Ein eindimensionaler <strong>Bildung</strong>sbegriff,der sich lediglich auf die formelle <strong>Bildung</strong>stützt, kann diese Anforderung nicht erfüllenund grenzt darüber hinaus eine großeZahl von Kindern und Jugendlichen aus.»Entsprechend bringt die neue Freiheitder Lebensgestaltung auch eine erhöhteWahrscheinlichkeit des Scheiterns mitsich. Hier sind diejenigen Jugendlichen, dieohnehin mit den erhöhten Belastungen inSchule und Beruf bis an ihre Leistungsgrenzengefordert sind, besonders betroffen.Wie lange werden sie dem Druck standhalten?«(Shell Jugendstudie 2006, S. 36).Um gerade die Zielgruppe der <strong>Bildung</strong>sbenachteiligtenbesser fördern zu könnenund ihnen den bestmöglichen Abschlusszu sichern (denn qualifizierte Abschlüssebleiben die zentrale Voraussetzung füreine gesellschaftliche Teilhabe) müssendie <strong>Bildung</strong>sorte und <strong>Bildung</strong>sgelegenheitenauf der Grundlage eines erweiterten<strong>Bildung</strong>sverständnisses gestaltet werden.<strong>Bildung</strong>s- und Entwicklungsräume sind bildungsbiographischzu denken und zu pla-nen. Welchen <strong>Bildung</strong>sherausforderungenmüssen sich Kinder und Jugendlichein den verschiedenen Altersstufen stellen?Welche Unterstützungsangebote und <strong>Bildung</strong>sgelegenheitenstehen ihnen dafür zurVerfügung? Wie können diese so aufeinanderabgestimmt werden, dass sie auch problembelastetenMenschen Orientierungbieten und <strong>Bildung</strong>steilhabe ermöglichen?Kinder- und Jugendhilfe und Schule stehenin besonderer VerantwortungDie beiden Systeme Schule und Jugendhilfestehen als öffentlich verantwortete<strong>Bildung</strong>sinstitutionen dabei in besondererVerantwortung. Ihnen muss besserals bisher eine wechselseitige Bezugnahmeihrer Angebote und damit der formellenund informellen Lernprozesse gelingen.Sie sind es, die an der Schnittstelle zu denprivaten Lebensbereichen, den Familienagieren und damit eine kontinuierliche Bezugnahmeauf nichtformelle Lernprozessegewährleisten können.Dazu bedarf es neben einer Qualifizierungder Akteure in Schule und Jugendhilfe(schon während des Studiums 4 ) einesbundes- und landespolitisch stärker betontenAuftrages an beide Systeme zurKoopera tion. In den Konzepten der öffentlichenund freien Jugendhilfeträger und denSchulprogrammen sollte sich dieser Auftragebenso widerspiegeln wie in Stellenbeschreibungenund Arbeitszeitmodellen.Denn damit verbunden ist ein Zeitaufwandfür Austausch- und Abstimmungsprozessesowie für die Planung, Durchführungund Auswertung gemeinsamer Angebote.So empfiehlt die Bertelsmann Stiftung mitBlick auf die pädagogischen Fachkräfte inKindertageseinrichtungen, »ausreichendVerfügungszeit für Beratungs- und sozialpädagogischeTätigkeiten sowie für Ver<strong>net</strong>zungsarbeitim Stadtteil« zuzugestehen(Bertelsmann Stiftung 2008 b, S. 18).Für Lehrkräfte ist diese Forderung analogzu stellen.Konzeptioneller Anspruch und Akteure<strong>lokal</strong>er <strong>Bildung</strong>slandschaften<strong>Bildung</strong>sorte und -gelegenheiten sind <strong>lokal</strong> verortet und werden wesentlich von den Entscheidungsträgern in der Kommune, inden Regionen gestaltet und mit Ressourcen ausgestattet 5 . Die Kita, die Schule, der Verein, die Bibliothek, die Musikschule, das Jugendzentrum,der Treffpunkt im Park, die Volkshochschule, etc.: Sie sind Orte und Einrichtungen in einer Kommune, die den Alltagder