Reden reicht nicht,<strong>Bildung</strong> muss man machenEin Gespräch mit <strong>Bildung</strong>sverantwortlichenim Landkreis Elbe-ElsterKlaus Richter ist seit 2002 Landrat desLandkreises Elbe-Elster. Peter Hans ist Dezernentund Erster Beigeord<strong>net</strong>er. Marlies Eilitz steht dem Schulverwaltungs-und Sportamt beim Landkreis vor, dem auch das <strong>Bildung</strong>sbürozugeord<strong>net</strong> ist, welches von Andrea Hähnlein geleitetwird.Vor welchen Herausforderungen steht der Landkreis Elbe-Elster?Klaus Richter: Elbe-Elster ist ländlich strukturiert und liegtweit von der Landeshauptstadt Potsdam entfernt. In der DDRprägten der Maschinenbau und das Bauwesen die Region. Nachder Wende wurden viele Unternehmen geschlossen. Mittlerweilehaben wir einen sehr leistungsstarken Mittelstand in den BereichenMetall, Elektro, Ernährung und Gesundheit, der allerdingsden dramatischen Arbeitsplatzabbau nach der Wende nicht kompensiert.Die Arbeitslosigkeit liegt bei 16 Prozent, ein hoher Anteildavon sind Langzeitarbeitslose. Wir haben nach wie vor ein hohesMaß an Abwanderung. Rund 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnerverlassen uns jährlich, vor allem die Leistungsträger. Umso bedeutenderist für uns als Region die Frage nach <strong>Bildung</strong>. Dabei istmir besonders wichtig, Schule und Wirtschaft so zeitig wie möglichzusammenzubringen. Ich weiß, dass Betriebe qualifiziertenNachwuchs brauchen. Bevor ich 2002 Landrat wurde, war ich achtJahre Wirtschaftsdezernent und davor habe ich u. a. als Stellvertreterdes Direktors viele Jahre in einem großen Unternehmen gearbeitet.Als Wirtschaftsdezernent habe ich Unternehmer und Berufsschullehrerzusammengebracht. Eine Reaktion damals war dieFrage, ob ich denn als Wirtschaftsdezernent nicht ausgelastet bin,dass ich mich mit <strong>Bildung</strong>sfragen beschäftige. Das würde heutekeiner mehr fragen, es hat sich viel im Verständnis rund um <strong>Bildung</strong>verändert.Was machen Sie anders in Elbe-Elster?Klaus Richter: Jeder Politiker sagt, wie wichtig <strong>Bildung</strong> ist.Wir sagen das nicht nur, wir machen das. Wir haben bereits vormehr als zehn Jahren damit begonnen, eine Vielzahl von <strong>Bildung</strong>sinitiativenzu starten: 1996 gründeten wir eine Schülerakademie,1997 eine Seniorenakademie, die sich zu einer Dauerveranstaltungmit anspruchsvollen Themen etabliert hat. Im Jahr 2000 entstanddas »Regionale Lernforum im Wirtschaftsraum zwischen Elbeund Elster«. Seit 2003 beteiligen wir uns am Programm »LernendeRegionen« mit dem Projekt »Schule von morgen. Wege zu einerneuen Lernkultur«. Das läuft in fünf Beispielschulen im KreisPeter Hans (li.), bei der Eröffnung der 6. <strong>Bildung</strong>skonferenz, gemeinsammit Dr. Karsten Schuldt (Progess Institut für Wirtschaftsforschung TeltowGmbH) und Hans-Jürgen Kuhn (Referatsleiter im Ministerium für <strong>Bildung</strong>,Jugend und Sport des Landes Brandenburg)mit gutem Erfolg. Einmal jährlich veranstalten wir eine <strong>Bildung</strong>skonferenz,in diesem Jahr zum sechsten Mal. 2005 haben wir den»Verein zur Förderung der Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft«gegründet. In ihm sind Politik, Verwaltung und Unternehmenvertreten. Seit 2008 gibt es das »EntwicklungsforumElbe-Elster« und als Steuerungsinstrument die Stabsstelle »Zukunftsstrategienfür Elbe-Elster«. 2008 nahm auch die Sinus-Stiftungihre Arbeit auf, die das Bundesprogramm »Jobstarter« undden Beschäftigungspakt »Xenos« im Landkreis umsetzt. Wir habeneine Regionalstelle für <strong>Bildung</strong> im Agrarbereich, dort bildenwir Meister für ganz Südbrandenburg aus. In unserer Region gibtes eine sehr leistungsstarke Landwirtschaft, die ein erheblichesNachwuchsproblem beklagt.Herr Hans, als Kämmerer verantworten Sie den Haushalt in Elbe-Elster. Wie schaffen Sie es nur, diese zahlreichen <strong>Bildung</strong>sinitiativenzu finanzieren?Peter Hans: Die Haushaltssituation ist äußerst angespannt.Wir haben 18,2 Millionen Euro Defizit. Und zwar nicht deshalb, weilwir soviel Geld ausgeben, wir sind sparsam, sondern weil wir soschwache Einnahmen haben. Die Kreisumlage ist abhängig vonder Steuerkraft der Kommunen. Wir haben die niedrigste im LandBrandenburg. Langfristig kommen wir daher nur aus der Misere,wenn wir die Steuerkraft stärken. Das erreichen wir nur, indem wir50 bildung <strong>lokal</strong> <strong>gestalten</strong> TEIL B – Aktivitäten und erfahrungen im Land Brandenburg
