisierung vornehmen, z.B. durch Schuldzuweisungen(vgl. LASOGGA/GASCH2002b, S. 52)• Soziale Unterstützung <strong>in</strong> der Schule (vgl. LANDOLT 2000, S.619 u. FISCHER/ RIED-ESSER 1999, S. 133).• E<strong>in</strong> gutes Ersatzmilieu nach frühem Mutterverlust• Aufwachsen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Großfamilie mit kompensatorischen Beziehungen zuden Großeltern und entsprechender Entlastung der Eltern• Soziale Förderung, z. B. durch Jugendgruppen oder Kirche(vgl. FISCHER/RIEDES-SER 1999, S. 133)Tab. 1: Protektive Faktoren für die Entwicklung psychischer Spätfolgen (Fortsetzung)Risikofaktoren bzw. zusätzlich „traumatisierende Situationsfaktoren“Notfallbezogene Merkmale• Der Notfall ist e<strong>in</strong>e Folge menschlichen Handelns (vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 47)• Der Notfall war lebensbedrohlich• Der Notfall hat lange angedauert• Es wurden schwere körperliche Verletzungen verursachtPersonenbezogene Merkmale• Mütterliche Berufstätigkeit im ersten Lebensjahr• Unsicheres B<strong>in</strong>dungsverhalten nach dem 12./18.Lebensmonat• Früher Verlust der Mutter• Sexueller und/oder aggressiver Mißbrauch• Häufig wechselnde frühe Beziehungen• E<strong>in</strong> Altersabstand zum nächsten Geschwisterk<strong>in</strong>dvon unter 18 Monaten• Geburt als uneheliches K<strong>in</strong>d• Schlechte Kontakte zu Gleichaltrigen• Kontakte zu E<strong>in</strong>richtungen der sozialen Kontrolle(vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 53). Allerd<strong>in</strong>gsstellt Landolt fest, daß „ objektive Ereignismerkmalewie <strong>bei</strong>spielsweise Art oder Schweregradder Verletzung <strong>in</strong> den meisten Studiennicht oder nur m<strong>in</strong>imal mit dem Vorhandense<strong>in</strong>von posttraumatischen psychischen Reaktionenzusammen [hängen]“ (LANDOLT 2000, S. 618;Zus. v. H.K.)! 25(vgl. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 135 u.LASOGGA/GASCH 2002b, S. 36)• Jungen s<strong>in</strong>d vulnerabler als Mädchen (vgl. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 135).Allerd<strong>in</strong>gs wird auch auf Studien h<strong>in</strong>gewiesen, <strong>in</strong>denen gerade <strong>bei</strong> Mädchen e<strong>in</strong> erhöhtes PTBS-Risiko gefunden wurde (vgl. EHLERS 1999, S. 8u. LANDOLT 2000, S. 618)! 26Tab. 2: Risikofaktoren für die Entwicklung psychischer Spätfolgen (Fortsetzung folgt aufder nächsten Seite)25 Hier wird deutlich, wie ungesichert bzw. sogar widersprüchlich bisherige Erkenntnisse der notfallpsychologischenForschung s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> welchem Maße demnach weiterer Forschungsbedarf besteht!26 Siehe Fußnote 25.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 42Risikofaktoren bzw. zusätzlich „traumatisierende Situationsfaktoren“Personenbezogene Merkmale• Niedrigere sozioökonomische Schichtzugehörigkeit (vgl. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 135;LANDOLT 2000, S. 619 u. LASOGGA/GASCH2002b, S. 36 u. 53)• Frühere belastende (Vor-) Erfahrungen(vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 53)• Ger<strong>in</strong>gere Schulbildung• Frühere psychiatrische Störungen (vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 53 u.• Je jünger e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ist, umso größer das Risiko e<strong>in</strong>erPTBS-Entstehung• Im Notfall wurde starke Angst empfunden• Für die Verursachung des Notfalls wird e<strong>in</strong>e MitschuldempfundenUmfeldbezogene MerkmaleLANDOLT 2000, S. 618-619)(vgl. FISCHER 2001, S. 122). Allerd<strong>in</strong>gs bezeichnenLasogga und Gasch v. a. die Jugendzeitals problematisch (vgl. LASOGGA/ GASCH2002b, S. 53), und Landolt gibt an, daß sowohl<strong>bei</strong> jüngeren als auch <strong>bei</strong> älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> besonderePTBS-Risiken bestehen könnten (vgl.LANDOLT 2000, S. 618; vgl. zur ausführlicherenDiskussion, ob jüngere oder ältere K<strong>in</strong>dergefährdeter s<strong>in</strong>d, an e<strong>in</strong>er PTBS zu erkrankten,schließlich auch FAUST 2003) 27 .(vgl. LANDOLT 2000, S. 619)(vgl. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 135 u.LASOGGA/GASCH 2002b, S. 36)(vgl. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 248)• Alle<strong>in</strong>erziehende Mutter• Autoritäres väterliches Verhalten• Schlechte Schulbildung der Eltern• Große Familien und sehr wenig Wohnraum• Krim<strong>in</strong>alität oder Dissozialität e<strong>in</strong>es Elternteils• Chronische Disharmonie im Umfeld• Abwesenheit der Eltern (Trennungsschock, Separationstraumatabzw. Deprivations- und Hospitalismusschäden)• Konfliktreiche und belastete Familienverhältnisse (vgl. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 252)• <strong>Psychische</strong> Störungen der Mutter oder des Vaters (vgl. LANDOLT 2000, S. 619 u. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 36)Tab. 2: Risikofaktoren für die Entwicklung psychischer Spätfolgen (Fortsetzung)2.3. Bisherige Ansätze und Konzeptefür die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>Wenngleich die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfallsituationen– wie <strong>in</strong> der Begründung der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t bereits beschrieben wurde - bereitsseit m<strong>in</strong>destens 1974 gesehen wird und die <strong>in</strong> den vorigen Abschnitten dargestelltenSpätfolgen des Miterlebens e<strong>in</strong>er Notfallsituation zweifellos erheblich s<strong>in</strong>d, gibt es bislangnur relativ wenige Studien bzw. Veröffentlichungen, die konkrete H<strong>in</strong>weise auf die not-27 Siehe Fußnote 25, S. 41.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 43wendige psychologische <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>bei</strong>nhalten 28 . Zudem stehen – wennüberhaupt – wiederum K<strong>in</strong>der als Patienten im Mittelpunkt: Wie <strong>bei</strong> der bisherigen Erforschungder psychischen Situation von Menschen <strong>in</strong> Notfällen s<strong>in</strong>d die <strong>unverletzt</strong><strong>betroffenen</strong>K<strong>in</strong>der auch <strong>bei</strong> den Überlegungen zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> weitgehendunberücksichtigt geblieben.Der folgende Abschnitt der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t stellt die vorliegenden Ansätze und Konzeptezur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nun <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em chronologisch angeordnetenÜberblick dar.• In e<strong>in</strong>em Lehrbuch zur K<strong>in</strong>derchirurgie aus dem Jahre 1984 f<strong>in</strong>den sich zunächst e<strong>in</strong>igeallgeme<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise zur Vermeidung von Trennungsschäden durch längere Krankenhausaufenthalte(vgl. SAUER 1984a). In besonderem Maße wird hier darauf h<strong>in</strong>gewiesen,daß <strong>in</strong> allen außergewöhnlichen und psychisch belastenden Situationen – also auch<strong>in</strong> Notfällen - die Anwesenheit von Bezugspersonen e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des angestrebt werdensollte. Ist dies nicht möglich, wird gefordert, daß zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e (!) andere Helferpersondauerhaft für die Betreuung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des zuständig ist (vgl. KURZ 1984, S. 32). Außerdemordnen E<strong>in</strong>siedel und Wolff e<strong>in</strong>zelnen mediz<strong>in</strong>isch-therapeutischen Interventionenstichwortartig „mögliche stützende psychosoziale Maßnahmen“ (EINSIEDEL/WOLFF 1984, S. 48-49) zu. In e<strong>in</strong>er tabellarischen Übersicht werden da<strong>bei</strong> durchausauch „notfalltypische“ Situationen genannt, wie z. B. die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er apparativbetriebenen Diagnostik, die Verletzung des k<strong>in</strong>dlichen Schamgefühls im Rahmen derVersorgung von Verbrennungen sowie das Anlegen von Verbänden <strong>bei</strong> Verletzungen.• 1987 veröffentlicht die Aktion Sorgenk<strong>in</strong>d „psychologische Ratschläge für die Elternverunglückter K<strong>in</strong>der“ (AKTION SORGENKIND 1987, S. 387). U. a. wird dar<strong>in</strong> erneutauf die Bedeutung der Nähe notfallbetroffener K<strong>in</strong>der zu ihren Bezugspersonen h<strong>in</strong>gewiesen.Zudem wird geraten, daß „alle <strong>in</strong> den Lebensraum des K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>greifendenVeränderungen [...] [- <strong>bei</strong>spielsweise Umzüge, Umschulungen und bereits länger geplanteOperationen -] <strong>in</strong> den Wochen nach e<strong>in</strong>em Unfall möglichst vermieden werden[sollten]“ (AKTION SORGENKIND 1987, S. 384; Zus. v. H.K.). Wohlgemerkt s<strong>in</strong>ddiese H<strong>in</strong>weise eher zur Anwendung nach als zur Anwendung <strong>in</strong> Notfällen geeignet.28 E<strong>in</strong>e Ausnahme s<strong>in</strong>d H<strong>in</strong>weise zur Begleitung trauernder K<strong>in</strong>der, die mittlerweile <strong>in</strong> unzähligen Veröffentlichungenverschiedenster Autoren, Vere<strong>in</strong>e und Organisationen zu f<strong>in</strong>den s<strong>in</strong>d und die <strong>in</strong>sbesondere vomBundesverband Verwaiste Eltern <strong>in</strong> Deutschland (VEID e. V.) und der Geme<strong>in</strong>samen Eltern<strong>in</strong>itiative zurErforschung des plötzlichen K<strong>in</strong>dstodes (GEPS e. V.) sehr engagiert verbreitet werden. Gleichwohl s<strong>in</strong>ddiese H<strong>in</strong>weise nur <strong>in</strong> begrenztem Umfang auf die psychische <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen übertragbar.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 44• E<strong>in</strong>ige Jahre später folgen mehr oder weniger strukturierte und operationalisierte Veröffentlichungenzur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Beiträgen von Glanzmann(vgl. GLANZMANN 1997) und He<strong>in</strong>z (vgl. HEINZ 1998). Spezielle H<strong>in</strong>weise für dieBetreuung von Geschwistern nach plötzlichem K<strong>in</strong>dstod werden ebenfalls 1997 vonHelmerichs und Saternus veröffentlicht (HELMERICHS/SATERNUS 1997).• 1999 wird dann erstmals e<strong>in</strong> zum<strong>in</strong>dest ansatzweise didaktisch aufbereitetes Konzeptfür die PEH <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> vorgestellt, daß auf der <strong>in</strong>haltlichen Auswertung von <strong>in</strong>sgesamt35 Fachpublikationen zur <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> durch Laien bzw. zur notfallmediz<strong>in</strong>ischen Versorgungdes Rettungsdienstes (sogenannte „Taschen“- „Hand“- und „Lehrbücher“ sowie„Praxisleitfäden“) basiert (vgl. KARUTZ 1999b u. KARUTZ 2001, S. 43-45). AlsZielsetzung dieses Regelwerks war angestrebt worden, die ohneh<strong>in</strong> nur vere<strong>in</strong>zelt zuf<strong>in</strong>denden und sich z. T. auch wiederholend überlagernden Anregungen für die <strong>Psychische</strong><strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> zu e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen und v. a. auch vermittelbaren Betreuungsmodellzusammenzuführen. Hierzu wurden unterschiedliche Elemente der PEH <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>möglichst konkret formuliert bzw. operationalisiert <strong>in</strong> acht Kategorien betreuerischenHandelns e<strong>in</strong>geordnet und mit den Anfangsbuchstaben K-A-S-P-E-R-L-E als Merkhilfebzw. „Ankerbegriff“ festgehalten (Tab. 3).Zu dieser ursprünglichen Fassung des KASPERLE-Konzepts ist allerd<strong>in</strong>gs kritisch anzumerken,daß die methodische Vorgehensweise <strong>bei</strong> der Kategorisierung e<strong>in</strong>zelner Regelndurchaus problematisch war. So „ergibt sich durch die erfolgte Anordnung der Regelnzwar ansatzweise e<strong>in</strong> chronologischer Ablauf der <strong>Hilfe</strong>leistung, zugleich blieb jedoche<strong>in</strong>e Bewertung der jeweiligen Maßnahmen, die zu e<strong>in</strong>er hierarchisch gegliedertenStruktur des Konzeptes hätten führen können, weitgehend unberücksichtigt. Ebenso waren<strong>in</strong>haltliche Redundanzen bzw. <strong>in</strong>haltliche Überschneidungen nicht völlig zu vermeiden“(KARUTZ 2001, S. 44).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 45KASPERLE: Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>K • Kontakt aufnehmenund Körperkontakt herstellen• Sich dem K<strong>in</strong>d möglichst langsam nähern• Sich auf das körperliche Niveau des K<strong>in</strong>des begeben• Sich mit Vornamen vorstellen und nach dem Vornamen desK<strong>in</strong>des fragen• Das K<strong>in</strong>d nicht alle<strong>in</strong>e lassen• In der Nähe des K<strong>in</strong>des bleiben• Das K<strong>in</strong>d streicheln• Das K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Arm nehmen• Die Hand des K<strong>in</strong>des haltenA • Für Ablenkung sorgen • Verletzungen bedecken• Geschichten erzählen• Trostlieder s<strong>in</strong>genS • Situation erklären • K<strong>in</strong>dgerechte und altersgemäße Erklärungen geben• Ehrlich auf Fragen antworten• Nicht lügenP • Personen e<strong>in</strong>beziehen,die dem K<strong>in</strong>d nahe stehen• Bezugspersonen, z. B. dieEltern, benachrichtigen, her<strong>bei</strong>holenund <strong>in</strong> die <strong>Hilfe</strong>leistung e<strong>in</strong>beziehenE • Entscheidungsfreiheitlassen• Soweit möglich, Zwang und Druck <strong>bei</strong> der <strong>Hilfe</strong>leistung vermeiden,z. B. das K<strong>in</strong>d möglichst nicht festhaltenR • Ruhe bewahren • Eigene verbale und nonverbale Signale kontrollieren• Aufregung ausdrückende Signale vermeidenL • Liebl<strong>in</strong>gsstofftier holenund dem K<strong>in</strong>d geben• Teddybären und andere Stoff- bzw. Kuscheltiere holen und demK<strong>in</strong>d gebenE • Das K<strong>in</strong>d ernst nehmen • Sich empathisch <strong>in</strong> die Situation des K<strong>in</strong>des e<strong>in</strong>fühlen• Nicht bagatellisieren• Nicht mit dem K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> „Babysprache“ sprechenTab. 3: KASPERLE (Fassung von 1999): Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (KARUTZ 1999b, S. 1011; im Orig<strong>in</strong>al mit zusätzlichen Erläuterungen)• Ebenfalls 1999 wird im „Lehrbuch der Psychotraumatologie“ e<strong>in</strong>e Tabelle veröffentlicht,die u. a. k<strong>in</strong>dliche Altersstufen und jeweilige Entwicklungsaufgaben zue<strong>in</strong>ander <strong>in</strong>Bezug setzt, so daß hieraus zahlreiche H<strong>in</strong>weise für die Durchführung e<strong>in</strong>er Psychotherapienach dem Erleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation bzw. nach e<strong>in</strong>er psychischen Traumatisierungabgeleitet werden können (FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 249). Ebenso wäre esdenkbar, aus dieser Übersicht Ansätze für e<strong>in</strong>e <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> abzuleiten; bislangist dies allerd<strong>in</strong>gs noch nicht geschehen.• Stattdessen weist Landolt 2000 erstmals explizit auf zwei wichtige Bereiche der <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> h<strong>in</strong>, nämlich erstens die Beratung und Anleitung derEltern e<strong>in</strong>es <strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>des zu eigenem hilfreichen Verhalten und erst zweitensauch die Durchführung direkter Interventionen durch andere Helferpersonen – und zwarv. a. dann, wenn auch psychotherapeutische Maßnahmen notwendig se<strong>in</strong> sollten. Psy-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 46chische <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wird von Landolt demnach so aufgefasst, daß sie nachMöglichkeit nur bzw. v. a. durch die Eltern geleistet werden sollte – was wiederum voraussetzt,daß man bereits im Vorfeld ausdrücklich auch ihnen e<strong>in</strong>e psychologische <strong>Hilfe</strong>anbietet (vgl. LANDOLT 2000, S. 620).• 2001 wird dann das Regelwerk KASPERLE <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er erziehungswissenschaftlichen Diplomar<strong>bei</strong>tergänzt und aktualisiert. Grundlage dafür s<strong>in</strong>d umfassende theoretischeÜberlegungen vor dem H<strong>in</strong>tergrund der <strong>in</strong> der Zwischenzeit zahlreich erschienenenVeröffentlichungen zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> Erwachsenen, Schlussfolgerungenaus der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget sowie schließlich auch e<strong>in</strong>e explorativeStudie, <strong>in</strong> deren Rahmen 30 Mitar<strong>bei</strong>ter des Rettungsdienstes, neun Väter und neunMütter sowie sieben K<strong>in</strong>der im Alter von sechs bis zwölf Jahren zu ihren Erfahrungenmit tatsächlich erlebten Notfallsituationen befragt wurden (vgl. KARUTZ 2001).Leitgedanke: Verm<strong>in</strong>derung psychischer Belastungen durch <strong>Hilfe</strong> bzw. Anleitung zur SelbsthilfeZeitVor dem NotfallVorbereitung des Helfers•Regel Nr. 1, 2 und 3Eigene Beruhigungund EntlastungZielBeg<strong>in</strong>nder <strong>Hilfe</strong>leistungWeitere<strong>Hilfe</strong>leistungKontaktaufnahme• Regel Nr. 14 und 4Situation gestalten• Regel Nr. 12• Regel Nr. 10• Regel Nr. 11• Regel Nr. 13• Regel Nr. 6• Regel Nr. 5Situation erklären•Regel Nr. 7•Regel Nr. 9•Regel Nr. 8Ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d übersehenVertrauenerweckenAngst abbauenInformationsvermittlungHilfreiche Aktivitätdes K<strong>in</strong>des ermöglichenund fördernAbb. 8: Gesamtkonzept zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (KARUTZ 2001, S.104)Es erfolgt da<strong>bei</strong> die Formulierung von 14 sehr konkreten Regeln zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die unterschiedlichen Phasen, Zielsetzungen bzw. Prioritäten der <strong>Hilfe</strong>leistungzugeordnet wurden und chronologisch angeordnet e<strong>in</strong>en systematischen Gesamtzusammenhangergeben (Abb. 8). Diese Regeln lauten im E<strong>in</strong>zelnen:


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 471. Mediz<strong>in</strong>ische Notfälle <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> s<strong>in</strong>d zugleich psychische Notfälle für alle Beteiligten.Machen Sie sich diese Tatsache bewußt und setzen Sie sich mit ihr Ause<strong>in</strong>ander!2. Daß alle Beteiligten und auch Sie selbst aufgeregt s<strong>in</strong>d, ist verständlich und vollkommennormal!3. Auch e<strong>in</strong>e optimale <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> kann die psychischen Belastungen füre<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d im Notfallgeschehen nicht völlig nehmen, sondern nur verm<strong>in</strong>dern! DerUmgang mit verletzten und akut erkrankten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ist schwierig, und situationsbed<strong>in</strong>gtbleibt er es häufig auch – ganz unabhängig vom Verhalten des Helfers!4. Möglichst nur e<strong>in</strong> Helfer sollte behutsam Kontakt zum <strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>d aufnehmen.Da<strong>bei</strong> kann helfen, Warn- bzw. Sicherheitsbekleidung abzulegen, sich demK<strong>in</strong>d langsam zu nähern, sich auf se<strong>in</strong> körperliches Niveau herunterzubeugen, sichmit Vornamen vorzustellen und nach dem Vornamen des K<strong>in</strong>des zu fragen. Ist dasK<strong>in</strong>d besonders ängstlich und hat man genug Zeit, sollte man zunächst versuchen,den Kontakt zum K<strong>in</strong>d über die Eltern aufbauen.5. V. a. Körperkontakt der Bezugspersonen zum <strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>d wirkt meist beruhigendund sollte demnach ermöglicht werden 29 . Als fremder Helfer Körperkontaktzu e<strong>in</strong>em verletzten oder erkrankten K<strong>in</strong>d aufzubauen, ist schwierig und sollte nichtgleich zu Beg<strong>in</strong>n der <strong>Hilfe</strong>leistung erfolgen, sondern – außerordentlich vorsichtig -erst dann, wenn schon e<strong>in</strong> gewisses Vertrauen zwischen dem K<strong>in</strong>d und dem Helferbesteht und das K<strong>in</strong>d den Körperkontakt toleriert.6. Durchaus empfehlenswert ist es, für Ablenkung zu sorgen. Besonders hilfreich s<strong>in</strong>dhier<strong>bei</strong> Strategien, die die k<strong>in</strong>dliche Aufmerksamkeit gerade ausgehend vom Geschehennutzen und das K<strong>in</strong>d zu aktivem Handeln anregen! Ablenkung darf abernicht <strong>bei</strong>nhalten, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d „zuzutexten“ oder die Situation zu bagatellisieren. Ablenkungist auch ke<strong>in</strong> „Allheilmittel“!7. Die Vermittlung von Informationen ist sehr wichtig. Sie ist aber erst dann möglichund s<strong>in</strong>nvoll, wenn man bestrebt ist, sie dem Entwicklungsstand des K<strong>in</strong>des anzupassenund wenn zuvor auch Angst abgebaut wurde. Das Geschehen sollte <strong>in</strong> leichtverständlichen Worten erklärt werden, ohne e<strong>in</strong> betroffenes K<strong>in</strong>d zu „verhätscheln“bzw. den Stand der kognitiven Entwicklung zu unterschätzen. Besonders zu achten29 Zugleich muß die Anwesenheit von Bezugspersonen jedoch auch kritisch betrachtet werden. Vgl. hierzu S.31-32.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 48ist auf eventuell vorhandene Schuldgefühle; ggf. muß hier <strong>in</strong>terveniert werden. Außerdemsollte e<strong>in</strong> verletztes oder akut erkranktes K<strong>in</strong>d ständig Gelegenheit haben,Fragen zu stellen, die von den Helfern stets wahrheitsgemäß zu beantworten s<strong>in</strong>d.8. Auf bevorstehende Maßnahmen soll e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d vorbereitet werden, <strong>in</strong>dem die folgendenFragen möglichst anschaulich beantwortet werden: 1. Was wird von wemund wie getan? 2. Was wird das K<strong>in</strong>d <strong>bei</strong> der Durchführung der Maßnahme empf<strong>in</strong>den?3. Welches Verhalten wird vom K<strong>in</strong>d während der Maßnahme erwartet?sowie 4. Was kann das K<strong>in</strong>d selbst tun, um die Durchführung der Maßnahme positivzu bee<strong>in</strong>flussen? K<strong>in</strong>dgerechte Medien können <strong>bei</strong> der Vorbereitung hilfreichse<strong>in</strong>, so z. B. e<strong>in</strong>e Puppe oder e<strong>in</strong> Bilderbuch.9. Als Ziel aller Informationsvermittlungs- bzw. Erklärungsversuche sollte angestrebtwerden, daß das K<strong>in</strong>d nicht nur über das Geschehen Bescheid weiß, sondern aucherfährt, was es selbst im Geschehen tun kann. Das K<strong>in</strong>d sollte möglichst aktiv <strong>in</strong>die Situationsgestaltung bzw. Behandlung e<strong>in</strong>bezogen und für jede hilfreiche Verhaltensweisebelohnt werden.10. Die Anwesenheit bzw. die E<strong>in</strong>beziehung von Bezugspersonen e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> die<strong>Hilfe</strong>leistung ist dann s<strong>in</strong>nvoll und anzustreben, wenn diese nicht selbst zu aufgeregts<strong>in</strong>d. Außerdem darf die Anwesenheit von Bezugspersonen nicht zu e<strong>in</strong>er Verunsicherungder Helfer führen.11. E<strong>in</strong>em verletzten oder erkrankten K<strong>in</strong>d sollen soweit wie möglich Freiräume geschaffenwerden, um eigene Entscheidungen zu treffen, sich sprachlich zu äußernund um sich wie gewünscht zu bewegen. Zur Nutzung dieser Freiräume sollte e<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d ermutigt werden. Zu lügen, Zwangsmaßnahmen anzuwenden bzw. Druck aufe<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d auszuüben, sollten Helfer unbed<strong>in</strong>gt vermeiden.12. Der Helfer sollte – soweit möglich - Ruhe bewahren und auch im Notfallgeschehenfür Ruhe sorgen. Eigene Aufregung des Helfers und die Hektik im Umfeld könnensich sonst auf das K<strong>in</strong>d übertragen und se<strong>in</strong>e psychische Belastung verstärken.13. E<strong>in</strong>em verletzten oder erkrankten K<strong>in</strong>d sollte unbed<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gsstofftier gegebenwerden, weil dies meist e<strong>in</strong>e enorm beruhigende Wirkung auf das K<strong>in</strong>d ausübt.Steht das Liebl<strong>in</strong>gsstofftier nicht zur Verfügung, muß von den Helfern so raschwie möglich für entsprechenden Ersatz gesorgt werden.14. <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> benötigen nicht nur verletzte oder erkrankte, sondern auchalle anderen K<strong>in</strong>der, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen anwesend s<strong>in</strong>d. Die körperliche


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 49Unversehrtheit e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des darf nicht darüber h<strong>in</strong>wegtäuschen, daß <strong>bei</strong> ihm trotzdemenorme psychische Belastungen auftreten. Jedes K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehenbraucht deshalb besondere Aufmerksamkeit, und ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d darf übersehenwerden, nur weil es nicht selbst verletzt oder erkrankt ist!Neben diesen Regeln und ihrem Zusammenhang wurde schließlich der Leitgedanke erar<strong>bei</strong>tet,daß es vor allem darauf ankommt, Gefühle des Kontrollverlusts und der Hilflosigkeit<strong>bei</strong> den <strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> dadurch zu verm<strong>in</strong>dern, daß sie zu e<strong>in</strong>er hilfreicheneigenen Aktivität angeleitet werden: „Was das K<strong>in</strong>d (entwicklungsbed<strong>in</strong>gt) schon undwas es (krankheits- bzw. verletzungsbed<strong>in</strong>gt) noch kann, soll das K<strong>in</strong>d auch tun“ (KA-RUTZ 2001, S. 99): Anstatt e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ausschließlich (noch dazu <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em womöglichfalsch verstandenen S<strong>in</strong>ne) zu trösten und auf diese Weise regressive Verhaltensweisenzu fördern, eventuell noch vorhandene Ressourcen und Handlungspotentiale zu schwächenund es regelrecht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e passive Haltung zu drängen, soll e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d die Gelegenheitgegeben werden, sich soweit wie möglich <strong>in</strong> das Notfallgeschehen e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen,auf die Durchführung notwendiger Maßnahmen E<strong>in</strong>fluss zu nehmen und sich ander Situationsbewältigung von vornhere<strong>in</strong> aktiv zu beteiligen.Dieser Leitgedanke sche<strong>in</strong>t da<strong>bei</strong> nicht nur theoretisch gut begründbar zu se<strong>in</strong>, sondernentspricht offenbar auch der Auffassung zahlreicher anderer Autoren. So schreibt z. B.Remschmidt: „Insgesamt sollte man versuchen, jedes [...] K<strong>in</strong>d von e<strong>in</strong>er passiven <strong>in</strong>e<strong>in</strong>e aktive Rolle zu br<strong>in</strong>gen“ (REMSCHMIDT 1994, S. 275). Auch zwei weitere Veröffentlichungenzur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die im Laufe des Jahres 2001ersche<strong>in</strong>en, enthalten solche H<strong>in</strong>weise: Zunächst heißt es <strong>bei</strong> Larsen und Larsen:„Wichtig ist das [...] Tun“ (LARSEN/LARSEN 2001, S. 94), und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beitrag vonWackerow und Prudlo wird dann noch e<strong>in</strong>mal festgestellt, daß man „das K<strong>in</strong>d so vielwie möglich selbst tun lassen [sollte]“ (WACKEROW/PRUDLO 2001, S. 18; Zus. v.H.K.): Sofern K<strong>in</strong>der ansprechbar und <strong>bei</strong> klarem Bewußtse<strong>in</strong> wären, könnten ihnenAufgaben übertragen werden, um dem Gefühl der Hilflosigkeit entgegenzuwirken (vgl.WACKEROW/PRUDLO 2001, S. 18; vgl. aber auch KUSCH 1996, S. 72-98; LAN-DOLT 2000, S. 619 u. FISCHER 2001, S. 127).• Zusätzliche Anregungen zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> geben Daschner(DASCHNER 2001, S. 95-97) und Fischer (FISCHER 2001, S. 121-134). WährendDaschner u. a. empfiehlt, K<strong>in</strong>der <strong>bei</strong> Krisen<strong>in</strong>terventionsmaßnahmen ke<strong>in</strong>esfalls auszugrenzenoder als „Anhängsel“ Erwachsener zu betrachten und stattdessen deren eigene


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 50Ressourcen zur Situationsbewältigung zu mobilisieren, weist Fischer nochmals v. a. aufdie Bedeutung der Elternanwesenheit h<strong>in</strong>. Im übrigen rät er dazu, nach miterlebten Notfalllsituationenalles zu unterstützen, „was das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit<strong>bei</strong> Ihrem K<strong>in</strong>d wieder herstellt“ (FISCHER 2001, S. 126). Außerdem sollen K<strong>in</strong>derermutigt werden, ihre Gefühle zu zeigen. Man soll ihnen aufmerksam zuhören und e<strong>in</strong>eventuell auftretendes „traumatisches Spiel“ nicht unterbrechen, weil dies bereits alsTeil der aktiven Traumabewältigung zu betrachten ist. Wohlgemerkt: Sowohl die Anregungenzur psychologischen <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>bei</strong> Daschner als auch die H<strong>in</strong>weise <strong>bei</strong> Fischerbeziehen sich damit eher auf die Notfallnachsorge als auf die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong><strong>Hilfe</strong> im unmittelbaren Notfallgeschehen.• Gleichwohl wird das bereits vorgestellte Regelwerk KASPERLE – v. a. für die lernwirksameVermittlung <strong>in</strong> rettungsdienstlichen Fortbildungen und für die didaktisch aufbereiteteGestaltung e<strong>in</strong>es Merkblattes für das Rettungsdienstpersonal – vor dem H<strong>in</strong>tergrunddieser neuen Beiträge zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> noch e<strong>in</strong>malüberar<strong>bei</strong>tet bzw. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Details ergänzt (Tab. 4; vgl. BILDUNGSINSITUT 2001au. KARUTZ 2002c, S. 651).KASPERLE (überar<strong>bei</strong>tete Fassung 2001): Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>K • Ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d darf übersehen werden, jedes K<strong>in</strong>d sollte betreut werden!• Kontaktaufnahme soll langsam und möglichst nur durch e<strong>in</strong>en Helfer erfolgen!• Körperkontakt vorsichtig herstellen, nach Möglichkeit durch Bezugspersonen des K<strong>in</strong>des!A • Aktivität ermöglichen!• Ablenkung immer behutsam versuchen!S • Situation und Maßnahmen erklären!• Situation vom K<strong>in</strong>d mitgestalten lassen!• Schuldgefühle beachten und ggf. <strong>in</strong>tervenieren („Du bist nicht Schuld!“)!P • Personen e<strong>in</strong>beziehen, die dem K<strong>in</strong>d nahe stehen (Eltern, Großeltern, Freunde und Geschwister)!E • Entscheidungsfreiheit lassen!• Ermutigen, Fragen zu stellen und Schmerzen zu äußern!R • Ruhe bewahren und im Umfeld für Ruhe sorgen!L • Liebl<strong>in</strong>gsstofftier bzw. e<strong>in</strong>en Ersatz besorgen und dem K<strong>in</strong>d geben!• Loben hilfreichen Verhaltens!E • Ernst nehmen und nicht „betüddeln“!• Ehrlich se<strong>in</strong>, z. B. Fragen nach der Schmerzhaftigkeit bevorstehender Maßnahmen ehrlichbeantworten!Tab. 4: KASPERLE (überar<strong>bei</strong>tete Fassung 2001): Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong><strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (KARUTZ 2002c, S. 651)


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 51• Zusätzlich werden auf Merkblättern des Bildungs<strong>in</strong>stituts am Elisabeth-KrankenhausEssen und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Informationsbroschüre der Akademie Bruderhilfe die RegelwerkePUMUCKEL zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Großschadensfall (Tab. 5;BILDUNGSINSTITUT 2001b) und WINNETOU zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong>trauernden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (Tab. 6; BILDUNGSINSTITUT 2001c) vorgestellt, die ebenso wiedas ursprüngliche KASPERLE-Konzept auf Literaturanalysen basieren und die e<strong>in</strong>igewesentliche Inhalte der jeweils angebrachten psychologischen <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>in</strong> „Ankerbegriffen“zusammenfassen (vgl. auch P.A.P./BARTELS/KARUTZ/MÜLLER-LAN-GE/SEFRIN 2002, S. 26-29).PUMUCKEL: Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em GroßschadensfallP • Planung Die Erfahrung hat gezeigt, daß die besonderen Bedürfnisse von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong><strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Großschadensfall oftmals unberücksichtigt gebliebens<strong>in</strong>d. Zudem wurden gerade die <strong>unverletzt</strong> <strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>der regelrechtübersehen und dementsprechend überhaupt nicht betreut. Vondaher ist zu fordern, <strong>in</strong> allen Planungen für Notfallsituationen explizitund umfassend e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>derbetreuung e<strong>in</strong>zuplanen.U • Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>Erste</strong>ns soll die Unterbr<strong>in</strong>gung bzw. Betreuung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Sicherheitstattf<strong>in</strong>den können, d. h. nach Möglichkeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em relativenAbstand zum eigentlichen Schadensgebiet und idealerweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emabgeschirmten, beheizten und lärmgeschützten Raum. Zweitens solltenbetreuungsbedürftige K<strong>in</strong>der niemals von ihren Eltern oder anderenBezugspersonen getrennt werden.M • Materialbeschaffung Vorzuhalten s<strong>in</strong>d Ersatzbekleidung <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergrößen, Malstifte undZeichenblöcke, Knetmasse sowie K<strong>in</strong>dermusik auf Kassetten.U • Unterstützung In vielen Fällen entwickeln K<strong>in</strong>der spontan und unaufgefordert eigeneund oftmals sehr hilfreiche Ideen, um das Geschehen zu bewältigen.Vorschläge und Anregungen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sollten deshalb ernst genommenund nach Möglichkeit umgesetzt werden.C • Coord<strong>in</strong>ation Die Betreuung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Großschadensfall muß gut koord<strong>in</strong>iertwerden. Diese Aufgabe sollte e<strong>in</strong>e Person übernehmen, die e<strong>in</strong>satztaktischbzw. führungstechnisch und pädagogisch zugleich qualifiziertist (z. B. Erzieher, Lehrer oder Pädagogen mit Zusatzausbildung e<strong>in</strong>erHilfsorganisation).K • KameradschaftlichkeitE<strong>in</strong>e Gruppe von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> kann sich untere<strong>in</strong>ander oftmals selbst sehrgut stützen, und konstruktives Mite<strong>in</strong>ander von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wirkt sichmeist sehr hilfreich aus: K<strong>in</strong>der sollten demnach geme<strong>in</strong>sam an e<strong>in</strong>erAufgabe ar<strong>bei</strong>ten können, und sie sollten ausdrücklich füre<strong>in</strong>anderVerantwortung tragen.E • Eigenaktivität Jedes eigene Tun von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> m<strong>in</strong>dert ihre Hilflosigkeit. InsofernL • Lob, Leckereien undLiebl<strong>in</strong>gsspielzeugesollte Aktivität <strong>in</strong>itiiert und ermöglicht werden.Hilfreiches Verhalten von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sollte ausdrücklich positiv verstärkt,d. h. gelobt werden. Süßigkeiten wirken meistens e<strong>in</strong> wenigberuhigend, und typische Liebl<strong>in</strong>gsspielzeuge (<strong>in</strong>sbesondere Stofftiere)haben fast immer e<strong>in</strong>e positive Wirkung.Tab. 5: PUMUCKEL: Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Großschadensfall(BILDUNGSINSTITUT 2001a; im Orig<strong>in</strong>al teilweise hervorgehoben und mitzusätzlichen Erläuterungen)


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 52WINNETOU: Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> trauernden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>W • Wenden Sie sichtrauernden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>zu!I • Informieren Sie trauerndeK<strong>in</strong>der!N • Nicht e<strong>in</strong>engen, zensieren,bevormunden!N • Nichts verheimlichen,nicht ausschließen,sondern e<strong>in</strong>beziehen!E • Ermutigen Sie trauerndeK<strong>in</strong>der, Fragenzu stellen und eigeneGefühle zu zeigen!Erlauben Sie trauernden<strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, so zutrauern, wie sie estun!T • Thematisieren Sie(geme<strong>in</strong>same) Er<strong>in</strong>nerungenan den Verstorbenen!Teilen SieIhre Trauer!O • Offene und v. a.ehrliche Gespräches<strong>in</strong>d hilfreich, wennK<strong>in</strong>der sie wünschen!U • Unternehmen Sieetwas, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dSchuldgefühle entwickeltund langfristiganhaltende Verhaltensänderungenzeigt!Schenken Sie trauernden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> besondere Aufmerksamkeit, zeigenSie ihre Liebe und Zuneigung; vermitteln Sie Sicherheit, <strong>in</strong>dem Sie z.B. Absprachen zuverlässig e<strong>in</strong>halten und für e<strong>in</strong>en klar strukturiertenTagesablauf sorgen.Informieren Sie über die laufenden Vorbereitungen für das Begräbnisritual,die geplante Trauerfeier und das bevorstehende Abschiednehmen.Auch die Tatsache, daß jemand gestorben ist sowie die Todesursachesollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>fachen Worten mitgeteilt werden.Lassen Sie trauernde K<strong>in</strong>der eigene Entscheidungen treffen, z. B.bezüglich der Art des eigenen Abschiednehmens, des eventuellenAnsehens e<strong>in</strong>es Verstorbenen, der Auswahl e<strong>in</strong>es Abschiedsgrussesals Sarg<strong>bei</strong>gabe etc.Lassen Sie trauernde K<strong>in</strong>der an allem Anteil nehmen – auch an Ihrereigenen Trauer. Erklären Sie trauernden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, warum Sie selbsttraurig s<strong>in</strong>d und sich möglicherweise ungewohnt verhalten.Akzeptieren Sie die Art und Weise, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d trauert, auch wennSie dadurch irritiert se<strong>in</strong> sollten oder e<strong>in</strong>e andere Vorstellung von“ordnungsemäßer” Trauer haben. Zeigen Sie Geduld, Toleranz undVerständnis – auch für Zorn, Unruhe und andere vorübergehendeVerhaltensänderungen.Sehen Sie z. B. geme<strong>in</strong>sam Fotos oder Videos an und we<strong>in</strong>en Siegeme<strong>in</strong>sam.Das bedeutet: „Texten“ Sie trauernde K<strong>in</strong>der nicht zu, sondern beantwortenSie Ihre Fragen ehrlich und mit e<strong>in</strong>fachen Worten.Sagen Sie ihm ggf. explizit, daß es unschuldig ist und ke<strong>in</strong>e Verantwortungfür den Tod trägt. Z. B. Daumenlutschen und Bettnässen,aber auch plötzliche Schulschwierigkeiten s<strong>in</strong>d Anzeichen dafür, daßprofessionelle <strong>Hilfe</strong> notwendig ist.Tab. 6: WINNETOU: Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> trauernden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>(BILDUNGSINSTITUT 2001b; im Orig<strong>in</strong>al teilweise hervorgehoben und mit zusätzlichenErläuterungen)• Außerdem wird die schematische Anordnung der Regeln, Phasen und Ziele des <strong>in</strong> dergenannten Diplomar<strong>bei</strong>t entwickelten Gesamtkonzepts (vgl. oben, Abb. 8) von nun anpyramidenförmig hierachisiert angeordnet, um die Prioritäten sowie die aufe<strong>in</strong>anderaufbauenden Notwendigkeiten, Zusammenhänge und Möglichkeiten der <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> noch anschaulicher zu verdeutlichen (Abb. 9; vgl. KARUTZ 2002f).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 53HilfreicheAktivitätermöglichenund fördernSituationsgestaltungSituationserklärungInformationsvermittlungAngst abbauenBeg<strong>in</strong>n der <strong>Hilfe</strong>leistungKontaktaufnahmeVertrauen erweckenVorbereitungEntlastung des HelfersPhaseZiel= Ermöglicht bzw. ist die Voraussetzung fürAbb. 9: Pyramidenförmig hierarchisiertes Gesamtkonzept zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong><strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (KARUTZ 2002f)• Dem ebenfalls 2002 veröffentlichten und auch <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t bereits beschriebenenModell e<strong>in</strong>es Teufelskreislaufs der psychischen Situation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong>Notfällen bzw. den <strong>in</strong> diesem Kreisauf enthaltenen Belastungsfaktoren 30 werden darüberh<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>zelne Interventionsmöglichkeiten zugeordnet, die sich erstmals – undbislang e<strong>in</strong>zigartig – ausdrücklich auch auf <strong>unverletzt</strong>e K<strong>in</strong>der beziehen (Tab. 7; vgl.KARUTZ 2002e). E<strong>in</strong>e relativ ähnliche Darstellungsform f<strong>in</strong>det sich übrigens auch <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Veröffentlichung von Barbara Juen, wo<strong>bei</strong> e<strong>in</strong>mal mehr darauf h<strong>in</strong>zuweisen ist,daß sich die dortigen H<strong>in</strong>weise eher auf die psychologische <strong>Hilfe</strong>leistung nach (d. h.eben nicht <strong>in</strong>) e<strong>in</strong>em Notfall beziehen! (JUEN 2002, S. 45-49).30 Vgl. S. 33-34.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 54BelastungsfaktorenInterventionsmöglichkeiten• Wahrnehmung des Notfallgeschehens • Abschirmung vom Notfallgeschehen• Bedecken von Verletzungen• Kommunikation auf gleicher Ebene• Unsicherheit • Anwesenheit von Bezugspersonen• Verlässliche Nähe anderer Helfer• Geme<strong>in</strong>schaft mit anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>• Unterbr<strong>in</strong>gung an e<strong>in</strong>em sicheren Ort• Sicherstellung physiologischer Grundbedürfnisse• Informationsbedürfnis • K<strong>in</strong>dgerechte Vermittlung von Informationen• Ehrliche Antworten auf gestellte Fragen• Verm<strong>in</strong>derung der verbalen Ausdrucksfähigkeit• Schaffung alternativer Ausdrucksmöglichkeiten• Angst • Behutsame Ablenkungsversuche• E<strong>in</strong>bezug von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> die <strong>Hilfe</strong>leistung• Anregung zum Spiel• <strong>Hilfe</strong>leistung durch Teddybären• Schuldgefühle • Unbegründete Schuld verne<strong>in</strong>en• Realistische Erklärungen anbieten• Zunehmende Erregung • Langsam agieren und sprechen• Jede Hektik im Umfeld vermeiden• Warme, gezuckerte Getränke verabreichen• Verm<strong>in</strong>derte Fähigkeit zur zielgerichtetenInformationsverar<strong>bei</strong>tung• Überforderung, Handlungsunfähigkeit,Hilflosigkeit, Kontrollverlust• K<strong>in</strong>der ernst nehmen• Vorschläge und Anregungen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aufgreifenund nach Möglichkeit umsetzen• Delegation e<strong>in</strong>facher Aufgaben an K<strong>in</strong>der• Geme<strong>in</strong>same Aktivität von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> anregen• Entscheidungsfreiheit lassen und zu deren NutzungermutigenTab. 7: Zuordnung von Belastungsfaktoren und Interventionsmöglichkeiten• E<strong>in</strong>e knappe Zusammenfassung, die <strong>in</strong>haltlich dennoch weitgehend den bisherigenAusführungen entspricht, f<strong>in</strong>det sich schließlich <strong>bei</strong> Lasogga und Gasch (LASOG-GA/GASCH 2002b, S. 123-128): In diesem Beitrag werden das Abschirmen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>,die Anwesenheit der Bezugspersonen bzw. Eltern, die Kontaktaufnahme sowiedas Herstellen von Körperkontakt, die Beantwortung von Fragen sowie die Gabe vonInformationen, die Nähe zu e<strong>in</strong>em Teddybären sowie die Ablenkung als wesentlicheBestandteile der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> genannt, aber gleichzeitig auchproblematisiert:So kann der Körperkontakt v. a. <strong>bei</strong> älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> bzw. Jugendlichen auch unangenehmempfunden werden. Bei der Vermittlung von Informationen darf e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d nichtmit zu vielen Details überfordert werden, und es besteht die Gefahr von Mißverständnissen.Außerdem werden Ablenkungsversuche als e<strong>in</strong> „zweischneidiges Schwert“ be-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 55schrieben, weil sie u. U. von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als Strategie der Helfer durchschaut werden können(vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, 125).2.4. Bestehende Defizite des bisherigen ForschungsstandsSowohl bezogen auf die psychische Situation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen als auch auf die<strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> muß zunächst darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, daß empirischeUntersuchungen zu exakt diesen Themen – abgesehen von der erwähnten explorativenStudie zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sowie den ebenfalls bereits genanntenAr<strong>bei</strong>ten, <strong>in</strong> denen lediglich die Entstehung, Ausprägung und Prävalenz PosttraumatischerBelastungsstörungen <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nach Verkehrsunfällen untersucht wurden - offenbarnoch nicht durchgeführt worden s<strong>in</strong>d. Auch e<strong>in</strong>e systematische Evaluation, d. h. e<strong>in</strong>eÜberprüfung der tatsächlichen Wirksamkeit der bereits vorliegenden H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ist bislang nicht erfolgt. Die Forschungslage zur konkretenSituation der <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfällen und den Möglichkeiten e<strong>in</strong>er <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> für diesen Personenkreis ersche<strong>in</strong>t da<strong>bei</strong> allerd<strong>in</strong>gs, wie deutlich gewordense<strong>in</strong> dürfte, als ganz besonders defizitär.Sofern <strong>in</strong> Ar<strong>bei</strong>ten zur psychischen Situation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen bzw. zur <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> überhaupt theoretische Überlegungen angestellt und nichtnur die subjektiven Erfahrungen e<strong>in</strong>zelner berücksichtigt wurden, basieren diese überwiegendauf der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget, so daß andere Entwicklungsmodelle,die sich z. B. auf die affektive und soziale Entwicklung beziehen, weitgehend unberücksichtigtgeblieben s<strong>in</strong>d.Die Frage, ob es neben den altersspezifischen Unterschieden der Wahrnehmung und desErlebens von Notfällen z. B. auch geschlechtsspezifische Eigenarten gibt, kann noch nichtabschließend beantwortet werden.Im Übrigen ist festzustellen, daß die veröffentlichten Anregungen zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zum<strong>in</strong>dest teilweise noch immer nicht operationalisiert s<strong>in</strong>d bzw. nurpauschalisierende und wenig nützliche Angaben wie z. B. „Vermitteln Sie <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> dasGefühl von Sicherheit“ enthalten, ohne daß ebenso erläutert wird, wie dieses Sicherheitsgefühldenn eigentlich vermittelt werden soll. Vorrangig bezogen auf die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong><strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> Erwachsenen wurde eben diese Kritik wohlgemerkt bereits von anderen Autorenformuliert (vgl. LASOGGA/GASCH 2000, S. 16-17).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 56Neben diesen Anmerkungen zu den Forschungs<strong>in</strong>halten und -ergebnissen an sich mussaber auch deren Anwendung bzw. Umsetzung e<strong>in</strong>er kritischen Betrachtung unterzogenwerden (vgl. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 57-58).So ist die Vermittlung besonderer Maßnahmen für e<strong>in</strong>e <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong><strong>in</strong>teressanterweise weder <strong>in</strong> den Schulungen für Ersthelfer noch <strong>in</strong> der Ausbildung desRettungsdienstpersonals überhaupt vorgesehen (vgl. z. B. DEUTSCHES ROTES KREUZ1993; DEUTSCHES ROTES KREUZ 1998 u. REPORT AUS MÜNCHEN 2001).Als e<strong>in</strong> weiteres Problem erweist sich, daß <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> (im Allgeme<strong>in</strong>en und <strong>bei</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Besonderen) nach Auffassung des Autors der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t - wennüberhaupt – eher im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es „Additionspr<strong>in</strong>zips“ betrieben wird: Die Versorgung der(mediz<strong>in</strong>isch) Betroffenen an e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>satzstelle durch den Rettungsdienst erfolgt demnachweitgehend standardisiert und wie seit Jahren üblich, wo<strong>bei</strong> dann – nur unter Umständenund eher vere<strong>in</strong>zelt - zusätzlich auch noch e<strong>in</strong>e psychologische <strong>Hilfe</strong> geleistet wird, sofernentsprechend sensibilisiertes und ausgebildetes Personal (mehr oder weniger zufällig!) vorOrt se<strong>in</strong> sollte. E<strong>in</strong> <strong>in</strong>tegratives Gesamtkonzept zum Notfallmanagement an E<strong>in</strong>satzstellen,das die mediz<strong>in</strong>ische und die psychologische <strong>Hilfe</strong>leistung für die primär und auch diesekundär Betroffenen 31 umfassend koord<strong>in</strong>iert bzw. die notwendigen Abläufe und Zuständigkeitene<strong>in</strong>heitlich und v. a. verb<strong>in</strong>dlich regelt, ist <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>schlägigen Dienstvorschriftenund Ausbildungsunterlagen für Führungskräfte der Rettungsdienste sowie <strong>in</strong> den entsprechendenAlarm- und Ausrückeordnungen bislang nicht zu f<strong>in</strong>den.Im Gespräch mit leitenden Beamten zahlreicher Berufsfeuerwehren konnte <strong>bei</strong>spielsweiseermittelt werden, daß die Entsendung e<strong>in</strong>es Notfallseelsorgers bzw. e<strong>in</strong>es psychologischenNotfallhelfers zu bestimmten E<strong>in</strong>sätzen meist nicht (wie die Alarmierung übriger E<strong>in</strong>satzkräfte)automatisch bzw. sogar computergesteuert und nach e<strong>in</strong>em vorher festgelegten Planerfolgt, sondern überwiegend davon abhängt, ob der diensthabende Leitstellendisponente<strong>in</strong>e Alarmierung überhaupt subjektiv für s<strong>in</strong>nvoll erachtet oder nicht. 32E<strong>in</strong>e ähnliche Kritik gilt <strong>in</strong> gleichem Maße für die Organisation der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> Notfällen <strong>in</strong> Schulen: Während die Zuständigkeit für die mediz<strong>in</strong>ische Behandlungvon Betroffenen (durch Ersthelfer, e<strong>in</strong>en evtl. vorhandenen Schulsanitätsdienst undLehrer) hier im Rahmen der sogenannten Rettungskette fast überall verb<strong>in</strong>dlich geregelt31 Siehe S. 16-17.32 Auf weiteres Nachfragen gaben leitende Beamte von Berufsfeuerwehren außerdem an, daß e<strong>in</strong>e Entsendungvon psychologischen Notfallhelfern zur Betreuung <strong>unverletzt</strong>-Betroffener – zum<strong>in</strong>dest <strong>bei</strong> Individual-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 57ist, wurden Vorbereitungen für e<strong>in</strong>e psychologische Notfallhilfe vor Ort i. d. R. nicht getroffen(vgl. KARUTZ/DUVEN 2002, S. 1). Der Autor der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t kann diesbezüglichaus eigener Erfahrung von e<strong>in</strong>er Notfallsituation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grundschule berichten,<strong>in</strong> der es letztlich aufgrund fehlender Absprachen im Vorfeld zunächst unmittelbar im Notfallgeschehenzu unerfreulichen Ause<strong>in</strong>andersetzungen darüber kam, ob z. B. der diensthabendeNotfallseelsorger, der schulpsychologische Dienst oder e<strong>in</strong> regionales Krisen<strong>in</strong>terventions-bzw. Notfallnachbereitungsteam für die Betreuung sekundär betroffener K<strong>in</strong>derzuständig ist, bevor im Endeffekt geme<strong>in</strong>sam <strong>Hilfe</strong> geleistet werden konnte.Im Anschluß an die von Lasogga und Gasch bereits geäußerte Kritik an organisationspsychologischenMängeln im Bereich des Rettungsdienstes (vgl. LASOGGA/GASCH 2002b,S. 73-96) bleibt <strong>in</strong>sofern zu folgern, daß es nicht h<strong>in</strong>genommen werden kann, daß e<strong>in</strong>e<strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> für <strong>unverletzt</strong>-betroffene K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfällen - obwohl e<strong>in</strong>deutignotwendig – unterbleibt, nur e<strong>in</strong>geschränkt geleistet wird oder sogar gänzlich dem Zufallüberlassen ist, nur weil bestehende E<strong>in</strong>satzplanungen der Rettungsdienste <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sichtergänzungs- und überar<strong>bei</strong>tungsbedürftig s<strong>in</strong>d.Letztlich dürften die Ausführungen im nunmehr abgeschlossenen, zweiten Teil der vorliegendenAr<strong>bei</strong>t deutlich gemacht haben, daß Defizite des bisherigen Forschungsstandes undder aktuellen Situation im H<strong>in</strong>blick auf die psychologische <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong><strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht festzustellen s<strong>in</strong>d: Versäumnisse der notfallpsychologischenForschung an sich, aber auch Mängel <strong>in</strong> der organisatorischen Vorbereitungauf Notfallsituationen, <strong>in</strong> denen <strong>unverletzt</strong>-betroffene K<strong>in</strong>der zu erwarten s<strong>in</strong>d, müssenhier genannt werden.notfällen - pr<strong>in</strong>zipiell gar nicht vorgesehen sei und die dafür notwendigen personellen und materiellen Ressourcenohneh<strong>in</strong> nicht vorhanden wären.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 583. <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong><strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>3.1. Planung e<strong>in</strong>er explorativen StudieNachdem der bisherige Forschungsstand zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong><strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen im zweiten Abschnitt dieser Ar<strong>bei</strong>t ausführlichbeschrieben worden ist, dürfte deutlich geworden se<strong>in</strong>, daß gesicherte Erkenntnisse zurThematik, die auf empirischen Untersuchungen basieren, bislang weitgehend fehlen. Inden folgenden Ausführungen wird deshalb e<strong>in</strong>e erste, zunächst explorative Studie vorgestellt,die für entsprechende Abhilfe sorgen soll.3.1.1. FragestellungenBei der Planung dieser Studie sollte es – vor dem H<strong>in</strong>tergrund des vorangegangenen Abschnittes– <strong>in</strong>sbesondere um e<strong>in</strong>e Klärung folgender Fragen gehen:1. Treffen die bisher veröffentlichten (theoretischen) Überlegungen zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> eigentlich zu?2. Inwiefern müssen die bisherigen Ausführungen ergänzt bzw. eventuell auch korrigiertwerden?Um diese Fragen beantworten zu können, sollte – wie bereits geschrieben - herausgefundenwerden, wie K<strong>in</strong>der, die körperlich <strong>unverletzt</strong> geblieben s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>e Notfallsituationerleben und welche Wünsche, Bedürfnisse, Ängste und Sorgen sie haben 33 . Darüber h<strong>in</strong>aussollte nun aber auch den Fragen nachgegangen werden, welche Unterschiede es im Erlebenund Verhalten von <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Abhängigkeit verschiedener Merkmalevon Notfallsituationen gibt - und <strong>in</strong>wiefern demnach <strong>bei</strong> bestimmten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> bestimmtenSituationen auch besondere, differentielle Maßnahmen der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> notwendig se<strong>in</strong> würden. In Ergänzung bzw. als Konkretisierung der Ausführungen <strong>in</strong>Abschnitt 1.2.2. der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t lauteten weitere zu beantwortenden Fragen somit:33 Siehe S. 23.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 591. Erleben Jungen und Mädchen Notfallsituationen auf unterschiedliche Weise? Gibt esgeschlechtsspezifische Besonderheiten des Erlebens von und des Verhaltens <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erNotfallsituation, die <strong>bei</strong> der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> berücksichtigt werden müssen?2. Gibt es altersspezifische Besonderheiten, die das Erleben von und das Verhalten <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Notfallsituation bee<strong>in</strong>flussen?3. Wie wird das Erleben von und das Verhalten <strong>in</strong> Notfallsituationen von den jeweiligenMerkmalen der Situation bee<strong>in</strong>flusst? Wie wirkt sich aus, um was für e<strong>in</strong>e Notfallsituationes sich handelt? Inwiefern wirken bestimmte Merkmale e<strong>in</strong>es Notfalls belastungsverstärkendbzw. auch belastungsverm<strong>in</strong>dernd - und welche Schlußfolgerungenkönnen demnach im H<strong>in</strong>blick auf die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> gezogen werden? Vordiesem H<strong>in</strong>tergrund sollten <strong>in</strong>sbesondere folgende Aspekte des Notfallgeschehens <strong>in</strong>der Untersuchung berücksichtigt werden:• Wie viele Verletzte hat es gegeben?• Welche Verletzung bzw. Erkrankung hatte der Patient bzw. hatten die Patienten erlitten?• Waren die Verletzungen bzw. Symptome e<strong>in</strong>er Erkrankung des Patienten erkennbar?War z. B. Blut zu sehen?• Ist jemand <strong>in</strong> der Notfallsituation gestorben?• In welcher Beziehung stand das <strong>in</strong> die Untersuchung e<strong>in</strong>bezogene K<strong>in</strong>d zum Notfallpatienten(z. B. Sohn oder Tochter, Geschwisterk<strong>in</strong>d, Freund, Bekannter oderFremder)?• War das <strong>in</strong> die Untersuchung e<strong>in</strong>bezogene K<strong>in</strong>d primär (z. B. als <strong>unverletzt</strong>er Insassee<strong>in</strong>es unfallbeteiligten Fahrzeugs) oder sekundär (z. B. als Zuschauer) beteiligt34 ?• Welche anderen und wieviele andere Personen (z. B. Zuschauer, Angehörige undE<strong>in</strong>satzkräfte, aber vor allem auch andere K<strong>in</strong>der) waren <strong>in</strong> der Notfallsituation anwesend?• Wie haben sich diese Personen verhalten und was haben sie selbst gesagt?• Welche Rettungstechniken und -geräte wurden e<strong>in</strong>gesetzt bzw. welche Maßnahmendes Rettungsdienstes wurden am E<strong>in</strong>satzort durchgeführt?• Zu welcher Tageszeit und an welchem Ort ist das Notfallereignis e<strong>in</strong>getreten?34 Zur Unterscheidung von primär und sekundär Betroffenen siehe S. 16-17.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 60• Gab es schon vor dem Notfall e<strong>in</strong>schlägige Vorerfahrungen mit vergleichbarenbzw. ähnlichen Situationen, d.h. war das Notfallereignis neu oder <strong>in</strong> gewisser Weisebereits vertraut?Ebenfalls außerordentlich <strong>in</strong>teressant wäre es zweifellos gewesen, den eventuellen Zusammenhangzwischen dem jeweiligen Erziehungsstil der Eltern und dem Erleben undVerhalten e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des im Notfallgeschehen zu h<strong>in</strong>terfragen. Weil es jedoch weitgehendausgeschlossen schien, die vorangegangene Erziehung zu analysieren, ohne diesbezüglich<strong>in</strong>tensive und außerordentlich zeitaufwendige Voruntersuchungen durchzuführen,konnte dieser Aspekt im Rahmen der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t nicht weiter berücksichtigtwerden.3.1.2. Untersuchungsmethodik und UntersuchungszielgruppeIn die Überlegungen, auf welche Weise und durch wen die genannten Fragestellungen nunbeantwortet werden könnten, wurden zunächst mehrere Möglichkeiten e<strong>in</strong>bezogen. Methodischs<strong>in</strong>nvoll erschien auf den ersten Blick nicht nur die Befragung von <strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und deren Eltern anhand strukturierter Gesprächsleitfäden, sondern auch dieDurchführung zusätzlicher Interviews mit Rettungssanitätern und -assistenten, Notfallseelsorgernund weiteren Personengruppen (z. B. Notärzte, Krankenpflegepersonal, Feuerwehr-und Polizeibeamte), die u. U. jeweils eigene sachdienliche Erfahrungen <strong>in</strong> die Untersuchunge<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen könnten.Auch die psychologische Deutung von Zeichnungen und Aufsätzen, die K<strong>in</strong>der nach Notfällenangefertigt bzw. verfasst haben, sowie die Auswertung von eigenen Beobachtungen<strong>in</strong> Übungssituationen und tatsächlichen E<strong>in</strong>sätzen des Rettungsdienstes kamen als weiteredenkbare Ansätze zur Erkenntnisgew<strong>in</strong>nung durchaus <strong>in</strong> Frage.Aus pragmatischen Gründen, mit dem Ziel e<strong>in</strong>er weitgehenden Standardisierung der angewandtenUntersuchungs- und Auswertungsmethodik; aber v. a. auch um zu verh<strong>in</strong>dern, daßsubjektive Vor<strong>in</strong>terpretationen der Wahrnehmung von Dritten <strong>in</strong> die Beantwortung der zuklärenden Fragestellungen e<strong>in</strong>fließen könnten, wurde die weitere Planung der Studie dennochausschließlich darauf ausgerichtet, strukturierte Interviews mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu führen, dieselbst Notfallsituationen körperlich <strong>unverletzt</strong> miterlebt haben.An e<strong>in</strong>em Beispiel soll diese Entscheidung begründet werden: Rettungsassistenten beschreiben(verletzte) K<strong>in</strong>der, die im Notfallgeschehen nicht unbed<strong>in</strong>gt we<strong>in</strong>en oder schreien,mitunter als besonders „tapfer“, „stark“ oder „erwachsen“ und mutmaßen – offenbar


