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KAPITEL 4. MUSIKTHERAPIE UND „SCHREIBABYS“ 47<br />
und laut, hoch und tief. Zusammen mit an<strong>der</strong>en intrauterinen Geräuschen<br />
wie <strong>der</strong> mütterlichen Blutzirkulation, Atemfluss und Darmbewegungen ist <strong>der</strong><br />
Fötus einer Geräuschkulisse von ca. 60 dB <strong>aus</strong>gesetzt. Diese<br />
Körpergeräusche sind jedoch überwiegend tieffrequent und werden durch<br />
die Filterwirkung <strong>der</strong> Knochen größtenteils <strong>aus</strong>geblendet (Nean<strong>der</strong>, K.-D.<br />
1999).<br />
Klang und Melodie erlebt <strong>der</strong> Fötus primär über die mütterliche Stimme. Der<br />
einzigartige Klang und die Sprechmelodie prägen sich beim Fötus<br />
beson<strong>der</strong>s schnell ein. Die Stimme <strong>der</strong> Mutter wird über die Wirbelsäule in<br />
den Bauchraum und das Becken weitergeleitet und durch die Form des<br />
Beckens noch 2,5-fach verstärkt. Das Zitat: „ Das Becken einer Frau<br />
funktioniert wie ein Kontrabass“ von Alfred Tomatis verdeutlicht dieses<br />
Phänomen sehr passend. Melodische Modulationen von Vokalen kann <strong>der</strong><br />
Fötus dabei besser wahrnehmen als Konsonanten und phonetische<br />
Merkmale (Busnel &Granier-Deferre, 1983).<br />
Monika Nöcker-Ribeaupierre weist in ihrer Arbeit mit früh geborenen<br />
Kin<strong>der</strong>n darauf hin, „dass musikalische Parameter <strong>der</strong> mütterlichen Stimme<br />
auch psychische, emotionale Anteile vermitteln, die wie<strong>der</strong>um als<br />
psychische Gedächtnisspuren internalisiert werden.“ Schon im Mutterleib<br />
reagiert <strong>der</strong> Fötus auf den durch Klang und Rhythmus vermittelten<br />
emotionalen Gehalt in <strong>der</strong> Mutterstimme. <strong>Ein</strong>e negative <strong>Ein</strong>stellung zum<br />
Kind, depressive Stimmungslagen o<strong>der</strong> partnerschaftliche Spannungen<br />
können bewirken, dass sich <strong>der</strong> Fötus auditiv verschließt, indem er den<br />
Kontakt zum mütterlichen Knochen vermeidet (Nean<strong>der</strong>, K.-D. 1999).Externe<br />
Geräusche wie die Stimme des Vaters und Musik werden erst ab einer<br />
Lautstärke von mehr als 100 dB direkt übertagen, da die Bauchdecke ein<br />
starker Schalldämmer ist. Sie werden über das Trommelfell <strong>der</strong> Mutter durch<br />
Knochenvibration übertragen (Nean<strong>der</strong>, K.-D. 1999).<br />
Nach <strong>der</strong> Geburt werden sowohl die Stimme <strong>der</strong> Mutter als auch die<br />
Stimme des Vaters vom Säugling unter allen an<strong>der</strong>en wie<strong>der</strong>erkannt<br />
(Cooper& Aslin 1989, De Casper& Fifer, 1980). Auch an den Klang des<br />
mütterlichen Herzschlags und an die natürlichen intrauterinen Geräusche<br />
erinnert sich ein Neugeborenes (De Casper & Sigafoos, 1983). Die<br />
Musiktherapie von Benenzon (1983) basiert auf diesen pränatalen<br />
Erfahrungen. Er arbeitet u.a. mit Klängen und Geräuschen, die an die<br />
Periode im Mutterleib erinnern. Dadurch, dass <strong>der</strong> Mensch diese ersten<br />
sinnlichen <strong>Ein</strong>drücke gerne wie<strong>der</strong> erfährt hat diese Musik eine beson<strong>der</strong>s<br />
„öffnende“ Wirkung.