Thema "Navigation und Medizin" - Universität zu Lübeck
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EDITORIAL<br />
FOCUS <strong>Thema</strong>: <strong>Navigation</strong> <strong>und</strong> Medizin<br />
Der Kompass ist ein Mess- <strong>und</strong> <strong>Navigation</strong>sgerät,<br />
welches anhand des Erdmagnetfeldes die Peilung<br />
des magnetischen Nordpols anzeigt <strong>und</strong> so Norden<br />
<strong>und</strong> daraus alle anderen Himmelsrichtungen bestimmt.<br />
Schon im Jahr 271 wurde im Kaiserreich China der<br />
Kompass erf<strong>und</strong>en. Damals bestand er aus einem Stück<br />
Magneteisenstein, das an einem Faden aufgehängt war.<br />
Nach Europa gelangte diese simple <strong>Navigation</strong>shilfe<br />
aber erst durch die Araber 1190.<br />
Eine Weiterentwicklung waren Sextanten. Das erste<br />
Konzept für ein Gerät <strong>zu</strong>r Winkelmessung mit Hilfe von<br />
Spiegeln stammt von Isaac Newton,<br />
der seinen Entwurf 1700 an die<br />
Royal Society einreichte. Seine<br />
Skizzen blieben jedoch unbeachtet<br />
<strong>und</strong> wurden erst 1742, nach seinem<br />
Tod, veröffentlicht. Bereits <strong>zu</strong><br />
Zeiten der Segelschifffahrt besaßen<br />
Sextanten eine Messgenauigkeit<br />
von etwa einer Bogenminute (1/60<br />
Grad), was einer Positionsgenauigkeit<br />
von einer Seemeile entspricht.<br />
Moderne Sextanten können eine<br />
mechanische Genauigkeit von 10–<br />
20 Bogensek<strong>und</strong>en erreichen. Auf<br />
dem ehemaligen 10-DM-Schein<br />
war noch ein Sextant abgebildet.<br />
Bei der <strong>Navigation</strong> auf See verlor<br />
der Sextant erst mit der Satellitennavigation<br />
(GPS) an Bedeutung. In<br />
der Luftfahrt war der Sextant nur kurze Zeit in Gebrauch<br />
<strong>und</strong> wurde bald durch Funknavigation, Trägheitsnavigation<br />
<strong>und</strong> Kreiselkompasse ersetzt.<br />
Während einer Operation werden <strong>Navigation</strong>ssysteme<br />
<strong>zu</strong>nehmend als den Chirurgen unterstützende Systeme<br />
eingesetzt, im Gegensatz <strong>zu</strong>r nicht unumstrittenen<br />
Robotertechnik, die einen autonomen OP-Fortschritt<br />
propagiert. Angefangen von ersten <strong>Navigation</strong>s- <strong>und</strong><br />
Trackinghilfen am Knochen, setzen <strong>zu</strong>nehmend alle<br />
chirurgischen Fächer <strong>Navigation</strong>stechniken dort ein,<br />
wo ein möglichst zielgerichtetes <strong>und</strong> exaktes Vorgehen<br />
notwendig <strong>und</strong> hilfreich ist. Insbesondere den minimal-<br />
Der auf der 10 DM-Banknote abgebildete<br />
Sextant – auf Basis eines Quintanten<br />
(144° Messbereich) der englischen<br />
Firma Troughton<br />
invasiven Techniken steht so eine Methodik <strong>zu</strong>r Verfügung,<br />
die in Zukunft möglicherweise die Genauigkeit<br />
eines Eingriffes an relevanten Stellen <strong>zu</strong>sätzlich erhöhen<br />
<strong>und</strong> das Indikationspektrum für minimal invasive<br />
Eingriffe erweitern kann.<br />
Derzeitig am herausfordernsten ist sicherlich die Anwendung<br />
der <strong>Navigation</strong>stechnik an Weichgewebsorganen,<br />
wie z.B. der Leber <strong>und</strong> der Lunge, aber auch der<br />
sog. Brain-Shift am Gehirn stellt noch hohe Ansprüche<br />
an die Genauigkeit.<br />
Ziel dieses interdisziplinären Themenheftes<br />
„<strong>Navigation</strong> in den operativen<br />
Fächern“ ist es, dem interessierten<br />
Leser, Ärzten <strong>und</strong> Ärztinnen<br />
die technischen Gr<strong>und</strong>lagen der<br />
<strong>Navigation</strong>stechnik <strong>und</strong> deren aktuelle<br />
Anwendungsmöglichkeiten<br />
auf<strong>zu</strong>zeigen. Dabei ist es primäre<br />
Intention der Herausgeber <strong>und</strong> Autoren,<br />
das technisch Realisierbare<br />
mit dem Nutzen für den Patienten<br />
ab<strong>zu</strong>gleichen. Dieser Nutzen kann<br />
auch durch eine Verbesserung der<br />
intraoperativen Genauigkeit durch<br />
den Operateur erreicht werden.<br />
Dem gegenüber gestellt wurde die<br />
kritische Beleuchtung derzeit ungelöster<br />
Probleme, wie z.B. Sterilisierungs-<br />
<strong>und</strong> Genauigkeitsprobleme.<br />
Realistische Anwendungsmöglichkeiten<br />
sollten von Utopien streng getrennt werden.<br />
So hoffen wir, dem Leser ein realistisches Bild dieser<br />
neuartigen <strong>und</strong> viel versprechenden Techniken dar<strong>zu</strong>legen.<br />
Weiterhin ist es uns eine Freude, dass durch die<br />
Idee für dieses Projekt auch ersichtlich wurde, dass am<br />
Standort <strong>Lübeck</strong> sich erhebliche Kompetenz <strong>zu</strong>m <strong>Thema</strong><br />
<strong>Navigation</strong> versammelt hat.<br />
M. Kleemann, H. P. Bruch<br />
<strong>Universität</strong>sklinik für Chirurgie, <strong>Lübeck</strong><br />
FOCUS MUL 23, Heft 4 (2006) 193