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 61ohne die Beobachtung und deren Wertung vone<strong>in</strong>ander zu trennen – e<strong>in</strong>e eher ger<strong>in</strong>ge psychischeBelastung. Dieser Annahme kann jedoch die wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisgegenübergestellt werden, daß e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d gerade dann besonders stark betroffen ist,wenn es durch Schmerzen, Ängste und Sorgen noch nicht e<strong>in</strong>mal mehr dazu fähig ist, verbalauf se<strong>in</strong>e Situation aufmerksam zu machen (vgl. KARUTZ 2002d, S. 25-26).Die Vermutung verme<strong>in</strong>tlicher Tapferkeit e<strong>in</strong>es nicht we<strong>in</strong>enden K<strong>in</strong>des muss <strong>in</strong>sofern alse<strong>in</strong>e Fehl<strong>in</strong>terpretation angesehen werden, und stattdessen wäre <strong>in</strong> vielen Fällen von e<strong>in</strong>emvölligen Versagen der k<strong>in</strong>dlichen Bewältigungsstrategien im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er psychischen Kapitulationauszugehen (vgl. KARUTZ 2002d, S. 26). Was anhand der Aussagen von Rettungsassistentensomit erkundet werden könnte, ist weniger das Erleben und Verhalten der<strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>der, als vielmehr der eigene notfallpsychologische Wissens- und Kenntnisstandsowie die daraus resultierende Notwendigkeit entsprechender Aus- und Fortbildungsmaßnahmen.Ähnliches gilt für die Aussagen von Notfallseelsorgern und Eltern, die im H<strong>in</strong>blick auf daseigentliche Forschungsanliegen der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t ebenfalls nur e<strong>in</strong>geschränkt verwendetwerden könnten.Im Endeffekt wird <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t damit die Auffassung vertreten, daß man,wenn man etwas über <strong>unverletzt</strong>-betroffene K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfallsituationen erfahren möchte,diese Erkenntnis auch nur im direkten Kontakt mit eben diesen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gew<strong>in</strong>nen kann.Daß auch mit dieser Feststellung bzw. Vorgehensweise besondere Risiken und Gefahrenverbunden s<strong>in</strong>d, ändert da<strong>bei</strong> nichts an ihrer grundsätzlichen Zweckmäßigkeit und Rechtfertigung35 .E<strong>in</strong>zelgespräche mit strukturierten Fragebögen schienen im Übrigen deshalb besondersangemessen, weil davon ausgegangen werden konnte, daß das subjektive Erleben von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>e<strong>in</strong>er direkten mündlichen Befragung eher zugänglich se<strong>in</strong> würde als <strong>bei</strong>spielsweiseder bloßen Beobachtung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation oder auch e<strong>in</strong>er schriftlichen Befragung(vgl. KARUTZ 2001, S. 70).35 Z. B. weist Lohaus auf Probleme durch eventuelle Sprachbarrieren, die Möglichkeit der Überforderungvon <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> durch die Befragungssituation sowie e<strong>in</strong> durch die Untersuchungsmethode erzeugtes bzw. suggeriertesAntwortverhalten h<strong>in</strong> (vgl. LOHAUS 1990, S. 118-123).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 623.1.3. FragebogenkonzeptionDen beschriebenen Vorüberlegungen entsprechend wurde nun e<strong>in</strong> Fragebogen bzw. Interviewleitfadenkonzipiert und <strong>in</strong> folgende Abschnitte gegliedert 36 :1. Angaben zur Person (Geschlecht, Alter zum Zeitpunkt des Notfalls)2. Angaben zur Befragungssituation (Anwesenheit Dritter, Ort, Zeit, Dauer, zeitlicherAbstand zwischen dem Notfallgeschehen und der Befragung)3. Angaben zum Notfallgeschehen und zu spezifischen Moderatorvariablen (Notfallart,Vorerfahrungen, Notfallort, Notfallzeitpunkt, Bezug zum Patienten, Anzahl der Patienten,Schwere der Verletzung bzw. Erkrankung, Verhalten und verbale Äußerungendes Patienten, Tote, Anwesenheit, Verhalten und verbale Äußerungen Dritter, e<strong>in</strong>gesetzteRettungsmittel)4. Angaben zur eigenen Situation (direkte oder <strong>in</strong>direkte Beteiligung, Verhalten, Gefühleund Gedanken, besonders belastende Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse, Hilfreichebzw. angenehme Erfahrungen)Um den Befragten weitgehend freie Antworten zu ermöglichen, ohne sich an vorgegebenenAntwortkategorien orientieren zu müssen, <strong>bei</strong>nhaltet der Interviewleitfaden da<strong>bei</strong> fastausschließlich offene Fragen.Zusätzlich vorangestellt wurde allerd<strong>in</strong>gs die verb<strong>in</strong>dliche Klärung e<strong>in</strong>iger Ausschlußkriterien:So sollten von vornhere<strong>in</strong> nur K<strong>in</strong>der befragt werden, <strong>bei</strong> denen das miterlebte Notfallereignisnicht länger als e<strong>in</strong> Jahr zurückliegt, um rückwirkende Wahrnehmungsverzerrungensowie Er<strong>in</strong>nerungsdefizite zum<strong>in</strong>dest ansatzweise ausschließen zu können.Ebenso sollten selbstverständlich nur K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die Studie e<strong>in</strong>bezogen werden, deren Elternbzw. Erziehungsberechtigte entsprechend e<strong>in</strong>gewilligt hatten und die dazu freiwillig bereitwaren. Sofern e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d – auch unabhängig von der Zustimmung se<strong>in</strong>er Erziehungsberechtigten- ablehnendes bzw. unkooperatives Verhalten im Bezug auf die bevorstehende Befragungzeigen würde, sollte von der Interviewdurchführung abgesehen werden.Als weitere Ausschlußkriterien ist auf sprachliche Barrieren (z. B. <strong>bei</strong> jüngeren oder ausländischen<strong>K<strong>in</strong>dern</strong>) sowie selbst erlittene körperliche Verletzungen h<strong>in</strong>zuweisen. Zudemsollte von e<strong>in</strong>er Befragung abgesehen werden, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zeitgleich psychotherapeutischbehandelt werden würde: Dies geschah vor dem H<strong>in</strong>tergrund, ke<strong>in</strong>en wie auch immergearteten, unerwünschten E<strong>in</strong>fluss auf e<strong>in</strong>e laufende Psychotherapie nehmen zu wollen.36 Siehe Anlage 1.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 63Nachgestellt wurde dem beschriebenen Fragebogen schließlich e<strong>in</strong> weiterer Abschnitt, <strong>in</strong>dem die aktuelle psychische Situation des befragten K<strong>in</strong>des thematisiert werden sollte.Hier sollten eventuell bestehende Symptome anhaltender Posttraumatischer Belastungsstörungenbzw. anderer psychischer Störungen gemäß ICD 10 und DSM IV 37 erkundet werden,um im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (d. h. dem bisherigen Wissensstandentsprechend) ggf. auch entsprechende <strong>Hilfe</strong> leisten bzw. vermitteln zu können: Soferndeutlich werden würde, daß e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d weitere fachliche <strong>Hilfe</strong> benötigt, wurde es als ethischnicht zu verantworten betrachtet, zwar die vorgesehene Befragung durchzuführen, dannaber die weitere notwendige <strong>Hilfe</strong>leistung zu unterlassen.In diesem Zusammenhang ist ohneh<strong>in</strong> darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß die Anordnung der Fragen<strong>in</strong> den geplanten Interviews dem Ablauf e<strong>in</strong>es Notfallnachsorge- bzw. Krisen<strong>in</strong>terventionsgesprächsentsprechen sollte, wie es derzeit <strong>in</strong> der zur Verfügung stehenden Fachliteraturbeschrieben wird (vgl. Anlage 1 und MITCHELL/EVERLY 1993, S. 81-91;DASCHNER 2001, S. 94-97 u. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 110-121). Auf diese Weisewar von vornhere<strong>in</strong> ausdrücklich beabsichtigt, nicht nur Erkenntnisgew<strong>in</strong>nung, sonderngleichzeitig auch notfallpsychologische <strong>Hilfe</strong> zu leisten, sofern diese eben notwendig se<strong>in</strong>würde.3.1.4. Gestaltung der KontaktaufnahmeUm die geplante Untersuchung durchzuführen zu können, musste naheliegenderweise zunächstKontakt zu <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aufgenommen werden, die Notfallsituationen <strong>unverletzt</strong>betroffenmiterlebt hatten. Insbesondere diese Kontaktaufnahme erwies sich jedoch alsaußerordentlich problematisch, zumal <strong>in</strong> den meisten Fällen – wie eben <strong>in</strong> Abschnitt 2 dervorliegenden Ar<strong>bei</strong>t dargestellt – bislang ke<strong>in</strong>e organisierte <strong>Hilfe</strong>leistung für diesen Personenkreiserfolgt und somit auch von niemandem dokumentiert wird, welches K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> welchemNotfall anwesend ist, ohne selbst körperlich verletzt worden zu se<strong>in</strong>.Ausnahmen stellen Notfallsituationen dar, <strong>in</strong> denen K<strong>in</strong>der zu Zeugen geworden s<strong>in</strong>d undihre Personalien dementsprechend von der Polizei aufgenommen wurden. H<strong>in</strong>zu kommenNotfälle, <strong>in</strong> denen die Notwendigkeit e<strong>in</strong>er psychologischen <strong>Hilfe</strong>leistung bereits erkanntwurde und somit der E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>es Notfallseelsorgers bzw. psychologischen Notfallhelferserfolgt ist, der ebenfalls Kontakt zu <strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> herstellen könnte.37 Siehe S. 37.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 64Schließlich kann <strong>bei</strong> Notfallsituationen, die sich an bestimmten Orten ereignen, davon ausgegangenwerden, daß zum<strong>in</strong>dest mit großer Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit K<strong>in</strong>der <strong>unverletzt</strong>betroffenanwesend s<strong>in</strong>d: Dies ist <strong>bei</strong>spielsweise <strong>bei</strong> Notfällen <strong>in</strong> oder <strong>in</strong> der unmittelbarenNähe von K<strong>in</strong>dergärten, Schulen, K<strong>in</strong>dertagesstätten und auf Spielplätzen der Fall 38 .Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund sollten ursprünglich Träger des Rettungsdienstes, Polizeidirektionenund Notfallseelsorger schriftlich um Mithilfe <strong>bei</strong> der Kontaktaufnahme zu <strong>unverletzt</strong><strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> oder kurz nach Notfallsituationen gebeten werden.3.1.5. Gestaltung der BefragungssituationDie Gestaltung der Befragungssituation sollte sich pr<strong>in</strong>zipiell nach den Wünschen der Befragtenorientieren und diesen e<strong>in</strong>e möglichst angenehme Gesprächsatmosphäre bieten, <strong>in</strong>der sie sich sicher und geborgen fühlen würden. Die Anwesenheit von Eltern, Lehrern,e<strong>in</strong>em Freund bzw. e<strong>in</strong>er Freund<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>es Notfallseelsorgers oder e<strong>in</strong>er anderen Bezugspersonenwurde <strong>in</strong>sofern nicht nur zugelassen, sondern ausdrücklich befürwortet; gleichwohlwurde es ebenso respektiert, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d es vorgezogen hat, alle<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terviewt zu werden.In jedem Fall sollte die Anwesenheit Dritter <strong>in</strong> der Befragungssituation dokumentiertund <strong>in</strong> der Auswertung berücksichtigt werden. Die Problematik, daß Antworten e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>desauch an den (tatsächlichen oder vermuteten) Wünschen dieses Personenkreis ausgerichtetse<strong>in</strong> könnten, wurde da<strong>bei</strong> durchaus gesehen: So wäre <strong>bei</strong>spielsweise denkbar, daße<strong>in</strong> Junge im Beise<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Mutter nicht zugeben würde, noch immer unter bestimmtenE<strong>in</strong>drücken e<strong>in</strong>er Notfallsituation zu leiden, weil er dies u. U. – wenn auch unzutreffenderweise– als E<strong>in</strong>geständnis eigener Schwäche empf<strong>in</strong>den könnte.Sofern der E<strong>in</strong>druck entstehen sollte, daß unehrliche Äußerungen gegeben werden würden,war deshalb vorgesehen, behutsam und aufmunternd dazu zu ermutigen, die Wahrheit zuäußern. Auch sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Fall zugesichert werden, daß ke<strong>in</strong>erlei unangebrachteKonsequenzen zu befürchten seien: Daß jemand ausgelacht, nicht ernst genommen, alsFeigl<strong>in</strong>g oder Schwächl<strong>in</strong>g betrachtet oder für e<strong>in</strong>e - wie auch immer geartete - Äußerungsogar bestraft würde, sollte explizit ausgeschlossen werden; und im gleichen Zusammenhangsollte zu Beg<strong>in</strong>n des Interviews unbed<strong>in</strong>gt auf absolute Vertraulichkeit des Gesprächssowie e<strong>in</strong>e anonymisierte Auswertung desselben h<strong>in</strong>gewiesen werden.38 Siehe S. 15-16.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 65Ebenfalls zu Gesprächsbeg<strong>in</strong>n sollte der Interviewende sich selbst und se<strong>in</strong> (Forschungs-)Anliegen nochmals vorstellen und auf die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Befragungsowie deren Dauer h<strong>in</strong>weisen (vgl. GUTJAHR 1985, S. 22).Anschließend war beabsichtigt, e<strong>in</strong>ige E<strong>in</strong>stiegsfragen zur Lebenssituation im Vorfeld desNotfallgeschehens und zur augenblicklichen Lebenssituation stellen, so daß die Befragtenzunächst schildern könnten, <strong>in</strong> welchem <strong>in</strong>dividuellen biographischen Kontext das jeweiligeNotfallgeschehen zu betrachten se<strong>in</strong> würde. Diese E<strong>in</strong>stiegsfragen sollten aber auchdazu dienen, die Er<strong>in</strong>nerung an e<strong>in</strong>e möglicherweise schon längere Zeit zurückliegendeNotfallsituation erneut zu wecken und die Möglichkeit zu bieten, sich diese nochmals zuvergegenwärtigen. In diesem S<strong>in</strong>ne heißt es auch <strong>bei</strong> Gutjahr: „Sachverhalte, die zwargrundsätzlich bewußtse<strong>in</strong>sgegenwärtig s<strong>in</strong>d, aber möglicherweise zum Zeitpunkt der Befragungnicht verfügbar se<strong>in</strong> werden, müssen durch Vorfragen [weil es um Notfälle geht:behutsam] aktualisiert werden“ (GUTJAHR 1985, S. 16; Zus. v. H.K.).Erst dann sollten die auf das eigentliche Notfallgeschehen bezogenen Fragen <strong>in</strong> der imInterviewleitfaden vorgesehen Anordnung folgen, wo<strong>bei</strong> dem natürlichen Gesprächsverlauf,d. h. auch e<strong>in</strong>em Gedankensprung, e<strong>in</strong>er (sche<strong>in</strong>bar) zusammenhanglosen und u. U.nicht zur augenblicklich gestellten Frage passenden Antwort e<strong>in</strong>es Befragten grundsätzlichPriorität gegenüber dem starren E<strong>in</strong>halten des geplanten Gesprächsverlaufs e<strong>in</strong>geräumtwurde: Ke<strong>in</strong>esfalls sollte e<strong>in</strong> befragtes K<strong>in</strong>d sich zu etwas gezwungen oder durch e<strong>in</strong>e vorgegebeneAnordnung von Fragen gemaßregelt fühlen.Zum Abschluß e<strong>in</strong>es jeden Gesprächs sollte schließlich die Gelegenheit gegeben werden,noch e<strong>in</strong>mal unabhängig von allen konkreten Fragen und dem bisherigen GesprächsverlaufH<strong>in</strong>weise zu geben bzw. D<strong>in</strong>ge zu äußern, die <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>en Zusammenhang mit e<strong>in</strong>ererlebten Notfallsituation stehen, sofern sie die dem befragten K<strong>in</strong>d wichtig ersche<strong>in</strong>ensollten und es sie gerne noch äußern würde. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden,daß e<strong>in</strong> befragtes K<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>esfalls das Gefühl bekommt, es hätte etwas nicht sagen könnenbzw. sagen dürfen, weil es dazu z. B. nicht explizit aufgefordert wurde.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 663.2. Durchführung e<strong>in</strong>er explorativen Studie3.2.1. Untersuchungszeitraum und UntersuchungsablaufDie eigentliche Untersuchung wurde im Zeitraum vom 28.02.2002 bis zum 05.12.2002durchgeführt. Da<strong>bei</strong> wurden zunächst das Landespfarramt für Notfallseelsorge der EvangelischenKirche im Rhe<strong>in</strong>land sowie die Berufsfeuerwehren <strong>in</strong> Bochum, Bottrop, Dortmund,Duisburg, Essen, Herne, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen und Witten als jeweiligeTräger des Rettungsdienstes schriftlich und mit e<strong>in</strong>er offiziellen Bestätigung der UniversitätDortmund über die geplante Untersuchung <strong>in</strong>formiert 39 . Im gleichen Schreiben,dem auch umfangreiches Informationsmaterial über bisherige notfallpsychologische Ar<strong>bei</strong>ten<strong>bei</strong>gelegt worden ist, wurde um e<strong>in</strong>en persönlichen Gesprächsterm<strong>in</strong> gebeten, <strong>in</strong>dem geklärt werden könnte, <strong>in</strong> welchem Rahmen e<strong>in</strong>e Unterstützung des Forschungsvorhabensmöglich se<strong>in</strong> würde.Nach telefonischer Rücksprache mit dem Polizeipräsidium <strong>in</strong> Mülheim an der Ruhr wurdevon e<strong>in</strong>em weiteren Schreiben an Polizeidirektionen abgesehen, weil e<strong>in</strong>e Unterstützungder Studie durch die Polizei im Wesentlichen schon aus ar<strong>bei</strong>tsökonomischen Überlegungenheraus von vornhere<strong>in</strong> ausgeschlossen wurde.Auch die Antworten der angeschriebenen Berufsfeuerwehren und des Landespfarramtesfür Notfallseelsorge fielen unterschiedlich aus: Drei Berufsfeuerwehren (BerufsfeuerwehrBottrop, Herne und Witten) reagierten auf das genannte Schreiben nicht. Die BerufsfeuerwehrDortmund lehnte e<strong>in</strong>e Unterstützung der Studie aus organisatorischen und personellenGründen mit großem Bedauern ab 40 . Die Berufsfeuerwehr Duisburg bot e<strong>in</strong> Praktikumim Rettungsdienst an, so daß im Rahmen des E<strong>in</strong>satzdienstes sachdienliche Informationengewonnen werden könnten 41 . Auf dieses Angebot wurde jedoch nicht zurückgegriffen. Mitden Berufsfeuerwehren <strong>in</strong> Bochum, Essen und Mülheim an der Ruhr wurde stattdessenvere<strong>in</strong>bart, daß die jeweiligen Leitstellen über Notfalle<strong>in</strong>sätze des Rettungsdienstes (d. h.E<strong>in</strong>sätze mit Rettungswagen und Notarzt; ke<strong>in</strong>e Krankentransporte) <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärten,Schulen und auf Spielplätzen <strong>in</strong>formieren würden. Auf diese Weise konnte dann vor OrtKontakt zu eventuell anwesenden, <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Kontakt aufgenommenwerden, dies hat sich <strong>in</strong>sgesamt 33 Mal ergeben.39 Siehe Anlagen 2 und 3.40 Siehe Anlage 4.41 Siehe Anlage 5.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 67In besonderen Situationen, z. B. <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em Großschadensfall mit mehreren beteiligten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>,sollte außerdem die unmittelbare Alarmierung des Autors der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>terfolgen. Tatsächlich ist dies e<strong>in</strong>mal geschehen, als <strong>in</strong> Mülheim an der Ruhr am26.06.2002 auf offener Straße und <strong>in</strong> unmittelbarer Nachbarschaft e<strong>in</strong>er Grundschule e<strong>in</strong>Mord verübt, d. h. e<strong>in</strong> Mann vor den Augen mehrerer K<strong>in</strong>der erschossen wurde 42 .Die Berufsfeuerwehr Mülheim <strong>in</strong>formierte darüber h<strong>in</strong>aus das gesamte Personal ihresRettungsdienstes und ermöglichte – ebenso wie die Berufsfeuerwehr Oberhausen - e<strong>in</strong>eregelmäßige E<strong>in</strong>sichtnahme <strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzprotokolle des Rettungsdienstes, so daß auch ausdiesen Protokollen Informationen darüber gewonnen werden konnten, welche <strong>unverletzt</strong><strong>betroffenen</strong>K<strong>in</strong>der an der E<strong>in</strong>satzstelle anwesend waren. Auf diese Weise konnte mit 17<strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gesprochen werden.Das Landespfarramt für Notfallseelsorge zeigte sich von vornhere<strong>in</strong> sehr an e<strong>in</strong>er Unterstützungder geplanten Studie <strong>in</strong>teressiert und bat die leitenden bzw. koord<strong>in</strong>ierenden Notfalllseelsorgerschriftlich darum, Kontakt zu <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> bzw. kurznach Notfällen herzustellen. In diesem Zusammenhang meldete sich am 18.03.2002 derkoord<strong>in</strong>ierende Notfallseelsorger aus Emmerich und berichtete von e<strong>in</strong>em tödlichen Verkehrsunfallvor e<strong>in</strong>em Gymnasium, den zahlreiche Schüler aus unmittelbarer Nähe beobachtethatten. Dadurch konnten – mit Zustimmung der Schulleitung und der jeweiligenEltern) 27 Interviews geführt werden.Als weitere (zunächst unbeabsichtige) Gelegenheit, Kontakt zu <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aufzunehmen, dieNotfälle <strong>unverletzt</strong>-betroffen miterlebt haben, ergab sich die eigene Tätigkeit des Autorsder vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t im Rettungsdienst, zumal an zahlreichen E<strong>in</strong>satzstellen K<strong>in</strong>der –teilweise <strong>in</strong> Begleitung ihrer Eltern - als Zuschauer anzutreffen waren. Diese K<strong>in</strong>der bzw.deren Eltern wurden dann darum gebeten, ihren Namen und ihre Anschrift mitzuteilen, sodaß <strong>in</strong> kurzem zeitlichen Abstand erneut Kontakt zu ihnen aufgenommen werden konnte.Auf diese Weise konnten 19 weitere Interviews geführt werden, so daß sich e<strong>in</strong>e Gesamtzahlvon 96 durchgeführten Interviews ergibt.Im Anschluß an alle zustande gekommenen Interviews wurde schließlich nach drei bis vierWochen noch e<strong>in</strong>mal telefonisch Kontakt zu den Bezugspersonen des befragten K<strong>in</strong>desaufgenommen um herauszuf<strong>in</strong>den, ob sich <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>sicht Veränderungen e<strong>in</strong>gestellthaben bzw. ob das geführte Gespräch <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er H<strong>in</strong>sicht weitere Konsequenzen42 K<strong>in</strong>der, die diese Tat beobachtet hatten, konnten im Rahmen der vorliegenden Untersuchung jedoch nichtbefragt werden, weil e<strong>in</strong>e Schulleiter<strong>in</strong> - wie im folgenden Text noch dargestellt wird – den Kontakt zu den


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 68nach sich gezogen hat. Davon abgesehen, daß die zum Zeitpunkt der Befragung <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>igen<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> noch andauernden Symptome von Belastungsreaktionen bis zum Telefonat offenbarabgeklungen waren und drei K<strong>in</strong>der von vornhere<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e weitere Betreuung durchNotfallseelsorger bzw. Psychotherapeuten vermittelt worden s<strong>in</strong>d (vgl. Abschnitt 3.3.10.der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t), war dies – den Angaben der Bezugspersonen zufolge – jedochniemals der Fall.3.2.2. Exkurs zu Widerständen und Bedenken gegenüber der UntersuchungBei e<strong>in</strong>zelnen Notfallseelsorgern, Lehrern und Schulleitern stieß der Verfasser der vorliegendenAr<strong>bei</strong>t mitunter auf massiven Widerstand bzw. e<strong>in</strong>e eher ablehnende Haltung undgrundsätzliche Bedenken, wenn es darum gehen sollte, <strong>in</strong> der beschriebenen Weise Kontaktzu <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> herzustellen, die <strong>in</strong> die Studie e<strong>in</strong>bezogen werden sollten.Die Auswertung der Untersuchung im folgenden Abschnitt soll deshalb nicht erfolgen,ohne zuvor auch die sachlichen Vorbehalte zu diskutieren, die im H<strong>in</strong>blick auf das hiervorgestellte Forschungsvorhaben von e<strong>in</strong>zelnen geäußert worden s<strong>in</strong>d.3.2.2.1. Ethische Aspekte der Durchführung e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen StudieBei e<strong>in</strong>em Konvent leitender Notfallseelsorger der evangelischen Kirche im Rhe<strong>in</strong>land am30.01.2002 <strong>in</strong> Düsseldorf wurde die Unterstützung der hier vorgestellten Ar<strong>bei</strong>t v. a. ausethischen Gründen abgelehnt: E<strong>in</strong>e wissenschaftliche Befragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nach Notfällensei grundsätzlich mit erheblichen Gefahren verbunden und damit kaum zu verantworten;K<strong>in</strong>der zu Forschungszwecken den Belastungen e<strong>in</strong>er Befragungssituation auszusetzen,könne aus ethischen Gründen nicht gerechtfertigt werden.Hierzu ist nochmals festzustellen: Die wissenschaftliche Befragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu Forschungszweckenbzw. der entsprechende Interviewleitfaden wurde im Rahmen der vorliegendenAr<strong>bei</strong>t bewußt so konzipiert, daß das entstehende Gespräch ebenso verlaufen undmoderiert werden würde wie e<strong>in</strong> Gespräch im Rahmen e<strong>in</strong>es Notfallseelsorge- bzw. Krisen<strong>in</strong>terventionse<strong>in</strong>satzes,<strong>bei</strong> dem der aktuelle Forschungsstand und die zur Verfügungstehende Fachliteratur Berücksichtigung fände. Auch wurde die ggf. notwendige Vermittlungweiterer Hilfsangebote - wie beschrieben - von vornhere<strong>in</strong> als selbstverständlicherBestandteil des Forschungsdesigns angesehen 43 .<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> untersagte.43 Siehe S. 63.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 69Der e<strong>in</strong>zige Unterschied zwischen der wissenschaftlichen Befragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und Gesprächenvon <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> mit Notfallseelsorgern besteht im Endeffekt also dar<strong>in</strong>, daß die jeweiligenAussagen der K<strong>in</strong>der <strong>bei</strong> der wissenschaftlichen Befragung nach dem Gespräch –und wohlgemerkt <strong>in</strong> anonymisierter Form – schriftlich fixiert und systematisch, d. h. <strong>bei</strong>spielsweiseim Zusammenhang mit den Ergebnissen der Befragung anderer K<strong>in</strong>der ausgewertetwürden.Die Kritik, der zufolge nun noch auf unterschiedliche Zielsetzungen von wissenschaftlichenBefragungen e<strong>in</strong>erseits und forschungsunabhängig durchgeführten Gesprächen zwischen<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und Notfallseelsorgern andererseits h<strong>in</strong>zuweisen und somit e<strong>in</strong>e weitereethische Problematik zu thematisieren wäre, greift im Übrigen deshalb nicht, weil sie letztlichübersieht, daß auch (und gerade!) durch die wissenschaftliche Befragung betroffenerK<strong>in</strong>der explizit e<strong>in</strong>e effektive <strong>Hilfe</strong>leistung angestrebt wird und somit nicht von unterschiedlichenZielsetzungen die Rede se<strong>in</strong> kann.Ganz im Gegenteil muß darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, daß e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes, nicht wissenschaftlichausgewertetes Gespräch zwischen e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong>em Notfallseelsorger maximaldiesem e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>d helfen kann, während e<strong>in</strong> wissenschaftlich ausgewertetes Gesprächnicht nur <strong>Hilfe</strong> für das e<strong>in</strong>zelne K<strong>in</strong>d <strong>bei</strong>nhaltet, sondern gleichzeitig dazu <strong>bei</strong>trägt,auch die zukünftige psychologische <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>in</strong>sgesamt zu reflektieren bzw. strukturellzu verbessern.Die Behauptung, daß die Befragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu Forschungszwecken aus ethischenGründen abzulehnen ist, würde folglich auch die eigene Notfallseelsorgetätigkeit ad absurdumführen: Lehnt man e<strong>in</strong>e solchermaßen wie <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t konzipierte Befragungzu Forschungszwecken aus ethischen Gründen ab, müsste konsequenterweise auchjedes andere Gespräch von Notfallseelsorgern mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nach Notfällen abgelehnt werden.Die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t wurde aber im Bewußtse<strong>in</strong> der Tatsache geschrieben, daß Forschungund <strong>Hilfe</strong>leistung sich e<strong>in</strong>ander eben nicht ausschließen, sondern vielmehr notwendigergänzen.3.2.2.2. Die Gefahr e<strong>in</strong>er drohenden RetraumatisierungVon e<strong>in</strong>igen Notfallseelsorgern, aber auch seitens e<strong>in</strong>iger Erzieher und Schulleiter wurdekritisch angemerkt, daß die geplante Befragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> deshalb problematisch ist,weil sie mit der Gefahr e<strong>in</strong>er Retraumatisierung verbunden se<strong>in</strong> könnte.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 70Hierzu ist festzustellen, daß <strong>in</strong> der zur Verfügung stehenden Fachliteratur weitgehendeE<strong>in</strong>igkeit dar<strong>in</strong> besteht, daß das Sprechen über belastende Erfahrungen und E<strong>in</strong>drücke eherhilfreich als schädlich ist, sofern dies freiwillig erfolgt (vgl. z. B. STEPAN 1995, S. 323;STEPAN/JATZKO 2000; LASOGGA/GASCH 2002b, S. 118-120; HAUSMANN 2003, S.240). Die Teilnahme an den Befragungen sollte vor diesem H<strong>in</strong>tergrund – wie beschrieben- nur dann erfolgen, wenn die K<strong>in</strong>der dies auch selbst möchten. Sofern Eltern als Erziehungsberechtigtee<strong>in</strong>er Teilnahme an der Befragung zustimmen würden, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d aber eherablehnendes bzw. ängstlich-unkooperatives Verhalten zeigen sollte, wäre von e<strong>in</strong>er Befragungdes K<strong>in</strong>des selbstverständlich abzusehen 44 : Hierdurch würde nicht zuletzt auch berücksichtigt,daß Menschen nach Notfallsituationen mitunter sehr <strong>in</strong>dividuelle Bear<strong>bei</strong>tungsstrategienentwickeln und es durchaus Menschen gibt, die eben nicht über das Erlebtesprechen möchten (sondern es stattdessen auf e<strong>in</strong>e andere Weise bear<strong>bei</strong>ten).Allerd<strong>in</strong>gs könnte es sich <strong>bei</strong> der Ablehnung e<strong>in</strong>er Teilnahme an der Befragung danndurchaus auch um Verdrängungsstrategien, Vermeidungsverhaltensweisen bzw. e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>nerenRückzug als Symptom e<strong>in</strong>er sich bereits anbahnenden Posttraumatischen Belastungsstörunghandeln. Um diese Tatsache zu berücksichtigen, wurde e<strong>in</strong> Schreiben entworfen,daß <strong>in</strong>sbesondere auch denjenigen Eltern ausgehändigt werden sollte, deren K<strong>in</strong>dereben nicht an der Befragung teilnehmen wollen 45 .Unabhängig von diesen Ausführungen muß allerd<strong>in</strong>gs noch darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden,daß es letztlich ohneh<strong>in</strong> nicht s<strong>in</strong>nvoll (und <strong>in</strong> der Praxis auch nicht möglich!) ist, Menschen,die e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Notfallereignis miterlebt haben, womöglich dauerhaft und für immervon jeder wissenschaftlichen Studie (bzw. jedem Gespräch!) zu notfallbezogenen Themenauszuschließen: Auf diese Weise würde das eigentliche Notfallgeschehen stattdessen nurtabuisiert, wodurch z. B. auch die Entwicklung e<strong>in</strong>es Vermeidungsverhaltens sicherlichnoch gefördert und e<strong>in</strong>er konstruktiven Ause<strong>in</strong>andersetzung mit dem Erlebten zweifelloseher entgegengewirkt würde (vgl. DASCHNER 2001, S. 95).Im Übrigen wird übersehen, daß die erneute Konfrontation mit e<strong>in</strong>em früheren, evtl. nochnicht abschließend verar<strong>bei</strong>teten Erlebnis – auch <strong>bei</strong> zahlreichen anderen Gelegenheiten imzukünftigen Leben e<strong>in</strong>es Menschen drohen könnte. In diesem Zusammenhang muß dannaber darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, daß es wohl günstiger wäre, wenn der Bedarf e<strong>in</strong>er notfallpsychologischen<strong>Hilfe</strong> im Rahmen der wissenschaftlichen Befragung festgestellt wird44 Siehe S. 62.45 Siehe Anhang 6.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 71(zumal dann, wie beschrieben, entsprechende Hilfsangebote vermittelt werden könnten),als mehr oder weniger zufällig, irgendwann und irgendwo, d. h. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Situation, <strong>in</strong> derweder die diagnostische Kompetenz des Befragenden noch das sofortige Angebot derVermittlung weiterer <strong>Hilfe</strong> zur Verfügung steht.3.2.2.3. Auftrag der NotfallseelsorgeDer leitende Notfallseelsorger e<strong>in</strong>er großen kreisfreien Stadt im Ruhrgebiet stand der vorliegendenAr<strong>bei</strong>t v. a. deshalb ablehnend gegenüber, weil „die Unterstützung wissenschaftlicherStudien nun e<strong>in</strong>mal nicht se<strong>in</strong> Auftrag“ sei. Zudem äußerten auch andere Notfallseelsorger,vorrangig Menschen helfen – und eben ke<strong>in</strong>e wissenschaftliche Forschungbetreiben zu wollen.Hierzu ist zunächst erneut festzustellen, daß wissenschaftliche Forschung und seelsorgerliche<strong>Hilfe</strong>leistung sich ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong>ander ausschließen. Stattdessen ist darauf h<strong>in</strong>zuweisen,daß professionelles Handeln – übrigens auch aus der eigenen Sicht von Notfallseelsorgen– nicht nur theologische Kenntnisse bzw. den eigenen Glauben voraussetzt, sondernunabd<strong>in</strong>gbar auch e<strong>in</strong>e fachliche Qualifikation auf der Grundlage empirisch gesicherterErkenntnisse (vgl. <strong>in</strong>sbesondere MÜLLER-LANGE 2001, S. 56 u. 285ff).Zugleich ist es e<strong>in</strong> weiteres Merkmal von Professionalität, daß man sich an der Weiterentwicklungund der kritischen Reflektion des eigenen Handelns sowie der eigenen Wissensbasisbeteiligt (vgl. MÜLLER-LANGE 2001, S. 312-313). In diesem Zusammenhang stelltsich dann jedoch die Frage, wo denn praxisrelevante, gesicherte Erkenntnisse für den Umgangmit Menschen <strong>in</strong> Notfallsituationen gewonnen werden sollen, wenn nicht im unmittelbarenKontakt mit Menschen <strong>in</strong> oder nach Notfallsituationen!Hier könnte nahezu von e<strong>in</strong>er paradoxen Situation die Rede se<strong>in</strong>, sofern zwar die Notwendigkeitgesehen wird, notfallpsychologische Erkenntnisse im Rahmen notfallseelsorgerlicherTätigkeit zu berücksichtigen, dann aber die Gew<strong>in</strong>nung neuer notfallpsychologischerErkenntnisse – aus welchem Grunde auch immer – abgelehnt wird.3.2.2.4. Die fehlende Notwendigkeit der ForschungMehrere Notfallseelsorger lehnten Ihre Unterstützung der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t mit der Begründungab, pr<strong>in</strong>zipiell ke<strong>in</strong>e Notwendigkeit e<strong>in</strong>er weiteren Forschung zur <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu sehen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 72Hierzu ist festzustellen: Die wissenschaftliche Forschung zur Notfallpsychologie im Allgeme<strong>in</strong>enund zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Besonderen wurde erst vorwenigen Jahren begonnen. Wenngleich das Erleben und die Verhaltensweisen von Menschen<strong>in</strong> Notfällen bzw. e<strong>in</strong>zelne Notfallauswirkungen auf betroffene Menschen <strong>in</strong>zwischenmehrfach untersucht worden s<strong>in</strong>d und auch mehrere Konzepte zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> entwickelt wurden, s<strong>in</strong>d zahlreiche Fragestellungen bislang unbeantwortet geblieben.Hierzu wird <strong>in</strong>sbesondere auf Abschnitt 2 der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t verwiesen, <strong>in</strong>dem die Defizite der aktuellen Forschungslage ausführlich dargestellt werden 46 .Ansonsten darf nicht unerwähnt bleiben, daß es e<strong>in</strong> utopischer Irrglaube bzw. sogar sachlichfalsch ist anzunehmen, daß es überhaupt e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Ar<strong>bei</strong>t geben könnte,die zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zeitpunkt endgültig abgeschlossen wäre; der Prozess der Erkenntnisgew<strong>in</strong>nungist def<strong>in</strong>itionsgemäß ohneh<strong>in</strong> niemals beendet.3.2.2.5. Kritik an der bisherigen notfallpsychologischen ForschungTeilweise wurde die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t mit dem Argument abgelehnt, daß ohneh<strong>in</strong> – wie<strong>in</strong> der bisherigen notfallpsychologischen Forschung auch – wieder nur „Banalitäten“ herausgefundenwürden, d. h. D<strong>in</strong>ge, die sowieso auf der Hand lägen und ke<strong>in</strong>er weiteren Erklärungoder Diskussion, v. a. aber ke<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Untersuchung bedürften.Hierzu ist festzustellen, daß es <strong>in</strong> der Tat offenbar e<strong>in</strong>e Diskrepanz zwischen der kognitivenNachvollziehbarkeit bzw. dem kognitiven Verständnis der notfallpsychologisch era<strong>bei</strong>tetenForderungen e<strong>in</strong>erseits und der praktischen Umsetzung dieser Forderungen imBedarfsfall gibt (vgl. LASOGGA/GASCH 2000, S. 109). In diesem Zusammenhang darfjedoch nicht übersehen werden, daß sich die notfallpsychologische Forschung seit Jahrengerade auch darum <strong>in</strong>tensiv bemüht, die Vermittlung und Umsetzung theoretischer Erkenntnisse<strong>in</strong> die Praxis zu fördern. So wurden z. B. zahlreiche Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gskonzepte zur <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> für unterschiedliche Zielgruppen entwickelt und teilweise auch bereitsevaluiert (vgl. z. B. BOURAUEL 1994; LASOGGA/GASCH 1997; BENGEL/CARL1997).Außerdem muß darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, daß die Kritik an der „Banalität“ von Ergebnissennotfallpsychologischer Forschung letztlich dadurch relativiert wird, daß <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erVielzahl von Studien gerade die Nichtbeachtung (offenbar eben nur sche<strong>in</strong>bar) e<strong>in</strong>facher46 Siehe S. 55-57.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 73Grundsätze <strong>bei</strong> der Betreuung bzw. <strong>Hilfe</strong>leistung von den Betroffenen kritisiert worden ist(vgl. z. B. LASOGGA 2001a; b u. c).Im Übrigen muß wehement der Annahme widersprochen werden, derzufolge das angemesseneVerhalten gegenüber Notfall<strong>betroffenen</strong> sozusagen automatisch und auf e<strong>in</strong>e geradezuselbstverständliche Weise korrekt erfolgen würde. Weil gerade nicht immer das richtig ist,was man möglicherweise <strong>in</strong>tuitiv tun würde (vgl. LASOGGA/GASCH 2000, S. 110-112),bedarf es umso mehr der wissenschaftlichen Forschung, um zu gesicherten Erkenntnissenzu gelangen und das eigene Handeln im Umgang mit Notfall<strong>betroffenen</strong> begründen undlegitimieren zu können.Zwei Beispiele verdeutlichen dies sehr anschaulich: So ist noch immer die Vorstellungweit verbreitet, Verstorbene so <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung zu behalten, „wie man sie gekannt hat“. Wissenschaftlichnachweisbar ist jedoch, daß der „visuelle Abschied“, d. h. das bewußte Ansehene<strong>in</strong>es Verstorbenen, Trauerprozesse bzw. die Bewältigung e<strong>in</strong>es Todesfalls <strong>in</strong> besonderemMaße positiv bee<strong>in</strong>flussen kann (vgl. z. B. DASCHNER 2001, S. 86). Und bezogenauf <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>otfälle äußerten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er eigenen Studie des Autors der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>tzahlreiche Rettungsassistenten, daß Versuche der Ablenkung zu den zweifellos wirksamstenMaßnahmen im Rahmen der Betreuung von verletzten oder akut erkrankten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>gehören. Auch dieser Vorstellung kann <strong>in</strong>zwischen nicht mehr une<strong>in</strong>geschränkt zugestimmtwerden (vgl. KARUTZ 2001, S. 75 u. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 125).3.2.2.6. Datenschutzrechtliche BedenkenE<strong>in</strong>e Schulleiter<strong>in</strong> lehnte es von vornhere<strong>in</strong> - und ohne nähere Erläuterungen zur geplantenVorgehensweise erhalten zu haben - ab, die <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t beschriebene Studiezu unterstützen, weil diese aus datenschutzrechtlichen Gründen ohneh<strong>in</strong> und generell nichtdurchführbar sei. E<strong>in</strong>e andere Schulleiter<strong>in</strong> untersagte sogar jeden (!) Kontakt zu Schülern,weil es - ebenfalls aus datenschutzrechtlichen Gründen - nicht zulässig sei, daß Personen,die nicht zur Schulgeme<strong>in</strong>de gehören, mit den <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf dem Schulgelände sprechen.Hierzu ist festzustellen, daß die geschilderten datenschutzrechtlichen Bedenken <strong>in</strong>sgesamtunbegründet s<strong>in</strong>d: Selbstverständlich dürfen K<strong>in</strong>der nicht an e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Untersuchungteilnehmen, ohne daß die Eltern zuvor ihre Zustimmung gegeben haben. Stimmendie Eltern der <strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>er Teilnahme an der Studie jedoch zu, s<strong>in</strong>d da-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 74tenschutzrechtliche Sorgen unbegründet. Im Übrigen sollte die Auswertung der Studie –wie bereits beschrieben - ohneh<strong>in</strong> anonymisiert erfolgen 47 .3.3. Auswertung e<strong>in</strong>er explorativen Studie3.3.1. Angaben zu den befragten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>Bei den 96 befragten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> handelte es sich 41 Jungen im Alter von 5 bis 16 Jahren(Durchschnittsalter 10,4 Jahre) und 55 Mädchen im Alter von 4 bis 16 Jahren (Durchschnittsalter9,8 Jahre). Das Gesamtdurchschnittsalter liegt somit <strong>bei</strong> 10 Jahren (Median =11). 9 befragte K<strong>in</strong>der waren der Altersgruppe zwischen zwei und sechs Jahren, d. h. derpräoperationalen Phase der kognitiven Entwicklung zuzuordnen. 25 befragte K<strong>in</strong>der warenim Alter zwischen 7 und 10 Jahren, d. h. <strong>in</strong> der konkret-operationalen Entwicklungsphase,und 62 befragte K<strong>in</strong>der befanden sich im Alter zwischen 11 und 16 Jahren, d. h. derformal-operationalen Entwicklungsphase. Im S<strong>in</strong>ne der o. g. Def<strong>in</strong>ition waren alle befragtenK<strong>in</strong>der sekundär von e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen betroffen und dementsprechend körperlich<strong>unverletzt</strong> 48 .Vier K<strong>in</strong>der lehnten e<strong>in</strong>e Befragung ab bzw. zeigten e<strong>in</strong> eher ablehnend-verängstigtes Verhalten,so daß von e<strong>in</strong>er Befragung abgesehen worden ist, obwohl die Eltern bereits ihreErlaubnis zur Durchführung der Interviews gegeben hatten. In sieben weiteren Fällen entschiedendie Eltern, daß ihr K<strong>in</strong>d nicht befragt werden sollte. Die jeweiligen Begründungenfür diese Entscheidungen wurden leider nicht erfasst. Auch ist im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> unklar,ob diese Entscheidungen <strong>in</strong> Abstimmung mit den <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> getroffen worden s<strong>in</strong>d oder –was durchaus auch denkbar wäre – e<strong>in</strong>ige Eltern e<strong>in</strong>e Befragung abgelehnt haben, währendihre K<strong>in</strong>der gerne teilgenommen hätten.Darüber h<strong>in</strong>aus erlaubten zwei Schulleiter<strong>in</strong>nen nach Notfallsituationen <strong>in</strong> ihren Schulengrundsätzlich ke<strong>in</strong>erlei Befragungen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>; sie begründeten dies – wie bereits beschriebenund wenn auch unzutreffenderweise 49 – mit datenschutzrechtliche Bedenken.Schließlich wurden zwei türkische K<strong>in</strong>der nicht befragt, obwohl die entsprechende E<strong>in</strong>willigungder Eltern vorlag und sie durchaus auch bereit dazu gewesen wären, weil nach Auskunftihrer Klassenlehrer<strong>in</strong>nen offenbar nur sehr mangelhafte Sprachkenntnisse vorhanden47 Siehe S. 64.48 Siehe S. 16-17.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 75waren und e<strong>in</strong>e angemessene Verständigung dadurch von vornhere<strong>in</strong> ausgeschlossenschien.Wohlgemerkt wurde jedoch allen Eltern – d. h. auch denjenigen Eltern, deren K<strong>in</strong>der –warum auch immer – letztlich nicht befragt worden s<strong>in</strong>d - e<strong>in</strong> (bereits erwähntes) Schreibenausgehändigt, das über mögliche Belastungsreaktionen nach dem Miterleben e<strong>in</strong>esNotfallgeschehens <strong>in</strong>formierte und e<strong>in</strong>ige Kontaktanschriften mit Hilfsangeboten enthielt 50 .Bei den zwei türkischen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wurde dieses Schreiben ihrer türkischen Klassenlehrer<strong>in</strong>ausgehändigt, die sich dazu bereit erklärt hatte, den Text des Briefes für die Eltern derK<strong>in</strong>der zu übersetzen.28 der befragten K<strong>in</strong>der (29,2 %) gaben an, vergleichbare Vorerfahrungen mit anderenNotfallsituationen gemacht zu haben. Als solche Vorerfahrungen wurden genannt: Unfälle<strong>in</strong> der Schule (11 Nennungen), Verkehrsunfälle (8 Nennungen), Todesfälle <strong>in</strong> der Familie(6 Nennungen) sowie (eigene) Krankenhausaufenthalte (3 Nennungen).Für 73 der befragten K<strong>in</strong>der (76,0 %) war der jeweilige Notfallpatient ke<strong>in</strong> Fremder, sonderne<strong>in</strong> Freund bzw. Schulkamerad 51 (69 Nennungen), der Bruder (2 Nennungen), derVater oder die Mutter (jeweils 1 Nennung).3.3.2. Angaben zu den Befragungssituationen65 K<strong>in</strong>der wurden alle<strong>in</strong>e befragt. Bei 31 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> waren während des Gesprächs weiterePersonen anwesend, und zwar nur die Mutter (7x), Vater und Mutter (2x) oder e<strong>in</strong> Notfallseelsorger(22x).57 Gespräche fanden <strong>in</strong> Besprechungs- bzw. Klassenräumen von Schulen statt; 39 Gesprächewurden <strong>in</strong> den Wohnungen der jeweiligen Familien geführt.Die Gespräche dauerten durchschnittlich 57,2 M<strong>in</strong>uten; das kürzeste Gespräch dauerte 30,das längste Gespräch 110 M<strong>in</strong>uten.3.3.3. Angaben zu den NotfallsituationenAnlaß für die Befragungen waren <strong>in</strong>sgesamt 29 verschiedene Notfallsituationen, <strong>in</strong> denen –der Def<strong>in</strong>ition des Notfallbegriffs <strong>in</strong> Abschnitt 1 und der Planung der Studie <strong>in</strong> Abschnitt49 Siehe S. 73-74.50 Siehe Anlage 6.51 E<strong>in</strong>e sichere Unterscheidung bzw. Abgrenzung schien hier nicht immer möglich.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 763.1. der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t entsprechend 52 – der Rettungsdienst angefordert worden warund m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e Person von ihm notfallmediz<strong>in</strong>isch versorgt werden musste.Diese Notfälle ereigneten sich zwischen zehn und 22 Uhr, und es handelte sich da<strong>bei</strong>überwiegend um chirurgische Notfälle (20; 69 %), jedoch ebenso um <strong>in</strong>ternistische Notfälle(6; 20,7 %), psychiatrische Notfälle (2; 0,6 % ) und e<strong>in</strong>en pädiatrischen Notfall (0,29%).Zum Zeitpunkt der Befragungen lagen die Notfälle zwischen e<strong>in</strong>er Woche und acht Monatenzurück.Notfallorte waren der Straßenverkehr (10 mal), Sporthallen bzw. Sportplätze (6 mal), dasSchulgebäude bzw. Schulgelände (3 mal), Wohnungen (3 mal), Kaufhäuser (2 mal) sowiee<strong>in</strong> Schwimmbad, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derspielplatz, e<strong>in</strong> Waldgebiet, e<strong>in</strong> Freizeitpark und e<strong>in</strong>e Reithalle.Die Verletzungen bzw. Erkrankungen, die die jeweiligen Betroffenen erlitten hatten, können– auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Informationen 53 - <strong>in</strong> 16 der 29 Notfälle(55, 2 %), auf die sich die vorliegende Studie bezieht, als durchaus schwer 54 bzw. sogarlebensbedrohlich, <strong>in</strong> den übrigen Fällen als eher leicht e<strong>in</strong>geschätzt werden. Bei e<strong>in</strong>em derhier thematisierten Notfälle ist der Patient verstorben. Den Notfällen mit schwer Verletztenkönnen 63 der befragten K<strong>in</strong>der zugeordnet werden, den Notfällen mit eher leicht Verletzten33.Bei den e<strong>in</strong>gesetzten Rettungsmitteln bzw. E<strong>in</strong>satzkräften handelte es sich <strong>in</strong> allen 29 Fällenm<strong>in</strong>destens um die Besatzung e<strong>in</strong>es Rettungswagens; <strong>in</strong> 17 Fällen wurde zusätzlichauch e<strong>in</strong> Notarzt-E<strong>in</strong>satzfahrzeug e<strong>in</strong>gesetzt. Bei neun Notfällen war außerdem auch diePolizei angerückt; und <strong>bei</strong> sechs Notfällen befanden sich Fahrzeuge der Feuerwehr oderweitere E<strong>in</strong>satzkräfte des Rettungsdienstes im E<strong>in</strong>satz. Bei e<strong>in</strong>em Notfall wurde der bodengebundeneRettungsdienst durch den Notarzt e<strong>in</strong>es Rettungshubschraubers unterstützt,ebenfalls nur <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em Notfall war e<strong>in</strong> Notfallseelsorger an der E<strong>in</strong>satzstelle.Dritte (d. h. im wesentlichen Zuschauer, aber auch Angehörige des Patienten) waren <strong>bei</strong>fast allen Notfällen <strong>in</strong> großer Zahl vertreten; durchschnittlich befanden sich <strong>bei</strong> den <strong>in</strong> der52 Siehe S. 6-16 u. 58-65.53 Siehe Fußnote 9 <strong>in</strong> Anlage 7.54 Als „schwer“ wurde e<strong>in</strong>e Verletzung dann e<strong>in</strong>geschätzt, wenn sie offenbar sehr starke Schmerzen verursachthat, mit erheblichem Blutverlust verbunden war, von e<strong>in</strong>em Knochenbruch im Bereich der großen Röhrenknochenan den Armen oder Be<strong>in</strong>en ausgegangen werden musste oder es durch sie zu e<strong>in</strong>er offensichtlichenStörung der Vitalfunktionen gekommen war (z. B. <strong>bei</strong> Bewußtlosigkeit oder Atemnot).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 77vorliegenden Studie untersuchten Situationen - zusätzlich zum Notfallpatienten und denE<strong>in</strong>satzkräften – 20,7 weitere Personen vor Ort.Zur weiteren Verdeutlichung bzw. zur besseren Nachvollziehbarkeit und als Ergänzung derTabelle 18 55 , <strong>in</strong> der die objektivierbaren Merkmale der Notfallsituationen zusammengefassts<strong>in</strong>d, sollen die folgenden Beschreibungen des Geschehens und des Verhaltens derBeteiligten dienen. E<strong>in</strong> Anspruch auf absolute Vollständigkeit der Darstellung kann verständlicherweisejedoch auch durch sie nicht erhoben werden:• Notfall 1: Nach dem Unterrichtsende stehen zahlreiche Schüler e<strong>in</strong>es Gymnasiums ane<strong>in</strong>er Haltestelle und warten auf den Schulbus. E<strong>in</strong> 16jähriger Junge will währenddessenmit se<strong>in</strong>em Fahrrad nach Hause fahren und rollt unmittelbar im Bereich der Bushaltestelleauf die Fahrbahn. Da<strong>bei</strong> wird er von e<strong>in</strong>em herannahenden Bagger erfasst undüberrollt. Lebensbedrohlich verletzt, im Kopf- und Brustbereich stark blutend, bleibt derJunge bewußtlos liegen. Die folgenden Reanimationsmaßnahmen durch e<strong>in</strong>ige Ersthelferund den Rettungsdienst laufen zunächst unmittelbar vor den Augen der auf denSchulbus wartenden Schüler ab und werden nach e<strong>in</strong>iger Zeit im Rettungswagen fortgesetzt.Dennoch verstirbt der verletzte Junge kurze Zeit später.• Notfall 2: Beim Sportfest klagt e<strong>in</strong> 15jähriges Mädchen über Schw<strong>in</strong>delgefühl undÜbelkeit, bevor sie vor den Augen e<strong>in</strong>iger Mitschüler zusammenbricht und e<strong>in</strong>ige M<strong>in</strong>utenbewußtlos ist, bis schließlich der Rettungsdienst e<strong>in</strong>trifft und das Mädchen <strong>in</strong>sKrankenhaus transportiert.• Notfall 3: In e<strong>in</strong>er Freizeitanlage ist e<strong>in</strong>e Frau mit Inl<strong>in</strong>e-Skates vor den Augen e<strong>in</strong>igerK<strong>in</strong>der gestürzt. Sie kann zunächst aufstehen, empf<strong>in</strong>det dann aber e<strong>in</strong>en heftigenSchmerz im Rücken und ist gezwungen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gekrümmten Schonhaltung halbsitzendauszuharren. Ihre Versorgung durch den Rettungsdienst – u. a. die Anlage e<strong>in</strong>er Infusion,die Gabe von Schmerzmitteln und die aufwendige Immobilisation der Wirbelsäulemit e<strong>in</strong>er Halskrause und e<strong>in</strong>er Vakuummatraze – wird auch von mehreren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> beobachtet.• Notfall 4: In unmittelbarer Nähe e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>derspielplatzes beobachten e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der, daße<strong>in</strong> Mann offenbar e<strong>in</strong>en hirnbed<strong>in</strong>gten Krampfanfall erleidet. Er erbricht, liegt blau angelaufenund heftig zuckend auf dem Gehweg. Passanten alarmieren daraufh<strong>in</strong> den55 Siehe Anlage 7.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 78Rettungsdienst, der nach wenigen M<strong>in</strong>uten e<strong>in</strong>trifft, krampflösende Medikamente verabreichtund den Patienten <strong>in</strong>s Krankenhaus transportiert.• Notfall 5: Bei e<strong>in</strong>er Radtour wird e<strong>in</strong> Ehepaar, das mit se<strong>in</strong>em Sohn und e<strong>in</strong>em Freunddes Sohnes geme<strong>in</strong>sam unterwegs ist, auf e<strong>in</strong>en älteren Herrn aufmerksam, der am Randdes Weges auf dem Boden sitzt und offenbar akute Atemnot hat. Der Familienvateralarmiert daraufh<strong>in</strong> per Mobiltelefon den Rettungsdienst und sorgt dafür, daß die E<strong>in</strong>satzkräftee<strong>in</strong>gewiesen werden (der Notfallort liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Waldweg). Bis derRettungsdienst e<strong>in</strong>trifft und mit der Behandlung e<strong>in</strong>es vermuteten Herz<strong>in</strong>farktes beg<strong>in</strong>nt,wird der Patient von der Ehefrau und den <strong>bei</strong>den <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> betreut.• Notfall 6: Im Sportunterricht wird e<strong>in</strong> 9jähriges Mädchen an der Hand verletzt und klagtdaraufh<strong>in</strong> über sehr starke Schmerzen. Ihre Klassenkamerad<strong>in</strong>nen werden von derSportlehrer<strong>in</strong> angewiesen, den Rettungsdienst zu benachrichtigen und aus dem SchulsekretariatMaterial zum Kühlen zu holen. Vom Rettungsdienst wird die verletzte Hande<strong>in</strong>ige M<strong>in</strong>uten später mit e<strong>in</strong>er Vakuumschiene fixiert.• Notfall 7: Im Beise<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Mutter erlebt e<strong>in</strong> 6jähriger Junge mit, wie e<strong>in</strong> Motorradfahrer<strong>bei</strong>m Abbiegen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Seitenstraße stürzt und regungslos liegen bleibt, während ihmher<strong>bei</strong>eilende Passanten bis zum E<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstes <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> leisten. DieVersorgung des Rettungsdienstes umfasst anschließend u. a. die Gabe von Infusionen,die künstliche Beatmung, die Immobilisierung der Halswirbelsäule und die Lagerungauf e<strong>in</strong>er Vakuummatraze.• Notfall 8: Bei e<strong>in</strong>er Klassenfahrt unternehmen fünf Jungen verbotenerweise und ohneWissen der aufsichtsführenden Lehrer<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e nächtliche Wanderung durch den Wald.Da<strong>bei</strong> stürzt e<strong>in</strong> Junge und zieht sich e<strong>in</strong>e offene und stark blutende Unterschenkelfrakturzu. Die anderen Jungen leisten ihrem verletzten Freund daraufh<strong>in</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong>,tragen ihn geme<strong>in</strong>sam bis zu e<strong>in</strong>er Straße und können dort e<strong>in</strong> vor<strong>bei</strong>fahrendes Fahrzeuganhalten, dessen Fahrer mit e<strong>in</strong>em Funktelefon den Rettungsdienst alarmiert. Diee<strong>in</strong>getroffenen E<strong>in</strong>satzkräfte legen dem Betroffenen dann e<strong>in</strong>en Verband an und stellendas verletzte Be<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>er Schiene ruhig.• Notfall 9: E<strong>in</strong> offenbar betrunkener Mann stürzt auf dem Gehweg und zieht sich da<strong>bei</strong>e<strong>in</strong>e stark blutende Kopfplatzwunde zu. Vom Wohnzimmerfenster aus wird dieses Geschehenzufällig von e<strong>in</strong>em 15jährigen Mädchen beobachtet, das daraufh<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Mutter<strong>in</strong>formiert. Geme<strong>in</strong>sam mit anderen Passanten leistet die Mutter des K<strong>in</strong>des bis zumE<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstes und der Polizei <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong>. Schließlich wird das