in Ausbildung investieren. Hier sparen wir nicht, sondern nehmenGeld in die Hand und versuchen, weitere Mittel für den Bereich <strong>Bildung</strong>einzuwerben. Die Sparkassenstiftung unterstützt uns zumBeispiel bei der Finanzierung von Praxistagen und bei der Finanzierungdes Berufswahlpasses. Der Kreispräventionsrat hilft uns,das »Anti-Bullying-Projekt« flächendeckend im Kreis einzuführen.Vom aktuellen Konjunkturpaket der Bundesregierung fließen zweiDrittel der Investitionen in unsere Schulen. 2015 sollen alle Schulenim Kreis tiptop sein.Klaus Richter: <strong>Bildung</strong>spolitik in allen ihren Facetten wardem Landkreis immer schon sehr wichtig. Wir haben im Rahmender Investitionstätigkeit stets zuerst die Schulen gesehen. Erst alsdie Schulen fertig waren, haben wir die Verwaltung saniert. Außerdemwaren wir in Fragen der Finanzierung immer sehr kreativ undhaben Fördermittel von Land, Bund und Europa akquiriert. Dabeiwar es hilfreich, dass Regine Hildebrandt ihren Wahlkreis in Herzberghatte. Sie hat viel Wert darauf gelegt, sich um benachteiligteMenschen zu kümmern. Und die haben nur dann eine Chance voranzukommen,wenn sie ihr <strong>Bildung</strong>sniveau erhöhen.Marlies Eilitz: Zusätzlich haben wir eigene Mittel in dieHand genommen und das im Kreistag durchgesetzt. Unsere Musikschulekonnten wir durch eine erhöhte Eigenfinanzierung aufrechterhalten.Zurzeit fließen 800.0000 Euro Eigenmittel in dieMusikschule. Mit 2.300 Schülerinnen und Schülern ist sie die größteim Land Brandenburg. Wir erreichen jedes vierte Kind mit derMusikschule. Und auch das <strong>Bildung</strong>sbüro wird ausschließlich auseigenen Mitteln finanziert.Wo sehen Sie noch Handlungs- und Unterstützungsbedarf beiIhren Bemühungen?Klaus Richter: Die Landesförderung der Kreisvolkshochlschulenund Musikschulen ist extrem zurückgegangen. Sinnvollerwäre es, Musikschulen, auch im Sinne von präventiven Maßnahmen,so zu fördern, dass jedes Kind eine musikalische Ausbildungmachen kann. Wer eine Gitarre in der Hand hat, hat keine mehr füreine Spraydose frei. Es lohnt sich darüber nachzudenken, ob Musikschulennicht eine Pflichtaufgabe werden sollten. Auch an denSchulen passiert noch viel zu wenig. Es reicht nicht, über erfolgreiche<strong>Bildung</strong> in Finnland zu reden, man muss auch vieles so machenwie in Finnland: Das fängt bei den Klassenstärken und der Anzahlder Pädagoginnen und Pädagogen an und geht bis hin zur Abschaffungder Förderschulen. Wie sollen Förderschüler Motivation entwickeln,wenn sie einen Abschluss bekommen, der wertlos ist? Wirmüssen von diesen zehn Prozent Schulabgängern ohne Abschlusswegkommen.Was müsste sich Ihrer Ansicht nach in der Zusammenarbeit vonLand und Kommune ändern?Klaus Richter: Wir haben das Thema gerade im Rahmeneiner Vorstandssitzung des Brandenburger Landkreistages diskutiert.Dabei haben wir für eine Kommunalisierung der <strong>Bildung</strong>plädiert. Es ist unserer Ansicht nach höchst unglücklich, wennSchulräte über kommunale <strong>Bildung</strong>spolitik entscheiden. Ihnenfehlt der Bezug zur Kommune. Die Trennung in innere und äußereAngelegenheiten der Schule erweist sich zunehmend als hinderlich.Die Schulbediensteten sind Angestellte des Landes und esgibt immer wieder Probleme, wenn wir als Schulträger den Lehrkräftennichts zu sagen haben. Vor kurzem haben wir eine kommissarischeSchulleiterin verloren, die sehr gute Arbeit geleistethat, da der Posten des Schulleiters an jemanden von außerhalbvergeben wurde. Der Staatssekretär im <strong>Bildung</strong>sministerium, HerrJungkamp, hat sich sehr aufgeschlossen gegenüber unserer Vor-Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 6. <strong>Bildung</strong>skonferenz im Landkreis Elbe-ElsterTEIL B – Aktivitäten und erfahrungen im Land Brandenburgbildung <strong>lokal</strong> <strong>gestalten</strong> 51