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 7915jährige Mädchen Zeuge davon, wie der Verletzte, der sich zwischenzeitlich offenbarals e<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>satzkräften bekannter Obdachloser herausgestellt hat, sehr unsanft auf dieTrage gelegt und schließlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus transportiert wird.• Notfall 10: Vor der Augen ihrer sieben Jahre alten Tochter fügt sich e<strong>in</strong>e psychischkranke Mutter - offenbar <strong>in</strong> suizidaler Absicht - stark blutende Schnittverletzungen an<strong>bei</strong>den Unterarmen zu. Die Tochter, die bereits zu diesem Zeitpunkt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Heimlebte, alarmiert daraufh<strong>in</strong> den Rettungsdienst, läuft auf die Straße und zeigt den e<strong>in</strong>treffendenE<strong>in</strong>satzkräften den Weg zum Notfallort.• Notfall 11: Vor dem K<strong>in</strong>dergarten wird e<strong>in</strong> fünf Jahre alter Junge von e<strong>in</strong>em Auto angefahren.Er erleidet Kopfverletzungen und e<strong>in</strong>en Be<strong>in</strong>bruch. Mehrere K<strong>in</strong>der sehen diesesNotfallgeschehen und bleiben als Zuschauer vor Ort, um – überwiegend im Beise<strong>in</strong>ihrer Eltern – den E<strong>in</strong>satz des Rettungsdienstes zu verfolgen. Der verletzte Junge erhältzunächst noch auf der Straße Medikamente und Infusionen, wird auf e<strong>in</strong>e Vakuummatrazegelegt und anschließend <strong>in</strong> den Rettungswagen e<strong>in</strong>geladen.• Notfall 12: E<strong>in</strong> 13jähriges Mädchen, die bekanntermaßen zuckerkrank ist, erleidet währendder Pause <strong>in</strong> der Schule e<strong>in</strong>e akute Unterzuckerung. Vor den Augen gleichaltrigerKlassenkameraden wird sie plötzlich blass, erbricht und verliert das Bewusstse<strong>in</strong>.Freund<strong>in</strong>nen des ohnmächtigen Mädchen alarmieren über das Sekretariat der Schuleden Rettungsdienst; e<strong>in</strong> Lehrer br<strong>in</strong>gt die Betroffene <strong>in</strong> die stabile Seitenlage und betreutsie bis zum E<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstes. Nach der Gabe e<strong>in</strong>es glukosehaltigenMedikamentes wird die Patienten nach kurzer Zeit wieder wach.• Notfall 13: In der Reithalle stürzt e<strong>in</strong> 12jähriges Mädchen im Beise<strong>in</strong> zweier Freund<strong>in</strong>nenvon ihrem Pferd. Sie klagt daraufh<strong>in</strong> über starke Rückenschmerzen. Von e<strong>in</strong>erReitlehrer<strong>in</strong> wird der Rettungsdienst benachrichtigt, der die Verletzte nach Auskunft derbefragten K<strong>in</strong>der vorsichtig auf e<strong>in</strong>e Vakuummatraze legt und <strong>in</strong>s Krankenhaus transportiert.• Notfall 14: Im Schwimmbad erleidet e<strong>in</strong> etwa 60jähriger Mann offenbar e<strong>in</strong>en Herz<strong>in</strong>farkt.Er bricht vor den Augen e<strong>in</strong>es neun- und e<strong>in</strong>es zehnjährigen Jungen, die <strong>in</strong> unmittelbarerNähe schwimmen, am Beckenrand zusammen. Die <strong>bei</strong>den Jungen schauenzu, während e<strong>in</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter des Schwimmbades <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> leistet und Sauerstoff verabreicht.Als der Rettungsdienst e<strong>in</strong>trifft, wird e<strong>in</strong>e Decke ausgebreitet, um den Patientenvor den Blicken der Zuschauer zu schützen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 80• Notfall 15: Beim Rosenmontagszug stürzt e<strong>in</strong> 16 Jahre altes Mädchen zu Boden undwird von e<strong>in</strong>em Motivanhänger überrollt. Sie erleidet e<strong>in</strong>e lebensbedrohliche Mehrfachverletzung(Polytrauma) und wird unmittelbar nach dem Unfall von her<strong>bei</strong>geeiltenSanitätshelfern versorgt. Wenig später treffen e<strong>in</strong> Rettungswagen (RTW) und e<strong>in</strong> Notarzt-E<strong>in</strong>satzfahrzeugan der E<strong>in</strong>satzstelle e<strong>in</strong>: Das Mädchen bekommt von den E<strong>in</strong>satzkräftendaraufh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Infusion und Medikamente, es wird auf e<strong>in</strong>e Vakuummatrazegelegt und mit dem RTW <strong>in</strong> e<strong>in</strong> nahegelegenes Krankenhaus transportiert. Es s<strong>in</strong>d zahlreicheZuschauer anwesend, die teilweise die Rettungsar<strong>bei</strong>ten bzw. <strong>in</strong>sbesondere dieAbfahrt des Rettungswagens beh<strong>in</strong>dern.• Notfall 16: Während des Kunstunterrichts stürzt e<strong>in</strong> 10jähriges Mädchen im Klassenraumauf e<strong>in</strong>e Tischkante, fällt zu Boden und gibt daraufh<strong>in</strong> an, sie könne nicht mehraufstehen. Die Lehrer<strong>in</strong> veranlasst zwei Schüler, <strong>in</strong>s Sekretariat zu laufen und den Rettungsdienstzu alarmieren. Währenddessen bleibt die Verletzte auf dem Boden liegenund wird von der Lehrer<strong>in</strong> betreut.• Notfall 17: Die Besatzung e<strong>in</strong>es Streifenwagens wird auf e<strong>in</strong>e männliche Person aufmerksam,die sche<strong>in</strong>bar bewusstlos auf e<strong>in</strong>er Gartenmauer sitzt und e<strong>in</strong>en hilfsbedürftigenE<strong>in</strong>druck macht (später stellt sich e<strong>in</strong>e akute Alkohol<strong>in</strong>toxikation heraus). Sie forderte<strong>in</strong>en Rettungswagen an, der kurz darauf an der E<strong>in</strong>satzstelle e<strong>in</strong>trifft. E<strong>in</strong> siebenjährigerJunge sieht geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>er Mutter zu, wie die E<strong>in</strong>satzkräfte zunächst denBetrunkenen ansprechen und versuchen herauszuf<strong>in</strong>den, wie ihm geholfen werdenkönnte. Nach e<strong>in</strong>iger Zeit wird der Patient auf die Krankentrage gelegt und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>Krankenhaus transportiert.• Notfall 18: Auf dem Schulhof gibt es e<strong>in</strong>e Schlägerei. E<strong>in</strong> 15jähriger Junge verliertdurch e<strong>in</strong>en Schlag <strong>in</strong>s Gesicht vor den Augen zahlreicher Klassenkameraden e<strong>in</strong>enZahn und blutet aus dem Mund und aus der Nase. Nach kurzer Zeit kommen e<strong>in</strong>igeLehrer h<strong>in</strong>zu, die die streitenden Jungen zunächst vone<strong>in</strong>ander trennen.• Notfall 19: Beim Herumtoben auf dem Klettergerüst e<strong>in</strong>es Spielplatzes stürzt e<strong>in</strong>10jähriger Junge zu Boden und bleibt mit offenbar starken Schmerzen we<strong>in</strong>end auf demBoden liegen. E<strong>in</strong> neunjähriges Mädchen ist da<strong>bei</strong> und sieht zu, wie der Rettungsdienste<strong>in</strong>trifft und den verletzten Jungen nach e<strong>in</strong>er kurzen Untersuchung abtransportiert.• Notfall 20: E<strong>in</strong> zweijähriger Junge erleidet im Beise<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Eltern und se<strong>in</strong>er fünfJahre alten Schwester e<strong>in</strong>en Fieberkrampf und bleibt bis zum E<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstesbewusstlos.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 81• Notfall 21: E<strong>in</strong> 45jähriger Mann klagt plötzlich über extrem starke Schmerzen, die offenbardurch Nierenkoliken verursacht wurden. Die Besatzung e<strong>in</strong>es Rettungswagenstransportiert den Betroffenen daraufh<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus. Während der Fahrt dorth<strong>in</strong>sitzt der 9jährige Sohn des Patienten auf dem Beifahrersitz des Rettungswagens undhört, wie der Vater zeitweise vor Schmerzen schreit und darum bittet, ihm e<strong>in</strong>Schmerzmittel zu geben.• Notfall 22: Bei e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall wird e<strong>in</strong> 14jähriger Junge von der Straßenbahnangefahren und lebensgefährlich verletzt. E<strong>in</strong> gleichaltriger Freund ist da<strong>bei</strong> <strong>in</strong> unmittelbarerNähe und wird deshalb kurze Zeit später, noch an der E<strong>in</strong>satzstelle, von der Polizeials Unfallzeuge vernommen.• Notfall 23: Auf e<strong>in</strong>er Hauptverkehrsstraße ereignet sich e<strong>in</strong> Verkehrsunfall, <strong>bei</strong> dem e<strong>in</strong>älterer Mann e<strong>in</strong>e Verletzung der Halswirbelsäule erleidet und drei PKW so schwer beschädigtwerden, daß sie anschließend nicht mehr fahrtüchtig s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> vierjährigesMädchen sieht <strong>bei</strong> den Rettungs- und Bergungsar<strong>bei</strong>ten geme<strong>in</strong>sam mit se<strong>in</strong>er Mutterund se<strong>in</strong>er Großmutter zu.• Notfall 24: Im Sportunterricht stolpert e<strong>in</strong> 11jähriger Junge, stürzt zu Boden und erleidetda<strong>bei</strong> e<strong>in</strong>e Knöchelfraktur. Der Rettungsdienst legt vor den Augen der Klassenkaeradene<strong>in</strong>e Schiene an, legt den Verletzten auf e<strong>in</strong>e Krankentrage und transportiert ihnzum Krankenhaus.• Notfall 25: Beim Fußballspielen bricht sich e<strong>in</strong> 13jähriger Junge e<strong>in</strong> Handgelenk. DieBruchstelle ist deutlich sichtbar, und der Verletzte hat offensichtlich starke Schmerzen.Die Rettungsleitstelle entsendet dennoch zunächst nur e<strong>in</strong>en Krankentransportwagenohne Sondersignal, so daß es e<strong>in</strong>ige Zeit dauert, bis der Rettungsdienst e<strong>in</strong>trifft. Von derBesatzung des Krankentransportwagens wird dann erst, als die schwere der Verletzungerkannt worden ist, e<strong>in</strong> Rettungswagen mit umfangreicherer Ausstattung und e<strong>in</strong> Notarzt-E<strong>in</strong>satzfahrzeugnachgefordert. Als der Notarzt schließlich vor Ort ist, verabreichter dem verletzten Jungen e<strong>in</strong> Schmerzmedikament. Anschließend wird das gebrocheneHandgelenk mit e<strong>in</strong>er Schiene ruhig gestellt, und der Betroffene wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaustransportiert.• Notfall 26: Bei e<strong>in</strong>em Fußballspiel auf dem Sportplatz stoßen zwei Schüler mit demKopf so heftig ane<strong>in</strong>ander, daß e<strong>in</strong> 12jähriger Junge benommen zu Boden s<strong>in</strong>kt. DieRettungsleitstelle entsendet zu diesem E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>en Rettungswagen sowie e<strong>in</strong>en Rettungshubschraubermit Notarzt an Bord. Zur Absicherung von Start und Landung dieses


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 82Hubschraubers kommt auch die Feuerwehr und e<strong>in</strong> Streifenwagen der Polizei zur E<strong>in</strong>satzstelle.Die mediz<strong>in</strong>ische Versorgung des verletzten Jungen f<strong>in</strong>det jedoch zunächstim Rettungswagen statt; die übrigen Mitglieder der Fußballmannschaften warten amRand des Spielfeldes ab, was geschieht. Schließlich wird der Verletzte mit dem Rettungswagen<strong>in</strong> die Spezialkl<strong>in</strong>ik e<strong>in</strong>er Nachbarstadt transportiert.• Notfall 27: In der Türe e<strong>in</strong>es Kaufhauses quetscht sich e<strong>in</strong> 7jähriger Junge e<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>ger;se<strong>in</strong>e fünf Jahre alte Schwester und se<strong>in</strong>e Mutter s<strong>in</strong>d da<strong>bei</strong>. Alle drei werden mit demRettungswagen <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus transportiert; der verletzte F<strong>in</strong>ger wurde zuvor verbunden.• Notfall 28: Beim Turntra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Sporthalle renkt sich e<strong>in</strong> 12jähriges Mädchenoffensichtlich e<strong>in</strong>e Kniescheibe aus. Bis zum E<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstes wird dieVerletzte von Freund<strong>in</strong>nen betreut. Die Besatzung des Rettungswagens lagert die Betroffenedann auf e<strong>in</strong>er Vakuummatraze und transportiert sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus.• Notfall 29: Beim Spielen bzw. Klettern an e<strong>in</strong>em Gerüst stürzt e<strong>in</strong> 10jähriger Junge imBeise<strong>in</strong> von drei Freunden ab und bricht sich e<strong>in</strong> Handgelenk. Passanten alarmieren e<strong>in</strong>enRettungswagen, der kurz darauf e<strong>in</strong>trifft. Das Handgelenk wird vor dem Transport<strong>in</strong>s Krankenhaus zunächst mit e<strong>in</strong>er Schiene ruhiggestellt.E<strong>in</strong>e detaillierte Zuordnung des Alters und des Geschlechts der befragten K<strong>in</strong>der zu diesenNotfallsituationen geht abschließend aus der Tabelle 19 <strong>in</strong> Anlage 8 hervor.3.3.4. Angaben zum Verhalten Dritter (Tab. 8)Vorbemerkung: Bei diesen und den folgenden Angaben wurden ähnliche Aussagen mehrerbefragter K<strong>in</strong>der für die Auswertung zusammengefasst und tabellarisch kategorisiert 56 . ZurVerdeutlichung werden jeweils e<strong>in</strong>ige Aussagen - <strong>bei</strong>spielhaft - als unmittelbares Zitatwiedergegeben.Das Verhalten Dritter (d. h. von Personen, die außer dem Notfallpatienten und den befragten<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> an der E<strong>in</strong>satzstelle waren) wurde überwiegend als untätiges Zuschauen beschrieben;entsprechende Angaben machten 82 K<strong>in</strong>der („Die anderen haben nur wie gebanntdagestanden und zugeschaut“ / „Die anderen haben nur herumgestanden und nichtsgetan“).56 Die Zuordnung der Aussagen <strong>in</strong> die e<strong>in</strong>zelnen Kategorien bzw. auch die Bildung und die Bezeichnung derKategorien an sich wurde da<strong>bei</strong> – unabhängig vone<strong>in</strong>ander - von e<strong>in</strong>em Diplom-Pädagogen und e<strong>in</strong>em Diplom-Gesundheitswissenschaftlernochmals überprüft.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 8354 K<strong>in</strong>der wiesen darauf h<strong>in</strong>, daß offenbar e<strong>in</strong> großes Informationsbedürfnis bestanden hatbzw. Neugierde geweckt wurde („Viele haben gefragt, was denn überhaupt passiert ist“ /„Viele s<strong>in</strong>d extra angelaufen gekommen, um zu sehen, was los ist“). 19 weitere Äußerungenbezogen sich auf die Beschreibung von starken emotionalen Reaktionen („Da habenganz viele gewe<strong>in</strong>t“), und vierzehn mal wurde <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch berichtet,daß andere (K<strong>in</strong>der) - offenbar vor Schreck - vom Notfallort weggelaufen s<strong>in</strong>d.Zwölf mal wurde auf unangemessene verbale Äußerungen von Dritten h<strong>in</strong>gewiesen („Eycool, da ist e<strong>in</strong>er abgenippelt“ / „Geil, ich habe e<strong>in</strong>en Toten gesehen“ / „Ruft lieber gleiche<strong>in</strong>en Leichenwagen, ich habe den Schädel knacken hören“), während zehn K<strong>in</strong>der angaben,daß zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>zelne Personen durchaus auch <strong>Hilfe</strong> leisteten („Der Hausmeisterund e<strong>in</strong> Lehrer waren die e<strong>in</strong>zigen, die <strong>Hilfe</strong> geleistet haben“ / „Me<strong>in</strong> Vater hat dem Manne<strong>in</strong>e Jacke unter den Kopf gelegt, damit er besser Luft bekommen hat“).Darüber h<strong>in</strong>aus wurde auf e<strong>in</strong>ige herausragende <strong>in</strong>dividuelle Verhaltensweisen h<strong>in</strong>gewiesen:So beschrieben fünf K<strong>in</strong>der <strong>bei</strong>spielsweise das zunächst unverständlich ersche<strong>in</strong>endeVerhalten e<strong>in</strong>es Mitschülers am Notfallort, der – als er von der Verletzung se<strong>in</strong>es Schulkameradenhörte – auf den Boden gespuckt und anschließend den Hitlergruß gezeigt hatte.Schließlich zeigten sich drei andere K<strong>in</strong>der vom Verhalten e<strong>in</strong>er Lehrer<strong>in</strong> bee<strong>in</strong>druckt, die– offenbar ohne weitere Notiz vom Notfallgeschehen zu nehmen oder auch nur ansatzweisesInteresse zu zeigen – zu ihrem Auto g<strong>in</strong>g und nach Hause fuhr („Es s<strong>in</strong>d doch schongenug da, um zu helfen“).Beschreibung des Verhaltens Dritter am Notfallort Nennungen ProzentUntätiges Zuschauen 82 86,3H<strong>in</strong>laufen / Neugierde / Interesse 54 56,8We<strong>in</strong>en 19 20Weglaufen 14 14,7Unangemessene verbale Äußerungen 12 12,6<strong>Hilfe</strong>leistung durch Ersthelfer (u. a. Lehrer, Eltern) 10 10,5Unangemessene Verhaltensweisen 8 8,4n=95 57 , MehrfachnennungenTab. 8: Verhalten Dritter am Notfallort57 In e<strong>in</strong>er Notfallsituation war außer der Notfallpatient<strong>in</strong> und dem befragten K<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e weitere Person anwesend,so daß <strong>in</strong> Tab. 8 nur 95 von 96 Notfällen <strong>in</strong>sgesamt berücksichtigt worden s<strong>in</strong>d.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 843.3.5. Angaben zum eigenen Verhalten (Tab. 9)Beim eigenen Verhalten der befragten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> stand zunächst offenbar das <strong>in</strong>tensive Bemühungenum die Gew<strong>in</strong>nung von Informationen im Vordergrund: So wurde von 75 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>(78, 1 %) angegeben, sie seien augenblicklich zum Notfallort h<strong>in</strong>gelaufen, um möglichstunmittelbar zu sehen, was konkret geschehen sei und nun weiterh<strong>in</strong> passieren würde.28 K<strong>in</strong>der (29,2 %) sagten darüber h<strong>in</strong>aus, sie hätten anderen anwesenden Personen (Eltern,Mitschülern) konkrete Fragen gestellt: Auf diese Weise wollten sie erfahren, was passiertwar und wer welche Verletzungen erlitten hatte („Wird X überleben?“) 58 .21 K<strong>in</strong>der (21,9 %) konnten den Anblick der Notfallsituation nach eigenen Angaben allerd<strong>in</strong>gsnicht ertragen und haben sich deshalb die Augen zugehalten (5 K<strong>in</strong>der), sich weggedreht bzw. absichtlich weg gesehen (4 K<strong>in</strong>der) oder s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv weg gelaufen (4 K<strong>in</strong>der)(„Dann habe ich das viele Blut gesehen und b<strong>in</strong> sofort weggelaufen, weil ich es nichtmehr sehen konnte“).19 K<strong>in</strong>der (19,8 %) gaben explizit an, sie hätten am Notfallort gewartet: Auf das E<strong>in</strong>treffendes Rettungsdienstes, auf die Abfahrt des Rettungswagens <strong>in</strong>s Krankenhaus, auf weitereInformationen über den Gesundheitszustand des Verletzten oder Erkrankten, auf e<strong>in</strong> angekündigtesGespräch mit e<strong>in</strong>em Notfallseelsorger oder auch e<strong>in</strong>e angekündigte Zeugenvernehmungdurch die Polizei.16 K<strong>in</strong>der (16,7 %) haben sich e<strong>in</strong>er Bezugsperson (Eltern, Mitschüler) zugewendet und –etwa durch Umarmungen - Körperkontakt zu ihr gesucht. 14 K<strong>in</strong>der (14,6 %) haben unmittelbar,nachdem sie den Notfall als solchen realisiert hatten, den Versuch unternommen,<strong>Hilfe</strong> zu benachrichtigen bzw. auch selbst <strong>Hilfe</strong> zu leisten: Sie s<strong>in</strong>d <strong>bei</strong>spielsweise zu e<strong>in</strong>erLehrer<strong>in</strong> gelaufen, haben das Schulsekretariat, den Hausmeister, Nachbarn, ihren Vaterund / oder ihre Mutter <strong>in</strong>formiert. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d gab an, es habe versucht, e<strong>in</strong>en Zufahrtswegfreizuhalten, damit der Rettungsdienst rasch anfahren können würde, und e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d berichtete,daß es von e<strong>in</strong>em Rettungsassistenten beauftragt worden sei, e<strong>in</strong>en Notfallkoffer zutragen.Schließlich gaben 10 K<strong>in</strong>der (10,4 %) an, sie hätten spontan gewe<strong>in</strong>t; während neun K<strong>in</strong>dersagten, sie hätten sich mit anderen anwesenden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> bzw. Mitschülern oder ihrenEltern über das Notfallgeschehen unterhalten.58 Zwei von diesen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> s<strong>in</strong>d mit ihren Fahrrädern sogar <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Krankenhaus gefahren, um dort Genaueresüber die Verletzungen zu erfahren, die ihr Mitschüler erlitten hatte.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 85Zwei K<strong>in</strong>der teilten mit, sie hätten bereits unmittelbar im Notfallgeschehen damit begonnen,sich gegenseitig abzulenken, <strong>in</strong>dem sie <strong>bei</strong>spielsweise absichtlich nicht mehr über denNotfall gesprochen, sondern stattdessen e<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>obesuch am Abend geplant hätten. ÄhnlicheAussagen machten zwei weitere K<strong>in</strong>der, die – als sie unmittelbar nach dem Notfall zuHause e<strong>in</strong>trafen - unabhängig vone<strong>in</strong>ander sehr rasch damit begonnen hätten, ihre Hausaufgabenzu erledigen, um nicht mehr an das Erlebte denken zu müssen.Beschreibung des eigenen Verhaltens am Notfallort Nennungen ProzentH<strong>in</strong>laufen und Zuschauen 75 78,1Fragen stellen 28 29,2Wegsehen / weglaufen 21 21,9Warten 19 19,8Körperkontakt zu Bezugspersonen aufgenommen 16 16,7<strong>Hilfe</strong> her<strong>bei</strong>holen bzw. benachrichtigen / <strong>Hilfe</strong> leisten 14 14,6We<strong>in</strong>en 10 10,4Sprechen 9 9,4Versuche der Ablenkung 5 5,2n=96, MehrfachnennungenTab. 9: Eigenes Verhalten am Notfallort3.3.6. Angaben zu eigenen Gefühlen und Gedanken (Tab. 10)Die eigenen Gefühle und Gedanken der befragten K<strong>in</strong>der können <strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt 14 Kategorienbeschrieben werden: 81 K<strong>in</strong>der (84,4 %) gaben an, sich heftig erschreckt bzw. zunächst„unter Schock“ gestanden zu haben („Ich war total geschockt“ / „Ich war irgendwietotal betüddelt“).70 K<strong>in</strong>der (72,9 %) äußerten – was durch die Schilderung des eigenen Verhaltens auch zuerwarten war – große Neugierde bzw. e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tensives Bedürfnis nach Informationen zurNotfallursache, zum Notfallhergang, zum Notfallpatienten und zu den erlittenen Verletzungenbzw. Erkrankungen („Wer könnte bloß der Verletzte se<strong>in</strong>?“ / „Ob der Verletztenoch lebt?“), wo<strong>bei</strong> offensichtlich e<strong>in</strong> erhebliches Informationsdefizit (und v. a. das eigeneEmpf<strong>in</strong>den dieser Unwissenheit!) zugrunde gelegen hat („Ich wusste überhaupt nicht, wiedas passiert se<strong>in</strong> konnte“). Zwei K<strong>in</strong>der fragten sich explizit, „wie Gott so etwas zulassenkann“.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 8647 K<strong>in</strong>der (48,9 %) gaben an, das Geschehen zunächst verleugnet zu haben („Das kannnicht wahr se<strong>in</strong>“ / „Das glaube ich nicht“), während 43 K<strong>in</strong>der (44,8 %) vor allem Wutverspürten: Über untätige Zuschauer, über unangemessene Äußerungen und Verhaltensweisenvon anderen 59 („So etwas macht man doch nicht“ / „Wie kann e<strong>in</strong>er sowas sagen?“),aber auch über das aus Sicht der befragten K<strong>in</strong>der unverständliche Verhalten derE<strong>in</strong>satzkräfte („Die waren so unfreundlich zu dem Mann, das hat mich total geärgert“ /„Die hätten sich ruhig mal beeilen können“).36 K<strong>in</strong>der (37,5 %) beschrieben, daß sie sehr <strong>in</strong>tensiv mitempfunden bzw. sogar mitgelittenund sie sich <strong>in</strong> die Situation des Patienten h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>versetzt haben („Der Junge hat mir soleid getan, weil er immer Aua gesagt hat“). Damit verbunden waren häufig auch Gedankenan weitere Betroffene, z. B. die Eltern oder Geschwister e<strong>in</strong>es verletzten K<strong>in</strong>des. Drei K<strong>in</strong>derberichteten sogar, daß sie schon im Notfallgeschehen an den Unfallverursacher gedachthaben, der ihnen außerordentlich leid tat („Wie muss es bloß dem Autofahrer gehen“)! E<strong>in</strong>Mädchen berichtete, sie habe sich große Sorgen um ihre Erzieher<strong>in</strong> gemacht, die e<strong>in</strong>emNotfallpatienten <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> leistete, weil diese „sich immer alles so zu Herzen nimmt“.22 K<strong>in</strong>der (22,9 %) sagten <strong>in</strong>sgesamt, sie hätten – allerd<strong>in</strong>gs aus unterschiedlichen Gründen- starke Angst empfunden: Hier wurde Angst vor dem Anblick des Verletzten bzw. derVerletzung, Angst davor, daß der Verletzte sterben könnte („Ich hatte Angst, daß der Manngar ke<strong>in</strong>e Luft mehr kriegt und sterben würde“), Angst vor dem (eigenen) Tod, Angst vorE<strong>in</strong>samkeit und Angst davor genannt, daß man auch selbst e<strong>in</strong>en solchen Notfall erleidenkönnte („Ich hab nur gedacht: Hoffentlich passiert mir das nicht auch“).19 Äußerungen bezogen sich auf Sachverhalte, die K<strong>in</strong>der im Notfallgeschehen nicht verstehenkonnten und die sie deshalb gedanklich beschäftigt haben, wie z. B. die Tatsache,daß e<strong>in</strong> Rettungswagen nicht mit dem Patienten an Bord sofort abgefahren ist, sondernzunächst noch längere Zeit am Notfallort stehengeblieben ist: Dadurch war <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>igen<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> offenbar der E<strong>in</strong>druck entstanden, daß dem Verletzten nicht ausreichend bzw.rasch genug geholfen werden könnte, zumal die Behandlungsmöglichkeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Rettungswagenansche<strong>in</strong>end unbekannt waren. Auf Unverständnis stießen aber auch e<strong>in</strong>zelnemediz<strong>in</strong>ische bzw. rettungstechnische Prozeduren, die vor den Augen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> durchgeführtworden s<strong>in</strong>d: Ruhigstellungsmaßnahmen mit <strong>Hilfe</strong> e<strong>in</strong>er Vakuummatraze, das Anlegene<strong>in</strong>er Halskrause sowie das Abstreuen e<strong>in</strong>er Ölspur mit entsprechendem B<strong>in</strong>demittel59 Siehe S. 82-83.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 87s<strong>in</strong>d hier zu nennen. Darüber h<strong>in</strong>aus war auch die Notfallursache nicht immer nachvollziehbar(„Wie konnte das bloß passieren?“).12 K<strong>in</strong>der (12,5 %) gaben an, sie hätten die schwere der Notfallsituation zunächst unterschätztbzw. sie hätten den Notfall zunächst überhaupt nicht als solchen erkannt. DiesbezüglicheÄußerungen lauteten <strong>bei</strong>spielsweise „Der wird sich sicher den Arm gebrochenhaben“ / „Es wird schon nicht so schlimm se<strong>in</strong>“ / „Ich habe erst an gar nichts Schlimmesgedacht“ sowie „Ich dachte, die Frau wollte sich nur ausruhen“.Beschreibung der eigenen Gefühle und Gedanken Nennungen ProzentSchreck / Schock 81 84,4Neugierde / Unwissenheit 70 72,9Verleugnung 47 48,9Wut 43 44,8Mitgefühl / Empathie / Gedanken an andere Betroffene 36 37,5Angst 22 22,9Unverständnis 19 19,8Fehle<strong>in</strong>schätzung der Situation 12 12,5Psychophysische Reaktionen 8 8,3Ekel 2 2,1Innere Leere 1 1,0E<strong>in</strong>samkeit 1 1,0Schuldgefühl 1 1,0Sorge um die Zukunft des Patienten 1 1,0n=96, MehrfachnennungenTab. 10: Eigene Gefühle und Gedanken8 K<strong>in</strong>der beschrieben psychophysische Reaktionen, <strong>in</strong>sbesondere Übelkeit, Bauchschmerzenund e<strong>in</strong> „Kribbeln im Bauch“ oder <strong>in</strong> den Be<strong>in</strong>en: „Mir ist total schlecht geworden“ /„Ich hätte mich fast übergeben“ / „Ich hatte e<strong>in</strong> ganz mulmiges Gefühl im Bauch“ / „Ichhatte ganz zittrige Be<strong>in</strong>e“. Ekelgefühl wurde von zwei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> geäußert, was <strong>in</strong> <strong>bei</strong>denFällen durch den Anblick e<strong>in</strong>er großen Blutlache ausgelöst wurde.Das Gefühl e<strong>in</strong>er „<strong>in</strong>neren Leere“ und das Gefühl von E<strong>in</strong>samkeit wurden jeweils e<strong>in</strong>malgenannt. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d empfand wegen früherer Streitigkeiten mit dem Notfallpatienten starke


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 88Schuldgefühle, und von e<strong>in</strong>em weiteren K<strong>in</strong>d wurden schließlich Sorgen bezüglich derberuflichen (!) Zukunft des Notfallpatienten geäußert („Ich hab nur gedacht, daß die sichspäter noch umgucken wird, wenn die so oft krank ist und fehlt“).Nicht <strong>in</strong> die unmittelbare Auswertung der vorliegenden Studie aufgenommen wurden dieAussagen von 24 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die angaben, auch e<strong>in</strong>ige Zeit nach dem Notfall, d. h. am folgendenAbend oder an den nächsten Tagen nochmals an den Patienten gedacht zu haben(„Ich habe mir ganz oft überlegt, wie es der Frau jetzt geht und ob sie noch im Krankenhausist“). Entsprechende Aussagen bezogen sich zwar nicht auf die Gedanken der K<strong>in</strong>derim eigentlichen Notfallgeschehen, sie verdeutlichen aber, wie <strong>in</strong>tensiv sich K<strong>in</strong>der kognitivund emotional mit dem Erlebten befassen – und darüber h<strong>in</strong>aus unterstützen sie nochmalsdie bereits beschriebenen Ausführungen bezüglich des starken Mitempf<strong>in</strong>dens bzw. auchMitleidens mit dem Notfallpatienten.3.3.7. Angaben zu besonders unangenehmen und belastenden Erfahrungen (Tab. 11)Interessanterweise wurden hier nicht Merkmale des eigentlichen Notfallgeschehens amhäufigsten genannt, sondern vielmehr unangemessene Verhaltensweisen von Dritten.So gaben 63 K<strong>in</strong>der (65,6 %) an, sie hätten die Untätigkeit bzw. offensichtliche Hilflosigkeitder übrigen anwesenden Personen als sehr unangenehm empfunden. In besonderemMaße bezieht sich dies auf Erwachsene, die selbst ke<strong>in</strong>e <strong>Hilfe</strong> geleistet hatten („Ich habedie ganze Zeit nur gedacht: Die Sp<strong>in</strong>nen doch wohl, der Mann braucht doch <strong>Hilfe</strong>!“ / „Daßsogar die Lehrer da auch nur dumm herumgestanden haben, das fand ich total schlimm“).Interessant s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch die Äußerungen von drei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die dasVerhalten e<strong>in</strong>es Notfallseelsorgers beschreiben: „Der hat da irgendwas von Gott geredetund war selbst total hilflos!“59 K<strong>in</strong>der (61,4 %) gaben an, unter e<strong>in</strong>er großen Ungewissheit gelitten zu haben: „Wirwussten überhaupt nichts, und uns hat auch ke<strong>in</strong>er was gesagt“). Vor diesem H<strong>in</strong>tergrundmüssen vermutlich auch die Aussagen von 34 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (35,4 %) verstanden werden, die esals sehr unangenehm empfunden haben, abgeschirmt worden zu se<strong>in</strong>, nicht mehr zuschauenzu können oder von vornhere<strong>in</strong> nicht unmittelbar da<strong>bei</strong> gewesen zu se<strong>in</strong>. Im Übrigen istoffenbar auch die Art und Weise von Bedeutung, wie K<strong>in</strong>der abgeschirmt worden s<strong>in</strong>d. Sogaben sieben K<strong>in</strong>der an, sie wären sehr verärgert bzw. irritiert gewesen, als e<strong>in</strong> Polizistihnen gegenüber <strong>in</strong> sehr unfreundlichem Tonfall äußerte: „Jetzt haut bloß ab hier, sonstkriegt ihr auch noch e<strong>in</strong>en seelischen Schaden!“


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 8932 K<strong>in</strong>der (33,3 %) nannten den Anblick von verunfallten Fahrzeugen oder anderen Notfallspuren(z. B. blutige Infektionsschutzhandschuhe, Verpackungsmaterial von Medikamentenund Verbandmaterialien, Reifenspuren auf der Fahrbahn, Glassplitter etc.) als besondersunangenehm: „Als ich das total verbogene Fahrrad gesehen habe, habe ich mir erstmal ausgemalt, wie der X aussehen muss“.Der tatsächliche Anblick des Patienten wurden demgegenüber von 26 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (27,1 %) alsbesonders unangenehm beschrieben, der Anblick von Blut von 24 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (25,0 %).21 K<strong>in</strong>der (21,9 %) schilderten die Betreuung durch e<strong>in</strong>en Notfallseelsorger deshalb alsbesonders unangenehm, weil sie (zwangsweise) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum geme<strong>in</strong>sam mit Erwachsenenstattfand („Dann mussten wir die ganze Zeit mit denen da rumsitzen. Das war totalätzend, weil ke<strong>in</strong>er was sagen wollte, solange die [Erwachsenen; Anmerkung von H.K.]da<strong>bei</strong> waren“).E<strong>in</strong>e besondere Unfreundlichkeit gegenüber dem Patienten sowie die Durchführung offensichtlichsehr schmerzhafter Maßnahmen wurde von 17 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (17,7 %) als außerordentlichunangenehm empfunden („Komm jetzt. Mach hier ke<strong>in</strong>e Mätzchen und steh auf“ [Äußerunge<strong>in</strong>es Rettungsassistenten zu e<strong>in</strong>em Patienten; Anmerkung von H.K.] / „Ach, derhat doch eh nichts“ [Äußerung e<strong>in</strong>es Rettungsassistenten zu e<strong>in</strong>em Zuschauer am Notfallort;Anmerkung von H.K.] / „Am Schlimmsten war, als der Junge auf die Trage gelegtwurde. Da hat der ganz laut geschrien“ / „Der Arzt sollte dem X doch helfen und dem nichtso e<strong>in</strong>e Spritze <strong>in</strong> den Arm rammen“).11 K<strong>in</strong>der (11,4 %) beklagten am Notfallort – wie <strong>bei</strong> der Schilderung des VerhaltensDritter bereits dargestellt - bestimmte Äußerungen anderer anwesender Personen und empfandendiese als außerordentlich unangenehm („Ey, der Bagger ist voll über den Kopf gefahren!“)60 . Von diesen 11 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> empfanden drei die Äußerung von Vorwürfen ihnengegenüber als besonders belastend („Dann hat der Polizist mich gefragt, wieso ich dennicht ‚Halt’ gerufen habe“ [um e<strong>in</strong>en Freund anzuhalten, der mit dem Rad e<strong>in</strong>e Straßeüberquerte, ohne die Ampel zu beachten; Anmerkung von H.K.] / „Der Herr X [e<strong>in</strong> Lehrer;Anmerkung von H.K.] hat mich voll angemotzt, wieso ich mich nicht um die X gekümmerthabe“ / „Me<strong>in</strong>e Eltern haben mich gefragt, wieso ich nicht besser aufgepasst habe“).8 K<strong>in</strong>der beschrieben die Aufforderung e<strong>in</strong>es Notfallseelsorgers, e<strong>in</strong> Bild zu malen, alssehr unangenehm bzw. vor allem unpassend („Ich b<strong>in</strong> mir vorgekommen wie im K<strong>in</strong>dergarten“).60 Siehe für weitere Beispiele auch S. 82-83.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 90Fünf K<strong>in</strong>der empfanden besondere Geräusche als besonders belastend, hier <strong>bei</strong>spielsweisedas Geräusch des zu Boden stürzenden Fahrrades, das Quietschen von Bremsen oder derKnall <strong>bei</strong>m Zusammenstoß e<strong>in</strong>es Menschen mit e<strong>in</strong>em PKW.Besonders unangenehme und belastende Erfahrungen Nennungen ProzentUntätigkeit bzw. Hilflosigkeit Dritter 63 65,6Ungewissheit / fehlende Informationen 59 61,4Abgeschirmt werden / nicht (mehr) zuschauen können / nicht 34 35,4da<strong>bei</strong> gewesen se<strong>in</strong>Anblick unfallbeteiligter Fahrzeuge (z. B. e<strong>in</strong>es Baggers oder 32 33,3e<strong>in</strong>es verbogenen Fahrrades) sowie sonstiger Notfallspuren (z.B. blutige Infektionsschutzhandschuhe auf der Straße)Anblick des Verletzten 26 27,1Anblick von Blut 24 25,0Zwangsweise geme<strong>in</strong>same Betreuung mit Erwachsenen 21 21,9Unfreundlichkeit von Helfern gegenüber dem Patienten bzw. 17 17,7die Durchführung offensichtlich schmerzhafter MaßnahmenUnangemessene Wortwahl Dritter am Notfallort / Vorwürfe 11 11,4Aufforderung, e<strong>in</strong> Bild zu malen / Altersunangemessene Aufgabenzuteilung8 8,3Geräusche im Notfallgeschehen (Hören, wie e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d überfahren5 5,2wurde)Zwangsweiser Aufenthalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum mit Rauchern 3 3,1Eigene Hilflosigkeit 2 2,1Pressevertreter, der vom Verletzten Fotos machen wollte 2 2,1Zeugenbefragung durch die Polizei 1 1,0n=96, MehrfachnennungenTab. 11: Besonders unangenehme und belastende ErfahrungenDer zwangsweise Aufenthalt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum mit Rauchern wurde von drei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> alssehr unangenehm geschildert („Ich habe noch gesagt: Hier st<strong>in</strong>kts! Können wir nicht wenigstensmal das Fenster aufmachen“ [Erwachsene und K<strong>in</strong>der wurden <strong>bei</strong> dieser Notfallsituation<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Raum geme<strong>in</strong>sam betreut; Anmerkung von H.K.]).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 91Schließlich wurden die Erfahrung der eigenen Hilflosigkeit (2 Nennungen), das Verhaltenvon Pressevertretern am Notfallort („Der hat die ganze Zeit nur rumgeknipst“; ebenfalls 2Nennungen) sowie e<strong>in</strong>e Zeugenbefragung durch die Polizei (1 Nennung) als besondersunangenehm genannt.Nicht <strong>in</strong> die eigentliche Auswertung der vorliegenden Studie aufgenommen wurden wiederumÄußerungen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die sich nicht auf das unmittelbare Notfallgeschehen,sondern eher auf den Verlauf der folgenden Tage und Wochen bzw. das Verhalten vonDritten <strong>in</strong> diesem Zeitraum bezogen. Diese Aussagen sollen jedoch auch an dieser Stellenicht verschwiegen werden, weil sie erneut durchaus <strong>in</strong>teressante Anregungen für die weitereNotfallnachsorge enthalten.So wurde es <strong>bei</strong>spielsweise als ebenfalls sehr unangenehm beschrieben, daß e<strong>in</strong>e Klassenlehrer<strong>in</strong>bereits e<strong>in</strong>en Tag nach dem Notfall, <strong>bei</strong> dem e<strong>in</strong> Junge tödlich verunglückt ist, diegesamte Sitzordnung bzw. die Anordnung der Tische im Klassenraum verändert hat, sodaß der Sitzplatz des Verstorbenen nicht mehr sichtbar se<strong>in</strong> würde.Bemängelt wurde <strong>bei</strong> Notfallsituationen <strong>in</strong> der Schule, daß generell zu wenig über denNotfall und se<strong>in</strong>e Folgen gesprochen worden ist. E<strong>in</strong>ige Schüler empfanden es als belastend,daß ihrem Wunsch, e<strong>in</strong> Bild ihres verstorbenen Mitschülers aufzuhängen, nicht entsprochenwurde.E<strong>in</strong> 13 Jahre alter Junge empfand es als sehr belastend, daß er sich von e<strong>in</strong>em verstorbenenMitschüler nicht verabschieden konnte („Ich habe gar nicht ‚tschüß’ sagen können“): Ihmwar die Teilnahme an der Trauerfeier und e<strong>in</strong> Besuch des aufgebahrten Leichnams verwehrtworden, weil er aus Sicht der verantwortlichen Lehrer<strong>in</strong> dafür noch viel zu jung gewesensei.Schließlich berichteten e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der von Reaktionen ihrer Eltern, die sie als unangenehmempfunden haben: So stießen e<strong>in</strong>ige <strong>bei</strong> ihren Eltern auf Des<strong>in</strong>teresse, wenn sie über dasmiterlebte Notfallgeschehen sprechen wollten („Das können wir doch jetzt sowieso nichtmehr ändern. Es ist halt passiert“) oder sie wurden von ihren Eltern regelrecht „zur Ablenkunggezwungen“: „Ich musste mit e<strong>in</strong>kaufen gehen, obwohl ich gar nicht wollte“.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 923.3.8. Angaben zu Wünschen und Bedürfnissen (Tab. 12)Die Angaben zu den Wünschen und Bedürfnissen, die am häufigsten geäußert wurden,entsprechen weitgehend den bereits beschriebenen Angaben zu eigenen Gefühlen und Gedankensowie zu den besonders unangenehmen Erfahrungen 61 .So überrascht es nicht, daß 73 K<strong>in</strong>der (76,0 %) äußerten, sie hätten sich vor allem mehrund genauere Informationen über das Notfallgeschehen und den Gesundheitszustand desPatienten gewünscht („Ich hätte so gerne gewusst, was mit dem X wirklich ist“).61 K<strong>in</strong>der (63,5 %) gaben an, sie hätten sich dr<strong>in</strong>gend gewünscht, daß endlich <strong>Hilfe</strong> e<strong>in</strong>trifftbzw. dem Patienten <strong>Hilfe</strong> geleistet wird („Bitte helft dem Verletzten doch endlich“ /„Hoffentlich kommt der Krankenwagen bald“).Demgegenüber wurde von 43 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (44,8 %) das Bedürfnis genannt, wegzuschauenbzw. auch wegzulaufen, um das Notfallgeschehen nicht weiter mitansehen zu müssen („Ichwollte nur noch weg“). Allerd<strong>in</strong>gs gaben vier dieser 43 K<strong>in</strong>der auch an, sie hätten e<strong>in</strong>igeZeit nach dem eigentlichen Notfallereignis den Wunsch gehabt, unbed<strong>in</strong>gt noch e<strong>in</strong>mal anden Notfallort zurück zu kommen („Ich wollte mir das noch mal <strong>in</strong> Ruhe anschauen“).28 K<strong>in</strong>der (29,2 %) wünschten sich das Zusammense<strong>in</strong> und / oder das Sprechen mitGleichaltrigen bzw. Freunden 62 .Im Gegensatz zu den <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die sich gerne vom Notfallgeschehen abwenden wollten,wünschten sich 26 K<strong>in</strong>der (27,1 %) nun explizit, weiter zuschauen zu können bzw. ebennicht abgeschirmt zu werden („Ich hätte gerne zugesehen, was die Sanitäter gemacht haben.Aber dann wurde ich abgedrängt“).15 K<strong>in</strong>der (15,6 %) äußerten das Bedürfnis, selbst <strong>Hilfe</strong> leisten zu können bzw. den Betroffenen– hier s<strong>in</strong>d ausdrücklich nicht nur die Patienten, sondern auch dessen Angehörigeund <strong>unverletzt</strong>e Unfallverursacher geme<strong>in</strong>t - Anteilnahme zu zeigen („Ich hätte so gerneselbst geholfen“ / „Am liebsten wäre ich zu dem Mann h<strong>in</strong>gegangen und hätte ihm guteBesserung gewünscht“ / „Ich hätte gerne dem Baggerfahrer [der den X überfahren hat;Anmerkung von H.K.] geholfen, damit der sich auch selbst wieder von diesem Schockerholt“ / „Ich hätte so gerne den Eltern irgendwas gesagt“).13 K<strong>in</strong>der (13,5 %) wünschten sich, mit erwachsenen Bezugspersonen zusammen zu se<strong>in</strong>(„Ich wollte nur noch schnell nach Hause zu me<strong>in</strong>en Eltern“), während 8 K<strong>in</strong>der sich61 Siehe S. 85-91.62 Dem entspricht die bloße Beobachtung, daß sich <strong>in</strong>sbesondere <strong>bei</strong> Notfällen <strong>in</strong> der Schule – <strong>bei</strong>spielsweiseauf dem Pausenhof - sehr rasch und spontan Gruppen von Schülern zusammenf<strong>in</strong>den, die sich offenbar e<strong>in</strong>anderzugehörig fühlen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 93wünschten, daß diejenigen, die sich zuvor <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er unangemessenen Weise geäußert hatten63 , jetzt möglichst schweigen sollten („Die Frau sollte bloß ihre Klappe halten. Das warmir echt das Wichtigste“).Sechs K<strong>in</strong>der hatten das Bedürfnis, alle<strong>in</strong>e zu se<strong>in</strong> – wenngleich sie als Begründung angaben,daß dieser Wunsch erst aus der Befürchtung heraus, ansonsten mit Erwachsenen (d. h.den Eltern oder e<strong>in</strong>em Notfallseelsorger) zusammen se<strong>in</strong> zu müssen, entstanden ist: Nurweil sich ihrer Ansicht nach lediglich die Wahl bot, entweder alle<strong>in</strong>e oder mit unliebsamenErwachsenen zusammen zu se<strong>in</strong>, zogen sie es vor, sich zurück zu ziehen. Der ausdrücklicheWunsch von zwei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, selbst schweigen zu können bzw. nicht sprechen zu müssen,ist vor e<strong>in</strong>em ähnlichen H<strong>in</strong>tergrund zu sehen: Sie gaben auf entsprechende Nachfragean, daß sie eben „nicht mit jedem“ sprechen wollten und <strong>in</strong>sbesondere von niemandemzum Sprechen gezwungen werden wollten. In diesem Zusammenhang hatten schließlichdrei K<strong>in</strong>der das Bedürfnis, mit jemandem zu sprechen, der selbst gerade nicht betroffense<strong>in</strong> würde: Als Begründung für diesen Wunsch wurde angegeben, daß man auf diese Weisenicht auch noch die Betroffenheit des Gesprächspartners ertragen müsste.Angaben zu Wünschen und Bedürfnissen Nennungen ProzentInformation 73 76,0<strong>Hilfe</strong>leistung durch Dritte 61 63,5Wegschauen / weglaufen 43 44,8Zusammense<strong>in</strong> und / oder Sprechen mit Gleichaltrigen bzw. 28 29,2FreundenWeiteres Zuschauen / nicht abgeschirmt werden 26 27,1Selbst <strong>Hilfe</strong> leisten können / Anteilnahme zeigen 15 15,6Zusammense<strong>in</strong> mit erwachsenen Bezugspersonen 13 13,5Schweigen derjenigen, die sich unangemessen geäußert hatten 8 8,3Alle<strong>in</strong>e se<strong>in</strong> 6 6,2Mit jemandem sprechen, der selbst nicht betroffen ist 3 3,1Eigenes Schweigen 2 2,1n=96, MehrfachnennungenTab. 12: Angaben zu Wünschen und Bedürfnissen63 Siehe S. 82-83.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 943.3.9. Angaben zu hilfreichen und angenehmen Erfahrungen (Tab. 13 u. 14)Die Angaben zu hilfreichen Erfahrungen müssen zunächst etwas differenzierter ausgewertetwerden als die übrigen Antworten: So ist <strong>bei</strong> der Häufigkeit von Nennungen zum Trostdurch Dritte (z. B. die Eltern, Lehrer oder Notfallseelsorger) die jeweils veränderte Stichprobengrößezu berücksichtigen: Die Angabe, daß das Verhalten e<strong>in</strong>er bestimmten Personals hilfreich empfunden worden ist, kann verständlicherweise nur <strong>in</strong> Relation zu den Situationengesehen werden, <strong>in</strong> denen diese Person überhaupt anwesend war.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund nannten 63 von 88 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (71,6 %) Trost von Gleichaltrigen alse<strong>in</strong>e hilfreiche Erfahrung; dieser „Trost“ wurde da<strong>bei</strong> als emotionale Zuwendung, das Herstellenvon Körperkontakt, das Sprechen mite<strong>in</strong>ander und das gegenseitige Zuhören beschrieben.Trost von e<strong>in</strong>em Notfallseelsorger empfanden 14 von 27 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (51,8 %) als angenehmbzw. hilfreich; Trost von e<strong>in</strong>em Lehrer gaben 16 von 52 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (30,8 %) als hilfreich an.Lediglich zehn der befragten K<strong>in</strong>der hatten das Notfallgeschehen <strong>in</strong> Begleitung ihrer Elternbzw. im Beise<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es Elternteils miterlebt; 8 dieser zehn K<strong>in</strong>der, d. h. 80 % (!) derBefragten empfanden die Anwesenheit ihres Vaters, ihrer Mutter oder von <strong>bei</strong>den jedochals hilfreich. E<strong>in</strong> Vergleich, ob die Anwesenheit des Vaters oder der Mutter hilfreicher fürdie befragten K<strong>in</strong>der war, konnte aufgrund der zu kle<strong>in</strong>en Stichprobe nicht gezogen werden.Angaben zu hilfreichenn= Nennungen Prozentund angenehmen Erfahrungen (1)Trost 64 von Gleichaltrigen88 63 71,6(Freunden / Klassenkameraden)Trost 65 von e<strong>in</strong>em Notfallseelsorger 27 14 51,8Trost 66 von e<strong>in</strong>em Lehrer 52 16 30,8Trost 67 von eigenen Eltern 10 8 80,0Tab. 13: Angaben zu hilfreichen und angenehmen Erfahrungen durch Trost von Dritten64 „Trost“ ist hier zu verstehen als relativ längerfristige emotionale Zuwendung, Herstellen von Körperkontakt,Sprechen und Zuhören.65 Siehe Fußnote 64.66 Siehe Fußnote 64.67 Siehe Fußnote 64.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 95Bei den übrigen Angaben der 96 <strong>in</strong>sgesamt befragten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu hilfreichen und angenehmenErfahrungen stand das E<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstes bzw. der Anblick der offensichtlichkompetenten und raschen <strong>Hilfe</strong>leistung im Vordergrund: 72 K<strong>in</strong>der (75,0 %)machten dementsprechende Auskünfte („Die Frau X ist total ruhig geblieben und hat genaugewußt, was zu tun ist!“ / „Me<strong>in</strong> Vater hat dem Mann se<strong>in</strong>e Jacke unter den Kopf gelegt,damit er besser Luft bekommen hat!“ / „Als der Rettungswagen kam, war ich total erleichtert!“/ „Der Arzt war sehr nett, und die haben die Frau dann auch mit <strong>in</strong>s Krankenhausgenommen!“).Für 45 K<strong>in</strong>der (46,9 %) war es hilfreich, <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise selbst helfen, trösten bzw.Anteilnahme zeigen zu können („Ich hab mich h<strong>in</strong>gesetzt und e<strong>in</strong> Bild für den Mann gemalt“/ „Ich habe me<strong>in</strong>e Freund<strong>in</strong> <strong>in</strong> den Arm genommen, das hat mir irgendwie selbst gutgetan!“). 19 K<strong>in</strong>der (19,8 %) beschrieben es als angenehm, Informationen über das Notfallgeschehenerhalten zu haben („Die Frau X hat uns erst mal gesagt, wie das alles passiertist“) bzw. das Gefühl zu haben, sich mit Fragen oder dem Wunsch nach e<strong>in</strong>em Gesprächan bestimmte Personen wenden zu können („Der [Notfallseelsorger; Anmerkung von H.K.)hat uns gesagt, er wäre jetzt die ganze Zeit da, und wenn wir wollten, könnten wir zu ihmkommen“).Angaben zu hilfreichen und angenehmen Erfahrungen (2) Nennungen ProzentE<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstes / Anblick der <strong>Hilfe</strong>leistung 72 75,0Selbst helfen / trösten 68 können 45 46,9Gesprächs- bzw. Auskunftsbereitschaft Dritter /19 19,8Vermittlung von InformationenAnteilnehmende Erkundigung Dritter 12 12,5Ablenkung 7 7,3Verlassen des Notfallortes 4 4,2Alle<strong>in</strong>e se<strong>in</strong> dürfen / In Ruhe gelassen werden 3 3,1N=96, MehrfachnennungenTab. 14: Angaben zu hilfreichen und angenehmen ErfahrungenFür 12 K<strong>in</strong>der (12,5 %) war es hilfreich, daß sich zwei Dritte offenbar sehr anteilnehmendnach Ihnen erkundigt hatten („Der Polizist hat uns gefragt, wie es uns geht und ob er ir-68 Siehe Fußnote 64, S. 94.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 96gendwas für uns tun kann. Dann hat er uns gesagt, wir sollten uns erst mal auf e<strong>in</strong>e Banksetzen“). Die Ablenkung durch sportliche Betätigung oder Fernsehen unmittelbar im Anschlußan das eigentliche Notfallgeschehen wurde schließlich von 7 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, das Verlassendes Notfallortes („Ich war total froh, als ich da weg b<strong>in</strong>“) von 4 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sowie die Tatsache,alle<strong>in</strong>e se<strong>in</strong> zu dürfen und <strong>in</strong> Ruhe gelassen zu werden von drei <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als weiterehilfreiche Erfahrung genannt.Wie <strong>bei</strong> der Darstellung von Antworten zu den vorangegangenen Fragen wurden auch <strong>bei</strong>den Aussagen zu hilfreichen und angenehmen Erfahrungen e<strong>in</strong>ige Äußerungen nicht <strong>in</strong> dereigentlichen Auswertung berücksichtigt, weil sie sich weniger auf das Notfallgeschehen,sondern vielmehr auf die Folgezeit danach bezogen:Als solche Erfahrungen, die vor allem an den ersten Tagen nach dem miterlebten Notfallhilfreich waren, wurden genannt: Der Freiraum, tun und lassen zu können, was man wollte,ohne zu irgend etwas gezwungen zu werden („Die haben uns <strong>in</strong> der Schule e<strong>in</strong>fach durchsGebäude laufen lassen, wir konnten auch <strong>in</strong>s Internet gehen oder uns irgendwo h<strong>in</strong>setzen“),Blumen gekauft und am Notfallort niedergelegt zu haben; die Möglichkeit, se<strong>in</strong>e Gefühleund Gedanken [auf Initiative e<strong>in</strong>es Notfallseelsorgers; Anmerkung von H.K.] auf Kartenschreiben und an e<strong>in</strong>en Baum im E<strong>in</strong>gangsbereich der Schule hängen zu können, sich vone<strong>in</strong>em verstorbenen Mitschüler, der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Kapelle aufgebahrt worden war, verabschiedenzu können, die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Er<strong>in</strong>nerungsecke im Klassenzimmer sowie die Möglichkeit,jederzeit mit Lehrern, Eltern und e<strong>in</strong>em Notfallseelsorger über das Erlebte sprechenzu können.3.3.10. Sonstige AngabenVon den 96 befragten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gaben 41 an (42,7 %), an den ersten Tagen nach der Notfallsituatione<strong>in</strong>zelne Symptome akuter Belastungsreaktionen gezeigt zu haben; <strong>in</strong> besonderemMaße wurden da<strong>bei</strong> Schwierigkeiten <strong>bei</strong>m E<strong>in</strong>schlafen (30 Nennungen), Alpträume(27 Nennungen), Konzentrationsstörungen („Ich war [im Unterricht; Anmerkung vonH.K.] gar nicht so richtig <strong>bei</strong> der Sache“; 25 Nennungen), häufige, <strong>in</strong>tensive Gedanken andas Miterlebte („Ich habe dauernd daran gedacht, was passiert ist“; 23 Nennungen) sowiee<strong>in</strong> ungewohntes Gefühlserleben bzw. e<strong>in</strong> erhöhtes Erregungsniveau genannt („Ich warirgendwie total kribbelig“ / „Ich war unheimlich sauer und hab jeden angemotzt, obwohl esgar ke<strong>in</strong>en Grund gab“; 20 Nennungen).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 9716 K<strong>in</strong>der (16,7 %) gaben an, sie hätten nach dem Notfall große Angst empfunden, daßauch e<strong>in</strong> naher Angehöriger, vor allem die eigene Mutter verletzt werden oder sterbenkönnte. 3 K<strong>in</strong>der befürchteten explizit, niemals „über das Erlebte h<strong>in</strong>weg kommen zu können“(„Das war so grausam, das war e<strong>in</strong> richtiger E<strong>in</strong>schnitt, den man das ganze Lebennicht mehr vergisst!“).Bei zwölf <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (12,5 %) dauerten Symptome akuter Belastungsreaktionen zum Zeitpunktder Befragung an, die <strong>in</strong> den folgenden Tagen oder Wochen – als telefonisch noche<strong>in</strong>mal Rücksprache mit den Bezugspersonen genommen wurde - dann aber abgeklungenwaren. Drei weitere K<strong>in</strong>der schienen zum Zeitpunkt der Befragung derart stark belastet,daß sie <strong>in</strong> die weitere Betreuung durch e<strong>in</strong>en Notfallseelsorger vermittelt wurden, der <strong>in</strong>Absprache mit den Eltern wiederum <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em der K<strong>in</strong>der den Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er psychotherapeutischenBehandlung veranlasst hat.Wohlgemerkt: Somit waren ke<strong>in</strong>esfalls alle befragten K<strong>in</strong>der als hoch belastet bzw. potentielltraumatisiert anzusehen. Ganz im Gegenteil schilderten sogar 19 der befragten K<strong>in</strong>der(19,8 %) auf die entsprechenden Fragen zu ihrer augenblicklichen Bef<strong>in</strong>dlichkeit, daß dasNotfallgeschehen rückblickend für sie ausdrücklich und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em offenbar eher positivenS<strong>in</strong>ne „sehr <strong>in</strong>teressant“ oder „spannend“ gewesen sei. Da<strong>bei</strong> drückten e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>eregelrechte Begeisterung aus: „Das Mart<strong>in</strong>shorn fand ich am besten“ / „Der Abschleppwagenwar total klasse: Der hat das ganze kaputte Auto hochgehoben“.Inwiefern es sich <strong>bei</strong> solchen Aussagen um Schutzbehauptungen handelt, die lediglich dieeigene Betroffenheit verbergen sollen, bleibt zunächst allerd<strong>in</strong>gs ungeklärt. Die Diskussion<strong>in</strong> Abschnitt 3.4. wird hierauf noch ausführlich Bezug nehmen.Die weiteren sonstigen Angaben der befragten K<strong>in</strong>der bezogen sich <strong>in</strong>sbesondere auf unterschiedlicheRahmenbed<strong>in</strong>gungen bzw. Moderatorvariablen, die das Erleben e<strong>in</strong>er Notfallsituationund der Folgezeit danach offenbar stark bee<strong>in</strong>flusst hatten: So gaben 29 K<strong>in</strong>der(30,2 %) an, daß es ihnen zum Zeitpunkt der Notfallsituation ohneh<strong>in</strong> „nicht so gutgegangen“ sei, weil sie Probleme <strong>in</strong> der Schule (11 Nennungen), Streitigkeiten mit Freund<strong>in</strong>nenbzw. Freunden (10 Nennungen) oder Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit ihren Eltern (8Nennungen) gehabt hätten, und vor diesem H<strong>in</strong>tergrund wurde der Notfall verständlicherweiseals e<strong>in</strong>e weitere (Zusatz-) Belastung empfunden: „Dann kam noch der Unfall mitdem X dazu!“.76 K<strong>in</strong>der (79,2 %) wiesen schließlich darauf h<strong>in</strong>, daß es sie – auch längere Zeit nach demselbst miterlebten Notfall – noch sehr betroffen gemacht bzw. beunruhigt und nachdenk-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 98lich gestimmt habe, wenn sie von weiteren, ähnlichen Notfällen erfuhren. So stellten alle27 befragten K<strong>in</strong>der, die den tödlichen Unfall e<strong>in</strong>es Mitschülers miterlebt hatten, unaufgefordertenge gedankliche Verb<strong>in</strong>dungen zum Amoklauf am 26.04.2002 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schule <strong>in</strong>Erfurt her: V. a. Medienberichte, <strong>in</strong> denen we<strong>in</strong>ende Schüler gezeigt worden waren, lösten<strong>in</strong>tensive Er<strong>in</strong>nerungen an die selbst erlebte Notfallsituation aus („Da war plötzlich alleswieder da, das war echt total schlimm für mich!“).3.3.11. Angaben zu den Auswirkungen von VorerfahrungenE<strong>in</strong> statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen den Aussagen der befragten K<strong>in</strong>derund entsprechenden Vorerfahrungen konnte nicht nachgewiesen werden: In ke<strong>in</strong>er der dargestelltenAntwortkategorien zum eigenen Verhalten, zu Gefühlen und Gedanken, zu unangenehmenund belastenden bzw. hilfreichen und angenehmen Erfahrungen sowie denWünschen und Bedürfnissen unterschied sich die Gruppe der K<strong>in</strong>der, die angegeben hatten,bereits m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e ähnliche Notfallsituation miterlebt zu haben, signifikant vonden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ohne Vorerfahrungen (Chi-Quadrat-Test; χ² für die e<strong>in</strong>zelnen Antwortkategorienzwischen 0,09 und 2,11; <strong>bei</strong> p=0,05 durchweg nicht signifikant).3.3.12. Angaben zu altersspezifischen BesonderheitenIm H<strong>in</strong>blick auf altersspezifische Besonderheiten konnten nur wenige signifikante Unterschiedezwischen den e<strong>in</strong>zelnen Altersgruppen gefunden werden: Kaum e<strong>in</strong>e der dargestelltenAntwortkategorien ließ sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en direkten Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er bestimmtenAltersgruppe 69 br<strong>in</strong>gen.Insbesondere die Beschreibung von Notfallspuren sowie das Empf<strong>in</strong>den der Hilflosigkeitbzw. Passivität von Dritten am Notfallort als explizit unangenehme Erfahrungen, das außerordentlichgroße Informationsbedürfnis sowie die Angabe von Angst fand sich nahezugleichermaßen <strong>in</strong> allen Altersgruppen.Auch Äußerungen, die sich auf offensichtlich unverstandene Sachverhalte und Abläufe imNotfallgeschehen bezogen hatten, stammten von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aus allen Altersstufen. Dies ist<strong>in</strong>sofern <strong>in</strong>teressant, weil man demnach nicht unbed<strong>in</strong>gt davon ausgehen kann, daß e<strong>in</strong>K<strong>in</strong>d nur deshalb mehr über Notfallsituationen weiß, weil es eben älter ist.69 Die E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> „Altersgruppen“ wurde analog zu den Phasen der kognitiven Entwicklung nach JeanPiaget vorgenommen; siehe S. 74.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 99Dennoch kann auf e<strong>in</strong>ige altersspezifische Besonderheiten h<strong>in</strong>gewiesen werden: So wurdenGedanken an Unfallverursacher, Eltern oder Geschwister der Notfallpatienten undandere Dritte signifikant häufiger von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Alter zwischen 11 und 16 angegeben alsvon den jüngeren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (Chi-Quadrat-Test; χ²=3,28; signifikant <strong>bei</strong> p=0,05).Ältere K<strong>in</strong>der wünschten sich signifikant häufiger Gleichaltrige bzw. Freunde als Kontaktpersonen(Chi-Quadrat-Test; χ²= 8,96; signifikant <strong>bei</strong> p=0,05), während sich die K<strong>in</strong>der imprä- und konkret-operationalen Entwicklungsstadium gleichermaßen bevorzugt Nähe zuerwachsenen Bezugspersonen (z. B. Eltern und Lehrern) suchten (Chi-Quadrat-Test;χ²=10,01; signifikant <strong>bei</strong> p=0,05). Darüber h<strong>in</strong>aus wurde der Wunsch, am liebsten alle<strong>in</strong>ezu se<strong>in</strong> bzw. <strong>in</strong> Ruhe gelassen zu werden, <strong>in</strong>teressanterweise ausschließlich von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>im Alter zwischen 11 und 16 formuliert 70 .Das Gefühl von Wut wurde ebenfalls häufiger von älteren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> angegeben (Chi-Quadrat-Test; χ²=12,47; signifikant <strong>bei</strong> p=0,05), woh<strong>in</strong>gegen das Gefühl von Mitleid mitdem Notfallpatienten häufiger von jüngeren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, d. h. von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im prä- und konkret-operationalenEntwicklungsstadium genannt worden ist (Chi-Quadrat-Test; χ²=14,04;signifikant <strong>bei</strong> p=0,05).Bei den Angaben zu Symptomen akuter Belastungsreaktionen sowie anderen psychischenSpätfolgen des Miterleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation konnte allerd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong> alterspezifischerEffekt festgestellt werden.3.3.13. Angaben zu geschlechtsspezifischen BesonderheitenIm H<strong>in</strong>blick auf geschlechtsspezifische Unterschiede ließ sich lediglich e<strong>in</strong>e statistischauffällige Besonderheit feststellen: So waren alle 19 K<strong>in</strong>der, die das Notfallgeschehenrückblickend ausdrücklich als besonders „spannend“ oder „<strong>in</strong>teressant“ bezeichneten 71 ,Jungen, so daß zum<strong>in</strong>dest im H<strong>in</strong>blick auf diese (wenn auch nachträgliche) Bewertung derNotfallsituation durchaus von e<strong>in</strong>em signifikanten Unterschied zwischen Jungen und Mädchengesprochen werden kann (Chi-Quadrat-Test; χ²=32,1; signifikant <strong>bei</strong> p=0,05).3.3.14. Angaben zu Merkmalen des NotfallgeschehensZusammenhänge zwischen den Aussagen der K<strong>in</strong>der und dem Notfallzeitpunkt, dem Notfallortund der Notfallart (Verletzung, Erkrankung, psychiatrischer oder pädiatrischer Not-70 Siehe S. 93.71 Siehe S. 97.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 100fall) ließen sich zunächst nicht feststellen. E<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen der tatsächlichenVerletzungsschwere bzw. dem Anblick des Notfallpatienten und den Aussagen der K<strong>in</strong>derist allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong>sofern erkennbar, daß Symptome e<strong>in</strong>er akuten Belastungsreaktion signifikanthäufiger von den <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> beschrieben wurden, die e<strong>in</strong>e Notfallsituation miterlebthatten, <strong>bei</strong> der der Notfallpatient verstorben ist (Chi-Quadrat-Test; χ²= 11,9; signifikant <strong>bei</strong>p=0,05).Die Verletzungsschwere darf <strong>in</strong> diesem Zusammenhang jedoch ke<strong>in</strong>esfalls als e<strong>in</strong>zigerIndikator für die potentiell mit dem Notfallgeschehen verbundene Belastung betrachtetwerden, zumal durchaus auch K<strong>in</strong>der Symptome akuter Belastungsreaktionen angaben, dieden Verletzten selbst überhaupt nicht, sondern lediglich Blutlachen oder andere Notfallspurengesehen hatten.Auch konnte ke<strong>in</strong> statistisch bedeutsamer Zusammenhang zwischen der Verletzungsschwereund den übrigen Aussagen der K<strong>in</strong>der gefunden werden. So wurde <strong>bei</strong>spielsweisedie Passivität bzw. Untätigkeit von Dritten am Notfallort, d. h. die Tatsache, daß dem Notfallpatientenvor dem E<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstes nicht geholfen worden ist, auch dannals e<strong>in</strong>e unangenehme und belastende Erfahrung beschrieben, wenn der Notfallpatient nurleichte Verletzungen erlitten hatte.Die bloße Anzahl der Rettungskräfte bzw. die Anzahl e<strong>in</strong>gesetzter Rettungsfahrzeuge kannebenfalls nicht mit bestimmten Aussagen der befragten K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebrachtwerden. Die Aussage e<strong>in</strong>iger Jungen, das Notfallgeschehen sei ke<strong>in</strong>eswegs belastend, sonderneher spannend und <strong>in</strong>teressant gewesen 72 , bezog sich allerd<strong>in</strong>gs durchweg auf Notfallsituationen,<strong>in</strong> denen relativ aufwändige Rettungsmaßnahmen durchgeführt wurden, so daßletztlich nicht entscheidend sche<strong>in</strong>t, wie viele Rettungsfahrzeuge e<strong>in</strong>gesetzt s<strong>in</strong>d, sondernvielmehr was am Notfallort geschieht bzw. welche Maßnahmen wie durchgeführt werden.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund kann zudem festgestellt werden, daß die Durchführung von mediz<strong>in</strong>ischenMaßnahmen und das Verhalten Dritter am Notfallort <strong>in</strong>sgesamt von den befragten<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> v. a. dann als hilfreich empfunden wurde, wenn der jeweilige S<strong>in</strong>n für sienachvollziehbar war und e<strong>in</strong> positiver Effekt beobachtet werden konnte („Me<strong>in</strong> Vater hatdem Mann e<strong>in</strong>e Jacke unter den Kopf gelegt, damit er besser Luft bekommen hat“) 73 .Umgekehrt wurde die Durchführung mediz<strong>in</strong>ischer Maßnahmen und das Verhalten Dritteram Notfallort stets als unangenehm und belastend empfunden, wenn aus Sicht der befrag-72 Siehe S. 97.73 Siehe S. 83.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 101ten K<strong>in</strong>der ke<strong>in</strong>e entsprechende Begründung erkennbar war. Die bereits zitierte Aussage„Der Arzt sollte dem X doch helfen und dem nicht so e<strong>in</strong>e Spritze <strong>in</strong> den Arm rammen“ 74verdeutlicht dies e<strong>in</strong>drucksvoll.Das Verhältnis der befragten K<strong>in</strong>der zum Notfallpatienten wirkte sich <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnenAntwortkategorien statistisch nicht bedeutsam aus; es lässt sich <strong>bei</strong>spielsweise nicht sagen,daß signifikant häufiger Angst, Mitleid oder der dr<strong>in</strong>gende Wunsch nach e<strong>in</strong>er raschen<strong>Hilfe</strong>leistung geäußert wurde, wenn der Notfallpatient ke<strong>in</strong> Fremder, sondern e<strong>in</strong> Angehörigeroder e<strong>in</strong> Freund der befragten K<strong>in</strong>der war. Inhalt und Häufigkeit der jeweiligen Angabenzum eigenen Verhalten, zu Gefühlen und Gedanken, Wünschen und Bedürfnissensowie hilfreichen und belastenden Erfahrungen variierten <strong>bei</strong> Notfällen, <strong>bei</strong> denen der Notfallpatiente<strong>in</strong> Fremder gewesen ist und <strong>bei</strong> Notfällen, <strong>bei</strong> denen der Notfallpatient denbefragten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> bekannt war, nur unwesentlich.Im H<strong>in</strong>blick auf die Anwesenheit der Eltern lässt sich feststellen, daß zwar nur e<strong>in</strong>es derK<strong>in</strong>der, die e<strong>in</strong>e Notfallsituation im Beise<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Eltern oder zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>es Elternteilsmiterlebten, über Symptome e<strong>in</strong>er posttraumatischen Belastungsreaktion berichtet hat. Vordem H<strong>in</strong>tergrund der sehr kle<strong>in</strong>en Stichprobe (K<strong>in</strong>der, die Notfälle im Beise<strong>in</strong> ihrer Elternoder e<strong>in</strong>es Elternteils erlebt haben: n=10) können hieraus jedoch ke<strong>in</strong>erlei sichere Schlußfolgerungenabgeleitet werden.3.3.14. Angaben zu Besonderheiten h<strong>in</strong>sichtlich der BefragungssituationStatistisch bedeutsame Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Befragungssituation, d.h. der Anwesenheit Dritter, dem Ort der Befragung sowie der Gesprächsdauer e<strong>in</strong>erseitsund den Aussagen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> andererseits konnten nicht nachgewiesen werden.3.4. DiskussionIn Abschnitt 3.1.1. wurde die Frage gestellt, ob die bisherigen Ausführungen zur psychischenSituation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen sowie zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> überhauptzutreffen und ob die vorliegende Untersuchung H<strong>in</strong>weise auf notwendige Ergänzungengibt. Hierzu ist zunächst festzustellen, daß die Aussagen der <strong>in</strong>terviewten K<strong>in</strong>der weitgehenddurchaus dem bisherigen Forschungs- bzw. Kenntnisstand entsprechen und mit diesem<strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang stehen.74 Siehe S. 89.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 102Bestätigt wurde <strong>in</strong>sbesondere, daß K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> allen Altersstufen notfallbezogene Wissensdefiziteund dementsprechend e<strong>in</strong> außerordentlich großes Informationsbedürfnis haben. DieTatsache, daß 61,4 % der befragten K<strong>in</strong>der Ungewissheit als e<strong>in</strong>e belastende Erfahrungund 76,0 % den Wunsch nach ausführlichen Informationen über das Notfallgeschehen angegebenhaben, verdeutlicht dies noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>drucksvoll.Daß 84,4 % der <strong>in</strong> der vorliegenden Untersuchung befragten K<strong>in</strong>der auf das Miterlebene<strong>in</strong>er Notfallsituation zunächst erschreckt bzw. geschockt reagierten und 22,9 % der K<strong>in</strong>derÄngste entwickelten, daß <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>igen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> psychophysische Reaktionen aufgetretens<strong>in</strong>d und daß der Anblick e<strong>in</strong>es Notfallpatienten sowie der Anblick von Blut von etwa e<strong>in</strong>emViertel der Befragten als unangenehm empfunden wurde, überrascht ebenfalls nicht,weil <strong>in</strong> der bisher verfügbaren Fachliteratur durchaus entsprechende H<strong>in</strong>weise enthaltens<strong>in</strong>d (vgl. KARUTZ 2002e u. HAUSMANN 2003, S. 177).Bestätigt wurden bisherige Darstellungen <strong>in</strong> der Fachliteratur u. a. auch dah<strong>in</strong>gehend, daßVorwürfe von Betroffenen als belastend empfunden werden, daß eigene Aktivität zur Bewältigungdes Geschehens sowie die Anwesenheit von Bezugspersonen i. d. R. offenbarhilfreich und angenehm ist und daß Maßnahmen der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> dem Alterbzw. Entwicklungsstand von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> entsprechen müssen, weil sie sonst nicht nur unwirksams<strong>in</strong>d, sondern sogar negativ und ebenfalls belastend erlebt werden.Auch H<strong>in</strong>weise aus der vorliegenden Untersuchung darauf, daß Notfälle belastender erlebtwerden, wenn Betroffene sich ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schwierigen Lebenssituation bef<strong>in</strong>den unddarauf, daß ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Zusammenhang zwischen der Verletzungsschwere und demjeweiligen Erleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> besteht, s<strong>in</strong>d nicht neu, sondern bestätigenlediglich erneut, was bereits bekannt ist: Die Gefühle, Gedanken, Wünsche undBedürfnisse von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> unterscheiden sich nicht wesentlich <strong>in</strong> Abhängigkeit davon, o<strong>bei</strong>n Notfallpatient schwere oder eher harmlose Verletzungen erlitten hat bzw. lebensbedrohlichoder nur leicht erkrankt ist 75 .Nicht anhand der eigentlichen Untersuchungsergebnisse, sondern vielmehr anhand derWiderstände gegen die vorliegende Studie, die <strong>in</strong> Abschnitt 3.2.2. beschrieben wordens<strong>in</strong>d, kann schließlich auch die grundsätzliche Notwendigkeit e<strong>in</strong>er wissenschaftlichen Reflexiondes Umgangs mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen nochmals bekräftigt werden, wie sie <strong>in</strong> Abschnitt2 dieser Ar<strong>bei</strong>t bereits dargestellt wurde. Die dort formulierte These, daß man generellzu wenig über den Umgang mit (<strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong>) <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen weiß und75 Siehe S. 20.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 103man auf Notfallsituationen mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong>sbesondere aus psychologischer Sicht nur unzureichendvorbereitet ist 76 , wurde gerade durch das irritierend-ablehnende Verhalten e<strong>in</strong>igerNotfallseelsorger und Schulleiter 77 bestätigt.Die nun folgenden Ausführungen beziehen sich jedoch auf ergänzende oder vom bisherigenForschungs- bzw. Kenntnisstand abweichende Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung:• Die bisherigen Angaben zur Häufigkeit Posttraumatischer Belastungsstörungen 78 könnenzum<strong>in</strong>dest anhand der vorliegenden Studie nicht bestätigt werden. Zwar gaben fastdie Hälfte der befragten K<strong>in</strong>der (42,7 %) e<strong>in</strong>zelne Symptome von akuten Belastungsreaktionen(!) an – diese chronifizierten sich jedoch nicht als Posttraumatische Belastungsstörung,sondern verschwanden fast immer <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es relativ kurzen Zeitraums.Von den 96 befragten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wurde im Endeffekt lediglich e<strong>in</strong>es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e psychotherapeutischeBehandlung vermittelt, weil der dr<strong>in</strong>gende Verdacht e<strong>in</strong>er PTBS bestand.Zweifellos waren die dieser Ar<strong>bei</strong>t zugrunde liegenden Notfallsituationen für diebefragten K<strong>in</strong>der außergewöhnliche Ereignisse, die sie belastet und mit denen sie sichdurchaus noch e<strong>in</strong>e längere Zeit <strong>in</strong>tensiv beschäftigt haben – traumatisiert war dieüberwältigende Mehrheit der befragten K<strong>in</strong>der deshalb aber nicht. U. U. mag dies auchdamit zusammenhängen, daß die befragten K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Notfallsituation, die denjeweiligen Interviews zugrunde lagen, gefährdet waren, selbst verletzt zu werden. Zudemwar <strong>in</strong> allen Notfallsituationen stets nur e<strong>in</strong>e Person verletzt oder erkankt; und derBefragung von 33 <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> lagen – wie bereits dargestellt - Notfälle mit eher leichtVerletzten zugrunde. Dennoch sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> H<strong>in</strong>weis darauf angebracht, daß eben nichtjeder Notfall zwangsläufig auch als psychisch traumatisierende Situation betrachtetwerden muss. Der bereits dargestellten Auffassung von Landespfarrer Müller-Lange zurDef<strong>in</strong>ition und zum Verständnis von Notfallsituationen 79 kann vor diesem H<strong>in</strong>tergrundnur ausdrücklich zugestimmt werden.• Sowohl <strong>in</strong> den Aussagen der befragten K<strong>in</strong>der zu den hilfreichen als auch zu den belastendenund unangenehmen Erfahrungen <strong>in</strong> Notfallsituationen gibt es deutliche H<strong>in</strong>weisedarauf, daß das Erleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation nicht durch das eigentliche Notfallgeschehen(z. B. den Unfall an sich oder die Tatsache, daß jemand bewusstlos zusammen-76 Siehe S. 56-57.77 Siehe S. 73.78 Siehe S. 39.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 104bricht), sondern noch weitaus stärker vom darauf folgenden (und wesentlich häufigergenannten) Verhalten der übrigen anwesenden Personen bee<strong>in</strong>flusst wird.Demnach wird es als besonders belastend empfunden, wenn Dritte (z. B. Zuschauer,Passanten) zwar anwesend s<strong>in</strong>d, dem Notfallpatienten aber dennoch niemand <strong>Hilfe</strong> leistet.Als ebenso belastend wird es empfunden, wenn Dritte sich – aus Sicht der K<strong>in</strong>der –unangemessen verhalten bzw. sich unangemessen äußern.Im H<strong>in</strong>blick auf das Verhalten von Mitar<strong>bei</strong>tern des Rettungsdienstes gilt, daß ihreRettungsmaßnahmen für K<strong>in</strong>der am Notfallort offenbar dann e<strong>in</strong>e zusätzliche Belastungs<strong>in</strong>d, wenn die Notwendigkeit bzw. das Ziel der jeweiligen Maßnahmen nicht nachvollziehbarist und wenn sich die Rettungskräfte dem Notfallpatienten gegenüber schlichtwegunfreundlich sowie nur wenig behutsam verhalten.Umgekehrt ist es ansche<strong>in</strong>end hilfreich und belastungsverm<strong>in</strong>dernd, wenn der Rettungsdienstrasch e<strong>in</strong>trifft und die Rettungsmaßnahmen v. a. so durchgeführt werden,daß auch K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>en positiven Effekt dieser Maßnahmen erkennen können.Wohlgemerkt: Diese Feststellungen zur Bedeutung der Art und Weise, <strong>in</strong> der sich Dritteam Notfallort verhalten, s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>eswegs so banal, wie sie zunächst ersche<strong>in</strong>en: Sowurde die Erkenntnis, daß unterlassene <strong>Hilfe</strong>leistung nicht nur dem Notfallpatienten,sondern auch den anwesenden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als <strong>unverletzt</strong> Betroffenen (!) schadet - und umgekehrt:daß e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>ischer und psychologischer H<strong>in</strong>sicht kompetente und angemessenerettungsdienstliche Versorgung nicht nur dem eigentlichen Notfallpatienten,sondern auch den anwesenden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> hilft, bislang noch nicht <strong>in</strong> dieser Deutlichkeitformuliert.Zudem muss darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, daß <strong>in</strong> der großen Bedeutung des VerhaltensDritter für das k<strong>in</strong>dliche Erleben von Notfallsituationen e<strong>in</strong>e Chance und e<strong>in</strong> Risiko zugleichliegt: So kann e<strong>in</strong> tatsächlich „schlimmes“ Notfallgeschehen mit entsprechendschwer verletzten oder erkrankten Notfallpatienten offenbar zum<strong>in</strong>dest teilweise kompensiertwerden, <strong>in</strong>dem (zunächst möglichst durch Ersthelfer, später durch den Rettungsdienst)e<strong>in</strong>e rasche und sachgerechte <strong>Hilfe</strong>leistung erfolgt, während e<strong>in</strong>e eherharmlose und e<strong>in</strong>deutig nicht lebensbedrohliche Notfallsituation (<strong>bei</strong> der jemand z. B.nur sehr leicht verletzt wurde) von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als außerordentlich belastend empfundenwerden kann, sofern sich Dritte <strong>in</strong> der beschriebenen Weise 80 verhalten.79 Siehe S. 10.80 Siehe S. 82-83.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 105• Die Aussagen der befragten K<strong>in</strong>der legen es Nahe, e<strong>in</strong>e bislang nahezu une<strong>in</strong>geschränktempfohlene Maßnahme der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> – nämlich das möglichst rascheAbschirmen <strong>unverletzt</strong>-betroffener K<strong>in</strong>der als Schutz vor möglicherweise belastendenAnblicken 81 - kritisch und deutlich differenzierter als bisher zu betrachten. Hier<strong>bei</strong> kannv. a. auf die folgenden Befragungsergebnisse zurückgegriffen werden: E<strong>in</strong>erseits hattefast die Hälfte der Befragten (44,8 %) das Bedürfnis geäußert, vom Notfallgeschehenwegzuschauen oder sich vom Notfallort zu entfernen. 21,9 % der Befragten sahen tatsächlich<strong>in</strong>st<strong>in</strong>ktiv weg oder entfernten sich vom Notfallort. Andererseits gaben 35,4 %der befragten K<strong>in</strong>der an, daß sie gerade die Tatsache, abgeschirmt worden zu se<strong>in</strong> undnicht weiter zuschauen zu können, als e<strong>in</strong>e unangenehme und belastende Erfahrungempfanden. Zudem wünschten immerh<strong>in</strong> 27,1 % der Befragten ausdrücklich, das Geschehenweiter beobachten und mitverfolgen zu können. Darüber h<strong>in</strong>aus muss auch dieAngabe von 19,8 % der Befragten berücksichtigt werden, die das Notfallgeschehen ohneh<strong>in</strong>nicht als Belastung, sondern vielmehr als e<strong>in</strong> im positiven S<strong>in</strong>ne <strong>in</strong>teressantes undspannendes Ereignis schilderten.E<strong>in</strong>e Erklärung dieser Aussagen könnte dar<strong>in</strong> bestehen, daß der Anblick bzw. das gesamteMiterleben des Notfallgeschehens eben nicht – wie bisher angenommen – ausschließlichbelastende und unangenehme Erfahrungen <strong>bei</strong>nhaltet, sondern durchausauch positive Aspekte enthält. Es sche<strong>in</strong>t <strong>bei</strong>spielsweise nicht unangebracht, die Tatsache,daß 75 % der befragten K<strong>in</strong>der den Anblick der <strong>Hilfe</strong>leistung ausdrücklich als angenehmeund hilfreiche Erfahrung beschrieben haben, <strong>in</strong> genau diesem Zusammenhangzu sehen - und es könnte gefolgert werden, daß das Abschirmen <strong>unverletzt</strong>-betroffenerK<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfallsituationen ihnen gerade diese hilfreiche Erfahrung unmöglich macht.E<strong>in</strong>e weitere Erklärung dafür, daß sich das Abschirmen eher ungünstig auswirkt, könntedie Entstehung furchterregender Phantasien se<strong>in</strong>, die u. U. noch weitaus bedrohlicherempfunden werden als der Anblick des realen Notfallgeschehens. Vergleichbare Mechanismenwurden <strong>in</strong> der Fachliteratur bereits beschrieben (vgl. WOLF 2002 u.HAUSMANN 2003, S. 182-183).Darüber h<strong>in</strong>aus muss die Wirkung des Abschirmens auch im Zusammenhang mit dembereits mehrfach erwähnten, besonders großen Informationsbedürfnis der <strong>unverletzt</strong><strong>betroffenen</strong>K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfallsituationen gesehen werden: Werden diese K<strong>in</strong>der lediglichabgeschirmt – d. h. nimmt man ihnen die Möglichkeit, das weitere Geschehen mit-81 Siehe S. 54 (Vgl. auch P.A.P./BARTELS/KARUTZ/MÜLLER-LANGE/SEFRIN 2002, S. 9 u. 10).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 106zuerleben – und werden nicht gleichzeitig Informationen vermittelt, bleibt das Informationsbedürfnisunbefriedigt, was möglicherweise als e<strong>in</strong> (dann zusätzlich!) belastendesFrustrationserlebnis zu betrachten ist, zumal die Neugierde und das Informationsbedürfnisdurch das Abschirmen ohneh<strong>in</strong> eher noch weiter steigen dürfte.U. U. kann auch e<strong>in</strong> Bezug zum sogenannten Zeigarnik-Effekt hergestellt werden, demzufolgeunterbrochene Handlungen stärker er<strong>in</strong>nert werden als abgeschlossene (vgl.ZEIGARNIK 1927; SCHÖNPFLUG/SCHÖNPFLUG 1995, S. 327-329; EDELMANN2000, S. 266ff: Wird e<strong>in</strong> <strong>unverletzt</strong>-betroffenes K<strong>in</strong>d z. B. dann abgeschirmt, wenn esden Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Notfallsituation (z. B. den Zusammenstoß mehrerer PKW auf e<strong>in</strong>erKreuzung) zuvor sowieso bereits miterlebt hat, könnte das Abschirmen zu diesem Zeitpunktverh<strong>in</strong>dern, das Notfallgeschehen abschließen zu können. E<strong>in</strong> solcher Abschlußkönnte jedoch gerade dadurch möglich se<strong>in</strong>, daß e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d nach dem beschriebenen Autounfallebenfalls miterlebt, wie die Verletzten und die beschädigten Fahrzeuge abtransportiertwerden, ggf. die Strasse von auslaufendem Kraftstoff gere<strong>in</strong>igt wird und dieserNotfall somit – zum<strong>in</strong>dest von den Rettungskräften – tatsächlich bewältigt worden ist.Im Übrigen ist es – auch <strong>in</strong> Alltagssituationen – mitunter schon an sich und ganz unabhängigvon den Folgen sehr unangenehm, <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Tätigkeit unterbrochenzu werden - und schließlich ist durchaus denkbar, daß das Abschirmen v. a. <strong>bei</strong> jüngeren<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sogar Schuldgefühle fördert, <strong>in</strong>dem das Abschirmen als Ausgrenzung und Bestrafungfür e<strong>in</strong> eigenes Fehlverhalten empfunden wird.Zusammenfassend lässt sich demnach feststellen: Das Abschirmen kann zum<strong>in</strong>dest alsgrundsätzlich bzw. pauschal durchzuführende Maßnahme für den Umgang mit <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und ohne e<strong>in</strong>ige ergänzende H<strong>in</strong>weise im H<strong>in</strong>blick darauf, ob,wann und wie abgeschirmt werden sollte, nicht länger empfohlen werden. Vielmehr giltes zu berücksichtigen, daß gerade auch das weitere Zuschauen <strong>in</strong> Notfallsituationen fürdie Bewältigung des Erlebten hilfreich, u. U. sogar notwendig se<strong>in</strong> kann. Allerd<strong>in</strong>gs darfdiese Feststellung auch nicht unreflektiert als e<strong>in</strong>e Aufforderung zum Zuschauen missverstandenwerden, zumal es nach wie vor – und zwar ganz unabhängig von psychologischenÜberlegungen – zahlreiche Begründungen dafür gibt, Zuschauer von Notfallortenfernzuhalten: Die Tatsache, daß das Zuschauen für die psychische Bewältigunghilfreich oder sogar notwendig se<strong>in</strong> kann, ändert <strong>bei</strong>spielsweise nichts daran, daß dieAnwesenheit von Zuschauern den oder die Notfallpatienten belastet und daß es zweifellosunverantwortlich ist, Rettungsmaßnahmen zu beh<strong>in</strong>dern oder sich Gefahren aus-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 107zusetzen, die <strong>bei</strong>spielsweise von austretenden Giftstoffe, Brandgasen oder herabfallendenTrümmerteilen ausgehen (LASOGGA/GASCH 2000, S. 81)! Bei der Konzeptionvon Regeln zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Abschnitt4 der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t wird dies entsprechend zu berücksichtigen se<strong>in</strong>.• Schuldgefühle im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er Verursachung der Notfallsituation wurden<strong>in</strong> der vorliegenden Studie nur von e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d genannt. Dies ist auf den ersten Blick<strong>in</strong>sofern erstaunlich, weil man die Angabe von Schuldgefühlen anhand der zur Verfügungstehenden Fachliteratur sicherlich weitaus häufiger erwartet hätte. Andererseitslassen sich die seltenen H<strong>in</strong>weise auf Schuldgefühle auch schlichtweg dadurch erklären,daß ohneh<strong>in</strong> nur neun der 96 befragten K<strong>in</strong>der der präoperationalen Entwicklungsphasezugeordnet werden konnten, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>e „Egozentrierung des Denkens“ die Entstehungvon Schuldgefühlen besonders begünstigt (vgl. LOHAUS 1990, S. 15; GLANZMANN1997, S. 128 u. MIETZEL 1997, S. 158-159). E<strong>in</strong> Gegensatz zur bisherigen Forschungslagekann deshalb nicht festgestellt werden.• In der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t konnte ke<strong>in</strong> signifikanter Zusammenhang zwischen notfallbezogenenVorerfahrungen und dem (erneuten) Erleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation nachgewiesenwerden. Auch dies überrascht zunächst, weil bislang – vom Phänomen der erlerntenHilflosigkeit e<strong>in</strong>mal abgesehen - eher davon ausgegangen wurde, daß Vorerfahrungenauch e<strong>in</strong>e bessere Vorbereitung auf künftige Notfälle zur Folge haben, so daß<strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die bereits Notfallsituationen erlebt haben, auch andere bzw. bessere Bewältigungsmöglichkeiten– etwa im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es erweiterten Handlungspotentials odere<strong>in</strong>es umfangreicheren notfallbezogenen Wissens - angenommen wurden.Die hier nicht nachweisbaren Zusammenhänge zwischen Vorerfahrungen und dem Erlebene<strong>in</strong>es Notfalls <strong>in</strong> der vorliegenden müssen dieser Auffassung allerd<strong>in</strong>gs nichtzwangsläufig widersprechen, zumal die Situationen, die als Vorerfahrungen angegebenwurden, sich möglicherweise doch zu sehr von dem Notfallgeschehen unterschieden,das letztlich Anlaß für die Befragung im Rahmen der vorliegenden Studie war. Möglicherweisehätte die Angabe von Vorerfahrungen kritischer h<strong>in</strong>terfragt und deutlich präziserformuliert werden müssen, als es geschehen ist. Weitere Schlussfolgerungen zurBedeutung von Vorerfahrungen sche<strong>in</strong>en vor diesem H<strong>in</strong>tergrund nicht angebracht.• E<strong>in</strong> hoher Prozentsatz der befragten K<strong>in</strong>der (37,5 %) gab an, Mitleid empfunden bzw.sogar <strong>in</strong>tensiv mitgelitten zu haben, und im gleichen Zusammenhang kann vermutlichauch der Wunsch von 63,5 % der Befragten nach e<strong>in</strong>er möglichst rasch beg<strong>in</strong>nenden


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 108<strong>Hilfe</strong>leistung gesehen werden. Möglicherweise resultiert dieses starke Mitempf<strong>in</strong>denaus der im Vergleich zu Erwachsenen <strong>in</strong>tensiveren Wahrnehmung des Notfallgeschehensbzw. auch der Gestik und Mimik von Notfallpatienten, die bereits <strong>in</strong> zahlreichenVeröffentlichungen beschrieben worden ist (vgl. GLANZMANN 1997, S. 127-128 u.130; FISCHER 2001, S. 123 u. KARUTZ 2002d, S. 23). Explizite H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>ebesondere Empathie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den bisherigen Darstellungen zur psychischen Situation von<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen allerd<strong>in</strong>gs nicht enthalten und müssen <strong>in</strong>sofern als e<strong>in</strong>e Ergänzungdes bisherigen Forschungs- und Kenntnisstandes betrachtet werden.• Als weitere Ergänzung der bisherigen Veröffentlichungen s<strong>in</strong>d die Aussagen von 33,3% der befragten K<strong>in</strong>der zum Anblick von Notfallspuren als besonders belastende Erfahrungenzu nennen: So löst z. B. der Anblick von Medikamenten- oder Materialverpakkungen,beschädigten (Unfall-) Fahrzeugen sowie blutverschmierten Handschuhen desRettungsdienstes belastende Phantasien aus, was zweifellos nachvollziehbar ist – aberexplizit noch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er der zur Verfügung stehenden Veröffentlichungen beschriebenwurde, obwohl sich – wie <strong>in</strong> Abschnitt 4 der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t noch zu zeigen se<strong>in</strong>wird - aus dieser Tatsache sehr konkrete H<strong>in</strong>weise für die Formulierung konkreter Regelnzur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ableiten lassen.• Ebenfalls sehr konkrete (und neue!) H<strong>in</strong>weise für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> lassen sichaus den Aussagen der befragten K<strong>in</strong>der zu den jeweils bevorzugten Bezugspersonenableiten. So wünschen sich ältere K<strong>in</strong>der (d. h. K<strong>in</strong>der ab e<strong>in</strong>em Alter von 10 Jahren) <strong>in</strong>Notfallsituationen offenbar besonders häufig Kontakt zu Gleichaltrigen (d. h. Freundenund Klassenkameraden), während jüngere K<strong>in</strong>der vor allem die Nähe zu ihren Elternoder anderen erwachsenen Bezugspersonen suchen. Möglicherweise kann dies mit derzunehmenden Bedeutung von „Peer-Groups“ erklärt werden, <strong>in</strong> denen sich die älterenK<strong>in</strong>der – <strong>bei</strong> gleichzeitiger Ablösung von ihrem Elternhaus – zunehmend aufgehobenund verstanden fühlen, während jüngeren K<strong>in</strong>der <strong>in</strong>sbesondere die Anwesenheit ihrerEltern Schutz und Sicherheit vermittelt, wie es im Zusammenhang mit e<strong>in</strong>er emotionalenAbhängigkeit zwischen Eltern und <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und der Entwicklung des B<strong>in</strong>dungsverhaltensauch <strong>in</strong> zahlreichen Veröffentlichungen bereits seit geraumer Zeit dargestelltwird (vgl. MIETZEL 1997, S. 115ff, 182ff, 217ff, 251ff u. FISCHER 2001, S. 123ff).• Im H<strong>in</strong>blick auf geschlechtsspezifische Unterschiede ist v. a. auf die unterschiedlicheBewertung des Erlebten h<strong>in</strong>zuweisen. Die Tatsache, daß ausschließlich Jungen das Notfallgeschehenausdrücklich als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em positiven S<strong>in</strong>ne spannend und <strong>in</strong>teressant be-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 109schrieben haben, könnte möglicherweise auf e<strong>in</strong> größeres Interesse von Jungen an technischen,d. h. auch rettungstechnischen Abläufen zurückgeführt werden.Unter Umständen könnte dies als e<strong>in</strong> protektiver Faktor für das Erleben von Notfallsituationengewertet werden, sofern das Interesse bzw. die regelrechte Begeisterung füre<strong>in</strong>gesetzte Rettungstechnik tatsächlich dazu führt, daß z. B. Notfallpatienten oder Notfallspurennicht oder nur e<strong>in</strong>geschränkt wahrgenommen bzw. nicht als besondere Belastungempfunden werden. In diesem Zusammenhang sche<strong>in</strong>t durchaus denkbar, daß dasBeobachten rettungstechnischer Maßnahmen nicht nur von belastenden Anblicken ablenkt,sondern Belastungen, die sich ebenfalls aus dem Notfallgeschehen ergeben, dadurchkompensiert, daß der E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>er besonders umfangreichen <strong>Hilfe</strong>leistung verstärktwird. Dies würde sich schließlich mit der Angabe von 75 % der befragten K<strong>in</strong>derdecken, die den Anblick der <strong>Hilfe</strong>leistung ohneh<strong>in</strong> als hilfreich empfanden – und eskönnte erklären, daß gerade die Jungen, die <strong>bei</strong> relativ aufwändigen Rettungsaktionenanwesend waren 82 , das Notfallgeschehen als spannend und <strong>in</strong>teressant bewerteten.Wie alle H<strong>in</strong>weise zu alters- und geschlechtsspezifischen Besonderheiten, die aus dervorliegenden Untersuchung hervorgehen, sollte auch die These, daß der Anblick vonaufwändigen rettungstechnischen Maßnahmen da<strong>bei</strong> hilft, das Erlebte psychisch zu bewältigen,allerd<strong>in</strong>gs nochmals anhand größerer Stichproben überprüft werden. Dies istv. a. deshalb notwendig, weil mit den bisher vorliegenden Ergebnissen z. B. nicht festgestelltwerden kann, ob auch das Ergebnis der rettungstechnischen Maßnahmen für dieWahrnehmung und die Interpretation des Erlebten von Bedeutung ist: In allen Notfallsituationen,die von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als spannend und <strong>in</strong>teressant beschrieben worden s<strong>in</strong>d,wurden die Notfallpatienten sichtbar lebend <strong>in</strong> den Rettungswagen e<strong>in</strong>geladen und abtransportiert,d. h. es konnte der E<strong>in</strong>druck entstehen, diese Patienten seien tatsächlich„gerettet“ worden. Ob der Anblick von aufwändigen rettungstechnische Maßnahmenauch dann für die spätere Bewältigung des Erlebten hilfreich ist, wenn sie erfolglosbleiben (wenn sich z. B. e<strong>in</strong> Feuer trotz des massiven Löschangriffs weiter ausbreitetoder e<strong>in</strong> Notfallpatient trotz der Bemühungen des Rettungsdienstes weiter vor Schmerzenschreit), kann anhand der vorliegenden Untersuchung nicht geklärt werden 83 .82 Siehe S. 100.83 In der Fachliteratur f<strong>in</strong>den sich zwar H<strong>in</strong>weise darauf, daß das Miterleben der Reanimation e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>deszum<strong>in</strong>dest für die Eltern auch dann hilfreich ist, wenn sie letztlich erfolglos e<strong>in</strong>gestellt wird (vgl. HELME-RICHS/SATERNUS 1997, S. 139-140). Inwieweit sich diese H<strong>in</strong>weise jedoch auf die Situation <strong>unverletzt</strong>betroffenerK<strong>in</strong>der übertragen lassen, ist ungewiss.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1104. Neue H<strong>in</strong>weise für die PEH<strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>4.1. Grundsätzliche ÜberlegungenRegeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> müssen zweifellos v. a. so formuliert werden, daß sie<strong>in</strong> Notfallsituationen rasch und möglichst auch von Helfern angewendet werden können,die selbst ke<strong>in</strong>e umfassende psychologische Ausbildung haben. Sie sollten e<strong>in</strong>fach zuhandhaben und im Bewusstse<strong>in</strong>, daß es sich <strong>bei</strong> ihnen ohneh<strong>in</strong> nur um „Neunzig-Prozent-Regeln“ handeln kann, auf wenige, aber sehr wesentliche Aspekte der psychologischen<strong>Hilfe</strong>leistung reduziert se<strong>in</strong> (vgl. LASOGGA/GASCH 2000, S. 113-115).Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ergibt sich die Forderung, daß auch die hier zu entwickelndenH<strong>in</strong>weise für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> pr<strong>in</strong>zipiell fürK<strong>in</strong>der aller Altersstufen gültig se<strong>in</strong> sollten, und e<strong>in</strong>e altersabhängige Differenzierung vonH<strong>in</strong>weisen zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> wird deshalb – eher als H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationfür psychologische Notfallhelfer oder Notfallpsychologen - nur dann vorgenommen, wennsie aufgrund der <strong>in</strong> dieser Ar<strong>bei</strong>t bereits vorgestellten Untersuchungsergebnisse unbed<strong>in</strong>gtnotwendig ersche<strong>in</strong>t.Die praktische Umsetzung von weiteren altersabhängig differenzierten Regeln bzw. Regelwerkenzur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> würde <strong>in</strong>sbesondereErsthelfer und Mitar<strong>bei</strong>ter des Rettungsdienstes ansonsten vermutlich überfordern,zumal für die Vermittlung aller notfallpsychologischen Ausbildungs<strong>in</strong>halte <strong>in</strong> der Schulungvon Notfallhelfern der verschiedensten Qualifikationsstufen (vom Ersthelfer bis zumRettungsassistenten) nach wie vor nur e<strong>in</strong>e sehr knapp bemessene Unterrichtszeit zur Verfügungsteht (vgl. RETTASS APRV 1989; DEUTSCHES ROTES KREUZ 1991; DEUT-SCHES ROTES KREUZ 1993; DEUTSCHES ROTES KREUZ 1998; STÄNDIGE KON-FERENZ FÜR DEN RETTUNGSDIENST 1999; RETTHELF APO NRW 2000 u.RETTSAN APO NRW 2000; vgl. aber auch LASOGGA/GASCH 2002b, S. 57-58).Wenngleich e<strong>in</strong>e Änderung dieses Missstandes nicht nur wünschenswert, sondern aus verschiedenenGründen auch zweifellos notwendig ist, müssen die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, <strong>in</strong>


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 111deren Kontext die vorliegende Dissertation erar<strong>bei</strong>tet wird, zunächst h<strong>in</strong>genommen werden,wie sie s<strong>in</strong>d.4.2. Ableitung konkreter Regeln und ForderungenDie Ableitung konkreter Regeln und Forderungen für e<strong>in</strong>e <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong>resultiert naheliegenderweise vorrangig aus den Ergebnissen der imvorangegangenen Abschnitt dieser Ar<strong>bei</strong>t ausführlich dargestellten Studie. In besonderemMaße sollen da<strong>bei</strong> diejenigen Angaben berücksichtigt werden, die von besonders vielen, d.h. e<strong>in</strong>em relativ hohen Prozentsatz der befragten K<strong>in</strong>der angegeben worden s<strong>in</strong>d. Vor diesemH<strong>in</strong>tergrund ist festzustellen:1. Wenn <strong>bei</strong> 76 % der Befragten e<strong>in</strong> außerordentlich großes Informationsbedürfnis besteht,Ungewissheit über den Notfallhergang und eventuelle Notfallfolgen, d. h. e<strong>in</strong> Informationsmangelvon 61,4 % der Befragten als Belastung empfunden wird und andererseitsdie Vermittlung von Informationen zum<strong>in</strong>dest für 19,8 % der Befragten e<strong>in</strong>e angenehmeErfahrung ist, lässt sich zunächst die Schlussfolgerung ziehen, daß der Informationsvermittlunge<strong>in</strong>e besonders große Bedeutung zukommt (vgl. hierzu WOLF 2002).2. Wenn 37,5 % der Befragten besonders stark mitempf<strong>in</strong>den bzw. mitleiden, 15,6 % derBefragten sich gleichzeitig wünschen, selbst <strong>Hilfe</strong> leisten zu können und schließlich eigenesHandeln, das u. U. tatsächlich zur Bewältigung des Geschehens <strong>bei</strong>trägt, fast vonjedem zweiten befragten K<strong>in</strong>d, d. h. von 46,9 % der Befragten als dementsprechendhilfreich empfunden wird, sollte e<strong>in</strong> <strong>unverletzt</strong>-betroffenes K<strong>in</strong>d, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituationz. B. etwas malen, aufschreiben, anschauen, anfassen oder sagen möchte, diesauch tun können – auch, wenn es möglicherweise zunächst ungewöhnlich ersche<strong>in</strong>t: E<strong>in</strong>emMädchen, daß e<strong>in</strong>em Notfallpatient <strong>bei</strong>spielsweise ‚Gute Besserung’ wünschenwollte, wurde dies ohne Angabe von Gründen verwehrt 84 .3. Wenn die Tatsache, daß e<strong>in</strong>em Notfallpatienten ke<strong>in</strong>e <strong>Hilfe</strong> geleistet wird, von 65,6 %der Befragten als Belastung empfunden wird; 63,5 % der Befragten wünschen, daß demNotfallpatienten rasch <strong>Hilfe</strong> geleistet wird und 75 % der Befragten gerade den Anblickder <strong>Hilfe</strong>leistung als hilfreich erlebten, muss – durchaus im S<strong>in</strong>ne der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n<strong>Hilfe</strong> (!) – zunächst mediz<strong>in</strong>ische <strong>Hilfe</strong> sichtbar und als solche erkennbar geleistet84 Siehe S. 92.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 112bzw. zum<strong>in</strong>dest sichergestellt werden, <strong>in</strong>dem <strong>bei</strong>spielsweise der Rettungsdienst benachrichtigtund dies e<strong>in</strong>em <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> K<strong>in</strong>d ausdrücklich mitgeteilt wird (sofernes nicht sogar – wie unter 2. bereits <strong>in</strong>direkt gefordert - selbst daran beteiligt werdenkann, die <strong>Hilfe</strong>leistung durchzuführen oder zu organisieren). Dies ist gerade für <strong>unverletzt</strong>-betroffeneK<strong>in</strong>der deshalb so wichtig, weil sie zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> der ebenfalls bereitsbeschriebenen Weise mitempf<strong>in</strong>den und regelrecht mitleiden – und zum anderen, weilsie offenbar nicht jede <strong>Hilfe</strong>leistung als <strong>Hilfe</strong>leistung erkennen können 85 .4. Wenn das Abschirmen offenbar nicht immer hilfreich ist, sondern von 35,4 % der Befragtensogar als etwas Unangenehmes empfunden wird; zum<strong>in</strong>dest 27,1 % der Befragtensich ausdrücklich wünschen, weiter zuschauen zu können und 19,8 % der Befragtendas miterlebte Notfallgeschehen im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>eswegs als Belastung, sondern eherals spannende und <strong>in</strong>teressante Erfahrung schildern, kann dieses Abschirmen – wie bereitsdargestellt - zweifellos nicht mehr grundsätzlich und ohne e<strong>in</strong>ige ergänzende H<strong>in</strong>weiseempfohlen werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß 44,8 % der Befragendurchaus den Wunsch äußern, wegzusehen oder sich vom Notfallort zu entfernen.So kann es – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unmittelbaren Zusammenhang mit den Ausführungen unter 3. -durchaus ebenso s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, die Wahrnehmung von <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Notfallsituation vor allem auf die <strong>Hilfe</strong>leistung zu lenken (z. B. „Schau mal davorne, da holt der Sanitäter e<strong>in</strong>e spezielle Trage, auf der der Verletzte ganz bequem liegenkann“ / „Jetzt gibt der Arzt dem Mann e<strong>in</strong>e Spritze, damit er nicht mehr so starkeSchmerzen hat“).Lediglich der Anblick von Notfallpatienten und Blut sowie das Zuschauen <strong>bei</strong> derDurchführung besonders schmerzhafter bzw. für den Notfallpatienten unangenehmerMaßnahmen sollte aufgrund der Befragungsergebnisse möglicherweise eher verh<strong>in</strong>dertwerden (der Anblick des Notfallpatienten wurde von 27,1 % der Befragten, der Anblickvon Blut von 25 % der Befragten und die Durchführung schmerzhafter Maßnahmen amNotfallpatienten von 17,7 % der Befragten als belastend empfunden).Daß die Entscheidung darüber, ob e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d vom Notfallgeschehen abgeschirmt werdenoder weiter zuschauen soll, zudem natürlich vom Verhalten und der Reaktion e<strong>in</strong>esK<strong>in</strong>des selbst abhängig gemacht werden muss, liegt - gerade angesichts der une<strong>in</strong>heitlichenBefragungsergebnisse zu dieser Problematik - auf der Hand: Wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d sich85 Siehe S. 89 bzw. die dort beschriebene Aussage: „Der Arzt sollte dem X doch helfen und dem nicht so e<strong>in</strong>eSpritze <strong>in</strong> den Arm rammen“.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 113<strong>bei</strong>spielsweise von selbst die Augen zuhält, es sich wegdreht, weglaufen möchte oderoffensichtlich unter Schock zu stehen sche<strong>in</strong>t, ist es zweifellos unangebracht, diesemK<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> weiteres Zuschauen <strong>in</strong> der Notfallsituation zuzumuten.Wenn Abschirmung demnach unbed<strong>in</strong>gt notwendig ersche<strong>in</strong>t, weil z. B. auch ke<strong>in</strong>erleiFokussierung der Wahrnehmung auf voraussichtlich hilfreiche Anblicke (wie etwa laufendeHilfsmaßnahmen an e<strong>in</strong>em anderen Bereich des Notfallortes) mehr möglich ist,müssen allerd<strong>in</strong>gs die folgenden H<strong>in</strong>weise berücksichtigt werden:• Das Abschirmen selbst sollte dann auf e<strong>in</strong>e verständliche Weise begründet werden(„z. B. „Komm, wir gehen mal hier rüber, dann haben die Sanitäter noch mehr Platz,um dem Verletzten zu helfen!“), damit es nicht als Bestrafung bzw. Ausgrenzungmissverstanden und unangenehm empfunden wird und• je weniger e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d selbst wahrnehmen kann, umso mehr müssen die gewünschtenInformationen vermittelt, das heißt <strong>bei</strong>spielsweise Fragen beantwortet werden.Mit der Abschirmung <strong>unverletzt</strong>-betroffener K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfallsituationen ist die <strong>Psychische</strong><strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>in</strong>sofern ke<strong>in</strong>esfalls beendet, sondern sie fängt – ganz im Gegenteil – u.U. erst damit an! Auch dies ist ke<strong>in</strong>e banale Feststellung, wie an zwei Beispielen deutlichwird, von denen dem Verfasser der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t jedoch erst berichtet wurde,nachdem die bereits dargestellte explorative Untersuchung bereits abgeschlossenwar: So leisteten zwei Polizisten zwei <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em Verkehrsunfallausschließlich dadurch „<strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong>“, daß sie die K<strong>in</strong>der unmittelbarnach dem E<strong>in</strong>treffen der Polizei am Notfallort (<strong>in</strong> sicherlich guter Absicht!) aufforderten,sich <strong>in</strong> den Streifenwagen zu setzen. Das etwas abseits vom Notfallgeschehengeparkte Fahrzeug wurde dann abgeschlossen. Die K<strong>in</strong>der waren somit abgeschirmt -zugleich aber auch alle<strong>in</strong> und ohne Informationen über das Notfallgeschehen, zumal diePolizisten dann zunächst mit Absicherungsmaßnahmen und der Unfallaufnahme beschäftigtwaren.Bei e<strong>in</strong>em weiteren Notfall, der sich <strong>in</strong> der Unterrichtspause auf e<strong>in</strong>em Schulhof ereignethatte und <strong>bei</strong> dem e<strong>in</strong> Schüler offenbar schwer verletzt worden ist, wurden die umherstehendenund zuschauenden K<strong>in</strong>der umgehend <strong>in</strong> ihre Klassenräume geschickt.Weitere Informationen über das Notfallgeschehen erhielten sie dort jedoch nicht, sondernerst, als sie die Klassenräume nach der folgenden Unterrichtsstunde (!) wiederverlassen durften.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 114Für das konkrete Handeln am Notfallort sche<strong>in</strong>t, was die Erörterung von Schaden undNutzen des Abschirmens angeht, daher folgende Vorgehensweise angebracht:Ob man e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zuschauen lässt oder abschirmt, richtet sich grundsätzlich nach demeigenen Verhalten bzw. der eigenen Reaktion des K<strong>in</strong>des. Lässt man e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zuschauen,soll die Wahrnehmung auf die <strong>Hilfe</strong>leistung gelenkt werden. Schirmt man e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>dab, muss dies begründet werden, und es gilt, umso mehr Informationen darüber zu vermitteln,daß und vor allem wie dem Notfallpatienten geholfen wird. Unabhängig vondiesen psychologischen Überlegungen kann das Zuschauen im Übrigen verständlicherweisenur dann gut geheißen werden, wenn der Notfallpatient dadurch nicht belastet, dieAr<strong>bei</strong>t der Rettungskräfte nicht beh<strong>in</strong>dert und ke<strong>in</strong>e Eigengefährdung verursacht wird(vgl. LASOGGA/GASCH 2000, S. 80-81).5. Wenn vor allem ältere K<strong>in</strong>der die notfallpsychologische Betreuung geme<strong>in</strong>sam mit Erwachsenenals unangenehm beschreiben (entsprechende Angaben wurden von 21,9 %der Befragten gemacht) und sie stattdessen bevorzugt mit Gleichaltrigen zusammense<strong>in</strong> möchten 86 , sollte dieser Wunsch erfüllt werden: Sofern sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfall z. B.spontan e<strong>in</strong>e Gruppe von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zusammengefunden hat, sollte diese Gruppe nichtvone<strong>in</strong>ander getrennt werden. Demgegenüber sollte <strong>bei</strong> jüngeren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> berücksichtigtwerden, daß sie häufiger Nähe zu erwachsenen Bezugspersonen suchen 87 . Für sie ist es<strong>bei</strong>spielsweise von besonderer Bedeutung, daß sie rasch zu ihren Eltern bzw. die Elternzu ihnen kommen, was wiederum – durchaus im Rahmen der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong>– zunächst organisiert werden muss.6. Wenn ungewöhnliche bzw. unangemessene Verhaltensweisen, <strong>in</strong>sbesondere unangemesseneverbale Äußerungen von immerh<strong>in</strong> 11,4 % der Befragten als belastend empfundenwerden, müssen sich Maßnahmen der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> auch hierauf beziehen.Da solche Verhaltensweisen bzw. solche Äußerungen von Dritten (z. B. Passantenoder Zuschauern) an e<strong>in</strong>em Notfallort jedoch niemals ausgeschlossen oder vonvornhere<strong>in</strong> verh<strong>in</strong>dert werden können, sollte <strong>in</strong>sofern <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> geleistetwerden, daß man z. B. das Verständnis von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> für solche Verhaltensweisen bzw.Äußerungen fördert und sie - sofern es zutrifft - als Schockreaktionen, d. h. ungewöhnliche,aber letztlich doch normale Reaktionen auf e<strong>in</strong> unnormales Ereignis (vgl. MÜL-LER-LANGE 2001, S. 81) nachvollziehbar macht und somit e<strong>in</strong>e angemessene Bewer-86 Siehe S. 99.87 Siehe S. 99.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 115tung ermöglicht (z. B. „Der Mann hat sich so sehr erschreckt, daß er gar nicht überlegthat, was er sagt!“).7. Ähnliches gilt für das Empf<strong>in</strong>den von Wut, das von 44,8 % der Befragten angegebenwurde und u. U. auch mit aggressiven Verhaltensweisen verbunden se<strong>in</strong> kann. Diessollte ebenfalls als e<strong>in</strong>e verständliche Reaktion auf das Miterleben e<strong>in</strong>er Notfallsituationerklärt und akzeptiert werden, ohne Sanktionen zu ergreifen, die ansonsten nämlich nure<strong>in</strong>e zusätzliche Belastung s<strong>in</strong>d und im Endeffekt vollkommen unnötiges Konfliktpotential<strong>bei</strong>nhalten (Reales Negativ<strong>bei</strong>spiel: „Was fällt Dir e<strong>in</strong>, gerade jetzt hier herumzurandalieren?Das werde ich <strong>in</strong>s Klassenbuch e<strong>in</strong>tragen!“).8. Wenn der Anblick von Notfallspuren wie z. B. blutverschmierten Handschuhen, beschädigtenUnfallfahrzeugen, Verpackungsmaterial von Medikamenten und ähnlichem<strong>bei</strong> 33,3 % der Befragten mit besonderen Belastungen verbunden ist bzw. offenbar dieEntwicklung furchterregender Phantasien fördert, sollten solche Notfallspuren (ggf. <strong>in</strong>Absprache mit der Polizei!) nach Möglichkeit rasch beseitigt werden.9. Wenn K<strong>in</strong>der sich offenbar auch nach längerer Zeit noch immer <strong>in</strong>tensiv mit e<strong>in</strong>er Notfallsituationbeschäftigen 86 (ohne, daß deshalb sofort von der Entwicklung e<strong>in</strong>er PosttraumatischenBelastungsstörung ausgegangen werden muss; siehe unten!), sollten Bezugspersonenm<strong>in</strong>destens ebenso lange e<strong>in</strong>e entsprechende Aufmerksamkeit und Gesprächsbereitschaftzeigen. Besonders wichtig sche<strong>in</strong>t dies <strong>in</strong> Situationen, <strong>in</strong> denen(auch <strong>in</strong> räumlich größerer Distanz) weitere Notfälle ereignen, die Ähnlichkeiten mite<strong>in</strong>em selbst miterlebten Notfallgeschehen – und damit „Verknüpfungspotential“ aufweisen,was <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> erneut zu e<strong>in</strong>er starken Betroffenheit führen und Maßnahmender <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> notwendig machen kann 87 .10. Wenn zweifellos nicht jeder Notfall <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zu e<strong>in</strong>empsychischen Trauma führt, sollte die PEH <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> schließlich<strong>in</strong> dem zum<strong>in</strong>dest für Notfallhelfer und Eltern außerordentlich entlastenden Bewusstse<strong>in</strong>erfolgen, daß ke<strong>in</strong>eswegs jedes K<strong>in</strong>d hoch belastet ist und daß e<strong>in</strong>e übermäßigeSorge im H<strong>in</strong>blick auf die Entstehung von posttraumatischen Belastungsstörungensicherlich unangebracht ist.E<strong>in</strong>e Zusammenfassung der bisherigen Ausführungen <strong>bei</strong>nhaltet an dieser Stelle das neueRegelwerk FRITZCHEN, das analog zu den bereits vorgestellten Regelwerken KASPER-86 Siehe S. 88.87 Siehe S. 97-98.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 116LE, PUMUCKEL und WINNETOU entwickelt wurde 88 . Erneut stehen die e<strong>in</strong>zelnenBuchstaben des Ankerbegriffs „F–R–I–T-Z-C-H-E-N“ für die jeweiligen (sogar durchauschronologisch angeordneten) H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> (Tab. 15).FRITZCHEN: Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>RegelKurze ErläuterungF • Für Nähe selbst gewählter(!) Bezugspersonensorgen!R • Reizaufnahme / Wahrnehmungauf die <strong>Hilfe</strong>leistunglenken , ggf.Abschirmen!I • Informationsbedürfnisbefriedigen und dasVerständnis fördern!T • Thematisieren, daß undvor allem: wie geholfenwird!Z • Zulassen und Erklärenungewöhnlicher Verhaltensweisen!• Jüngere K<strong>in</strong>der suchen v. a. Nähe zu erwachsenen Bezugspersonen,während ältere K<strong>in</strong>der bevorzugt mit Gleichaltrigen zusammens<strong>in</strong>d.• Ob man abschirmt oder zuschauen lässt, hängt vom Verhaltenund der Reaktion bzw. der Bedürfnislage e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des ab. Außerdemmuß man die psychische Situation des Notfallpatientenberücksichtigen, e<strong>in</strong>e Eigengefährdung ist nicht zu verantwortenund die Rettungsar<strong>bei</strong>ten dürfen nicht beh<strong>in</strong>dert werden.• K<strong>in</strong>der haben e<strong>in</strong> besonders großes Informationsbedürfnis,Unwissenheit und Ungewissheit werden als Belastung empfunden.• Im Gegensatz zu den 4-S-Merksätzen für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong><strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> Erwachsenen (vgl. LASOGGA/GASCH 2000, S. 127-128) muss man nicht nur auf die Tatsache h<strong>in</strong>weisen, daß geholfenwird, sondern auch erklären, wie dies geschieht, weil K<strong>in</strong>dere<strong>in</strong>e <strong>Hilfe</strong>leistung u. U. überhaupt nicht als solche erkennen.(Beispiel: „Der Rettungswagen fährt nicht sofort <strong>in</strong>s Krankenhaus,weil der Verletzte erst e<strong>in</strong>mal schon im Auto behandeltwird!)• Ungewöhnliche Verhaltensweisen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e normale Reaktionauf das Miterleben e<strong>in</strong>es Notfallgeschehens.• Weil v. a. ungewöhnliche Verhaltensweisen von Dritten ane<strong>in</strong>em Notfallort für K<strong>in</strong>der mit Belastungen verbunden s<strong>in</strong>d,sollten sie – etwa als Schockreaktion - verständlich gemachtwerden, um zusätzlich belastenden Fehl<strong>in</strong>terpretationen entgegenzuwirken!C • Chancen nutzen! • K<strong>in</strong>der können und wollen am Notfallort evtl. selbst aktiv werden.Auch dies ist e<strong>in</strong>e Chance, die genutzt werden kann, <strong>in</strong>dem<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> – z. B. durch das Tragen e<strong>in</strong>es Notfallkoffers oder dasAufhalten e<strong>in</strong>er Türe - hilfreiche Aktivität ermöglicht wird.H • Professionelle <strong>Hilfe</strong>verständigen bzw. sicherstellenund sichtbarleisten!E • Entfernen belastenderNotfallspuren!N • Nachsorge ohne Panik,aber mit langfristigerGesprächsbereitschaftund besonderer Aufmerksamkeit<strong>bei</strong> Notfällenmit „Verknüpfungspotential“!• Auf diese Weise wird berücksichtigt, daß K<strong>in</strong>der sehr starkmitempf<strong>in</strong>den bzw. mitleiden und sie sich e<strong>in</strong>e möglichst rasche<strong>Hilfe</strong>leistung wünschen.• Der Anblick der <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>bei</strong>nhaltet e<strong>in</strong> für die Bewältigungdes Geschehens u. U. hilfreiches Potential.• Der Anblick von blutverschmierten Handschuhen, Verpakkungsmaterialvon Medikamenten und beschädigten Fahrzeugenkann als Belastung empfunden werden.• Sicherlich nicht jedes K<strong>in</strong>d, das e<strong>in</strong>e Notfallsituation miterlebt,ist traumatisiert. Dennoch beschäftigen sich K<strong>in</strong>der mit demErlebten lange und <strong>in</strong>tensiv.• Notfälle, die Ähnlichkeiten mit e<strong>in</strong>er (auch vor längerer Zeit)selbst erlebten Notfallsituation aufweisen, können als erneuteBelastung empfunden werden.Tab. 15: FRITZCHEN: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>88 Siehe S. 45 u. 50-52.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1175. Umsetzung der neuen H<strong>in</strong>weise für diePEH <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>Nachdem <strong>in</strong> den vorangegangenen Abschnitten vor allem dargestellt wurde, was getanwerden soll, wird <strong>in</strong> den folgenden Ausführungen thematisiert, wie und von wem <strong>Psychische</strong><strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen geleistet bzw. auch vorbereitetund organisiert werden kann. Da<strong>bei</strong> wird die Umsetzung der H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong>spielhaft <strong>in</strong> zwei völlig unterschiedlichen Bereichen dargestellt.5.1. Umsetzung der neuen Regeln zur PEH <strong>in</strong> der SchuleE<strong>in</strong>e Statistik, die alle Notfallsituationen <strong>in</strong> deutschen Schulen erfasst, gibt es offenbarnicht. Nach Angaben der Geme<strong>in</strong>deunfallversicherung ereignen sich <strong>in</strong> deutschen Schulenallerd<strong>in</strong>gs jährlich alle<strong>in</strong> rund e<strong>in</strong>e Million Unfälle, <strong>bei</strong> denen die ärztliche Behandlungm<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>es Betroffenen notwendig wird (vgl. DRK-LANDESVERBAND WEST-FALEN-LIPPE/DRK-LANDESVERBAND NORDRHEIN o. J., S. 3). Im Zusammenhangmit der allgeme<strong>in</strong> bekannten Berichterstattung <strong>in</strong> den Medien über Amokläufe, andereGewalttaten und Brände <strong>in</strong> Schulgebäuden ist die Notwendigkeit, sich <strong>in</strong>sbesondere mitMöglichkeiten der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>in</strong> Schulen zu beschäftigen, somit zweifellosvorhanden.Diese Notwendigkeit wird noch dadurch verstärkt, daß konkrete Notfallplanungen bzw.Maßnahmenkataloge für e<strong>in</strong>e notfallpsychologische <strong>Hilfe</strong>leistung offenbar überwiegendnicht vorhanden s<strong>in</strong>d: Im Gegensatz zur re<strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>ischen <strong>Hilfe</strong>leistung durch ausgebildeteErsthelfer bzw. Schulsanitäter, Sicherheitsbeauftragte und den Rettungsdienst ist dieFrage danach, wie notfallpsychologische <strong>Hilfe</strong> geleistet werden soll, meist nicht geregelt.Die jeweils verantwortlichen Schulleitungen bzw. Schulämter, aber auch die E<strong>in</strong>satzleitungender Polizei und der Feuerwehren s<strong>in</strong>d daher weitgehend auf sich alle<strong>in</strong> gestellt und aufspontanes Improvisationsvermögen angewiesen (vgl. KARUTZ/DUVEN 2002, S. 1).Auch <strong>in</strong> der Literatur f<strong>in</strong>den sich zur Notfallnachsorge speziell <strong>in</strong> Schulen nur sehr wenigeH<strong>in</strong>weise: Von der bayrischen Schulberatung gibt es e<strong>in</strong>en Beitrag „zur Psychologie desKrisenmanagements“ (vgl. PENTZ 2001), e<strong>in</strong>en Fallbericht schildert Polizeipfarrer Wer-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 118neburg (vgl. WERNEBURG 2001), und die weiteren Veröffentlichungen stammen im Wesentlichenaus dem (benachbarten) Ausland (vgl. z. B. SCHOOTS-WILKE/SPEE/FID-DELAERS-JASPERS 1999; ICSF 2001 u. MICHEL/VORSTER/PROBST o. J.), so daßzunächst der grundsätzlichen Vorbereitung auf Notfallsituationen e<strong>in</strong>e besondere Bedeutungzukommt.Bei Pentz heißt es <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne: „Krisen können nur bed<strong>in</strong>gt vorhergesehen werden unds<strong>in</strong>d daher nur begrenzt vorbeugbar. Aber: Durch Reflexion und klärende Absprachen imVorfeld lassen sich Krisenverläufe und deren Bewältigung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Schadensbegrenzungpositiv bee<strong>in</strong>flussen“ (PENTZ 2001, S. 2). An anderer Stelle wird ergänzt: „Damitan Schulen <strong>bei</strong> Krisenereignissen professionell-pädagogisch gehandelt werden kann, istes erforderlich, bereits weit im Vorfeld entsprechende Planungen zu treffen, um im Ernstfallnur noch Checklisten abfragen zu müssen, wie man zu handeln hat“ (PENTZ 2001, S.8).Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund sche<strong>in</strong>t v. a. die Gründung e<strong>in</strong>es „Notfallteams“ empfehlenswert,das – fachlich entsprechend ausgebildet – schon im Vorfeld denkbarer Notfälle eigeneÜberlegungen zu Möglichkeiten der psychologischen <strong>Hilfe</strong>leistung anstellen sollte und fürdie Koord<strong>in</strong>ation besonderer Maßnahmen <strong>bei</strong> Notfallsituationen <strong>in</strong> der Schule zuständigse<strong>in</strong> könnte.Durch dieses Notfallteam sollte <strong>bei</strong>spielsweise e<strong>in</strong>e Liste mit psychologischen Notfallhelfernund Notfallpsychologen geführt werden, die <strong>in</strong> Notfallsituationen für die Schule alskompetente Ansprechpartner bzw. Fachberater zur Verfügung stehen. Ebenso sollten verschiedeneMusterbriefe verfasst werden, die <strong>in</strong> konkreten Notfallsituationen – <strong>bei</strong> Bedarfmodifiziert – zur Information der Schulgeme<strong>in</strong>de dienen könnten. E<strong>in</strong>ige weitere Aufgabendes Notfallteams gehen schließlich aus Tab. 16 hervor (vgl. KARUTZ/DUVEN 2002, S. 3-4).Als potentielle Mitglieder des schulischen Notfallteams s<strong>in</strong>d v. a. die Schulleitung, Klassenlehrerder <strong>betroffenen</strong> Klassen, Vertrauenslehrer der Schüler bzw. Verb<strong>in</strong>dungslehrerzur Schülervertretung, Schüler- bzw. Jahrgangsstufensprecher, Klassenpflegschaftsvorsitzendesowie der Sicherheitsbeauftragte der Schule, aber auch Schulpsychologen, Sozialar<strong>bei</strong>ter,Vertreter des örtlichen Schulamtes sowie externe Fachleute (z. B. psychologischeNotfallhelfer, Notfallpsychologen sowie Mitar<strong>bei</strong>ter von K<strong>in</strong>der- und JugendpsychiatrischenBeratungsstellen) zu nennen. Denkbar wäre es auch, das Notfallteam durch (Lehrer-)Kollegen anderer Schule zu ergänzen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 119Aufgaben e<strong>in</strong>es Notfallteams <strong>in</strong> Schulen• <strong>Erste</strong>llen möglicher Notfallszenarien und konkreter Notfallpläne• Führen e<strong>in</strong>er Liste mit Kontaktadressen von psychologischen Notfallhelfern und Hilfsdiensten (z. B.örtliche Notfallseelsorge, regionales Krisen<strong>in</strong>terventionsteam etc.)• Verfassen verschiedener Musterbriefe zur Information der Schulgeme<strong>in</strong>de• Koord<strong>in</strong>ation besonderer Maßnahmen <strong>bei</strong> Notfällen <strong>in</strong> der Schule• Begleitung des schulischen Lebens im Übergang von der Notfallsituation zum gewohnten Schulalltag• Organisation von notfallbezogenen Sonderveranstaltungen wie z. B. e<strong>in</strong>em Gottesdienst, e<strong>in</strong>er Trauerfeier,e<strong>in</strong>er Pressekonferenz oder e<strong>in</strong>em Elternabend• Beratung von Lehrern im H<strong>in</strong>blick auf die Durchführung von Maßnahmen zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong>• Außerdem sollte das Krisenteam der Schule als Ansprechpartner für die E<strong>in</strong>satzleitung der Polizei, derFeuerwehren und des Rettungsdienstes zur Verfügung stehenTab. 16: Aufgaben e<strong>in</strong>es Notfallteams <strong>in</strong> SchulenPsychoeducative Maßnahmen für die gesamte Schulgeme<strong>in</strong>de wären neben der Gründunge<strong>in</strong>es Notfallteams e<strong>in</strong> weiterer Beitrag zur Vorbereitung auf Notfallsituationen: Hier kannzweifellos davon ausgegangen werden, daß Notfallsituationen besser verar<strong>bei</strong>tet werdenkönnen, wenn ihre psychischen Auswirkungen und die möglichen Reaktionsweisen vonBetroffenen bereits im Vorfeld (und durchaus auch explizit als Unterrichtsbestandteil)thematisiert worden s<strong>in</strong>d. Generell ist vor diesem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong> offener und transparenterUmgang mit der Vorbereitung auf denkbare Notfallsituationen empfehlenswert; und diebeschriebene Ar<strong>bei</strong>t des Krisenteams sollte bewusst auch nicht im Verborgenen und „tabuisiert“stattf<strong>in</strong>den, sondern als selbstverständlicher Bestandteil des schulischen Lebens.An amerikanischen Schulen werden <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne – <strong>in</strong> Zusammenar<strong>bei</strong>t mit der Polizei– sogar realitätsnah ablaufende Übungen zu möglichen Notfallszenarien durchgespielt, <strong>bei</strong>denen s<strong>in</strong>nvolle Verhaltensweisen aller Beteiligten, z. B. <strong>bei</strong> Geiselnahmen, e<strong>in</strong>em Amoklaufoder schweren Unfällen tra<strong>in</strong>iert werden (vgl. KARUTZ/DUVEN 2002, S. 4 u. MAAß2002, S. 92).Bei e<strong>in</strong>er zunächst sicherlich verständlichen Ablehnung solch zweifellos außergewöhnlicherMaßnahmen sollte nicht <strong>in</strong> Vergessenheit geraten, daß auch die Evakuierungsübungenfür den Brandfall aus guten Gründen zum schulischen Alltag gehören und deren Notwendigkeitvon kaum jemandem ernsthaft angezweifelt wird. Im Übrigen kann nicht bestrittenwerden, daß besondere Situationen besondere Maßnahmen erforderlich machen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1205.1.1. FRITZCHEN <strong>in</strong> der SchuleNachdem e<strong>in</strong>e grundsätzliche Vorbereitung auf Notfallsituationen <strong>in</strong> der Schule <strong>in</strong> der beschriebenenWeise erfolgt ist, können nun e<strong>in</strong>ige weitere H<strong>in</strong>weise zur konkreten Umsetzungdes „FRITZCHEN“-Konzepts vorgestellt werden:• Für Nähe selbst gewählter Bezugspersonen sorgen: Gruppen von älteren Schülern,die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen spontan zusammenf<strong>in</strong>den, sollten nicht getrenntwerden; ggf. sollte die gesamte Gruppe als solche betreut werden – und zwar auch dann,wenn sie sich <strong>bei</strong>spielsweise aus Schülern unterschiedlicher Klassen oder Jahrgangsstufenzusammensetzt. Dies zu erwähnen ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil manbislang – etwa <strong>bei</strong> Evakuierungsübungen für den Brandfall – Schüler stets im Klassenbzw.Kursverband an den vorgesehenen Sammelpunkten zusammenführt. Wenn e<strong>in</strong>Schüler jedoch besonders gute Freunde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Parallelklasse oder e<strong>in</strong>er anderen Jahrgangsstufehat, mit denen er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation zusammen se<strong>in</strong> möchte, sollte diesauch ermöglicht werden.Im H<strong>in</strong>blick auf die jüngeren Schüler sollte – anhand von Telefonlisten aller Klassen,die für solche Fälle im Schulsekretariat bereit liegen müssen - organisiert werden, daßdie Eltern oder andere, eventuell schneller erreichbare bzw. verfügbare erwachsene Bezugspersonen(Großeltern, ältere Geschwister, andere Angehörige, die v. a. vormittagsevtl. leichter abkömmlich s<strong>in</strong>d) zu e<strong>in</strong>em vorher festgelegten (!) Treffpunkt <strong>in</strong> oder zum<strong>in</strong>dest<strong>in</strong> der Nähe der Schule kommen, um die K<strong>in</strong>der dort <strong>in</strong> Empfang zu nehmen.Bis dah<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d zweifellos zunächst die Lehrer Ansprechpartner und Bezugsperson derK<strong>in</strong>der.• Reizaufnahme / Wahrnehmung auf die <strong>Hilfe</strong>leistung lenken oder Abschirmen: Wie<strong>bei</strong> der Begründung dieser Regel im vorangegangenen Abschnitt der Ar<strong>bei</strong>t bereits erläutert,muss die Entscheidung, ob man K<strong>in</strong>der abschirmt oder zuschauen lässt, zunächstvon mehreren Faktoren abhängig gemacht werden: Möchten die K<strong>in</strong>der zuschauen?Zeigen sie Interesse am Notfallgeschehen oder wenden sie sich schon von alle<strong>in</strong>e abbzw. laufen sie z. B. vom unmittelbaren Notfallort weg? Bei e<strong>in</strong>er größeren Schülermenge,die sich an e<strong>in</strong>em Notfallort versammelt hat, müssen dementsprechend vieleLehrer zur Verfügung stehen, die e<strong>in</strong>heitlich die Aufgabe haben, entweder abzuschirmenoder das Zuschauen mit hilfreichen H<strong>in</strong>weisen auf die <strong>Hilfe</strong>leistung zu begleiten:Es darf folglich nicht se<strong>in</strong>, daß e<strong>in</strong> Lehrer grundsätzlich alle Schüler abschirmt, wäh-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 121rend e<strong>in</strong> anderer Lehrer grundsätzlich alle Schüler zuschauen lässt. Vielmehr muss <strong>in</strong>soferne<strong>in</strong>heitlich gehandelt werden, daß stets nach der Bedürfnislage des e<strong>in</strong>zelnenSchülers entschieden wird, ob er zuschaut oder besser abgeschirmt wird. Das setzt wiederume<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Schulung des gesamten Lehrerkollegiums voraus; und es mussdurch organisatorische Maßnahmen im Vorfeld sichergestellt werden, daß sich überhaupte<strong>in</strong>e ausreichende Anzahl von Lehrern an den Notfallort begibt. Möglich wäre es<strong>bei</strong>spielsweise, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er dienstlichen Anweisung zu regeln, daß – etwa auf e<strong>in</strong>e bestimmteDurchsage h<strong>in</strong> – alle Lehrer <strong>in</strong> Verfügungs- oder Sprechstunden entsprechende<strong>in</strong>gesetzt werden können.Wichtig: Sowohl den zuschauenden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als auch den etwa <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klassenraumabgeschirmten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> müssen <strong>in</strong> jedem Fall Informationen vermittelt werden, wie esder nächste Schritt des „FRITZCHEN“-Konzeptes <strong>bei</strong>nhaltet:• Informationsbedürfnis befriedigen und das Verständnis des Erlebten fördern: DieSchüler müssen offen und ehrlich darüber <strong>in</strong>formiert werden, was passiert ist, was getanwurde bzw. getan wird und was evtl. noch geschehen wird, sofern dies sicher abzusehenist („Es ist auch e<strong>in</strong> Rettungshubschrauber unterwegs, der gleich auf dem Sportplatzlanden wird.“). Dies ist <strong>in</strong> besonderem Maße <strong>bei</strong> Notfällen <strong>in</strong> der Schule wichtig, weilsich erfahrungsgemäß gerade hier sehr rasch Gerüchte und „Halbwahrheiten“ verbreiten,die u. U. weitaus belastendere Informationen <strong>bei</strong>nhalten als „offizielle“ und sachlichzutreffende Meldungen der Schulleitung. Wiederum kommt auch im H<strong>in</strong>blick aufdie Informationsvermittlung v. a. den vorbereitenden Maßnahmen e<strong>in</strong>e besondere Bedeutungzu: Es muss im Vorfeld geklärt worden se<strong>in</strong>, wer autorisiert ist, Informationenan wen weiterzugeben und wie der Informationsfluss durch die Schulgeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> Notfällen<strong>in</strong>sgesamt gesteuert wird. Denkbar wäre die Nutzung e<strong>in</strong>er schul<strong>in</strong>ternen Rundspruchanlage,alternativ käme aber auch der E<strong>in</strong>satz von „Meldern“ <strong>in</strong> Frage, die <strong>bei</strong>spielsweisevom Sekretariat aus zu e<strong>in</strong>zelnen Klassen bzw. Sammelpunkten gehenkönnten, um bestimmte Nachrichten mitzuteilen. Diese „Melder“ – wie sie zur Nachrichtenübermittlungbereits seit Jahrzehnten <strong>bei</strong> Großschadenslagen und an unübersichtlichenE<strong>in</strong>satzstellen im Katastrophenschutz üblich s<strong>in</strong>d – könnten weitere verfügbareLehrer, Mitar<strong>bei</strong>ter e<strong>in</strong>er örtlichen Hilfsorganisation, möglicherweise aber auchgeeignete ältere Schüler mit e<strong>in</strong>er vorherigen Schulung für diese Aufgabe se<strong>in</strong>.Im Übrigen sollte der gesamten Schulgeme<strong>in</strong>de – ebenfalls durch vorbereitende Maßnahmenwie z. B. e<strong>in</strong>en Aushang oder e<strong>in</strong>e entsprechende Aufklärung – schon im Vor-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 122feld e<strong>in</strong>es Notfalls bekannt se<strong>in</strong>, wann, von wem und wie sie <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>er Notfall<strong>in</strong>formation<strong>in</strong>formiert werden würde („In e<strong>in</strong>er Notfallsituation gibt die Schulleitung offizielleInformationen über die Rundspruchanlage bekannt. Wenn das nicht möglich se<strong>in</strong> sollte,werden mit e<strong>in</strong>er farbigen Weste, e<strong>in</strong>er Armb<strong>in</strong>de o. ä. gekennzeichnete Personen offizielleNachrichten an alle Klassen bzw. alle Sammelpunkte überbr<strong>in</strong>gen. Weitere Informationenwerden <strong>in</strong> jeder Unterrichtspause am schwarzen Brett ausgehängt und sorasch wie möglich aktualisiert.“).• Thematisieren, daß und vor allem: wie geholfen wird: Der <strong>in</strong> der Vorstellung des„FRITZCHEN“-Konzeptes enthaltenen Erläuterung 89 ist pr<strong>in</strong>zipiell nichts h<strong>in</strong>zuzufügen:Im Gegensatz zu den 4-S-Merksäzen für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> Erwachsenen(vgl. LASOGGA/GASCH 2000, S. 127-128) muss man nicht nur auf die Tatsacheh<strong>in</strong>weisen, daß geholfen wird, sondern auch erklären, wie dies geschieht, weil K<strong>in</strong>dere<strong>in</strong>e <strong>Hilfe</strong>leistung u. U. überhaupt nicht als solche erkennen. Dem Unverständnis undder Verärgerung darüber, daß e<strong>in</strong> Rettungswagen mit e<strong>in</strong>em verletzten Schüler an Bordmöglicherweise nicht sofort abfährt, sondern zunächst noch am Notfallort verbleibt,kann man <strong>bei</strong>spielsweise mit der Erklärung entgegenwirken, daß e<strong>in</strong> Notfallpatientschon im Rettungswagen durchaus sehr gut behandelt werden kann, weil z. B. alle Verbandmaterialienund Medikamente zur Verfügung stehen.• Zulassen und Erklären ungewöhnlicher Verhaltensweisen: Gerade <strong>in</strong> Schulen istdies deshalb wichtig, weil viele der Verhaltensweisen und Äußerungen an e<strong>in</strong>em Notfallort,die von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> der vorliegenden Studie als unangemessen und belastend beschriebenworden s<strong>in</strong>d 90 , wiederum von anderen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> stammten. Insbesondere <strong>bei</strong>Notfällen <strong>in</strong> Schulen muss demnach damit gerechnet werden, daß sehr ungewöhnlicheVerhaltensweisen auftreten, die – wenn sie nicht erklärt und (<strong>bei</strong>spielsweise als Schockreaktionen)verständlich gemacht werden – zum<strong>in</strong>dest für erhebliche Irritationen sorgenkönnen.• Chancen nutzen: Bei Notfällen <strong>in</strong> Schulen s<strong>in</strong>d schon auf den ersten Blick zahlreicheMöglichkeiten erkennbar, K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> die <strong>Hilfe</strong>leistung e<strong>in</strong>zubeziehen und das Notfallgeschehendurchaus auch als wichtige Lernerfahrung pädagogisch zu nutzen. Unmittelbar<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation können Schüler kle<strong>in</strong>ere Aufgaben übernehmen wie z. B. dieE<strong>in</strong>weisung des Rettungsdienstes auf dem Parkplatz der Schule, das Führen der Ret-89 Siehe S. 116.90 Siehe S. 82-83 u. 89.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 123tungsdienstmitar<strong>bei</strong>ter zum eigentlichen Notfallort im Schulgelände (<strong>in</strong> dem sich Außenstehendeoftmals überhaupt nicht ohne <strong>Hilfe</strong> orientieren können!), das Aufhaltenvon (Aufzug-) Türen, die Mithilfe <strong>bei</strong>m Transport von größeren Ausrüstungsgegenständenwie z. B. e<strong>in</strong>er Vakuummatraze oder e<strong>in</strong>er Schiene zum Ruhigstellen e<strong>in</strong>er Frakturaus dem Rettungswagen zum Notfallort etc.Unmittelbar im Anschluß an das Notfallgeschehen kann sich aber – gerade <strong>in</strong> Schulen -auch die Chance ergeben, das Erlebte (unabhängig bzw. als Ergänzung e<strong>in</strong>er weiterenpsychologischen Notfallnachsorge) zusätzlich pädagogisch nachzubereiten, <strong>in</strong>dem <strong>bei</strong>spielsweisee<strong>in</strong> <strong>Erste</strong>-<strong>Hilfe</strong>-Lehrgang oder e<strong>in</strong> Streitschlichtungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g durchgeführt,Gewalt an Schulen grundsätzlich thematisiert oder sogar e<strong>in</strong> Schulsanitätsdienst gegründetwird.• Professionelle <strong>Hilfe</strong> verständigen bzw. sicherstellen und sichtbar leisten: Hier istzunächst erneut auf vorbereitende Maßnahmen h<strong>in</strong>zuweisen, ohne die e<strong>in</strong>e professionelle<strong>Hilfe</strong>leistung schon von vornhere<strong>in</strong> ausgeschlossen sche<strong>in</strong>t: Niemand kann umfangreiche<strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong>-Maßnahmen durchführen, der ke<strong>in</strong>e entsprechende Ausbildungabsolviert und sich regelmäßig fortgebildet hat.Die E<strong>in</strong>richtung von Schulsanitätsdiensten, die vor allem vom Deutschen Jugendrotkreuzgefördert wird, kann <strong>in</strong> diesem Zusammenhang außerordentlich s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, umdie Forderung nach e<strong>in</strong>er professionellen und raschen <strong>Hilfe</strong>leistung sogar schon vordem E<strong>in</strong>treffen des Rettungsdienstes sicherzustellen: Schüler werden da<strong>bei</strong> zu Sanitätshelfernoder Sanitätern ausgebildet und erhalten e<strong>in</strong>e spezielle notfallmediz<strong>in</strong>ische Ausstattung,um <strong>bei</strong> Notfällen <strong>in</strong> der Schule <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> zu leisten (vgl. DRK LANDES-VERBAND WESTFALEN-LIPPE/DRK-LANDESVERBAND NORDHREIN o. J.;EISENBEISER/GLASOW/IMMENROTH 1999 u. GLATZ 2003).• Entfernen belastender Notfallspuren: Vor dem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>iger Befragungsergebnisse,die sich gerade auf das Verhalten von Lehrern bezogen, sche<strong>in</strong>t hier lediglichder ergänzende H<strong>in</strong>weis darauf angebracht, daß (nur) die belastenden Notfallspuren entferntwerden sollen: Es geht überhaupt nicht darum, jede Er<strong>in</strong>nerung an das Notfallgeschehenzu verh<strong>in</strong>dern, sondern die Belastungen zu reduzieren, die mit dem Anblick bestimmterNotfallspuren (wie z. B. den bereits mehrfach genannten blutverschmiertenHandschuhen) verbunden s<strong>in</strong>d: So ist es zweifellos nicht s<strong>in</strong>nvoll, die Anordnung von


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 124Tischen und Stühlen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Klassenraum vollständig zu verändern, damit der Sitzplatze<strong>in</strong>es verstorbenen Schülers dieser Klasse nicht mehr sichtbar ist. 91• Dem H<strong>in</strong>weis auf die Nachsorge „ohne Panik“, aber mit langfristiger Gesprächsbereitschaftund besonderer Aufmerksamkeit <strong>bei</strong> Notfällen mit Verknüpfungspotentialbraucht an dieser Stelle kaum etwas h<strong>in</strong>zugefügt werden. Die weitere Notfallnachsorgesollte sich – vor allem wenn jemand <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation verstorben ist - aufdie Organisation des geme<strong>in</strong>samen Er<strong>in</strong>nerns (z. B. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gottesdienst), das damitverbundene Sprechen und Zuhören sowie die <strong>in</strong> Abschnitt 7 der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t beschriebeneDurchführung von CISM-Debrief<strong>in</strong>gs bzw. CISM-K<strong>in</strong>dertreffen beziehen.Darüber h<strong>in</strong>aus gehört zur weiteren Notfallnachsorge zweifellos auch die aufmerksameWahrnehmung eventueller Verhaltensänderungen <strong>bei</strong> Schülern, die auf die Entwicklungpsychischer Spätfolgen h<strong>in</strong>weisen können und ggf. die Vermittlung an geeignete Fachleute(i. d. R. Notfallpsychologen) zur Folge haben sollten.Sofern lediglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kurzem Zeitraum nach e<strong>in</strong>em Notfall, d. h. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Zeitraumvon wenigen Tagen oder Wochen, ungewöhnliche Verhaltensweisen zeigen, sollten diesejedoch als normale Reaktion auf das Erlebte <strong>in</strong>terpretiert, verständlich gemacht undv. a. ohne Sanktionen akzeptiert werden. Denkbar wäre etwa, daß Konzentrationsstörungenauftreten, die <strong>bei</strong> Schülern dann nicht als mangelndes Interesse am Unterrichtgewertet werden dürften. An dieser Stelle kann jedoch auf die ausführliche Darstellung<strong>in</strong> Abschnitt 2.2. der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t h<strong>in</strong>gewiesen werden.Abschließend soll nicht verschwiegen werden, daß <strong>bei</strong> Notfallsituationen <strong>in</strong> der Schulestets die gesamte Schulgeme<strong>in</strong>de betroffen ist und <strong>in</strong>sofern auch e<strong>in</strong>e notfallpsychologische<strong>Hilfe</strong>leistung für die Lehrer und andere <strong>in</strong> der Schule beschäftige Menschen (z. B.Hausmeister und Sekretär<strong>in</strong>nen) nicht vergessen werden darf.5.2. Umsetzung der neuen Regeln zur PEH im RettungsdienstDa Mitar<strong>bei</strong>ter des Rettungsdienstes zwangsläufig fast immer vor Ort s<strong>in</strong>d, wenn jemandverletzt oder ernsthaft erkrankt ist, liegt es nahe, auch die Durchführung der hier entwikkeltenH<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> auch im Rahmen der E<strong>in</strong>satztaktik des Ret-91 Siehe S. 91.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 125tungsdienstes aufzugreifen. Da<strong>bei</strong> s<strong>in</strong>d - <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er absichtlich etwas anderen Darstellungsweiseals im vorangegangenen Abschnitt - im Wesentlichen vier Aspekte zu beachten:1. Der Rettungsdienst sollte sich zunächst für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong><strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zuständig fühlen und die Durchführung von Maßnahmen der <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> ausdrücklich – zum<strong>in</strong>dest bis zum E<strong>in</strong>treffen psychologischerNotfallhelfer - als e<strong>in</strong>e eigene Aufgabe betrachten, zumal er stets relativ rasch am Notfallortist (vgl. KARUTZ/VON BUTTLAR 1999, S.10-11) und über durchaus geeignete(personelle) Ressourcen verfügt.Für die Umsetzung des „FRITZCHEN“-Konzeptes ist diese Forderung <strong>in</strong>sofern vonenormer Bedeutung, weil der Rettungsdienst – wie <strong>in</strong> den folgenden Absätzen noch zuzeigen se<strong>in</strong> wird - se<strong>in</strong>e Zuständigkeit für <strong>unverletzt</strong>-betroffene K<strong>in</strong>der <strong>bei</strong> der E<strong>in</strong>satzplanungsowie <strong>bei</strong> der e<strong>in</strong>satztaktischen Vorgehensweise <strong>in</strong> Notfallsituationen berücksichtigenmuss. Dies ist bisher jedoch – wie <strong>in</strong> Abschnitt 2 der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t dargestellt- nur unzureichend geschehen.2. E<strong>in</strong>satzleiter des Rettungsdienstes müssen <strong>unverletzt</strong>-betroffene K<strong>in</strong>der am Notfallortals solche wahrnehmen und notfallpsychologische Überlegungen zu ihrer Anwesenheit<strong>in</strong> die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung zur weiteren Vorgehensweise e<strong>in</strong>beziehen. In diesem Zusammenhangmacht das „FRITZCHEN“-Konzept u. U. e<strong>in</strong> Umdenken erforderlich:Während bislang – gerade <strong>bei</strong> größeren Schadenslagen - grundsätzlich immer e<strong>in</strong>e weiträumigeAbsperrung des Notfallortes vorgenommen und zunächst e<strong>in</strong>mal versucht wird,alle Zuschauer abzuschirmen, macht die Forderung nach e<strong>in</strong>er Lenkung der Wahrnehmung<strong>unverletzt</strong>-betroffener K<strong>in</strong>der auf die <strong>Hilfe</strong>leistung und die Relativierung vonS<strong>in</strong>n und Nutzen des Abschirmens <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t es erforderlich, hier zum<strong>in</strong>destAusnahmen zu ermöglichen.Anstatt <strong>unverletzt</strong>-betroffene K<strong>in</strong>der ausschließlich <strong>in</strong> zwar sehr sicheren, dafür u. U.aber auch recht entfernt vom Notfallort gelegenen Räumlichkeiten unterzubr<strong>in</strong>gen (<strong>in</strong>denen der entlastende Anblick der <strong>Hilfe</strong>leistung nicht möglich ist und Informationenoftmals nur unzureichend vermittelt werden), sollte daher die zusätzliche E<strong>in</strong>richtunge<strong>in</strong>es „Zuschauerraumes“ direkt am Notfallort <strong>in</strong> Betracht gezogen werden. DieserRaum würde wohlgemerkt der notfallpsychologischen <strong>Hilfe</strong>leistung dienen, und <strong>in</strong> ihmmüssten e<strong>in</strong>e ausreichende Anzahl entsprechend geschulter Mitar<strong>bei</strong>ter des Rettungsdienstes(m<strong>in</strong>destens bis zur Ablösung durch psychologische Notfallhelfer) für dieDurchführung weiterer Maßnahmen der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> zur Verfügung ste-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 126hen. Er sollte im Idealfall so platziert se<strong>in</strong>, daß das Geschehen am Notfallort, eben <strong>in</strong>sbesonderedie laufende <strong>Hilfe</strong>leistung, gut sichtbar ist. Andererseits darf die E<strong>in</strong>richtungdes Zuschauerraumes nicht zu e<strong>in</strong>er verstärkten Belastung für Notfallpatienten führen,und sie ist selbstverständlich nur dann vertretbar, wenn – wie bereits beschrieben – ke<strong>in</strong>eGefahren durch austretende Giftstoffe, herabfallende Trümmerteile etc. drohen undnatürlich auch ke<strong>in</strong>e Beh<strong>in</strong>derung der <strong>Hilfe</strong>leistung verursacht würde.In vielen Individualnotfällen, etwa <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em Verkehrsunfall, könnte die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>es„Zuschauerraumes“ wohlgemerkt jedoch schon dar<strong>in</strong> bestehen, daß K<strong>in</strong>der, die amRande e<strong>in</strong>es Notfallgeschehens stehen und ke<strong>in</strong>en geschockten, sondern eher <strong>in</strong>teressiert-aufgeschlossenenE<strong>in</strong>druck machen, nicht unreflektiert weggeschickt werden, sondern– <strong>in</strong> Begleitung e<strong>in</strong>es Rettungsdienstmitar<strong>bei</strong>ters oder psychologischen Notfallhelfers– auch e<strong>in</strong>fach dort stehen bleiben und mit Informationen über die <strong>Hilfe</strong>leistungversorgt werden.3. Die beschriebene, zweifellos zu diskutierende E<strong>in</strong>richtung des „Zuschauerraumes“ -und natürlich auch die Umsetzung der anderen Regeln des „FRITZCHEN“-Konzepteserfordert e<strong>in</strong>en hohen Personalaufwand. Zudem s<strong>in</strong>d die Rettungsdienstmitar<strong>bei</strong>ter, diezunächst am Notfallort e<strong>in</strong>treffen, u. U. schon mit der Versorgung des Notfallpatientenausgelastet. Daraus ergibt sich die Forderung, <strong>bei</strong> Notfallsituationen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e hoheWahrsche<strong>in</strong>lichkeit besteht, daß <strong>unverletzt</strong>-betroffene K<strong>in</strong>der anwesend se<strong>in</strong> werden,von vornhere<strong>in</strong> - und durch entsprechende Veränderungen der Alarm- und Ausrückeordnungender Rettungsdienste auch automatisch – e<strong>in</strong> zusätzliches E<strong>in</strong>satzfahrzeug desRettungsdienstes mit weiteren Helfern entsendet wird. Dies könnte <strong>bei</strong> Notfällen <strong>in</strong>K<strong>in</strong>dergärten, Schulen, K<strong>in</strong>dertagesstätten und <strong>bei</strong> Verkehrsunfällen <strong>in</strong> unmittelbarerUmgebung solcher E<strong>in</strong>richtungen durchaus angebracht se<strong>in</strong>. Im H<strong>in</strong>blick darauf, daßNotfalle<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> diesen Bereichen (bezogen auf das Gesamte<strong>in</strong>satzaufkommen desRettungsdienstes) letztlich jedoch eher selten s<strong>in</strong>d (vgl. HEINZ 1998, S. 263) – dürftenauch die entstehenden Kosten e<strong>in</strong>er solchen Vorgehensweise als <strong>in</strong>sgesamt vertretbarersche<strong>in</strong>en.4. Die im vorigen Absatz erhobene Forderung macht allerd<strong>in</strong>gs nur dann S<strong>in</strong>n, wenn das<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em weiteren Fahrzeug des Rettungsdienstes anrückende Personal notfallpsychologischgeschult ist. Um speziell den <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong><strong>Hilfe</strong> zu leisten, bietet sich das „FRITZCHEN“-Konzept als <strong>in</strong>haltliche Ausbildungsgrundlagean.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1276. Exkurs: Pädagogische Vorbereitungvon <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf NotfallsituationenWenngleich der Schwerpunkt dieser Ar<strong>bei</strong>t sicherlich auf der notfallpsychologischen <strong>Hilfe</strong>leistungliegt, soll <strong>in</strong> diesem Exkurs auch der Frage nachgegangen werden, welchen Beitragpädagogische Maßnahmen im Rahmen der „psychologischen Rettungskette“, wie sievon mehreren Autoren beschrieben worden ist (vgl. LUCAS 2001, S. 17; KARUTZ/DU-VEN 2002, S. 10; HAUSMANN 2003, S. 16) leisten können, um K<strong>in</strong>der auf das Miterlebenvon Notfallsituationen vorzubereiten.In e<strong>in</strong>er Veröffentlichung zur pädagogischen Anthropologie heißt es dazu: „Es ersche<strong>in</strong>tunverzichtbar, daß der heranwachsende Mensch e<strong>in</strong> Grundvertrauen <strong>in</strong> die S<strong>in</strong>nhaftigkeitdes eigenen Lebens und des Se<strong>in</strong>s schlechth<strong>in</strong> gew<strong>in</strong>nt. Gerade <strong>in</strong> Anbetracht so vielerÜbel, Leiden, Katastrophen, angesichts von Versagen, Schuld, Tod sowie der Erfahrungdes vom Scheitern bedrohten Lebens darf er nicht alle<strong>in</strong> gelassen werden. Er muss auf dieKonfrontation mit solchen Phänomenen vorbereitet, zu ihrer Interpretation und Bewältigungermächtigt werden“ (HAMANN 1993, S. 130).Der bekannte Pädagoge Wolfgang Brenz<strong>in</strong>ka forderte vor diesem H<strong>in</strong>tergrund bereits e<strong>in</strong>e„Erziehung als Lebenshilfe“ (vgl. BREZINKA 1963), und auch andere Pädagogen habendie erzieherische Vorbereitung auf Notfallsituationen – vor allem <strong>in</strong> existenzphilosophischenZusammenhängen - durchaus thematisiert (vgl. z. B. BOLLNOW 1966 und BOLL-NOW 1984). Diese Veröffentlichungen enthalten jedoch nur wenige konkrete bzw. ke<strong>in</strong>erleioperationalisierten H<strong>in</strong>weise zu e<strong>in</strong>zelnen erzieherischen Maßnahmen, sondern beziehensich eher allgeme<strong>in</strong> und abstrakt auf die erzieherische Grundhaltung im H<strong>in</strong>blickauf den Umgang mit Notfallsituationen, deren Erfahrung von Heranwachsenden als e<strong>in</strong>zentrales Wesensmerkmal des menschlichen Se<strong>in</strong>s akzeptiert und - nicht zuletzt auch durchBildungs- bzw. Reifeprozesse - <strong>in</strong> die eigene Persönlichkeitsentwicklung <strong>in</strong>tegriert werdensoll (vgl. BOLLNOW 1966, S. 9-13 u. 61-69).Darüber h<strong>in</strong>aus wird als das vorrangige Ziel der pädagogischen Vorbereitung auf die Erfahrungvon Notfallsituationen notfallbezogene Mündigkeit genannt (vgl. KARUTZ 2003,S. 5), d. h. K<strong>in</strong>der sollen ihrem Entwicklungsstand entsprechend befähigt werden, sich


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 128selbst an der Bewältigung e<strong>in</strong>er Notfallsituation zu beteiligen; ihnen sollen die Kenntnisseund Fähigkeiten vermittelt werden, die sie bereits verstehen bzw. umsetzen können und dieschlichtweg notwendig s<strong>in</strong>d, um der potentiell traumatisierenden Erfahrung eigener Hilflosigkeit(vgl. FISCHER/RIEDESSER 1999, S. 42, 47-48, 79, 116 u. 266) soweit wie möglichpräventiv entgegenzuwirken.6.1. Konkrete H<strong>in</strong>weise zu notfallpädagogischen MaßnahmenIm folgenden Abschnitt soll nun thematisiert werden, mit welchen konkreten erzieherischenMaßnahmen e<strong>in</strong>e Vorbereitung auf Notfallsituationen möglich ist und wie das genannteZiel notfallbezogener Mündigkeit erreicht werden kann. Daß sich <strong>in</strong> diesem Zusammenhangnatürlich auch das bereits dargestellte „FRITZCHEN“-Konzept 92 durchauss<strong>in</strong>nvoll anwenden lässt, liegt zweifellos nahe, zumal die Umsetzung der beschriebenenRegeln zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> nicht nur notfallpsychologisch, sondern auch pädaggischgut begründbar ist: Aus notfallpsychologischer Sicht geht es vorrangig darum, diemit e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen verbundenen psychischen Belastungen zu reduzieren und dieVerar<strong>bei</strong>tung des Erlebten zu fördern (um v. a. die Entstehung psychischer Folgeschädenzu vermeiden), während aus pädagogischer Sicht die Frage danach im Vordergrund steht,<strong>in</strong>wiefern das Erlebte für das Erleben künftiger Notfallsituationen von Bedeutung ist, <strong>in</strong>wiefernes im Rahmen von Erziehungs- und Bildungsprozessen aufgegriffen und was ausdem Erlebten gelernt werden kann. Wohlgemerkt stehen psychologische und pädagogischeZielsetzungen ke<strong>in</strong>esfalls <strong>in</strong> Widerspruch zue<strong>in</strong>ander, sondern ergänzen sich vielmehr gegenseitig93 .So kann die bisherige Diskussion zum S<strong>in</strong>n und Nutzen des Abschirmens <strong>unverletzt</strong>betroffenerK<strong>in</strong>der aus notfallpsychologischer Sicht <strong>bei</strong>spielsweise auch im Kontext e<strong>in</strong>ernotfallbezogenen Erziehung fortgeführt werden. Hier stellt sich <strong>in</strong>sbesondere die Fragenach pädagogischen Konsequenzen des Zuschauens bzw. Abschirmens von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ane<strong>in</strong>em Notfallort, und es sche<strong>in</strong>t nicht nur für die psychische Bewältigung e<strong>in</strong>es aktuellaufgetretenen Notfallgeschehens, sondern auch für die pädagogische Vorbereitung auf zukünftigeNotfälle eher wenig hilfreich, wenn die bisher übliche Forderung danach aufrecht92 Siehe S. 116.93 Im Rahmen dieses Exkurses kann und soll es allerd<strong>in</strong>gs – abgesehen von diesem eher allgeme<strong>in</strong> formuliertenH<strong>in</strong>weis nicht darum gehen, Psychologie und Pädagogik im Detail vone<strong>in</strong>ander abzugrenzen bzw.grundsätzliche Unterschiede <strong>in</strong> der <strong>in</strong>haltlichen oder methodischen Ausrichtung <strong>bei</strong>der Wissenschaften aufzuzeigen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 129erhalten wird, K<strong>in</strong>der von Notfallsituationen grundsätzlich immer und möglichst ausnahmslosabzuschirmen. Vielmehr ist gerade die Abschirmung <strong>unverletzt</strong>-betroffener K<strong>in</strong>derauch aus pädagogischer Sicht nicht unproblematisch:1. Durch das Abschirmen werden wichtige Lernerfahrungen (z. B. die Tatsache, daß undwie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfall <strong>Hilfe</strong> geleistet wird) verh<strong>in</strong>dert. Dies ist umso bedauerlicher, weildurchaus auch das Erleben e<strong>in</strong>er Notfallsituation als „orig<strong>in</strong>ale Begegnung“ (vgl. ROTH1963, S. 111 u. JANK/MEYER 1994, S. 147) betrachtet werden kann, die e<strong>in</strong> besonders<strong>in</strong>tensives Lernen mit deutlichem Realitätsbezug ermöglichen würde: Wie sonst soll dasVerhalten <strong>in</strong> Notfallsituationen gelernt und e<strong>in</strong>geübt werden, wenn nicht anhand e<strong>in</strong>esrealen Notfalls? 942. Es kann angenommen werden, daß durch das Abschirmen lediglich e<strong>in</strong> heimlicherLehrplan umgesetzt wird, d. h. daß unabsichtlich D<strong>in</strong>ge gelehrt bzw. gelernt werden, dieobjektiv betrachtet gerade nicht wünschenswert s<strong>in</strong>d. So ist denkbar, daß gerade aufdiese Weise Angst vor Notfällen vermittelt wird („Das, was dort geschehen ist, muss sofurchtbar se<strong>in</strong>, daß ich noch nicht e<strong>in</strong>mal h<strong>in</strong>schauen darf“) – und daß sich möglicherweisenegative Auswirkungen auf die spätere Hilfsbereitschaft e<strong>in</strong>es Menschen ergeben:Wie soll e<strong>in</strong> Mensch die Bereitschaft entwickeln, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation <strong>Hilfe</strong> zu leisten,wenn er als K<strong>in</strong>d zunächst vermittelt bekommt, daß er noch nicht e<strong>in</strong>mal h<strong>in</strong>schauendarf, wenn sich e<strong>in</strong>e Notfallsituation ereignet hat?Auch im Rahmen e<strong>in</strong>er notfallbezogenen Erziehung sche<strong>in</strong>t es daher nicht s<strong>in</strong>nvoll, K<strong>in</strong>derimmer und ausschließlich von Notfällen abzuschirmen 95 . Umgekehrt kann aber auch dasZuschauen an e<strong>in</strong>em Notfallort sicherlich nicht une<strong>in</strong>geschränkt empfohlen werden, so daßfraglich ersche<strong>in</strong>t, welches konkrete erzieherische Handeln an e<strong>in</strong>em Notfallort s<strong>in</strong>nvoll ist.Im Anschluß an die Theorie kategorialer Bildung <strong>bei</strong> Wolfgang Klafki ließe sichhier anregen, daß der Erzieher als e<strong>in</strong> Vermittler zwischen K<strong>in</strong>d und Notfallgeschehen tätigwird, dessen pädagogisches Engagement sich auf Subjekt und Objekt der Situation glei-94 Das muss nicht zwangsläufig heißen, daß unmittelbar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen immer besonders gutgelernt werden könnte – es verweist vielmehr darauf, daß e<strong>in</strong> Notfall den Anlass zu notfallbezogenem Lernengibt. Das Lernen unmittelbar <strong>in</strong> Notfallsituationen könnte u. U. sogar eher mit Schwierigkeiten verbundense<strong>in</strong>, sofern e<strong>in</strong>e affektive Hemmung (d. h. <strong>bei</strong>spielsweise große Aufregung) e<strong>in</strong>e angemessene Informationsverar<strong>bei</strong>tungverh<strong>in</strong>dert!95 Von dieser sehr theoretischen und etwas undifferenzierten Diskussion e<strong>in</strong>mal abgesehen ist es ohneh<strong>in</strong>nicht möglich, K<strong>in</strong>der immer und von allen Notfallsituationen abzuschirmen. Schon deshalb ist zu fordern,daß nicht so sehr die Frage danach im Vordergrund steht, ob man abschirmt oder nicht, sondern eher dieFrage danach, was man tun kann, wenn e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>en Notfall gesehen hat (ob se<strong>in</strong> Erzieher das nun wollteoder nicht!).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 130chermaßen beziehen muss: Während e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d für die Wahrnehmung des Notfallgeschehens<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er besonderen Weise „aufgeschlossen“ bzw. vorbereitet wird (z. B. durch dieLenkung der Wahrnehmung auf die <strong>Hilfe</strong>leistung), muss gleichzeitig auch das Notfallgeschehen<strong>in</strong>sofern „aufgeschlossen“ und für die Anwesenheit e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des vorbereitet werden,daß z. B. die mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit belastenden und unangenehmen Anteiledes Geschehens verdeckt werden 96 (vgl. KLAFKI 1963, S. 44 u. JANK/MEYER 1994, S.142-144).Neben diesem Aspekt erzieherischen Handelns <strong>in</strong> Notfallsituationen ist offenbar auch dieArt und Weise von Bedeutung, wie Notfälle von Erziehern e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des wahrgenommen,bewertet und dargestellt werden, zumal K<strong>in</strong>der ihre eigenen Reaktionen und Verhaltensweisenam Vorbild ihrer erwachsenen Bezugspersonen ausrichten (vgl. GLANZMANN1997, S. 127 u. 130; DE KUIPER 1999, S. 40; FISCHER 2001, S. 123 u. HAUSMANN2003, S. 178); sowohl die Theorie des sozialen Konditionierens bzw. Lernens am Modellals auch die emotionale Abhängigkeit zum<strong>in</strong>dest jüngerer K<strong>in</strong>der von ihren Eltern könnenhier als Begründung genannt werden (vgl. ZIMBARDO 1992, S. 421ff; MIETZEL 1994,S. 197ff; MIETZEL 1997, S. 115ff, 182ff, 217ff, 251ff u. FISCHER 2001, S. 123ff).In diesem Zusammenhang sche<strong>in</strong>t es angebracht, Notfälle als das zu thematisieren und zuvermitteln, was sie - den Ausführungen im ersten Abschnitt der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t entsprechend– auch letztlich s<strong>in</strong>d: Seltene, plötzlich auftretende, sicherlich häufig sehr unangenehmeund kaum vorhersehbare Ereignisse, die v. a. nicht immer vermieden werdenkönnen und deren Erfahrung mit dem Leben e<strong>in</strong>es Menschen <strong>in</strong>sofern unausweichlich verbundenist. Anhand der Befragungsergebnisse der <strong>in</strong> dieser Ar<strong>bei</strong>t vorgestellten Studiesowie der bisherigen Ausführungen <strong>in</strong> diesem Abschnitt kann davon ausgegangen werden,daß es weder s<strong>in</strong>nvoll ist, Notfallsituationen zu verheimlichen oder zu tabuisieren („Schonraumpädagogik“),noch sie zu dramatisieren oder zu bagatellisieren:Werden Notfälle stets verheimlicht bzw. vor den <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> verschwiegen, ist e<strong>in</strong>e angemesseneVorbereitung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf Notfälle von vornhere<strong>in</strong> nicht möglich. Werden Notfälledramatisiert („Wenn so etwas passiert, dann ist alles aus“ / „Da kann e<strong>in</strong>em auch ke<strong>in</strong>ermehr helfen“), begünstigt dies zweifellos e<strong>in</strong>e negative Erwartungshaltung im H<strong>in</strong>blickauf Notfälle sowie die Entstehung von zusätzlichen Ängsten. Werden Notfälle bagatelli-96 Siehe S. 88-91: Als belastend und unangenehm nannten die befragten K<strong>in</strong>der z. B. den Anblick von Blutund Notfallpatienten. Daß sich das hier thematisierte erzieherische Handeln wenn überhaupt, dann nur <strong>in</strong> dertheoretischen Begründung von der notfallpsychologischen <strong>Hilfe</strong>leistung unterscheidet, soll ke<strong>in</strong>esfalls verschwiegenwerden!


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 131siert („So schlimm wird es schon nicht se<strong>in</strong>“ / „So etwas passiert nun mal“), übersieht mandas offensichtlich vorhandene Bedürfnis von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, sich mit diesem Thema zu beschäftigen,weitere notfallbezogene Informationen zu erhalten und mit ihren Gefühlen und Gedankenv. a. ernst genommen zu werden 97 .E<strong>in</strong> weiterer Aspekt der pädagogischen Vorbereitung auf das Miterleben von Notfällenkönnte dar<strong>in</strong> bestehen, daß besonders jüngeren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> schon im Vorfeld e<strong>in</strong>es (denkbaren)Notfalls versichert wird, daß – sofern e<strong>in</strong> Notfall e<strong>in</strong>tritt – ihre Eltern (oder anderevorher abgesprochene Bezugspersonen) def<strong>in</strong>itiv so schnell wie möglich zu ihnen kommenwerden 98 . E<strong>in</strong>e dafür notwendige Voraussetzung wäre allerd<strong>in</strong>gs, daß K<strong>in</strong>der jederzeit e<strong>in</strong>enentsprechenden Ausweis oder etwas Ähnliches mit sich führen, aus dem die ständigeErreichbarkeit von Bezugspersonen (unter entsprechenden Anschriften und Telefonnummern)hervorgeht 99 .Die Besichtigung von Rettungswachen, Rettungsfahrzeugen und Krankenhäusern bzw.deren Notaufnahmen und Ambulanzen wäre ebenfalls geeignet, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfall entstehendenÄngste durch e<strong>in</strong>e entsprechende Vorbereitung zu verm<strong>in</strong>dern: Wenn e<strong>in</strong>emK<strong>in</strong>d zum<strong>in</strong>dest die Örtlichkeiten, <strong>in</strong> denen es selbst voraussichtlich behandelt werdenwürde, nicht mehr vollkommen fremd, sondern zunehmend vertraut s<strong>in</strong>d, wird dies dieOrientierung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des <strong>in</strong> Notfallsituationen zweifellos erleichtern (vgl. GLANZ-MANN 1997, S. 133.134; GROTHENSOHN 1999, S. 24-28; KUSCH 1996, S. 42 u. FI-SCHER 2001, S. 123).Darüber h<strong>in</strong>aus sollte aber auch die eigene Selbsthilfefähigkeit von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gesteigertwerden. So können K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> speziellen <strong>Erste</strong>-<strong>Hilfe</strong>-Lehrgängen bereits <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärtenund Grundschulen hilfreiche Verhaltensweisen für Notfallsituationen erlernen und e<strong>in</strong>üben.Wenngleich solche Schulungen <strong>in</strong> zahlreichen Ländern längst zu e<strong>in</strong>em festen Bestandteildes Unterrichts geworden s<strong>in</strong>d, und obwohl es auch <strong>in</strong> Deutschland seit e<strong>in</strong>igenJahren zahlreiche Veröffentlichungen und Materialien zur Heranführung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> andie <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> gibt, ist die Thematisierung von Möglichkeiten der <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>in</strong> Notfällenbzw. das eigene Verhalten <strong>in</strong> Notfällen <strong>in</strong> den jeweiligen Lehrplänen noch immer nichtvorgesehen (vgl. JUGENDROTKREUZ BADEN-WÜRTTEMBERG o. J.; JUGEND-97 Siehe S. 88-89 u. 92.98 Siehe S. 99: Die Begründung für diesen Aspekt der pädagogischen Vorbereitung auf Notfälle ergibt sichaus der Tatsache, daß v. a. jüngere K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfällen Nähe zu erwachsenen Bezugspersonen suchen.99 E<strong>in</strong>en alternativen Vorschlag zur Vorbereitung auf die (zeitweise) Trennung von erwachsenen Bezugspersonen<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation formuliert der Psychotraumatologe Fischer mit der Beschreibung e<strong>in</strong>es „Trennungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs“zur Vermeidung von Deprivationsschäden (vgl. FISCHER 2001, S. 124-126).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 132ROTKREUZ WESTFALEN-LIPPE o. J.; BAYERISCHES JUGENDROTKREUZ 1992;NACHTMANN 1996; DEUTSCHES ROTES KREUZ 1999; SCHOLL 1999; DRK-LANDESVERBAND WESTFALEN-LIPPE 2000 u. KERN 2002).Zusätzlich zu Schulungen <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergärten und Schulen sollte das Verhalten von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong>Notfällen aber auch im häuslichen Bereich e<strong>in</strong>geübt werden; es kann e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d z. B. gezeigtwerden, wie es den Rettungsdienst benachrichtigt oder wie es sich verhalten soll,wenn es brennt (vgl. WACKEROW/PRUDLO 2001, S. 16).Diese Steigerung der Selbsthilfefähigkeit ist im Übrigen nicht nur möglich, wie entsprechendeBerichte <strong>in</strong> der Fachliteratur zeigen (vgl. GENZWÜRKER 2001 u. VOLZ 2002),sondern ebenfalls anhand der Ergebnisse der <strong>in</strong> dieser Ar<strong>bei</strong>t vorgestellten Studie auche<strong>in</strong>deutig s<strong>in</strong>nvoll, weil es von vielen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als e<strong>in</strong>e angenehme und hilfreiche Erfahrungbeschrieben worden ist, wenn sie selbst <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise helfen konnten 100 .Das e<strong>in</strong>zige, was die Vermittlung von <strong>Erste</strong>-<strong>Hilfe</strong>-Kenntnissen eventuell problematisierenkönnte (ohne, daß die Steigerung der Selbsthilfefähigkeit von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> dadurch grundsätzlich<strong>in</strong> Frage gestellt würde), ist e<strong>in</strong>e möglicherweise ungünstige Auswirkung der <strong>Hilfe</strong>leistungvon <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die unmittelbar an e<strong>in</strong>em erwachsenen Notfallpatienten durchgeführtwird. Denkbar ist, daß es für e<strong>in</strong>en Erwachsenen – etwa im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er extremen Veränderungder sozialen Hierarchie (vgl. LASOGGA/GASCH 2000, 26-27) – u. U. e<strong>in</strong>e zusätzlicheBelastung darstellt, wenn ihm von e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d <strong>Hilfe</strong> geleistet wird. Zudem könnte dieTatsache, daß ihm e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d hilft (bzw. helfen muss), ihn selbst zu der Überzeugung führen,<strong>in</strong> ganz besonderem Maße hilflos zu se<strong>in</strong>. Diese Überlegungen s<strong>in</strong>d jedoch eher spekulativ;empirische Untersuchungsergebnisse liegen hierzu nicht vor.Abschließend ist darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß die hier vorgestellten H<strong>in</strong>weise zur pädagogischenVorbereitung auf das Miterleben von Notfallsituationen verständlicherweise möglichstsystematisch und strukturiert umgesetzt werden sollten. An anderer Stelle wurde <strong>in</strong>diesem Zusammenhang bereits die Entwicklung e<strong>in</strong>er explizit notfallbezogenen Erziehungswissenschaftbzw. e<strong>in</strong>er Notfallpädagogik thematisiert, die neben der Notfallmediz<strong>in</strong>und der Notfallpsychologie als e<strong>in</strong>e weitere, eigenständige Bezugswissenschaft für dasRettungswesen <strong>in</strong>sgesamt anzusehen wäre (vgl. KARUTZ 2003).100 Siehe S. 95.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1337. Exkurs:Critical Incident Stress Management (CISM)<strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>7.1. CISM-Methodik im kritischen ÜberblickDie Methodik des Critical Incident Stress Management (CISM) wurde Anfang der 80erJahre von Jeffrey T. Mitchell erar<strong>bei</strong>tet (und seitdem v. a. von Mitchell selbst und GeorgeS. Everly kont<strong>in</strong>uierlich weiterentwickelt), um der Entwicklung behandlungsbedürftigerFolgeschäden des Miterlebens von Notfallsituationen präventiv entgegenzuwirken.Sie ist als e<strong>in</strong>e von mehreren Möglichkeiten für die systematische Vor- und Nachbereitungvon Notfallsituationen zu betrachten 101 und umfasst zahlreiche e<strong>in</strong>ander ergänzender Hilfsangebote,die von psychosozialen Fachkräften wie z. B. Notfallpsychologen und Notfallseelsorgern,teilweise aber auch von - oder geme<strong>in</strong>sam mit - „Peers“ (Kollegen aus demTätigkeitsfeld der jeweiligen E<strong>in</strong>satzkräfte) durchgeführt werden. Im wesentlichen s<strong>in</strong>ddies 1. (Unterrichts-) Veranstaltungen zur Vorbereitung auf kritische Ereignisse, 2. sogenannte„1-zu-1“-Interventionen, 3. Demobilisierungen bzw. Großgruppen<strong>in</strong>formationen, 4.Defus<strong>in</strong>gs sowie 5. Critical Incident Stress Debrief<strong>in</strong>gs (CISD) zu nennen 102 :1. Zur Vorbereitung auf kritische Ereignisse wird e<strong>in</strong> Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g angeboten, um angemesseneErwartungen bezüglich bevorstehender kritischer Ereignisse aufzubauen, kognitiveRessourcen, die <strong>in</strong> Notfallsituationen wichtig se<strong>in</strong> können, zu erweitern und durch dieVermittlung von konkreten Möglichkeiten des Stressmanagements „die <strong>in</strong>dividuellenVerhaltensweisen im Krisen- bzw. Katastrophenfall zu verbessern. Diese Intervention[...] [wird] auch ‚Katastrophenschulung’ oder ‚geistiges Vorbereitungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g’ genannt“(EVERLY/MITCHELL 2002, S. 75; Zus. v. H.K.). Sie soll im Rahmen der regulärenAusbildung von allen E<strong>in</strong>satzkräften, u. U. aber auch (nochmals) kurz vor besonderenE<strong>in</strong>satzsituationen stattf<strong>in</strong>den.101 E<strong>in</strong>e ausführliche Darstellung alternativer Angebote zur Notfallvor- und nachbereitung f<strong>in</strong>det sich <strong>bei</strong>spielsweise<strong>bei</strong> (HAUSMANN 2003, S. 282-357).102 Ausführlichere Beschreibungen der im folgenden nur kurz skizzierten Interventionen f<strong>in</strong>den sich u. a. <strong>in</strong>(MITCHELL/EVERLY 1998) und (EVERLY/MITCHELL 2002).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1342. „1-zu-1“-Interventionen dienen der notfallpsychologischen <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>bei</strong> E<strong>in</strong>zelpersonen,die jederzeit, d. h. im Notfallgeschehen oder auch zu e<strong>in</strong>em beliebigen Zeitpunktdanach geleistet werden können. Sie richten sich nach dem SAFER-Modell und sollendaher <strong>in</strong> folgenden Phasen ablaufen: 1. Stabilisierung der Situation, z. B. <strong>in</strong>dem der Betroffenezunächst von der weiteren Reizaufnahme im Notfallgeschehen abgeschirmtwird. 2. Anerkennung e<strong>in</strong>er Krisensituation, <strong>in</strong>dem man den Betroffenen beschreibenlässt, was eigentlich passiert ist und welche persönlichen Reaktionen auf das Gescheheneaufgetreten s<strong>in</strong>d. 3. Förderung des Verstehens, <strong>in</strong>dem Stress- bzw. Belastungsreaktionenals etwas normales bzw. verständliches erklärt und begründet werden. 4. Ermutigungzu e<strong>in</strong>er angemessenen Bewältigung, <strong>in</strong>dem <strong>bei</strong>spielsweise die Nutzung vorhandenerSelbstheilungsfähigkeiten angeregt und e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Plan zur weiteren Vorgehensweiseerar<strong>bei</strong>tet wird sowie 5. Rückführung zur Eigenständigkeit, sofern die <strong>in</strong>nerpsychischeund verhaltensbezogene Funktionsfähigkeit wiederhergestellt ist. U. U.kann es <strong>in</strong> dieser Phase jedoch auch notwendig se<strong>in</strong>, für die unmittelbare Weitervermittlungan psychosoziale Notfallhelfer, Notfallseelsorger oder Notfallpsychologen zusorgen (vgl. EVERLY/MITCHELL 2002, S. 79-80).3. Demobilisierungen dienen der Unterstützung von Betroffenen <strong>bei</strong> der Rückkehr vomNotfallgeschehen nach Hause oder an den üblichen Ar<strong>bei</strong>tsplatz: Unmittelbar nach demE<strong>in</strong>satzende werden da<strong>bei</strong> Erfrischungen angeboten, und im Rahmen e<strong>in</strong>es Vortrags,eventuell ergänzt durch schriftliches Informationsmaterial, erhalten die Teilnehmer Informationenüber Stress, Traumata und Bewältigungsmöglichkeiten. Darüber h<strong>in</strong>aussollten nach Möglichkeit die Personen vorgestellt werden, „die die Nachsorge und weitergehendeBetreuung derjenigen übernehmen, die weiter reichende Probleme haben“(EVERLY/MITCHELL 2002, S. 30; vgl. auch EVERLY/MITCHELL 2002, S. 82).Üblicherweise dauern solche Veranstaltungen etwa 20 bis 30 M<strong>in</strong>uten.Großgruppen<strong>in</strong>formationen verlaufen sehr ähnlich wie Demobilisierungen: Sie <strong>bei</strong>nhaltenebenfalls die Vermittlung von notfallbezogenen und psychoedukativen Informationensowie die Vorstellung weiterer Hilfsangebote. Sie können jedoch auch mehrereTage nach e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen durchgeführt werden und wurden ursprünglich fürSchulen und Betriebe entwickelt. Die Zeitdauer wird mit e<strong>in</strong>er bis e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Stundenangegeben (vgl. EVERLY/MITCHELL 2002, S. 84).4. „Defus<strong>in</strong>gs können noch am Schauplatz der Krise vor Abzug der E<strong>in</strong>satzkräfte durchgeführtwerden oder an e<strong>in</strong>em anderen beliebigen Ort, jedoch <strong>in</strong>nerhalb von 12 Stunden


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 135nach Beendigung des E<strong>in</strong>satzes bzw. der Krise. Defus<strong>in</strong>gs s<strong>in</strong>d 20- bis 45-m<strong>in</strong>ütigeGruppengespräche über das Krisenereignis, <strong>in</strong> denen die akute Stressbelastung undSpannungszustände reduziert werden sollen“ (EVERLY/MITCHELLL 2002, S. 30).5. Critical Incident Stress Debrief<strong>in</strong>gs (CISD) s<strong>in</strong>d ebenfalls Gruppengespräche, „<strong>in</strong> denene<strong>in</strong>e Krise oder e<strong>in</strong> traumatisches Ereignis aufgear<strong>bei</strong>tet wird. Sie s<strong>in</strong>d jedoch strukturierterund tiefgehender als e<strong>in</strong> Defus<strong>in</strong>g. Ihr Ziel ist es, e<strong>in</strong>e Art psychologischen Abschluß<strong>in</strong> Bezug auf das traumatisierende Ereignis zu erreichen“ (EVERLY/MIT-CHELL 2002, S. 30). CISD sollen zwei bis zehn Tage, <strong>bei</strong> Großschadensereignissenauch drei bis vier Wochen nach e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen durchgeführt werden und dauernüblicherweise e<strong>in</strong> bis drei Stunden. Sie laufen – moderiert durch e<strong>in</strong> CISM-Team –stets <strong>in</strong> sieben Phasen ab (1. E<strong>in</strong>leitung, 2. Tatsachen, 3. Gedanken, 4. Reaktionen, 5.Symptome, 6. Information und 7. Rückorientierung bzw. Abschluß), wo<strong>bei</strong> das Gesprächvon e<strong>in</strong>er kognitiven zu e<strong>in</strong>er emotionalen Ebene und wieder zurück geführtwird.In Deutschland wurde die CISM-Methodik vor allem durch die Bundesvere<strong>in</strong>igung„Stressbear<strong>bei</strong>tung nach belastenden Ereignissen“ (SBE) e<strong>in</strong>geführt, der <strong>in</strong>zwischen 240Mitglieder <strong>in</strong> rund 20 SBE-Teams angeschlossen s<strong>in</strong>d, und nach Angaben der Bundesvere<strong>in</strong>igungSBE haben seit 1996 etwa 1600 Personen an CISM-Veranstaltungen <strong>in</strong> Deutschlandteilgenommen (vgl. GENGENBACH 2001, S. 22-24). Insgesamt lässt sich <strong>in</strong>sofernfeststellen, daß die CISM-Methodik zweifellos auch <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>e weite Verbreitunggefunden hat und <strong>in</strong>zwischen – zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> den Kreisen von E<strong>in</strong>satzkräften – auch weitgehendakzeptiert se<strong>in</strong> dürfte.Seit e<strong>in</strong>igen Jahren ist die CISM-Methodik, <strong>in</strong>sbesondere die Durchführung von CISD jedoche<strong>in</strong>er teilweise heftigen Kritik ausgesetzt: Da<strong>bei</strong> wird nicht nur die Wirksamkeit diesesNachsorgeangebotes angezweifelt und behauptet, e<strong>in</strong> positiver Nutzen für die Teilnehmeran CISD könne nicht nachgewiesen werden – es wird mitunter sogar die Aufassungvertreten, daß CISM bzw. die Teilnahme an CISD explizit auch den Betroffenen schadenkönne.Bevor daher auf die Entwicklung e<strong>in</strong>er neuen, zielgruppenorientierten Debrief<strong>in</strong>g-Konzeptionfür K<strong>in</strong>der im Vor- und Grundschulalter e<strong>in</strong>gegangen wird, soll die laufende Diskussionmit den wesentlichsten Argumenten für und gegen die Anwendung der CISM-Methodik bzw. von CISD nachgezeichnet werden.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 136So begründen Everly und Mitchell die spezifische Wirksamkeit der CISM-Methodik zunächstdamit, daß <strong>in</strong> ihr mehrere Mechanismen „nicht additiv, sondern vielmehr multiplikativ“,d. h. sich gegenseitig verstärkend zusammenwirken. Everly und Mitchell verweisenda<strong>bei</strong> vor allem auf den frühen Interventionsbeg<strong>in</strong>n, die Möglichkeit e<strong>in</strong>er emotionalenEntlastung bzw. e<strong>in</strong>en Katharsis-Effekt, die Möglichkeit, das Erlebte auf e<strong>in</strong>er gedanklichenEbene <strong>in</strong> Worte zu fassen, das Angebot e<strong>in</strong>er stützenden Struktur, die Unterstützungdurch Kollegen (d. h. durch die oben genannten „Peers“), das Angebot sozialer Nähe undZuwendung, die Vermittlung von Hoffnung und e<strong>in</strong>es Gefühls von Kontrolle, psychoedukativeElemente im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „Krisenschulung“ sowie e<strong>in</strong>e positive Gruppendynamik,speziell im CISD (vgl. EVERLY/MITCHELL 2002, S. 94-102).Neuere wissenschaftliche Untersuchungen, die <strong>in</strong> der Tat positive Effekte von CISM bzw.CISM und / oder CISD bestätigen, wurden <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von zahlreichenAutoren vorgelegt (vgl. AMIR/WEIL/KAPLAN/TOCKER/WITZUM 1998; NURMI1999; EVERLY/BOYLE 1999 u. RICHARDS 1999) vorgelegt. E<strong>in</strong>e detaillierte Übersichtzur jeweiligen Untersuchungsmethodik, den Fragestellungen der Ar<strong>bei</strong>ten, den untersuchtenStichproben und den Forschungsergebnissen ist <strong>in</strong> der bereits zitierten Veröffentlichungvon Everly und Mitchell enthalten (vgl. EVERLY/MITCHELL 2002, S. 103-122).Auf der anderen Seite können sich gerade auch die CISD-Kritiker auf wissenschaftlicheAr<strong>bei</strong>ten beziehen, <strong>in</strong> denen offenbar eher negative Effekte von CISD nachgewiesen wordens<strong>in</strong>d - e<strong>in</strong>e gelungene Übersicht hierzu bietet Paulus (vgl. PAULUS 2001; vgl. aberauch BETHGE 2001; FÜLLGRABE 2001 u. NACHTIGALL/MITTE/STEIL 2003). Gegendie Durchführung von CISD wird demnach vor allem folgendermaßen argumentiert:• CISD führen nicht zur e<strong>in</strong>er Reduktion, sondern vielmehr zu e<strong>in</strong>er Verstärkung bzw.zum häufigeren Auftreten von Symptomen posttraumatischer Belastungsreaktionen.• CISD können – vor allem <strong>in</strong> der Reaktionsphase - hochbelastete Personen emotionalüberfordern und unter Umständen sogar zu e<strong>in</strong>er Retraumatisierung führen, so daßdiese Nachsorgeveranstaltung – wenn überhaupt – nur für ger<strong>in</strong>g oder mittelstark belastetePersonengruppen angeboten werden sollte. Am Deutschen Institut für Psychotraumatologie<strong>in</strong> Köln wurde vor diesem H<strong>in</strong>tergrund e<strong>in</strong>e Screen<strong>in</strong>g-Methodikanhand e<strong>in</strong>es Fragebogens entwickelt, mit dem abgeschätzt werden soll, wer an e<strong>in</strong>emCISD teilnehmen kann und für wen andere Interventionsmöglichkeiten angebrachterersche<strong>in</strong>en (vgl. CLEMENS/LÜDKE 2000). E<strong>in</strong> ähnliches Verfahren setzt übrigens


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 137auch die Feuerwehr München e<strong>in</strong>, deren Krisen<strong>in</strong>terventionsteam den Fragebogen desDeutschen Instituts für Psychotraumatologie für ihre Zwecke abgewandelt hat (vgl.ZITZLSPERGER 2002, S. 81ff).Der Kritik an dieser CISD-Kritik wird nun wiederum entgegengesetzt, daß <strong>in</strong>sbesonderedie jeweilige Untersuchungsmethodik der vorliegenden Untersuchungen mit negativenErgebnissen mangelhaft sei, zumal teilweise nur sehr kle<strong>in</strong>e Stichproben berücksichtigtwurden, entweder ke<strong>in</strong>e vergleichbaren Kontrollgruppen zur Verfügung standen oder dieverglichenen Personengruppen weder von ihrer Zusammensetzung noch bezogen auf dieArt des Erlebens e<strong>in</strong>er Notfallsituation vergleichbar gewesen seien: So ist <strong>bei</strong>spielsweise <strong>in</strong>der Tat nachvollziehbar, daß e<strong>in</strong>e debriefte Personengruppe stärker ausgeprägte Belastungsreaktionenzeigt als Personen, die nicht an e<strong>in</strong>em Debrief<strong>in</strong>g teilgenommen haben,wenn gerade die debriefte Personengruppe – etwa durch die Umstände der Notfallsituation– auch von vornhere<strong>in</strong> ohneh<strong>in</strong> schon stärker belastet war als andere Personen: Hiersche<strong>in</strong>t es <strong>in</strong> der Tat ausgesprochen schwierig, wenn nicht sogar vollkommen unmöglich,die tatsächlichen Kausalzusammenhänge zu ermitteln.Das Argument, CISD würden die Symptome von posttraumatischen Belastungsstörungeneher noch verstärken, wird im Übrigen dadurch relativiert, daß es nur nachvollziehbar ersche<strong>in</strong>t,daß Personen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Debrief<strong>in</strong>g ausdrücklich auf möglicherweise auftretendeSymptome h<strong>in</strong>gewiesen worden s<strong>in</strong>d, diese auch sensibler als solche wahrnehmen alsandere Personen, die ke<strong>in</strong>e entsprechend psychoeducativen Ausbildungs<strong>in</strong>halte vermitteltbekommen haben.Zudem wird die Kompetenz derjenigen angezweifelt, die die untersuchten CISD durchgeführthaben. Möglicherweise sei <strong>bei</strong> der Durchführung der untersuchten CISD auch vonden CISM-Vorgaben zur Durchführung e<strong>in</strong>es CISD abgewichen worden, z. B. <strong>in</strong>dem dieReihenfolge der e<strong>in</strong>zelnen Gesprächsphasen nicht e<strong>in</strong>gehalten worden ist oder das CISD zufrüh, d. h. noch während des eigentlichen Notfallgeschehens durchgeführt wurde. Schließlichwird zur CISD-Kritik angemerkt, daß CISD <strong>in</strong> ihr häufig isoliert und nicht im Gesamtzusammenhangder CISM-Methodik betrachtet worden ist (vgl. MÜLLER-LANGE2001a, S. 282-283 u. LASOGGA/GASCH 2002b, S. 179-180).Im Endeffekt bleibt dennoch festzuhalten, daß e<strong>in</strong>e abschließende Bewertung von CISDzum augenblicklichen Zeitpunkt (noch) nicht - und sicherlich auch nicht im Rahmen diesesExkurses - gegeben werden kann.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 138Die weiteren Ausführungen zur Entwicklung e<strong>in</strong>es CISM-K<strong>in</strong>dertreffens wurden <strong>in</strong>sofern<strong>in</strong> dem Bewußtse<strong>in</strong> geschrieben (und mit dieser E<strong>in</strong>schränkung sollten sie auch gelesenwerden), daß die Anwendung dieses neuen Nachsorgeangebotes <strong>in</strong> der Praxis erst nochbehutsam erprobt bzw. evaluiert werden muss und erst dann grundsätzlich empfohlen werdenkann, wenn die Zweifel an der Wirksamkeit von CISD ausgeräumt s<strong>in</strong>d bzw. endgültigeKlarheit bezüglich derjenigen Personengruppen besteht, die an e<strong>in</strong>em Debrief<strong>in</strong>g teilnehmenbzw. eben nicht teilnehmen sollten.7.2. Überlegungen zur Konzeption e<strong>in</strong>es CISM-K<strong>in</strong>dertreffens7.2.1. Begründung e<strong>in</strong>es CISM-K<strong>in</strong>dertreffensDie notfallpsychologische <strong>Hilfe</strong>leistung umfasst zweifellos nicht nur Maßnahmen der <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> im eigentlichen Notfallgeschehen, sondern ebenso - wie es auch dasCISM-Konzept vorsieht - die psychologische bzw. auch pädagogische Vorbereitung aufNotfälle und weitere Nachsorgemaßnahmen nach Notfällen. In diesem Zusammenhangwurde bereits auf das Modell e<strong>in</strong>er Verkettung notfallpsychologischer Interventionen h<strong>in</strong>gewiesen,wie es von mehreren Autoren – mit jeweiligen Unterschieden im Detail - vorgestelltworden ist (vgl. LUCAS 2001, S. 17; KARUTZ/DUVEN 2002, S. 10 u. HAUS-MANN 2003, S. 16) 103 .Im folgenden Abschnitt sollen daher Überlegungen zur Konzeption e<strong>in</strong>es bisher noch nichtzur Verfügung stehenden CISM-K<strong>in</strong>dertreffens beschrieben werden, das – neben vielenanderen – als e<strong>in</strong> denkbares Notfallnachsorgeangebot für K<strong>in</strong>der möglich ersche<strong>in</strong>t undsich <strong>in</strong>sofern an die bisher beschriebenen Maßnahmen der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> fürK<strong>in</strong>der anschließen könnte 104 .Everly und Michell (bzw. die Übersetzer Igl und Müller-Lange) geben vor diesem H<strong>in</strong>tergrundjedenfalls an, daß <strong>in</strong>sbesondere das CISM-Debrief<strong>in</strong>g pr<strong>in</strong>zipiell für alle Bevölkerungsgruppengeeignet ist, wenngleich die CISM-Methodik und <strong>in</strong>besondere das CISM-Debrief<strong>in</strong>g ursprünglich für E<strong>in</strong>satz- und Sicherheitskräfte konzipiert wurde (vgl. EVER-LY/MITCHELL 1998, S. 21). E<strong>in</strong>e Durchführung von CISM-Debrief<strong>in</strong>gs mit <strong>betroffenen</strong>103 Siehe S. 127.104 Im Zusammenhang mit der <strong>in</strong> Abschnitt 6 dargestellten Vorbereitung auf Notfälle, den H<strong>in</strong>weisen zur<strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> im Notfallgeschehen ergibt sich dadurch zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong> mögliches Gesamtkonzeptfür die notfallpsychologische Ar<strong>bei</strong>t mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 139<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wird ausdrücklich für möglich gehalten, sofern sie „auf das Alter der Teilnehmerabgestimmt“ s<strong>in</strong>d (EVERLY/MITCHELL 1998, S. 96; vgl. auch EVERLY/MITCHELL2002, S. 29 und 84). In diesem Zusammenhang ist <strong>in</strong> der Fachliteratur auch der H<strong>in</strong>weisauf bereits durchgeführte Debrief<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> Schulen zu f<strong>in</strong>den (vgl. EVERLY/MITCHELL1998, S. 22; EVERLY/MITCHELL 2002, S. 86); und Tabelle 17 enthält e<strong>in</strong>e <strong>bei</strong>spielhafteAuflistung von Situationen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> CISM-K<strong>in</strong>dertreffen angeboten werden könnte.Situationen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> CISM-K<strong>in</strong>dertreffen angeboten werden könnte• Geiselnahme von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>• Gewalttaten <strong>in</strong> Schulen, K<strong>in</strong>dergärten oder K<strong>in</strong>derheimen• Andere Verbrechen an <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> oder Verbrechen, die vor den Augen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> verübt worden s<strong>in</strong>d• Brände und Explosionen <strong>in</strong> Schulen, K<strong>in</strong>dergärten- sowie K<strong>in</strong>derheimen• (Verkehrs-) Unfälle mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als Zeugen des Geschehens• Schulbusunglücke• Ertr<strong>in</strong>kungsunfälle (z. B. im Schwimmunterricht)• Andere Notfallsituationen und (Groß-) Schadensereignisse, <strong>in</strong> denen K<strong>in</strong>der beteiligt s<strong>in</strong>d oder dieK<strong>in</strong>der betroffen gemacht habenTabelle 17: Situationen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong> CISM-K<strong>in</strong>dertreffen angeboten werden könnteDa zum<strong>in</strong>dest im deutschsprachigen Raum jedoch noch ke<strong>in</strong>e Veröffentlichung darübervorliegt, wie die geforderte Abstimmung auf das Alter der Teilnehmer konkret geleistetwerden kann, ist die zielgruppenorientierte Weiterentwicklung der bisherigen CISM-Debrief<strong>in</strong>g-Konzeption Gegenstand der folgenden Ausführungen 105 .Sie basiert auf der verfügbaren notfallpsychologischen Fachliteratur, auf der Auswertungschriftlich dokumentierter Notfallnachsorgemaßnahmen durch Notfallseelsorger <strong>in</strong> Schulenund K<strong>in</strong>dergärten (vgl. WERNEBURG 2001; NOTFALLSEELSORGE BAYERN 2003 u.KARUTZ/DUVEN 2002), und naheliegenderweise werden auch Erfahrungen des Autorsberücksichtigt, die im Rahmen der bereits beschriebenen Befragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> gewonnenwurden. E<strong>in</strong>e empirisch abgesicherte Fundierung des Textes im folgenden Abschnittkann da<strong>bei</strong> dennoch nicht beansprucht werden, weil die durchgeführte Befragung der K<strong>in</strong>dervon vornhere<strong>in</strong> schlichtweg nicht darauf ausgerichtet war, e<strong>in</strong> CISM-K<strong>in</strong>dertreffen zukonzipieren. Die Idee für dieses CISM-K<strong>in</strong>dertreffen ist vielmehr erst <strong>in</strong> den zahlreichenGesprächen mit Notfallseelsorgern, Lehrern und Schulleitern entstanden, die parallel zurBefragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong>formell geführt worden s<strong>in</strong>d.105 Die Entwicklung zielgruppenorientierter Debrief<strong>in</strong>gs (ZGOD) wurde übrigens schon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderenZusammenhang vorgeschlagen (vgl. hierzu CLEMENS/LÜDKE 2000, S. 5).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1407.2.2. Grundsätzliches und Überlegungen zur NamensgebungZunächst sollte es sich zum<strong>in</strong>dest <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Vor- und Grundschulalter nicht bzw.zum<strong>in</strong>dest nicht ausschließlich um e<strong>in</strong>e bloße Nachbesprechung handeln, weil dem dieSprachentwicklung und die Sprachfähigkeit von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> dieser Altersgruppe entgegenstehen dürfte. Während es für Erwachsene weitaus weniger problematisch se<strong>in</strong> dürfte, Gefühleund Gedanken <strong>in</strong> Worte zu kleiden und somit adäquat zu verbalisieren, könnten kle<strong>in</strong>ereK<strong>in</strong>der diesbezüglich u. U. überfordert werden: Sie s<strong>in</strong>d entwicklungsbed<strong>in</strong>gt möglicherweisenoch nicht dazu <strong>in</strong> der Lage, Empf<strong>in</strong>dungen ausschließlich <strong>in</strong> verbalisierterSprache mitzuteilen (vgl. LOHAUS 1990, S. 19 u. DE KUIPER 1999, S. 7 u. 10) und benötigendementsprechend zusätzliche Möglichkeiten, sich (v. a. Erwachsenen gegenüber)treffend auszudrücken und verständlich zu machen. Welche Möglichkeiten dies konkretse<strong>in</strong> können, wird unten noch ausführlicher dargestellt. An dieser Stelle soll der H<strong>in</strong>weisauf die Tatsache genügen, daß v. a. <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Vor- und Grundschulalter jedenfallsnicht nur von e<strong>in</strong>er Nachbesprechung die Rede se<strong>in</strong> sollte: Zwar wird auch weiterh<strong>in</strong> – wie<strong>bei</strong> der üblichen CISM-Debrief<strong>in</strong>g-Konzeption - durchaus e<strong>in</strong> Gruppenprozess angestrebt,<strong>in</strong> dem es unter anderem um den Austausch persönlicher E<strong>in</strong>drücke und Erfahrungen gehensoll – die da<strong>bei</strong> angebotenen Kommunikationswege und –mittel sche<strong>in</strong>en gegenübere<strong>in</strong>em CISD für Erwachsene allerd<strong>in</strong>gs ergänzungsbedürftig.Die Bezeichnung e<strong>in</strong>er Zusammenkunft von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nach belastenden Ereignissen als„CISM-K<strong>in</strong>dertreffen“ läßt sich vor diesem H<strong>in</strong>tergrund <strong>in</strong> mehrfacher H<strong>in</strong>sicht begründen:So wird eben auch <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em üblichen „Treffen“ von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nicht nur gesprochen,sondern gespielt, gesungen oder etwas geme<strong>in</strong>sames unternommen etc. Zugleich signalisiertder Begriff e<strong>in</strong>es „K<strong>in</strong>dertreffens“ die Zwanglosigkeit und die Normalität der Veranstaltung,wie dies auch der bisherigen Konzeption von CISM-Nachsorgeangeboten entspricht:Schließlich soll ganz grundsätzlich ke<strong>in</strong>e Therapie für psychisch Erkrankte durchgeführtwerden, sondern es geht darum, Menschen, die auf e<strong>in</strong>e unnormale Situation normalreagiert haben, <strong>Hilfe</strong>stellung <strong>bei</strong> der Bear<strong>bei</strong>tung belastender Ereignisse anzubieten(vgl. EVERLY/MITCHELL 1998, S. 29, 115 u. 203 u. WIETERSHEIM 2001, S. 1).Über diese H<strong>in</strong>weise zur bloßen Bezeichnung des neuen Nachsorgeangebotes h<strong>in</strong>aussche<strong>in</strong>t es nun angebracht, auf e<strong>in</strong>e zweifellos notwendig werdende Medien- und Methodenvielfalth<strong>in</strong>zuweisen: Während e<strong>in</strong> CISM-Debrief<strong>in</strong>g, <strong>bei</strong> der die Teilnehmer <strong>in</strong> e<strong>in</strong>ervorgegebenen Sitzordnung und noch dazu über e<strong>in</strong>en u. U. relativ langen Zeitraum mehroder weniger bewegungslos auf ihren Stühlen sitzen (müssen), schon von Erwachsenen


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 141mitunter als anstrengend empfunden werden dürfte, sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong>e solchermaßen monotone„Sitzung“, nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Körperbeherrschung, des stärkeren Bewegungsdrangessowie der meist noch unzureichend entwickelten Konzentrationsfähigkeitvon <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (REMSCHMIDT 1994, S. 257-258), kaum bzw. gar nicht durchführbar.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund sollte e<strong>in</strong> CISM-K<strong>in</strong>dertreffen – eben genauso wie e<strong>in</strong>e üblicheVerabredung unter <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> ihrer Freizeit - vor allem abwechslungsreich gestaltet werden,nicht zu lange dauern und auch Gelegenheit zu körperlicher Bewegung bzw. Betätigung<strong>bei</strong>nhalten.7.2.3. Überlegungen zur Freiwilligkeit der Teilnahme und zum TeilnehmerkreisZunächst sche<strong>in</strong>t hier der E<strong>in</strong>satz von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als Peers ausgesprochen problematisch, weil<strong>in</strong>teressanterweise sogar aus Sicht der CISM-Vertreter „die Gefahr [besteht], daß die jungenMenschen im Rahmen der Trauma<strong>in</strong>tervention selbst traumatisiert werden könnten“(MITCHELL/EVERLY 1998, S. 74). Zusätzliche Probleme ergeben sich im H<strong>in</strong>blick aufdie meist geforderte Freiwilligkeit der Teilnahme an e<strong>in</strong>em CISD (STEPAN/JATZKO2000, S. 548; MITCHELL/EVERLY 1998, S. 115 u. MÜLLER-LANGE 2001, S. 283)sowie den S<strong>in</strong>n und Nutzen e<strong>in</strong>es eventuellen E<strong>in</strong>bezugs von Bezugspersonen der K<strong>in</strong>derbzw. deren Eltern <strong>in</strong> das Nachsorge-K<strong>in</strong>dertreffen:Ob K<strong>in</strong>der selbständig entscheiden können, ob sie an e<strong>in</strong>em Nachsorge-K<strong>in</strong>dertreffen teilnehmenmöchten oder nicht, mag zunächst fraglich ersche<strong>in</strong>en und bedarf letztlich nochder Klärung. Dennoch steht aus Sicht des Autors fest, daß man <strong>in</strong> der bloßen (und u. U.somit irrigen) Annahme, K<strong>in</strong>der könnten hier ohneh<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e eigene, selbst verantworteteEntscheidung treffen, nicht leichtfertig den Fehler begehen darf, ihnen die Entscheidungvon vornhere<strong>in</strong> abzunehmen. In jedem Fall sollten K<strong>in</strong>der über den Anlaß bzw. die Begründunge<strong>in</strong>es CISM-K<strong>in</strong>dertreffens <strong>in</strong>formiert werden, um den Prozess e<strong>in</strong>er eigenenEntscheidungsf<strong>in</strong>dung zum<strong>in</strong>dest zu unterstützen. Ebenso sollte <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> die Gelegenheitgegeben werden, eigene Wünsche – aber auch e<strong>in</strong>e womöglich ablehnende Haltung - bezüglichder eventuellen Teilnahme am CISM-K<strong>in</strong>dertreffen offen äußern zu können. Jedes(auch nonverbale) Zeichen e<strong>in</strong>er Ablehnung muß schließlich ernst genommen und akzeptiertwerden; der weit verbreitete Gedanke, demzufolge K<strong>in</strong>der „zu ihrem Glück gezwungen“werden müssen, gilt hier ausdrücklich nicht: E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d gegen se<strong>in</strong>en Willen zur Teilnahmeam Nachsorge-K<strong>in</strong>dertreffen zu zw<strong>in</strong>gen, ist absolut unakzeptabel.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 142Unter Umständen könnte die Motivation zur Teilnahme am Nachsorge-K<strong>in</strong>dertreffen allerd<strong>in</strong>gsdadurch gesteigert werden, daß e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d sicher se<strong>in</strong> kann, dort auch se<strong>in</strong>e Freundebzw. viele andere K<strong>in</strong>der zu treffen, die das gleiche belastende Ereignis miterlebt habenund mit denen es auf diese Weise verbunden ist: Parallel zur erwachsenengerechten CISD-Konzeption könnte sich hier die Bedeutung der angestrebten, positiv wirkenden Gruppendynamik,d. h. vor allem die angestrebte Stärkung des sozialen Netzes e<strong>in</strong>er Gruppe zeigen.Jones stellt diesbezüglich z. B. fest, daß „der wirkliche Wert [von Interventionsangebotenfür Gruppen nach e<strong>in</strong>em Trauma] [...] – besonders für junge Menschen [!] - dar<strong>in</strong>[liegt], daß andere unter solchen Umständen die gleichen starken Gefühle haben, daß niemandmit se<strong>in</strong>en Problemen, Ängsten, se<strong>in</strong>er Trauer und se<strong>in</strong>er Wut alle<strong>in</strong>e ist“ (zit. n.MITCHELL/EVERLY 1998; Zus. v. H. K.).Im H<strong>in</strong>blick auf S<strong>in</strong>n und Nutzen der eventuellen Anwesenheit von Bezugspersonen bzw.Eltern e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des zeigt sich an dieser Stelle noch umfassender Diskussions-, vor allemaber Forschungsbedarf: Während die Anwesenheit von Bezugspersonen bzw. Eltern ihren<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> e<strong>in</strong>erseits zusätzlichen Schutz bietet und zweifellos e<strong>in</strong> Sicherheitsgefühl vermittelt(was sicherlich s<strong>in</strong>nvoll ist), können andererseits gerade die o. g. gruppendynamischenProzesse im CISM-K<strong>in</strong>dertreffen empf<strong>in</strong>dlich gestört werden, weil das Verhalten der Bezugspersonensich unmittelbar auf das Verhalten der K<strong>in</strong>der auswirkt bzw. dieses verändertund sich hier fatale Wechselwirkungen ergeben können (zur Darstellung von Wechselwirkungenzwischen Eltern und <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Notfallgeschehen vgl. KARUTZ 2001, S.57-59). Zudem ist festzustellen, daß CISM-Nachsorgeangebote <strong>in</strong> der Regel ohneh<strong>in</strong> nurfür unmittelbar Betroffene konzipiert wurden – also für den Personenkreis, der das belastendeEreignis selbst miterlebt hat (vgl. MITCHELL/EVERLY 1998, S. 126-127). Invielen Fällen (d. h. dann, wenn die Eltern nicht selbst im Notfallgeschehen anwesend waren)wäre die Anwesenheit der Bezugspersonen bzw. Eltern e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des somit eigentlichausgeschlossen. E<strong>in</strong>e abschließende Bewertung der Problematik kann an dieser Stelle dennochnicht gegeben werden.7.2.4. Eigene Vorbereitung auf die Durchführung e<strong>in</strong>es CISM-K<strong>in</strong>dertreffensGrundsätzlich gilt, daß das Team, von dem das CISM-K<strong>in</strong>dertreffen geleitet werden soll,<strong>in</strong> ganz besonderem Maße vorbereitet se<strong>in</strong> muß. Zur hier geforderten Vorbereitung gehörtnicht nur die genaue Information über das vorangegangene Notfallgeschehen (wie sie <strong>bei</strong>jedem CISD ohneh<strong>in</strong> obligatorisch ist), sondern <strong>bei</strong>spielsweise auch die eigene pädagogi-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 143sche und entwicklungspsychologische Schulung. Für e<strong>in</strong> gel<strong>in</strong>gendes CISM-Kíndertreffendürften genaue Kenntnisse über die spezifischen Charakteristika jeweiliger Entwicklungsphasender teilnehmenden K<strong>in</strong>der unerläßlich se<strong>in</strong>; und um <strong>bei</strong>spielsweise zu wissen, wieman mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> unterschiedlicher Altersstufen sprechen kann, muß man selbstverständlichwissen, was sie überhaupt verstehen können.7.2.5. H<strong>in</strong>weise zur E<strong>in</strong>leitungsphase (Phase 1 des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens)Unmittelbar zu Beg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>es CISM-K<strong>in</strong>dertreffens könnte sich zunächst <strong>in</strong>sbesondere dieKontaktaufnahme zu den teilnehmenden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> als schwierig erweisen. Bei jüngeren<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> (etwa im Vor- und Grundschulalter) wird eventuell e<strong>in</strong>e freundlich aussehendePuppe (mit der Stimme des CISM-Teamleiters?) als Sympathieträger den Zugang zu ihnenerleichtern. Das CISM-Team sollte sich zudem mit Vornamen vorstellen und sich „nahbar“zeigen. Getreu dem didaktischen Grundpr<strong>in</strong>zip, Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Lernprozess stets dortabzuholen, wo sie stehen, könnte schließlich danach gefragt werden, ob e<strong>in</strong>es der anwesendenK<strong>in</strong>der sagen kann, was denn eigentlich passiert ist und warum man jetzt überhauptzusammengekommen ist.Um e<strong>in</strong>en geordneten Ablauf des K<strong>in</strong>dertreffens zu gewährleisten, ist es u. U. aber auchs<strong>in</strong>nvoll, zuvor bereits konkrete „Regeln des Mite<strong>in</strong>anders“ (visualisiert auf e<strong>in</strong>em Plakato. ä.) zu implementieren, wie es auch <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dergartengruppen und Grundschulklassen vielerortsüblich ist. Festgelegt werden sollte <strong>bei</strong>spielsweise, daß stets nur e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d sprechendarf, daß aber jedes K<strong>in</strong>d jederzeit Fragen stellen kann, die ihm wichtig s<strong>in</strong>d etc. WeitereRegeln wie etwa „Wir trösten uns, wenn jemand traurig ist“ (d. h. wenn z. B. e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zuwe<strong>in</strong>en beg<strong>in</strong>nt) könnten wiederum von vornhere<strong>in</strong> dazu <strong>bei</strong>tragen, die Gruppe der anwesendenK<strong>in</strong>der als solche zu stärken und e<strong>in</strong> helfendes Mite<strong>in</strong>ander zu fördern.7.2.6. H<strong>in</strong>weise zur Tatsachenphase (Phase 2 des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens)Mit der Aufforderung, das Geschehene zu erzählen („Erzählt doch mal!“), wäre anschließenddie E<strong>in</strong>leitung der Tatsachenphase denkbar. Hier<strong>bei</strong> wird zu berücksichtigen se<strong>in</strong>, daßK<strong>in</strong>der – wie es auch <strong>bei</strong> den Befragungen deutlich geworden ist - außerordentlich aufmerksameBeobachter s<strong>in</strong>d. Es kann jedenfalls davon ausgegangen werden, daß diese Phasevermutlich e<strong>in</strong>e längere Zeit <strong>in</strong> Anspruch nehmen wird und K<strong>in</strong>der sich rege beteiligen.Nach Möglichkeit sollte jedes K<strong>in</strong>d, das dies möchte, <strong>in</strong> der Tatsachenphase auch ausführlichzu Wort kommen, ohne unterbrochen zu werden. Die Gefahr besteht allerd<strong>in</strong>gs dar<strong>in</strong>,


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 144daß diese Phase dann bereits e<strong>in</strong>en so langen Zeitraum beansprucht, daß der weitere Ablaufdes CISM-K<strong>in</strong>dertreffens gefährdet wird. Letztlich müsste also ggf. behutsam <strong>in</strong>terveniertwerden, um die folgende Phase des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens e<strong>in</strong>leiten zu können.7.2.7. H<strong>in</strong>weise zur Austauschphase (Phase 3 des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens)Die dritte und vierte Phase der CISM-Debrief<strong>in</strong>g-Konzeption für Erwachsene (Gedankenund Reaktionen) können von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> vermutlich nicht h<strong>in</strong>reichend unterschieden werden106 ; e<strong>in</strong>e Unterscheidung ist im CISM-K<strong>in</strong>dertreffen möglicherweise auch gar nichtunbed<strong>in</strong>gt notwendig: Ähnlich wie <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>em Defus<strong>in</strong>g könnte deshalb lediglich e<strong>in</strong>e Phasedes Austauschs vorgesehen werden, <strong>in</strong> der Gedanken und Reaktionen gleichermaßen thematisiertwerden. Da nun die Verbalisierung dessen, was e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d möglicherweise ausdrückenmöchte - wie bereits beschrieben - mit Schwierigkeiten verbunden se<strong>in</strong> kann, wirdes <strong>in</strong> dieser Phase des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens unter Umständen nicht immer ausreichen –analog zur CISD-Konzeption für Erwachsene – nur die Gelegenheit zum Sprechen undZuhören zu geben. In den Vordergrund sollte deshalb die Suche nach alternativen Ausdrucksmöglichkeitenfür diejenigen K<strong>in</strong>der treten, denen die benötigten Worte tatsächlichfehlen. Je nach dem Alter der teilnehmenden K<strong>in</strong>der könnte es unter anderem angebrachtse<strong>in</strong>, Bilder malen zu lassen, Spielangebote zu machen, etwas (z. B. aus Knetmasse) zubasteln oder – sofern notwendig – auch geme<strong>in</strong>sam zu s<strong>in</strong>gen oder zu tanzen, um geradee<strong>in</strong>e durch diese Phase möglicherweise gesteigerte Erregung rasch wieder abführen zukönnen und somit dem natürlichen Bewegungsdrang zum<strong>in</strong>dest von jüngeren <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> zuentsprechen (zumal bis zum Erreichen dieser Phase des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens ohneh<strong>in</strong>schon e<strong>in</strong>ige Zeit vergangen se<strong>in</strong> wird).Wenn K<strong>in</strong>der von sich aus zunächst nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Beteiligung an dieser Phase zeigensollten, könnte e<strong>in</strong> kurzer (noch zu erstellender) Film gezeigt werden, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e k<strong>in</strong>dgerechteIdentifikationsfigur e<strong>in</strong> ähnlich belastendes Ereignis erlebt wie die K<strong>in</strong>der zuvor.Be<strong>in</strong>haltet dieser Film dann auch deutlich sichtbar dargestellte Gedanken und Reaktionender Identifikationsfigur, könnte anschließend die Frage gestellt werden, welchen <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>es ähnlich ergangen ist.Wichtig sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> dieser Austauschphase des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens auch die Frage danach,was die K<strong>in</strong>der eigentlich getan haben. Jede Beschreibung e<strong>in</strong>er auch nur m<strong>in</strong>imal s<strong>in</strong>n-106 Diese Auffassung wurde übrigens auch <strong>in</strong> der Konzeption des bereits vorgestellten Fragebogens berücksichtigt(vgl. S. 62-63 und Anlage 1).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 145vollen bzw. hilfreichen Aktivität von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sollte daraufh<strong>in</strong> ausdrücklich gelobt, d. h.positiv verstärkt werden („Das hast Du / habt Ihr richtig gut gemacht!“). Im Idealfall würdeauf diese Weise e<strong>in</strong> Bewußtse<strong>in</strong> dafür geschaffen, daß man trotz der außergewöhnlichenSituation nicht völlig handlungsunfähig (und somit hilflos) gewesen ist: Im H<strong>in</strong>blick aufdie angestrebte kognitive Neubewertung des Geschehens wäre dies zweifellos s<strong>in</strong>nvoll,und zudem würde aus erzieherischer Sicht auch e<strong>in</strong> Beitrag zur Vermeidung der erlerntenHilflosigkeit geleistet.Schließlich wäre auch <strong>in</strong> der Austauschphase des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens die Möglichkeit zubeachten, daß – v. a. <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> der präoperationalen Entwicklungsphase - unbegründeteund teilweise irrationale Schuldgefühle auftreten könnten (d. h. Schuldempf<strong>in</strong>den fürdas Notfallgeschehen an sich, aber auch e<strong>in</strong> „schlechtes Gewissen“, weil man selbst womöglich<strong>unverletzt</strong> geblieben ist, während Freunde oder Angehörige verletzt bzw. sogargetötet wurden) (vgl. LOHAUS 1990, S. 15, 40, 63 u. 113). Gegebenenfalls sollte hier alsoexplizit darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, daß sich niemand schuldig zu fühlen braucht und ke<strong>in</strong>esder teilnehmenden K<strong>in</strong>der Verantwortung für das Geschehene trägt. Ergänzend bietetsich an, alternative Erklärungen anzubieten, die k<strong>in</strong>dgerecht vermittelt werden müssen undes den <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ermöglichen sollen, die eigenen, irrationalen und häufig belastenden Erklärungenabzulösen (vgl. LOHAUS 1990, S. 46 u. HAUSMANN 2003, S. 182).7.2.8. H<strong>in</strong>weise zur Auswirkungsphase (Phase 4 des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens)Bezogen auf die folgende Auswirkungsphase könnte sich nun das Problem zeigen, daßK<strong>in</strong>der nicht unbed<strong>in</strong>gt zu solcher Selbstbeobachtung fähig s<strong>in</strong>d wie Erwachsene bzw. daßsie an sich selbst wahrgenommene Veränderungen – wie bereits geschildert - zum<strong>in</strong>destnicht <strong>in</strong> gleichem Maße verbalisieren können. Um e<strong>in</strong>en Gesprächse<strong>in</strong>stieg zu f<strong>in</strong>den,könnte es von daher erneut s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>en kurzen Film zu zeigen, <strong>in</strong> dem <strong>bei</strong>spielsweisedie Identifikationsfigur des oben bereits beschriebenen Videos - k<strong>in</strong>dgerecht dargestellt- typische Symptome posttraumatischer Belastungsreaktionen zeigt. Die Frage danach,wem es ähnlich ergeht, könnte sich anschließen.7.2.9. H<strong>in</strong>weise zur Informationsphase (Phase 5 des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens)In der folgenden Informationsphase sollte die Ermutigung im Vordergrund stehen, Ängste,Sorgen und andere belastende Kognitionen bzw. Emotionen gegenüber anderen, vor allems<strong>in</strong>nvollerweise den Eltern, unbefangen auszudrücken. Hier wäre zu berücksichtigen, daß


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 146K<strong>in</strong>der mitunter offenbar mehr Angst vor dem haben, was ihre Äußerung bewirkt, als vordem, was (aus Sicht e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des) das Verschweigen verursachen könnte (vgl. DEKUIPER 1999, S. 37). Insofern sollte unbed<strong>in</strong>gt darauf h<strong>in</strong>gewiesen werden, daß es <strong>in</strong> jedemFall gut und richtig ist, Belastendes anderen mitzuteilen und ke<strong>in</strong>esfalls für sich zubehalten.K<strong>in</strong>dgerechte Piktogramme mit klaren, sehr e<strong>in</strong>fach formulierten Handlungsanweisungensollten schließlich zusammenfassen, welche Symptome auftreten können und was mandaraufh<strong>in</strong> tun kann. Z. B. „Wenn Du nicht schlafen kannst, geh zu De<strong>in</strong>en Eltern und sagIhnen bescheid!“ etc.7.2.10. H<strong>in</strong>weise zur Abschlussphase (Phase 6 des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens)In der Abschlußphase könnte daraufh<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>mal die Gelegenheit genutzt werden, um<strong>bei</strong>spielsweise durch das geme<strong>in</strong>same (und bewußt auch ritualisierte) S<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es Liedesdie anwesenden K<strong>in</strong>der als Gruppe zu stärken. Denkbar wäre ebenfalls e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samesGebet oder das geme<strong>in</strong>same Verfassen e<strong>in</strong>es (u. U. auch nur fiktiven) Briefes an die Opferdes Geschehens. Um e<strong>in</strong>en betont positiven, vielleicht sogar hoffnungsvermittelnden Veranstaltungsausklangzu <strong>in</strong>itiieren, sollte jedem K<strong>in</strong>d außerdem e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Präsent überreichtwerden. Besonders wichtig sche<strong>in</strong>t hier auch, die K<strong>in</strong>der auf weitere Notfallnachsorgeangeboteh<strong>in</strong>zuweisen und sie dazu zu ermutigen, diese ggf. auch zu nutzen. Es könnteauch schon hilfreich se<strong>in</strong>, wenn K<strong>in</strong>der sich später trauen, z. B. mit ihren Eltern über Gefühleund Gedanken bezüglich der erlebten Notfallsituation zu sprechen – wo<strong>bei</strong> hier natürlichvorausgesetzt wird, daß die Eltern dann auch dazu <strong>in</strong> der Lage s<strong>in</strong>d, adäquat zu reagieren:E<strong>in</strong> CISM-K<strong>in</strong>dertreffen erfordert somit fast zwangsläufig die zeitnahe bzw. paralleleDurchführung e<strong>in</strong>er Informationsveranstaltung für die Eltern bzw. Bezugspersonenbetroffener K<strong>in</strong>der, <strong>in</strong> der diese u. a. über die möglichen Auswirkungen bzw. Reaktionenvon <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> auf belastende Ereignisse unterrichtet werden sollten.Die Ziele e<strong>in</strong>er solchen Eltern<strong>in</strong>formation könnten dar<strong>in</strong> bestehen, Eltern bzw. Bezugspersonenvon <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> für eventuell entstehende Komplikationen zu sensibilisieren, das womöglichveränderte Verhalten ihrer K<strong>in</strong>der als etwas zunächst Normales zu verstehen sowieletztlich auch die Bereitschaft zu wecken, weitere professionelle <strong>Hilfe</strong> <strong>in</strong> Anspruch zunehmen, sofern dies notwendig ersche<strong>in</strong>t (wenn <strong>bei</strong>spielsweise Symptome e<strong>in</strong>er PosttraumatischenBelastungsreaktion auch nach mehreren Wochen nicht abkl<strong>in</strong>gen und somit dasVorliegen e<strong>in</strong>er Posttraumatische Belastungsstörung vermutet werden muß).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1477.2.11. Weitere H<strong>in</strong>weise zur Durchführung e<strong>in</strong>es CISM-K<strong>in</strong>dertreffensIn der Praxis wird sich zeigen, ob zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Phasen des CISM-K<strong>in</strong>dertreffens u. U. noch e<strong>in</strong>e oder mehrere Pausen e<strong>in</strong>gefügt werden müssen, sofern <strong>bei</strong>spielsweisedie Konzentrations- bzw. Aufnahmefähigkeit der teilnehmenden K<strong>in</strong>der erschöpftsche<strong>in</strong>t.Außerdem sollte das explizit phasenweise Vorgehen, wie es <strong>in</strong> diesem Exkurs geschildertworden ist, ke<strong>in</strong>esfalls als Dogma missverstanden werden. Die ausführliche Beschreibunge<strong>in</strong>zelner Phasen dient vielmehr als Leitl<strong>in</strong>ie, die die Durchführung e<strong>in</strong>es CISM-K<strong>in</strong>dertreffens erleichtern soll. An dieser Stelle ist möglicherweise sogar e<strong>in</strong> abschließenderH<strong>in</strong>weis auf den Umgang mit pädagogischen Phasenkonzepten und Stufenschemata zurUnterrichtsvorbereitung angebracht: Wenn (hilfreiche und zweifellos notwendige!) Spontanität,Kreativität und Lebendigkeit sowie e<strong>in</strong> flexibles Reagieren auf <strong>in</strong>dividuelle Bedürfnissee<strong>in</strong>er Gruppe oder e<strong>in</strong>zelner Teilnehmer dadurch nicht mehr möglich s<strong>in</strong>d, dürftesich e<strong>in</strong> nahezu „sklavisches Abar<strong>bei</strong>ten“ formaler Vorgaben sowohl im schulischen Unterrichtals auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em CISM-K<strong>in</strong>dertreffen stets eher kontraproduktiv auswirken (vgl.MEYER 1994, S. 170ff u. 190-194).


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1488. Diskussion und AusblickIm folgenden Abschnitt der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t werden die bisherigen Ausführungen kritischund abschließend reflektiert. Insbesondere ist auf weiterh<strong>in</strong> unbeantwortete Fragestellungenbzw. sogar neu aufgetretene Unklarheiten h<strong>in</strong>zuweisen, <strong>in</strong> deren Zusammenhangoffenbar noch weiterer Forschungsbedarf besteht. Darüber h<strong>in</strong>aus sollen möglicheKonsequenzen und weitere Forderungen thematisiert werden, die sich aus der vorliegendenAr<strong>bei</strong>t ableiten lassen.1. Die Ergebnisse der explorativen Studie, die v. a. <strong>in</strong> den Abschnitten 3 und 4 beschriebenworden s<strong>in</strong>d und die zweifellos den wichtigsten Bestandteil dieser Ar<strong>bei</strong>t ausmachen,müssen verständlicherweise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unmittelbaren Zusammenhang mit denjenigenNotfallsituationen <strong>in</strong>terpretiert werden, auf die sich die jeweilige Befragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>bezogen hat.Hier handelte es sich <strong>in</strong> allen Fällen um Individualnotfälle, <strong>bei</strong> denen jeweils nur e<strong>in</strong>ePerson verletzt oder erkrankt war; Massenanfälle von Verletzten, d. h. Große<strong>in</strong>sätze desRettungsdienstes konnten deshalb nicht berücksichtigt werden. Auch e<strong>in</strong>e Eigengefährdungder später befragten K<strong>in</strong>der war <strong>in</strong> den jeweiligen Notfallsituationen zu ke<strong>in</strong>emZeitpunkt gegeben. Zudem wurde <strong>in</strong> der explorativen Studie nur e<strong>in</strong> Notfall berücksichtigt,<strong>in</strong> dem der Patient verstorben ist 107 .Dennoch handelte es sich <strong>bei</strong> allen Situationen, die der Befragung zugrunde lagen, umNotfallsituationen, wie sie <strong>in</strong> Abschnitt 1.1.1. dieser Ar<strong>bei</strong>t ausführlich beschrieben unddef<strong>in</strong>iert worden s<strong>in</strong>d. Insofern könnte man u. U. diskutieren, ob man <strong>bei</strong>spielsweise dieNotfälle mit eher leicht Verletzten oder relativ harmlos erkrankten Notfallpatienten besserunberücksichtigt gelassen hätte. Allerd<strong>in</strong>gs wäre im Kontext dieser Forderung noche<strong>in</strong>mal darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß sich die Aussagen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die <strong>bei</strong> den Notfällenmit leicht Verletzten anwesend waren, nicht signifikant von denen unterschieden, dieNotfällen mit schwer Verletzten miterlebt hatten.Aus Sicht des Verfassers bietet es sich deshalb viel eher an, nicht im Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> die derStudie zugrunde liegende Def<strong>in</strong>ition von Notfällen <strong>in</strong> Frage zu stellen, sondern nochmalsauf e<strong>in</strong>e dr<strong>in</strong>gend notwendige Unterscheidung von Notfallsituationen und Situa-


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 149tionen, die zu e<strong>in</strong>er psychischen Traumatisierung führen h<strong>in</strong>zuweisen: Notfälle könnentraumatisieren, sie s<strong>in</strong>d aber nicht zwangsläufig mit e<strong>in</strong>er Traumatisierung verbunden108 .In diesem S<strong>in</strong>ne ist die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t e<strong>in</strong>e vorrangig notfallpsychologische Ar<strong>bei</strong>t,<strong>in</strong> der traumatisierende Situationen eben nur e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>ge Bedeutung haben.Daß man mit e<strong>in</strong>er Untersuchung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, die ausschließlich schwerste Notfallsituationenmit vielen Verletzten und Toten, <strong>in</strong> denen sie selbst gefährdet waren, durchauszu anderen Ergebnissen kommen würde, ist sicherlich nicht auszuschließen. Auch solltendie <strong>in</strong> dieser Ar<strong>bei</strong>t vorgestellten H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> zunächst <strong>in</strong>den Situationen angewendet werden, aus denen heraus sie entstanden s<strong>in</strong>d und für diesie konzipiert wurden 109 . Ihre Übertragung auf andere Notfallsituationen (z. B. Massenanfällevon Verletzten und Geiselnahmen) kann ohne zusätzliche Überprüfungen anhandentsprechender Stichproben nicht ohne weiteres empfohlen werden.2. Zusätzliche Überprüfungen sollten auch im H<strong>in</strong>blick auf die Angaben zu alters- undgeschlechtsspezifischen Besonderheiten der <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> erfolgen: Währendsich die grundsätzlichen bzw. allgeme<strong>in</strong>en Regeln, wie sie das „FRITZCHEN“-Konzept enthält, statistisch recht zuverlässig auf entsprechende Häufigkeiten der ihnenzugrunde liegenden Angaben der Gesamtstichprobe (!) zurückführen lassen, basierendie H<strong>in</strong>weise zur differentiellen <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> überwiegend auf sehr kle<strong>in</strong>en(Teil-) Stichproben.3. E<strong>in</strong>e zentrale Erkenntnis, die <strong>in</strong> dieser Ar<strong>bei</strong>t gewonnen werden konnte, ist die Relativierungvon S<strong>in</strong>n und Nutzen des Abschirmens <strong>unverletzt</strong>-betroffener K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Notfällen.Auf der e<strong>in</strong>en Seite kann es nach wie vor nicht empfohlen werden, e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d generelle<strong>in</strong>em Notfallgeschehen zuschauen zu lassen – auf der anderen Seite kann auchnicht mehr pauschal empfohlen werden, K<strong>in</strong>der von Notfällen fern zu halten und sie –wie es bislang hieß – vor dem Anblick des Geschehens „zu schützen“ (vgl. z. B. P.A.P./BARTELS/KARUTZ/MÜLLER-LANGE/SEFRIN 2002, S. 10 u. FISCHER/RIED-ESSER 1999, S. 187).Um nun zu entscheiden, ob e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d zuschaut oder abgeschirmt wird, wurde daraufh<strong>in</strong>gewiesen, daß unbed<strong>in</strong>gt die <strong>in</strong>dividuelle Bedürfnislage des K<strong>in</strong>des, e<strong>in</strong>e eventuelleVerstärkung der psychischen Belastungen von Notfallpatienten durch die Anwesenheit107 Siehe S. 76.108 Siehe Fußnote 17, S. 24.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 150zuschauender K<strong>in</strong>der, das Risiko e<strong>in</strong>er Eigengefährdung und e<strong>in</strong>e eventuelle Beh<strong>in</strong>derungder Rettungsar<strong>bei</strong>ten berücksichtigt werden muss. Zudem konnte festgestellt werden,daß der Anblick von Blut und Notfallpatienten offenbar belastend ist, während v. a.der Anblick von Hilfsmaßnahmen als hilfreich und angenehm bzw. entlastend beschriebenwurde – und auch dies müsste man <strong>in</strong> die Entscheidungsf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>beziehen.Ob <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation jedoch möglich ist, e<strong>in</strong>e von so vielen Faktoren abhängig zumachende <strong>Hilfe</strong>leistung überhaupt durchzuführen, bleibt abzuwarten bzw. sollte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>erEvaluationsstudie (siehe unten) überprüft werden. U. U. ist es allerd<strong>in</strong>gs schon als e<strong>in</strong>eVerbesserung des bisherigen Umgangs mit <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> an Notfallortenanzusehen, wenn sie nicht mehr pauschal bzw. immer abgeschirmt werden, sondernman zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> Erwägung zieht, ob e<strong>in</strong> weiteres und v. a. natürlich begleitetesZuschauen nicht ebenso s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong> könnte.Die Formulierung der entsprechenden Regel im „FRITZCHEN“-Konzept als „Reizaufnahme/ Wahrnehmung auf die <strong>Hilfe</strong>leistung lenken, ggf. Abschirmen“ 110 sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> diesemZusammenhang angemessen: Wenn es <strong>in</strong> der jeweiligen Notfallsituation möglichist, die Wahrnehmung auf die <strong>Hilfe</strong>leistung zu lenken und da<strong>bei</strong> alle genannten Aspektezu berücksichtigen (die Maßnahme entspricht der Bedürfnislage des K<strong>in</strong>des, der Notfallpatientwird durch das zuschauende K<strong>in</strong>d nicht stärker belastet, es besteht ke<strong>in</strong>e Eigengefährdung,und die Rettungsar<strong>bei</strong>ten werden nicht beh<strong>in</strong>dert) soll dies getan werden.Sofern dies ausgeschlossen sche<strong>in</strong>t, soll e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d abgeschirmt werden 111 , wo<strong>bei</strong>dann die übrigen Regeln des „FRITZCHEN“-Konzepts zu beachten wären.4. Dr<strong>in</strong>gender Forschungsbedarf besteht nach wie vor h<strong>in</strong>sichtlich der Wirksamkeit vonCISM-Debrief<strong>in</strong>gs. Hier wäre es wünschenswert, <strong>in</strong> naher Zukunft Klarheit bezüglichfolgender Fragestellungen zu erhalten: Welchem Personenkreis hilft die Teilnahme ane<strong>in</strong>em Debrief<strong>in</strong>g, wie lässt sich diese Wirkungsweise begründen 112 und für welchenPersonenkreis s<strong>in</strong>d Debrief<strong>in</strong>gs mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit eher mit ungünstigenAuswirkungen verbunden, so daß von e<strong>in</strong>er Teilnahme abgeraten werden sollte?5. Die Umsetzung der <strong>in</strong> dieser Ar<strong>bei</strong>t vorgestellten H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong><strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> durch den Rettungsdienst ist offenbar erst mög-109 Siehe S. 15-16 u. 75-82.110 Siehe S. 116.111 Daher auch die Formulierung „Reizaufnahme / Wahrnehmung auf die <strong>Hilfe</strong>leistung lenken, ggf. (!) abschirmen“


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 151lich, wenn auch die Zuständigkeit für diese psychologische <strong>Hilfe</strong>leistung durch denRettungsdienst anerkannt worden ist und dies zu Veränderungen <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>satztaktik,der E<strong>in</strong>satzplanung sowie den Alarm- und Ausrückeordnungen der Rettungsdiensteführt 113 .In diesem Zusammenhang wäre sogar denkbar, das Berufsbild von Rettungsassistenten<strong>in</strong>sgesamt verstärkt notfallpsychologisch auszurichten und damit der Diskussion umAufgabenbereiche und Zuständigkeiten, die Rettungsassistenten <strong>in</strong> Zukunft eigenverantwortlichwahrgenommen sollen, e<strong>in</strong>en völlig neuen Impuls zu geben. Bislang wirddiese Diskussion nach e<strong>in</strong>er möglichen Kompetenzerweiterung von Rettungsassistentennahezu ausschließlich im H<strong>in</strong>blick auf die Übernahme e<strong>in</strong>iger Behandlungsmaßnahmengeführt, die eigentlich dem Arzt vorbehalten s<strong>in</strong>d. Insofern überrascht es auch nicht, daßdie Forderung von Rettungsassistenten nach e<strong>in</strong>er eigenverantwortlichen Durchführungkle<strong>in</strong>erer <strong>in</strong>vasiver E<strong>in</strong>griffe, der Durchführung der Defibrillation sowie der Gabe ausgewählterMedikamente auf teilweise heftige Ablehnung stößt (vgl. HÜNDORF 2002;GLIWITZKY 2002, SEEGER 2002 u. ATZBACH/GLIWITZKY 2003).Mit der Konzentration auf e<strong>in</strong>e verstärkt notfallpsychologische Ausrichtung der Tätigkeitvon Rettungsassistenten würden e<strong>in</strong>erseits nicht nur unnötige Kompetenzstreitigkeitenzwischen ärztlichen und nicht-ärztlichen Mitar<strong>bei</strong>tern des Rettungsdienstes vermieden,es würde andererseits v. a. auch berücksichtigt, daß gerade <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sichttatsächlicher Bedarf an e<strong>in</strong>er Kompetenzsteigerung besteht (vgl. LASOGGA/GASCH2002b, S. 57-58 u. LUIZ/SCHMITT/MADLER 2002).Der bisherige, <strong>in</strong>sgesamt sehr e<strong>in</strong>seitige Verlauf der Diskussion zur Weiterentwicklungdes Berufsbildes von Rettungsassistenten bietet jedoch nur wenig Anlaß zur Hoffnung,daß solche Anregungen berücksichtigt werden. (vgl. KARUTZ/HOCKAUF/BRAUN/WAGNER 2003a u. SPENGLER 2003).6. Die Umsetzung von Konzepten zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Schulen sche<strong>in</strong>t nicht möglich, ohne zunächst Lehrer notfallpsychologischaus- bzw. fort- und weiterzubilden, die entsprechenden Organisationsstrukturen zuschaffen und diese <strong>in</strong> entsprechenden Erlassen und Verordnungen auch e<strong>in</strong>heitlich und112 Zu wissen, wie e<strong>in</strong> Debrief<strong>in</strong>g wirkt, ist deshalb so wichtig, weil erst ausgehend von diesem Wissen auchDebrief<strong>in</strong>gkonzeptionen begründet (und für potentielle Teilnehmerkreise differenziert) verändert werdenkönnten.113 Siehe S. 125.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 152e<strong>in</strong>deutig zu regeln - hier s<strong>in</strong>d die zuständigen M<strong>in</strong>isterien und Bezirksregierungen zuraschem und entschlossenen Handeln aufgefordert.Die beschriebene Gründung e<strong>in</strong>es schul<strong>in</strong>ternen „Notfallteams“ 114 darf <strong>bei</strong>spielsweisenicht der Freiwilligkeit bzw. dem <strong>in</strong>dividuell unterschiedlichen Engagement e<strong>in</strong>zelnerLehrer (bzw. Schulleiter) überlassen werden, sondern sollte verb<strong>in</strong>dlich vorgeschriebenwerden. Ebenso verb<strong>in</strong>dlich muss im Vorfeld von Notfällen geregelt werden, wer etwaswann entscheidet und wer wofür zuständig ist, um Kompetenzstreitigkeiten zu Lastender Betroffenen <strong>in</strong> Notfällen zu vermeiden und e<strong>in</strong>e effektive <strong>Hilfe</strong>leistung sicherzustellen115 .7. Bezugnehmend auf den Exkurs <strong>in</strong> Abschnitt 6 zur pädagogischen Vorbereitung auf Notfallsituationensoll an dieser Stelle nochmals die Idee aufgegriffen werden, e<strong>in</strong>e spezielleNotfallpädagogik zu entwickeln. In ihr könnten nicht nur (a.) Konzepte zur notfallbezogenenvon Erziehung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und Jugendlichen, sondern (b.) auch erziehungswisssenschaftlichbzw. berufspädagogisch fundierte Curricula und Fachdidaktikenfür die Ausbildung professioneller Notfallhelfer entwickelt werden, die es bislangschlichtweg nicht gibt. Zudem ließe sich Notfallpädagogik als eigene Forschungsdiszipl<strong>in</strong>und e<strong>in</strong>e weitere Bezugswissenschaft für das Rettungswesen auch dadurch begründen,daß (c.) die Selbsthilfefähigkeit der deutschen Bevölkerung <strong>in</strong>sgesamt defizitär istund bislang ke<strong>in</strong>erlei Bemühungen unternommen werden, etwas an diesem strukturellenund grundsätzlichen Mangel des Rettungswesen zu ändern (vgl. KARUTZ 2003, S. 1-5):a.) Im Rahmen der notfallbezogenen Erziehung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und Jugendlichen könntenu. a. die Verkehrserziehung, die Brandschutzerziehung, die Vermittlung e<strong>in</strong>es generellenGefahrenbewusstse<strong>in</strong>s, Aspekte der Gesundheitserziehung, Streitschlichtungsprogrammeund <strong>Erste</strong>-<strong>Hilfe</strong>-Schulungen zu e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>tegrativen Gesamtkonzeptmit dem Ziel notfallbezogener Mündigkeit zusammengeführt werden. Während <strong>in</strong>anderen Ländern vergleichbare Überlegungen bereits seit langem umgesetzt werden,wurde an anderer Stelle die These formuliert, daß <strong>in</strong>sbesondere die Pädagogik <strong>in</strong>deutschen Schulen und K<strong>in</strong>dergärten e<strong>in</strong>en notfallbezogenen „bl<strong>in</strong>den Fleck“ habe(vgl. KARUTZ 2003, S. 4).114 Siehe S. 118-119.115 Siehe S. 57.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 153b.) Insbesondere die Ausbildung von Rettungsassistenten ist <strong>in</strong> Deutschland nicht erziehungswissenschaftlichfundiert. Thematisiert werden vorrangig mediz<strong>in</strong>ischtechnischeAspekte der späteren Tätigkeit, während die ebenfalls notwendige Persönlichkeitsbildung,d. h. reflexives (Identitäts-) Lernen zur Entwicklung von Verantwortungsbewusstse<strong>in</strong>und Entscheidungsfähigkeit – wenn überhaupt – nur e<strong>in</strong>unbeabsichtigtes Nebenprodukt der Rettungsassistentenausbildung ist (vgl. KA-RUTZ 2003a, S. 9).c.) Die Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung wird <strong>in</strong> zahlreichen Veröffentlichungen alsabsolut unzureichend beschrieben, zugleich aber als enormes (und notwendiges!)Potential für die Bewältigung von Notfallsituationen genannt. Insofern ist es rechterstaunlich, daß <strong>in</strong> diesem Bereich ke<strong>in</strong> stärkeres Engagement festzustellen ist, sondernder Bund <strong>bei</strong>spielsweise – ganz im Gegenteil – erst vor kurzem die f<strong>in</strong>anzielleBezuschussung von <strong>Erste</strong>-<strong>Hilfe</strong>-Lehrgängen e<strong>in</strong>gestellt hat. In e<strong>in</strong>er Studie der Katastrophenforschungsstellean der Universität Kiel heißt es <strong>in</strong> diesem Zusammenhang,daß es Katastrophenschutz im eigentlichen S<strong>in</strong>ne des Begriffs <strong>in</strong> der BRDletztlich nicht gibt, weil dieser nicht von der Bevölkerung getragen wird und dene<strong>in</strong>satztaktischen Konzepten der zuständigen Rettungsdienste das sozialwissenschaftlicheVerständnis e<strong>in</strong>er umfassenden Gefahrenabwehr fehlt (vgl. DOM-BROWSKY/BRAUNER 2003), so daß es sche<strong>in</strong>t, als sei die aktive Beteiligung derBevölkerung an der Bewältigung von Notfallsituationen nahezu unerwünscht. Auchhier könnte Notfallpädagogik als e<strong>in</strong>e eigenständige wissenschaftliche Diszipl<strong>in</strong> –geme<strong>in</strong>sam mit der Notfallpsychologie bzw. der auf das Rettungswesen bezogenenOrganisationspsychologie – u. U. für Abhilfe sorgen.8. Abschließend ist nochmals (siehe oben) darauf h<strong>in</strong>zuweisen, daß e<strong>in</strong>e zweifellos notwendigeEvaluationsstudie im H<strong>in</strong>blick auf die hier vorgestellten H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> noch aussteht.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1549. ZusammenfassungIn der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t wurde zunächst der Forschungs- bzw. Ar<strong>bei</strong>tsstand zur <strong>Psychische</strong>n<strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> ausführlich dargestellt und kritisch reflektiert. Da<strong>bei</strong> istdeutlich geworden, dass empirische Untersuchungen zur psychologischen <strong>Hilfe</strong>leistung <strong>bei</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen bislang nicht durchgeführt worden s<strong>in</strong>d und dass <strong>in</strong>sbesonderefür die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> derzeit ke<strong>in</strong>erlei geeigneteBetreuungskonzepte zur Verfügung stehen.Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund wurde die Planung, Durchführung und Auswertung e<strong>in</strong>er explorativenStudie beschrieben, <strong>in</strong> der <strong>in</strong>sgesamt 96 K<strong>in</strong>der, die verschiedenste Notfallsituationenkörperlich <strong>unverletzt</strong> miterlebt hatten, anhand e<strong>in</strong>es strukturierten Interviewleitfadenszum Ablauf des Notfallgeschehens, ihren eigenen Gefühlen und Gedanken, ihrem eigenenVerhalten, ihren Wünschen und Bedürfnissen, angenehmen und unangenehmen Erfahrungensowie zum Verhalten Dritter am Notfallort befragt worden s<strong>in</strong>d. Von den Aussagendieser K<strong>in</strong>der ausgehend konnten anschließend konkrete H<strong>in</strong>weise für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong><strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> formuliert werden, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em neuen Regelwerkzusammengefasst worden s<strong>in</strong>d. Diese Regeln lauten im e<strong>in</strong>zelnen:1. Sorge <strong>in</strong> Notfallsituationen für die Nähe selbst gewählter Bezugspersonen,2. Lenke die Wahrnehmung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen nach Möglichkeit auf die<strong>Hilfe</strong>leistung. Sofern dies nicht möglich ist (z. B. weil die Rettungsar<strong>bei</strong>ten durch diesesZuschauen beh<strong>in</strong>dert werden, der Notfallpatient dadurch zusätzlichen Belastungen ausgesetztist oder man sich selbst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gefahrenbereich bef<strong>in</strong>det) sollten K<strong>in</strong>der abgeschirmtwerden.3. Vermittle <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> Informationen, um Unwissenheit und Ungewissheit im H<strong>in</strong>blick aufdie Notfallsituation zu verm<strong>in</strong>dern und das Verständnis des Geschehens zu fördern.4. Thematisiere, daß und vor allem: wie geholfen wird.5. Lasse ungewöhnliche Verhaltensweisen von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> sowie den übrigen Anwesenden <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Notfallsituation zu und erkläre, warum es zu solchen Verhaltensweisen kommenkann.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1556. Nutze die Chancen, die auch und gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Notfallsituation enthalten s<strong>in</strong>d, wie z.B. den Wunsch, selbst helfen zu können oder die Möglichkeit, etwas aus dem Notfallgeschehenheraus zu lernen.7. Stelle sicher, daß Notfallpatienten rasch und sichtbar <strong>Hilfe</strong> geleistet wird. Dies <strong>bei</strong>nhaltetnicht nur, den Rettungsdienst zu alarmieren, sondern nach Möglichkeit auchselbst <strong>Hilfe</strong> zu leisten.8. Entferne belastende Notfallspuren wie z. B. blutverschmierte Handschuhe sowie Verpackungsmaterialvon Medikamenten, weil ihr Anblick als Belastung empfunden wird.9. Weil K<strong>in</strong>der sich lange und <strong>in</strong>tensiv mit Notfällen beschäftigen, sollte – v. a. durch Gesprächsbereitschaftund Aufmerksamkeit - e<strong>in</strong>e ebenso lange Notfallnachsorge erfolgen.Gleichwohl ist die Entwicklung psychischer Folgeschäden – zum<strong>in</strong>dest <strong>bei</strong> den Notfällen,die <strong>in</strong> der vorliegenden Ar<strong>bei</strong>t thematisiert wurden - offenbar eher selten, d. h. nichtjedes K<strong>in</strong>d, das e<strong>in</strong>e Notfallsituation miterlebt, ist psychisch traumatisiert.Nach der Erar<strong>bei</strong>tung dieser <strong>in</strong>haltlichen H<strong>in</strong>weise zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> wurde <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em weiteren Abschnitt der vorliegenden Dissertation versucht, praxisnahe Vorschlägefür deren Umsetzung durch Mitar<strong>bei</strong>ter des Rettungsdienstes und <strong>bei</strong> Notfällen <strong>in</strong> Schulenzu geben. In diesem Zusammenhang wurde v. a. auf die Notwendigkeit h<strong>in</strong>gewiesen, dievorbereitende E<strong>in</strong>satzplanung bzw. E<strong>in</strong>satztaktik von Rettungsdiensten zu verändern undauch <strong>in</strong> Schulen organisatorische Maßnahmen zur Vorbereitung von Notfallsituationen zutreffen. So könnte e<strong>in</strong> schul<strong>in</strong>ternes Notfallteam gegründet werden, um Notfallpläne zuerar<strong>bei</strong>ten und die notfallpsychologische <strong>Hilfe</strong>leistung zu koord<strong>in</strong>ieren.In e<strong>in</strong>em Exkurs wurde anschließend dargestellt, <strong>in</strong>wiefern K<strong>in</strong>der durch e<strong>in</strong>e notfallbezogeneErziehung auf das Miterleben von Notfallsituationen vorbereitet werden könnten;analog zur Notfallpsychologie wurde da<strong>bei</strong> die Entwicklung e<strong>in</strong>er speziellen Notfallpädagogikals e<strong>in</strong>er weiteren Bezugswissenschaft für das Rettungswesen angeregt.E<strong>in</strong> zweiter Exkurs enthält zunächst e<strong>in</strong>e kritische Darstellung des Critical Incident StressManagements (CISM). Von der bisherigen Konzeption e<strong>in</strong>es CISM-Debrief<strong>in</strong>gs ausgehendwurde schließlich e<strong>in</strong> CISM-K<strong>in</strong>dertreffen entwickelt, daß den Entwicklungsstand der potentiellenTeilnehmer berücksichtigt und <strong>in</strong> sechs Phasen verlaufen soll. Die Durchführungsolcher CISM-K<strong>in</strong>dertreffen muss allerd<strong>in</strong>gs im Bewusstse<strong>in</strong> des derzeitigen Forschungsstandszur Wirksamkeit bzw. zu den Auswirkungen des CISM erfolgen und macht zunächstnoch e<strong>in</strong>e behutsame Erprobung <strong>in</strong> der Praxis erforderlich, bevor sie generell undune<strong>in</strong>geschränkt empfohlen werden kann.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 15610. LiteraturverzeichnisAktion Sorgenk<strong>in</strong>d (1987) Nach dem Unfall leidet auch die Seele. Psychologische Ratschlägefür die Eltern verunglückter K<strong>in</strong>der. In: Deutsche Krankenpflegezeitschrift 40, S.384.Atzbach U, Gliwitzky B (2003) Schulungsmodell „Regelkompetenz“: Was sollte gewährleistetse<strong>in</strong>? In: Rettungsdienst 26, S. 846-850.Amir M, Weil G, Kaplan Z, Tocker T, Witzum E (1998) Debrief<strong>in</strong>g with group psychotherapy<strong>in</strong> a homogenous group of non-<strong>in</strong>jured victims of a terrorist attack. In: Acta PsychiatricScand<strong>in</strong>avia 98, S. 237-242.Ballnus S (2002) Das K<strong>in</strong>d als Notfallpatient. Qualitätssicherung <strong>in</strong> der notärztlichen Versorgung.In: Rettungsdienst 25, S. 466-470.Bayerisches Jugendrotkreuz (Hg.) (1992) Der Juniorhelfer. Materialiensammlung. 2. Aufl.,München.Bengel J (Hg.) (1997) Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und Rettungsdienst. Berl<strong>in</strong>, Heidelberg,New York, Barcelona, Budapest, Hongkong, London, Mailand, Paris, Santa Clara,S<strong>in</strong>gapur, Tokio.Bengel J, Carl C (1997) Psychologische Aus- und Fortbildung. In: Bengel J (Hg.) (1997)Psychologie <strong>in</strong> Notfallmediz<strong>in</strong> und Rettungsdienst. Berl<strong>in</strong>, Heidelberg, New York, Barcelona,Budapest, Hongkong, London, Mailand, Paris, Santa Clara, S<strong>in</strong>gapur, Tokio, S. 387-393.Bethge K (2001) Kritik an den Methoden der Notfalltherapeuten. In: 112 – Magaz<strong>in</strong> derFeuerwehr 6, S. 344-345.Bierhoff H-W (1990) Psychologie hilfreichen Verhaltens. Stuttgart/Berl<strong>in</strong>/Köln (=Urban-Taschenbücher Bd. 418).Biermann G (1974) Die psychologische Situation von Unfallk<strong>in</strong>dern. In: Nissen G, StrunkP (Hg.) (1974): Seelische Fehlentwicklungen und Gesellschaftsstruktur. Neuwied, S. 117-125.Bildungs<strong>in</strong>stitut am Elisabeth-Krankenhaus Essen (Hg.) (2001a) KASPERLE: <strong>Psychische</strong><strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfällen. Merkblatt für den Rettungsdienst. Essen.Bildungs<strong>in</strong>stitut am Elisabeth-Krankenhaus Essen (Hg.) (2001b) PUMUCKEL: <strong>Psychische</strong><strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> im Großschadensfall. Merkblatt für den Rettungsdienst. Essen.Bildungs<strong>in</strong>stitut am Elisabeth-Krankenhaus Essen (Hg.) (2001c) WINNETOU: <strong>Psychische</strong><strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> trauernden <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>. Merkblatt für Eltern und den Rettungsdienst. Essen.


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Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 164Notfallseelsorge Bayern (2003): NFS-Große<strong>in</strong>satz am 17.07.2002 <strong>in</strong> Emskirchen.http://www.notfallseelsorge-bayern.de/Emskirchen.doc; abgerufen am 22.05.2003.Notfallseelsorge Leverkusen (2001): Informationen und Empfehlungen zum Umgang mit<strong>K<strong>in</strong>dern</strong> nach e<strong>in</strong>em Notfall oder Unglück. http://www.hlev.de/k<strong>in</strong>der1.htm; abgerufen am13.05.2001.Nurmi L (1999) The s<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g of the Estonia: The effects of Critical Incident Stress Debrief<strong>in</strong>gof Rescuers. In: International Journal of Emergency Mental Health 1, S. 23-32.Nyberg E, Mayer M, Frommberger U (2000) Erleben der präkl<strong>in</strong>ischen Versorgung nache<strong>in</strong>em Verkehrsunfall. Bergisch-Gladbach 2000 (=Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen,Heft M 117).P.A.P., Agentur für Kommunikation, Bartels F, Karutz H, Müller-Lange J, Sefr<strong>in</strong> P (2002)Unfallbeteiligtes K<strong>in</strong>d. Informationsbroschüre des Deutschen Verkehrssicherheitsrates undder Akademie Bruderhilfe-Familienfürsorge. Kassel.Paulus (2001) Wenn die Helfer <strong>Hilfe</strong> brauchen. In: Die Zeit Nr. 33 vom 09.08.2001.Pentz D (2001) „Wenn das Unvorstellbare passiert...“ Zur Psychologie des Krisenmanagements.http://schulberatung.bayern.de/vpkri.html; abgerufen am 01.10.2001.Petermann F (1995) Chronische Krankheiten <strong>in</strong> den ersten Lebensjahren und ihre Bewältigung.In: Montada L, Oerter R (Hg.) (1995) Entwicklungspsychologie. 3., vollst. Überarb.Aufl., We<strong>in</strong>heim, S. 967-975.Petermann F, Wiedebusch S (1995) Interventionsverfahren <strong>bei</strong> chronisch kranken <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>.In: Petermann F (Hg.) (1995) Lehrbuch der Kl<strong>in</strong>ischen K<strong>in</strong>derpsychologie. Gött<strong>in</strong>gen, S.555-586.Poloczek S, Schmitt T K, Pajonk F G (2001) Psychiatrische Notfälle und psychosozialeKrisen. E<strong>in</strong>e neue Aufgabe für die Notfallmediz<strong>in</strong>? In: Notfall & Rettungsmediz<strong>in</strong> 4, S.352-358.Pschyrembel (1994) Kl<strong>in</strong>isches Wörterbuch. 257. Aufl., Berl<strong>in</strong>, New York.Redelste<strong>in</strong>er C (1988) Die psychische Situation des Notfallpatienten. In: Rettungsdienst11, S. 614-621.Remke S (1993a) <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> Unfallpatienten. In: Rettungsdienst 16, S.107-117.Remke S (1993b) Wünsche von Unfallpatienten an das mediz<strong>in</strong>ische Rettungsteam währendder <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong>. In: Rettungsdienst 16, S. 617-621.Remke S (1995) Erlebnisreaktion des Verletzten zwischen Unfall und stationärer Behandlung– Möglichkeiten psychischer <strong>Erste</strong>r <strong>Hilfe</strong>. Unveröff. Diss., Universität Leipzig.Remschmidt H (1994) Psychologie für Pflegeberufe. 6., überarb. Aufl., Stuttgart, NewYork.


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Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 166Seeger S (2002) Welche Regelkompetenz benötigt der Rettungsassistent? In: Rettungsdienst25, S. 1172-1175.Sefr<strong>in</strong> P (2001) Verkehrsunfall mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>. In: Feuerwehrmagaz<strong>in</strong> 18, Heft 6, S. 96.Seiffge-Krenke I (1994) Entwicklungsrückstände durch chronische Krankheit? In: PetermannF (Hg.) (1994) Chronische Krankheiten <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und Jugendlichen. München, S.29-42.Spengler B (2003) Entwurf des neuen Rettungsassistentengesetzes: Alle noch mal auf dieSchulbank? In: Rettungsmagaz<strong>in</strong> 8, Heft 5, S. 42-43.Ständige Konferenz für den Rettungsdienst (1999) Berufliche Ausbildung zur Rettungsassistent<strong>in</strong>und zum Rettungsassistenten: Curriculum. Geme<strong>in</strong>same Ausbildungsgrundlageder Rettungsdienstorganisationen ASB, DRK, JUH, MHD und der Berufsfeuerwehren <strong>in</strong>Deutschland. DRK-Beschaffungs- und Vertriebs-GmbH, Nottuln.Stepan T (1993) High Tech im Rettungsdienst – und wo bleibt der Faktor Mensch? In:Rettungsdienst 16, S. 154.Stepan T (1995) Mite<strong>in</strong>ander reden ist heilsam. Bedeutung und Rolle von Gesprächen imRettungsdienst. In: Rettungsdienst 18, S. 323.Stepan T (1996) Psychologische Betreuung von Notfallpatienten. In: Rettungsdienst 19, S.431-435.Stepan T (Hg.) (1998) Zwischen Blaulicht, Leib und Seele. Grundlagen notfallmediz<strong>in</strong>ischerPsychologie. Edewecht, Wien.Stepan T, Jatzko S (2000) „Schweigen ist Gold – Reden ist Blech?“ Traumatherapie <strong>in</strong> derDiskussion. In: Rettungsdienst 23, S. 546-548.Thierbach A (Hg.) (2002) Lexikon der Notfallmediz<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong>, Heidelberg, New York,Barcelona, Hongkong, London, Mailand, Paris, Tokio.Trappe T (2000) Der unorganisierte Tod. Das Projekt „E<strong>in</strong> Jahr danach“. Kleve.Volz S (2002) Kle<strong>in</strong>e Helden. In: Feuerwehr-Magaz<strong>in</strong> 19, Heft 1, S. 62-64.Wackerow K, Prudlo U (2001) Umgang mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen. In: SEG 8, S.16-18.Wendler M, Bandmann M (2002) Vorwort. In: P.A.P., Agentur für Kommunikation, BartelsF, Karutz H, Müller-Lange J, Sefr<strong>in</strong> P (2002) Unfallbeteiligtes K<strong>in</strong>d. Informationsbroschüredes Deutschen Verkehrssicherheitsrates und der Akademie Bruderhilfe-Familienfürsorge. Kassel, S. 2-3.Werneburg H-C (2001) Erfahrungsbericht aus der Notfallseelsorge. In: Bundesanstalt fürAr<strong>bei</strong>tsschutz und Ar<strong>bei</strong>tsmediz<strong>in</strong> (Hg.) (2001) Psychologische Vor- und Nachsorge fürBeschäftigte von Berufsgruppen, die mit Notfallsituationen konfrontiert s<strong>in</strong>d. Dortmund(=Schriftenreihe der Bundesanstalt für Ar<strong>bei</strong>tsschutz und Ar<strong>bei</strong>tsmediz<strong>in</strong>, TagungsberichtTB 120), S. 33-35.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 167Wietersheim H v (2001) Notfallseelsorge, Krisen<strong>in</strong>tervention, SBE: Viele Unterschied undnoch mehr Anbieter. In: Im E<strong>in</strong>satz 8, S. 156-159.Wolf A (1987) Pädagogik für Krankenpflegeberufe. 2., durchges. Aufl., Stuttgart, NewYork.Wolf V (2002) Die Bedeutung von Information als wichtiges Element des psychoeducativenAnsatzes <strong>in</strong> der notfallpsychologischen Ar<strong>bei</strong>t mit <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> und Jugendlichen.http://www.notfallpsychologie.at/k<strong>in</strong>der.htm; abgerufen am 01.11.2002.Zeigarnik B (1927) Über das Behalten von erledigten und unerledigten Handlungen. In:Psychologische Forschung 9, S. 1-85.Zimbardo P G (1992) Psychologie. 5., neu übers. und bearb. Aufl., Berl<strong>in</strong>, Heidelberg.Zippert T (2001) Spiritualität und Theologie <strong>in</strong> der Notfallseelsorge. In: Landespfarramtfür Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Rhe<strong>in</strong>land (Hg.) (2001): Dokumentationzum 4. Bundeskongress Notfallseelsorge, Krisen<strong>in</strong>tervention und E<strong>in</strong>satznachsorge vom 9.bis zum 11. Mai 2001 <strong>in</strong> Mülheim an der Ruhr. Niederkassel, S. 10-23.Zitzlsperger R (2002) SKB-Team der Feuerwehr München. Handbuch. 3., Aufl., München.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 16811. SelbständigkeitserklärungHiermit erkläre ich, die vorliegende Dissertation selbständig und ohne unerlaubte fremde<strong>Hilfe</strong> angefertigt zu haben. Ich habe ke<strong>in</strong>e anderen als die im Literaturverzeichnis angegebenenQuellen verwendet, und sämtliche Textstellen, die wörtlich oder s<strong>in</strong>ngemäß aus anderenVeröffentlichungen übernommen wurden, habe ich entsprechend gekennzeichnet.Mülheim an der Ruhr, den 01.10.2003Dipl.-Päd. Harald Karutz


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 16912. Anlagen


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 170Interviewleitfaden zur Befragung von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>1. Ausschlußkriterien1.1. Liegt das Notfallereignis länger als e<strong>in</strong> Jahr zurück? (Soll-Antw. Ne<strong>in</strong>)1.2. Liegt die E<strong>in</strong>willigung der Eltern vor? (Soll-Antw. Ja)1.3. Ist das K<strong>in</strong>d sprachlich dazu <strong>in</strong> der Lage, befragt zu werden? (Soll-Antw. Ja)1.4. Ist das K<strong>in</strong>d im Notfallgeschehen selbst verletzt worden? (Soll-Antw. Ne<strong>in</strong>)1.5. Bef<strong>in</strong>det sich das K<strong>in</strong>d derzeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er psychotraumatologischen Therapie? (Soll-Antw. Ne<strong>in</strong>)1.8. Zeigt das K<strong>in</strong>d ablehnendes, unkooperatives Verhalten bezüglich der Befragung? (Soll-Antw. Ne<strong>in</strong>)2. Angaben zur Person2.1. Geschlecht m w 2.2. Alter z. Zt. des Notfalls Jahre3. Angaben zur Befragungssituation3.1. Anwesende Vater Mutter NotfallseelsorgerFreund Geschwisterk<strong>in</strong>d Andere3.2. Dauer ca. m<strong>in</strong> 3.3. Ort3.4. Seit dem Notfallereignis vergangener Zeitraum Tage / Wochen / Monate4. Angaben zum Notfallgeschehen (Moderatorvariablen)4.1. Notfallart Feuer Verkehrsunfall Häuslicher Notfall Sonstiges4.2. Kurze Situationsbeschreibung4.3. Vorerfahrungen Ja ne<strong>in</strong> Beschreibung


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1714.4. Notfallort zu Hause Straßenverkehr SchuleK<strong>in</strong>dergarten K<strong>in</strong>dertagesstätte WohnungSportplatz Sonstiges4.5. Notfallzeitpunkt Uhrzeit4.6. Patient (en) fremdes K<strong>in</strong>d Freund Elternfremder Erwachsener Verw. / bek. Erwachsener Geschwister4.7. Anzahl der Verletzten / Erkrankten 1 > 14.8. Anzahl der <strong>in</strong>sgesamt Betroffenen ca. Personen4.9. Schwere der Verletzung / Erkrankung leicht schwer4.10. Tote ja ne<strong>in</strong>4.11. Anwesenheit Dritter ke<strong>in</strong>e Eltern FreundeGeschwister Sonstige Verwandte ZuschauerAndere K<strong>in</strong>derfremde Ersthelfer4.12. Verhalten Dritter


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1724.13. E<strong>in</strong>gesetzte Rettungsmittel KTW RTW NAW / NEFRTH Feuerwehr Polizei5. Angaben zur eigenen Situation5.1. Beteiligung primär sekundär5.2. Verhalten5.3. Gefühle und Gedanken5.4. Unangenehme / belastende Erfahrungen5.5. Wünsche und Bedürfnisse


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1735.6. Hilfreiche / angenehme / entlastende Erfahrung5.7. Augenblickliche Situation / Symptome?5.8. Zusätzlicher Betreuungsbedarf? ja ne<strong>in</strong>5.9. Soll e<strong>in</strong>e Weitervermittlung erfolgen ja ne<strong>in</strong>an6. Sonstige Angaben


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 174Harald Karutz Mülheim an der Ruhr, 20.12.2001Hagdorn 6145468 Mülheim an der RuhrTelefon: 0208 / 40 47 46E-Mail: h.karutz@elisabeth-essen.deAn_________________________________________________________________________________________________________________________________________________Dissertation zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> NotfällenSehr geehrte _______________________,als Diplom-Pädagoge und Lehrrettungsassistent ar<strong>bei</strong>te ich zur Zeit an e<strong>in</strong>er Dissertationzur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen. Im Rahmen dieserDissertation führe ich e<strong>in</strong>e explorative Studie durch, für die ich Sie um Ihre Unterstützungbitten möchte.Mir geht es darum, anhand von strukturierten Interviews mit Betroffenen herauszuf<strong>in</strong>den,wie e<strong>in</strong>e Notfallsituation von <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> wahrgenommen, empfunden und bewertetwird, welche Ängste und Befürchtungen ausgelöst werden und welche Wünsche bzw.Bedürfnisse im Notfall entstehen. Ausgehend von dieser Analyse und vor dem H<strong>in</strong>tergrunddes bisherigen Forschungsstandes der Notfallpsychologie möchte ich möglichstkonkrete Regeln für die <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen erar<strong>bei</strong>ten,die später auch <strong>in</strong> bestehende Lehrpläne für die Ausbildung des Personals imRettungsdienst <strong>in</strong>tegriert werden könnten.Um die Befragung Betroffener durchführen zu können, b<strong>in</strong> ich zunächst jedoch daraufangewiesen, von entsprechenden Notfallsituationen zu erfahren. Insofern wäre ich Ihnenvon Herzen dankbar, <strong>bei</strong>


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 175• Notfällen (Unfälle, Erkrankungen, Feuer) <strong>in</strong> Schulen, K<strong>in</strong>dergärten und K<strong>in</strong>derheimensowie auf Spielplätzen,• Notfällen <strong>bei</strong> Familien- und K<strong>in</strong>derfesten,• Notfällen im häuslichen Bereich, sofern K<strong>in</strong>der anwesend s<strong>in</strong>d und das Notfallgeschehenmiterlebt haben sowie• Verkehrsunfällen mit Beteiligung e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>desdurch Ihre Leitstelle benachrichtigt zu werden, um Kontakt zu den jeweils <strong>betroffenen</strong><strong>K<strong>in</strong>dern</strong> aufnehmen zu können.Nach dem augenblicklichen Stand der Ar<strong>bei</strong>t könnte ich ab dem 01.02.2002 mit me<strong>in</strong>erStudie beg<strong>in</strong>nen; der Zeitpunkt für ihre Beendigung hängt verständlicherweise vomAufkommen der betreffenden E<strong>in</strong>satzgeschehen ab. Erreichbar b<strong>in</strong> ich - <strong>in</strong> der Regelpermanent – unter der Rufnummer0172 / 267 55 12,wo<strong>bei</strong> e<strong>in</strong>e möglichst rasche Benachrichtigung <strong>in</strong> den o. g. E<strong>in</strong>satzsituationen natürlichbesonders hilfreich wäre. Für Rückfragen stehe ich selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.Zudem würde ich mich freuen, das weitere Vorgehen ggf. <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em persönlichenGespräch mit Ihnen verabreden zu können. Ansonsten f<strong>in</strong>den Sie <strong>bei</strong>liegend• e<strong>in</strong> Belegexemplar me<strong>in</strong>er Diplomar<strong>bei</strong>t zur <strong>Psychische</strong>n <strong>Erste</strong>n <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong><strong>in</strong> akuten Notfallsituationen (die durch das Dissertationsvorhaben ergänzt werdensoll),• e<strong>in</strong> Planungskonzept der Dissertation sowie• e<strong>in</strong>e Bestätigung von Herrn Prof. Dr. Bernd Gasch, der me<strong>in</strong>e Dissertation betreut.Für Ihre wohlwollende Unterstützung wäre ich außerordentlich dankbar. In gespannterErwartung Ihrer Nachricht verbleibe ich zunächstmit freundlichen GrüßenDipl.-Päd. Harald Karutz


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 176


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Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 179Dipl.-Päd. Harald KarutzGesundheits- und Pflegewissenschaftliches Institut St. ElisabethBeethovenstraße 1545128 EssenTelefon: 0201 / 821 47 – 0Telefax: 0201 / 821 47 – 38Mobil: 0172 / 267 55 12E-Mail: h.karutz@elisabeth-essen.deWichtige Informationen für ElternLiebe Eltern,ihr K<strong>in</strong>d hat vor kurzem e<strong>in</strong>e Notfallsituation miterlebt. Häufig ist dies mit besonderen psychischenAuswirkungen verbunden. Deshalb möchten wir Sie mit diesem Schreiben zunächstdarüber <strong>in</strong>formieren, welche seelischen und körperlichen Reaktionen <strong>bei</strong> Ihrem K<strong>in</strong>d möglicherweiseauftreten können. Außerdem enthält dieser Brief e<strong>in</strong>ige wichtige H<strong>in</strong>weise, die Siebeachten sollten, um Ihrem K<strong>in</strong>d zu helfen, das Erlebte zu verar<strong>bei</strong>ten.Normale Reaktionen auf e<strong>in</strong> belastendes EreignisDas Miterleben von Unglücken, Verbrechen und anderen Notfallsituationen ruft <strong>bei</strong> vielenMenschen, besonders jedoch <strong>bei</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>, verschiedene seelische und körperliche Reaktionenhervor.Es kann <strong>bei</strong>spielsweise se<strong>in</strong>, daß Ihr K<strong>in</strong>d sich <strong>in</strong> den nächsten Tagen unwohl oder müdefühlt, unruhig, nervös oder ängstlich ist. Möglicherweise wirkt Ihr K<strong>in</strong>d auch gereizt, wütend,aggressiv oder auf e<strong>in</strong>e andere Weise „verändert“. Es kann ebenfalls se<strong>in</strong>, daß Ihr K<strong>in</strong>d nichtwie üblich essen möchte, sich nicht wie üblich konzentrieren oder e<strong>in</strong>schlafen kann.Manchmal treten nachts Alpträume auf, oder Ihr K<strong>in</strong>d hat immer wieder bestimmte Bilder vorAugen und spielt Szenen nach, die sich auf das Erlebte beziehen.Wichtig zu wissen: Diese Symptome s<strong>in</strong>d völlig normale Reaktionen darauf, daß Ihr K<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>„unnormales“ Ereignis miterlebt hat; und <strong>in</strong> den meisten Fällen verschw<strong>in</strong>den sie nach wenigenTagen oder Wochen auch wieder. Bleiben e<strong>in</strong>ige oder alle der genannten Symptome jedochüber e<strong>in</strong>en längeren Zeitraum bestehen, sollten Sie unbed<strong>in</strong>gt Ihren Hausarzt oder e<strong>in</strong>en


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 180K<strong>in</strong>derpsychologen aufsuchen und um Rat fragen: Unter Umständen ist dann weitere fachliche<strong>Hilfe</strong> notwendig.H<strong>in</strong>weise für Ihr Verhalten gegenüber Ihrem K<strong>in</strong>d• Ganz wichtig: Zeigen Sie Ihrem K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der kommenden Zeit noch <strong>in</strong>tensiver als sonst,daß Sie für Ihr K<strong>in</strong>d da s<strong>in</strong>d und daß es <strong>bei</strong> Ihnen „<strong>in</strong> Sicherheit“ ist. Lassen Sie Ihr K<strong>in</strong>dmöglichst nicht alle<strong>in</strong>, und bieten Sie Ihrem K<strong>in</strong>d an, mit ihm darüber zu sprechen, was esgesehen oder gehört hat. Hören Sie Ihrem K<strong>in</strong>d aufmerksam zu, wenn es von dem Erlebtenerzählt. Drängen Sie sich Ihrem K<strong>in</strong>d aber auch nicht auf, und zw<strong>in</strong>gen Sie es nichtzum Reden!• Wenn Ihr K<strong>in</strong>d Fragen hat, die sich auf das Erlebte beziehen, dann beantworten Sie dieseFragen offen und ehrlich. E<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d merkt sofort, wenn man etwas verheimlichen möchteund fühlt sich dann unter Umständen belogen oder nicht ernst genommen.• Zeigen Sie Verständnis für die oben genannten Symptome! Es ist zum Beispiel nachvollziehbar,wenn sich Ihr K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den nächsten Tagen nicht auf se<strong>in</strong>e Hausaufgaben konzentrierenkann. Wie beschrieben, s<strong>in</strong>d gerade auch Aggressionen normale Reaktionen aufdas Erlebte.• In e<strong>in</strong>igen Fällen entwickeln K<strong>in</strong>der Schuldgefühle für das Geschehene. Die Ursache dafürist e<strong>in</strong>e besondere Art des k<strong>in</strong>dlichen Denkens. Wenn Ihr K<strong>in</strong>d Schuldgefühle äußert,sollten Sie Ihrem K<strong>in</strong>d deshalb ausdrücklich versichern, daß es für das Geschehene nichtverantwortlich ist.• Wenn Sie selbst unsicher s<strong>in</strong>d, wie Sie sich verhalten sollen, erkundigen Sie sich <strong>bei</strong>Fachleuten und holen Sie sich weitere Informationen e<strong>in</strong>. Sie können sich jederzeit –selbstverständlich auch vertraulich - an den Autor dieses Schreibens (die Erreichbarkeitgeht aus dem Briefkopf hervor) oder an folgende Stellen wenden:• ____________________________________________• ____________________________________________Mit freundlichen GrüßenDipl.-Päd. Harald Karutz


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 181Notfall Art Ort Verletzung /UhrzeitErkrankung 1 (ca.)1 ChirurgischerNotfall2 InternistischerNotfall3 ChirurgischerNotfall4 InternistischerNotfall5 InternistischerNotfall6 ChirurgischerNotfall7 ChirurgischerNotfall8 ChirurgischerNotfallStraßenverkehr vore<strong>in</strong>er SchuleE<strong>in</strong>gesetzeE<strong>in</strong>satzkräfteOffenes SHT 2 ,Thoraxtrauma 3 ,Be<strong>in</strong>fraktur:tödliches Polytrauma 413.15 RTW 5 , NEF 6 , FW 7 ,Polizei,NotfallseelsorgerArt und Anzahl (ca.) deranwesenden Dritten50 Personen: K<strong>in</strong>der(Schüler) und Erwachsene(Lehrer und Anwohner)Schule / Sportplatz Bewußtlosigkeit 13.00 RTW, NEF 20 Personen: K<strong>in</strong>der(Schüler) und Erwachsene(2 Lehrer)Freizeitpark Wirbelsäulenverletzung 17.00 KTW 8 , RTW, NEF 15 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachseneStraßenverkehr Krampfanfall 15.00 RTW, NEF 10 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachseneStraßenverkehr Akute Atemnot 16.30 RTW, NEF 10 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachsene (auch derVater und die Muttere<strong>in</strong>es befragten K<strong>in</strong>des)Schule / Sporthalle Handfraktur 12.00 RTW 20 Personen: K<strong>in</strong>der(Schüler) und Erwachsene(1 Lehrer)Straßenverkehr Bewußtlosigkeit, SHT 13.00 RTW, NEF, Polizei 20 Personen: Erwachsene(auch die Mutter)Wald OffeneUnterschenkelfrakturAlter (ca.) undGeschlecht desPatienten16-jähriger Junge(Freund bzw.Klassenkamerad derbefragten K<strong>in</strong>der)15 jähriges Mädchen(Klassenkamerad<strong>in</strong> derbefragten K<strong>in</strong>der)40jährige Frau35jähriger Mann50jähriger Mann9jähriges Mädchen(Klassenkamerad<strong>in</strong> derbefragten K<strong>in</strong>der)30jähriger Mann22.00 RTW, NEF 4 Personen: K<strong>in</strong>der 12jähriger Junge(Freund der befragtenK<strong>in</strong>der)Tabelle 18: Angaben zu den e<strong>in</strong>zelnen Notfallsituationen1 Die <strong>in</strong> dieser Spalte enthaltenen Angaben <strong>bei</strong>nhalten nicht zwangsläufig die exakte mediz<strong>in</strong>ische Diagnose, weil die E<strong>in</strong>satzprotokolle des Rettungsdienstes bzw. dieentsprechenden Krankenhausunterlagen nicht <strong>in</strong> allen Fällen zur Verfügung standen. Mitunter resultieren die Angaben daher nur aus den Aussagen der befragten Personen.2 „SHT“ ist die Abkürzung für „Schädel-Hirn-Trauma“.3 „Thoraxtrauma“ ist der mediz<strong>in</strong>ische Fachbegriff für e<strong>in</strong>e Verletzung des Brustkorbs4 „Polytrauma“ bezeichnet e<strong>in</strong>e lebensgefährliche Mehrfachverletzung, d. h. es s<strong>in</strong>d mehrere Körperteile bzw. Organe gleichzeitig verletzt.5 „RTW“ ist die Abkürzung für „Rettungswagen“6 „NEF“ ist die Abkürzung für „Notarzt-E<strong>in</strong>satzfahrzeug“7 „FW“ steht als Sammelbezeichnung für E<strong>in</strong>satzkräfte der Feuerwehr8 „KTW“ ist die Abkürzung für „Krankentransportwagen“


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 182FortsetzungNotfall Art Ort Verletzung /UhrzeitErkrankung 9 (ca.)9 ChirurgischerNotfall10 PsychiatrischerNotfall11 ChirurgischerNotfall12 InternistischerNotfall13 ChirurgischerNotfall14 InternistischerNotfall15 ChirurgischerNotunfall16 ChirurgischerNotfall17 PsychiatrischerNotfall18 ChirurgischerNotfall19 ChirurgischerNotfallStraßenverkehr Stark blutendeKopfplatzwundeWohnung Stark blutendeSchnittverletzungStraßenverkehr vor demK<strong>in</strong>dergartenE<strong>in</strong>gesetzeE<strong>in</strong>satzkräfteArt und Anzahl (ca.) deranwesenden Dritten20.00 RTW, Polizei 5 Personen: Erwachsene(auch die Mutter)Alter (ca.) undGeschlecht desPatienten50jähriger Mann18.00 RTW, NEF --- 45jährige Frau (Mutter)Be<strong>in</strong>fraktur, SHT 12.00 RTW, NEF, Polizei 50 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachsene (Elternanderer K<strong>in</strong>der)Schule / Forum Bewußtlosigkeit 10.00 RTW, NEF 50 Personen: K<strong>in</strong>der(Schüler) und Erwachsene(Lehrer)Reithalle Verletzung derWirbelsäule16.00 RTW 10 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachseneSchwimmbad Herz<strong>in</strong>farkt 16.00 RTW, NEF 20 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachseneStraßenverkehr /RosenmontagszugBeckenfraktur, AkutesAbdomen, Thoraxtrauma:PolytraumaSchule / Klassenraum Verletzung derWirbeläuleStraßenverkehr Alkohol<strong>in</strong>toxikation /Unklarer Stuporzustand14.00 RTW, NEF,Sanitätshelfer, Polizei100 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachsene (auch derVater und die Mutter vonzwei befragten <strong>K<strong>in</strong>dern</strong>)13.00 RTW, NEF 20 Personen: K<strong>in</strong>der(Schüler) und Erwachsene(1 Lehrer)15.00 RTW, Polizei 5 Personen: Erwachsene(auch die Mutter)Schule / Schulhof Nasenbluten, Zahnverlust 11.30 RTW 50 Personen: K<strong>in</strong>der(Schüler) und Erwachsene(Lehrer)Spielplatz Verletzung derWirbelsäuleTabelle 18: Angaben zu den e<strong>in</strong>zelnen Notfallsituationen (Fortsetzung)16.00 RTW, NEF 10 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachsene5jähriger Junge13jähriges Mädchen(Freund<strong>in</strong> der befragtenK<strong>in</strong>der)12jähriges Mädchen(Freund<strong>in</strong> der befragtenK<strong>in</strong>der)60jähriger Mann16jähriges Mädchen10jähriges Mädchen(Klassenkamerad<strong>in</strong> derbefragten K<strong>in</strong>der)35jähriger Mann15jähriger Junge(Klassenkamerad derbefragten K<strong>in</strong>der)10jähriger Junge9 Die <strong>in</strong> dieser Spalte enthaltenen Angaben <strong>bei</strong>nhalten nicht zwangsläufig die exakte mediz<strong>in</strong>ische Diagnose, weil die E<strong>in</strong>satzprotokolle des Rettungsdienstes bzw. dieentsprechenden Krankenhausunterlagen nicht <strong>in</strong> allen Fällen zur Verfügung standen. Mitunter resultieren die Angaben daher nur aus den Aussagen der befragten Personen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 183FortsetzungNotfall Art Ort Verletzung /UhrzeitErkrankung 10 (ca.)20 PädiatrischerNotfall21 InternistischerNotfall22 ChirurgischerNotfall23 ChirurgischerNotfall24 ChirurgischerNotfall25 ChirurgischerNotfall26 ChirurgischerNotfall27 ChirurgischerNotfall28 ChirurgischerNotfall29 ChirurgischerNotfallE<strong>in</strong>gesetzeE<strong>in</strong>satzkräfteArt und Anzahl (ca.) deranwesenden DrittenWohnung Fieberkrampf 19.00 RTW, NEF 2 Personen: Erwachsene(Vater und Mutter)Wohnung Akute Nierenkoliken 20.00 RTW 4 Personen: Erwachsene(auch die Mutter)Straßenverkehr SHT, Polytrauma 14.00 RTW, NEF, FW, Polizei 30 Personen: K<strong>in</strong>der undErwachseneStraßenverkehr HWS 15.00 RTW, FW, Polizei 10 Personen: Erwachsene(auch die Mutter und dieGroßmutter)Schule / Sporthalle Knöchelfraktur 12.00 RTW 20 Personen: K<strong>in</strong>der(Schüler) und Erwachsene(1 Lehrer)Schule / Sportplatz Handfraktur 15.30 KTW, RTW, NEF 20 Personen: K<strong>in</strong>derSportplatz SHT 17.00 RTW,Rettungshubschrauber,FW, Polizei(Fußballmannschaft) undErwachsene (Tra<strong>in</strong>er)20 Personen: K<strong>in</strong>der(Fußballmannschaft) undErwachsene (Tra<strong>in</strong>er undEltern anderer K<strong>in</strong>der)Alter (ca.) undGeschlecht desPatienten2jähriger Junge (Bruderdes befragten K<strong>in</strong>des)45jähriger Mann (Vaterdes befragten K<strong>in</strong>des)14jähriger Junge(Freund des befragtenK<strong>in</strong>des)65jähriger Mann11jähriger Junge(Klassenkamerad derbefragten K<strong>in</strong>der)13jähriger Junge(Freund der befragtenK<strong>in</strong>der)12jähriger Junge(Freund der befragtenK<strong>in</strong>der)Kaufhaus F<strong>in</strong>gerverletzung 15.30 RTW 1 Person (Mutter) 7jähriger Junge (Bruderdes befragten K<strong>in</strong>des)Sporthalle Kniescheibe luxiert 16.00 RTW 20 Personen: K<strong>in</strong>der(Vere<strong>in</strong>skameraden) undErwachsene (2 Tra<strong>in</strong>er)12jähriges Mädchen(Freund<strong>in</strong> des befragtenK<strong>in</strong>des)Kaufhaus Handfraktur 15.00 RTW 3 Personen: K<strong>in</strong>der 10jähriger Junge(Freund der befragtenK<strong>in</strong>der)Tabelle 18: Angaben zu den e<strong>in</strong>zelnen Notfallsituationen (Fortsetzung)10 Die <strong>in</strong> dieser Spalte enthaltenen Angaben <strong>bei</strong>nhalten nicht zwangsläufig die exakte mediz<strong>in</strong>ische Diagnose, weil die E<strong>in</strong>satzprotokolle des Rettungsdienstes bzw. dieentsprechenden Krankenhausunterlagen nicht <strong>in</strong> allen Fällen zur Verfügung standen. Mitunter resultieren die Angaben daher nur aus den Aussagen der befragten Personen.


Harald Karutz: <strong>Psychische</strong> <strong>Erste</strong> <strong>Hilfe</strong> <strong>bei</strong> <strong>unverletzt</strong>-<strong>betroffenen</strong> <strong>K<strong>in</strong>dern</strong> <strong>in</strong> Notfallsituationen 1844 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 GesamtanzahlDurchschnittsalterNotfall m f m f m f m f m f m f m f m f m f m f m f m f m f A m f A m f1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 5 3 3 1 0 0 3 0 3 1 5 27 8 19 13,2 12,2 13,62 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 2 0 1 4 1 3 15,2 15 15,33 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 3 1 2 10,7 10 114 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 1 2 7,6 5 95 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 0 11,5 11,5 06 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 4 0 4 8,7 0 8,77 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 6 6 08 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 0 12 12 09 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 1 15 0 1510 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 7 0 711 0 0 1 2 1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 2 3 5,6 5,5 5,612 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 1 3 0 0 0 0 0 0 6 1 5 12,6 13 12,613 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 2 0 2 12,5 0 12,514 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 0 9,5 9,5 015 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 1 2 8,6 7 9,516 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 5 2 3 10 10 1017 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 7 7 018 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 1 0 1 0 4 4 0 14,7 14,7 019 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 9 0 920 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 5 0 521 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 0 9 9 022 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 1 1 0 14 14 023 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 4 0 424 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 6 3 3 11 11 1125 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 1 0 0 0 2 2 0 14 14 026 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 2 0 11 11 027 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 5 0 528 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 1 12 0 1229 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 3 0 10 10 0Gesamt 0 1 2 4 2 0 2 2 0 2 2 7 7 3 9 9 6 7 3 5 3 3 3 6 2 6 96 41 55 10 10,4 9,8Gesamt 1 6 2 4 2 9 10 18 13 8 6 9 8Tabelle 19: Anzahl, Alter und Geschlecht der jeweils befragten K<strong>in</strong>der (m=männlich, f=weiblich, A=Alle K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>er Altersstufe)

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