Bürgerinnen und Bürger, insbesondere aber der Kinder und Jugendlichen prägen und <strong>Bildung</strong> ermöglichen. Sie tragen maßgeblichzur Identitätsstiftung der hier lebenden Menschen bei. Hier werden Beziehungen gestaltet, auf deren Grundlage sich eine gelingende<strong>Bildung</strong>sbiographie aufbauen lässt. Durch das »Expertenwissen« der Akteure vor Ort können auf den unmittelbaren Bedarfzugeschnittene Angebote aufeinander abgestimmt, entwickelt und umgesetzt werden.Betrachtet man bestehende Definitionenvon <strong>lokal</strong>en <strong>Bildung</strong>slandschaften,so finden sich zum Teil unterschiedlicheZielstellungen und Schwerpunktsetzungen.Die bestehenden Beschreibungen unterscheidensich unter anderem nach denBegriffen »<strong>lokal</strong>«, »regional« und »kommunal«.Im vorliegenden Text wird der Begriffder »<strong>lokal</strong>en <strong>Bildung</strong>slandschaft« gewählt.»Lokal« als Attribut der <strong>Bildung</strong>slandschaftlässt den Akteuren vor OrtDefinitionsspielraum.Der Begriff »<strong>lokal</strong>« ist gegenüber kommunalenGebietskörperschaften (Stadt,Amt, Gemeinde oder Landkreis) mit entsprechendenAufgaben, Pflichten undZwängen zunächst neutral. Die Bezeichnungen»regional« oder »kommunal« solltendann genutzt werden, wenn diese Be-griffe von den Akteuren vor Ort auchals geeig<strong>net</strong> empfunden und selbst eingebrachtwerden. Je nach Kontext könnendie unterschiedlichen Begriffe alsodurchaus sinnvoll eingesetzt werden.Was fasst der Begriff der <strong>lokal</strong>en <strong>Bildung</strong>slandschaft?Dazu gibt es bereitseine Reihe von Definitionsansätzen, u. a.des Deutschen Städtetages, des DeutschenVereins und des Deutschen Ju-4 »Bisherige Schwerpunkte und Routinen der grundständigen Ausbildung sowohl von Lehrerinnen und Lehrern als auch von Fachkräften der Jugendhilfe sindkaum geeig<strong>net</strong>, die Motivationen, Kompetenzen und Handlungsstrategien zur Kooperation zu fördern« (Olk 2006, S. 75).5 Im Jahr 2005 wurden bundesweit 141,6 Milliarden Euro für <strong>Bildung</strong> ausgegeben, wovon auf die Gemeinden ein Anteil von 23,647 Milliarden Euro (16,7 %) entfiel(Quelle: <strong>Bildung</strong> für Deutschland 2006).8 bildung <strong>lokal</strong> <strong>gestalten</strong> TEIL A – Grundlagen, Akteure, Inhalte und Ziele <strong>lokal</strong>er <strong>Bildung</strong>slandschaften
Familie, Schule und Jugendhilfe sind grundlegende Akteure einer <strong>lokal</strong>en <strong>Bildung</strong>slandschaftSchule und Jugendhilfe stehen als öffentlich verantwortete Erziehungs- und<strong>Bildung</strong>sinstanzen in besonderer Verantwortung. Beide Systeme haben gemeinsameSchnittfelder, bei denen eine abgestimmte, geplante und vertrauensvolleZusammenarbeit notwendig ist.Kindertagesbetreuung,Jugendsozialarbeit,Schulsozialarbeit,Jugendarbeit, HzE etc.Schule ist während der Schulzeitbedeutender Lern- und Lebensort. Mitder Vergabe von Abschlüssen nimmt sieeine zentrale Rolle in der Zuweisung vonLebenschancen ein.Die Kinder- und Jugendhilfebildet die Schnittstelle zwischenprivaten Lebensformen undöffentlich organisierten Lern- und<strong>Bildung</strong>sgelegenheiten.SchuleKinder- undJugendhilfeSchule und Jugendhilfe benötigen ein umfassendes Konzept derElternansprache, der Elterngewinnung und der Elternbildung.FamilienEltern sind die zentralen Partner undZielgruppe, wenn es um die <strong>Bildung</strong> undErziehung junger Menschen geht.Abb. 2: Familie, Schule und Jugendhilfe sind grundlegende Akteure einer <strong>lokal</strong>en <strong>Bildung</strong>slandschaftgendinstituts (DJI) 6 . Alle nennen explizitKinder und Jugendliche als Zielgruppe, wobeidie Zielgruppe der benachteiligten Kinderund Jugendlichen zum Teil besondershervorgehoben wird.Kinder und Jugendliche – Lebensweltenim Fokus»Hauptmerkmale der kommunalen <strong>Bildung</strong>slandschaftsind:• Individuelle Potentiale des Individuumsund dessen Förderung in der Lebensperspektivesind der Ausgangspunkt in derOrganisation von <strong>Bildung</strong>s- und Lernprozessen.Kein Kind, kein Jugendlicher darfverloren gehen.• Die für <strong>Bildung</strong> zuständigen Akteure arbeitenauf der Basis verbindlicher Strukturenzusammen: Familie, Kinder- undJugendhilfe, Schule, Kultur, Sport, Wirtschaft,etc.• Eltern bzw. Familien werden als zentrale<strong>Bildung</strong>spartner einbezogen.• Übergänge werden nach dem Prinzip»Anschlüsse statt Ausschlüsse« ermöglichtund gestaltet.• Die kulturelle <strong>Bildung</strong> wird als wichtigerTeil ganzheitlicher <strong>Bildung</strong> einbezogen.«(Deutscher Städtetag 2007, S. 2)Ausgangspunkt der zu entfaltendenAktivitäten in einer <strong>Bildung</strong>slandschaftsind die Lebensverhältnisse, die Lern- undLebenswelten sowie die individuellen Potentialeder Kinder und Jugendlichen. Derkonzeptionelle Anspruch ist aber weiter zufassen: Lokale <strong>Bildung</strong>slandschaften erreichenalle Bürgerinnen und Bürger und berücksichtigenstärker die Perspektive deslebenslangen Lernens. Eine solche Sichtweiseschließt die Erfassung der KinderundJugendsicht und eine weitestgehendeBeteiligung aller Bürgerinnen und Bürgerein.Eltern als <strong>Bildung</strong>spartnerund ZielgruppeDie partnerschaftliche Einbeziehungder Eltern ist eine zentrale Voraussetzungzur erfolgreichen Gestaltung <strong>lokal</strong>er <strong>Bildung</strong>slandschaften.Eltern sind durch gezielteInformationsmaterialien und -wegefür unterschiedlichste Themen (von Fragendes Kinderschutzes, zur Gewalt- undSuchtprävention bis hin zur Berufsorientierung)zu sensibilisieren und durch geeig<strong>net</strong>eFormate an der Entwicklung einer <strong>lokal</strong>en<strong>Bildung</strong>slandschaft zu beteiligen. DieEltern/Familien sollten aber ebenfalls alsZielgruppe bei den Aktivitäten innerhalb<strong>lokal</strong>er <strong>Bildung</strong>slandschaften berücksichtigtwerden, zum Beispiel durch Angebotezur Stärkung der Erziehungskompetenzoder der stärkeren Einbeziehung in Aktivitätenbestehender Eltern-Kind-Zentren.Schule und Kinder- und Jugendhilfe alszentrale AkteureWenn es um die relevanten Akteure ineiner <strong>Bildung</strong>slandschaft geht, haben dieunterschiedlichen Definitionsansätze allegemeinsam, dass sie durchweg die KinderundJugendhilfe und Schule als zentraleAkteure benennen. Die gelingende Kooperationvon Schule sowie Kinder- und Jugendhilfeist eine tragende Säule im Konzept<strong>lokal</strong>er <strong>Bildung</strong>slandschaften undentspricht auch den Erfahrungen unserer6 Beim DJI ist das Forschungsprojekt »Lokale <strong>Bildung</strong>slandschaften in Kooperation von Ganztagsschulen und Jugendhilfe« angesiedelt. Laufzeit: 01.02.2007bis 31.01.2010. Siehe hierzu www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=596TEIL A – Grundlagen, Akteure, Inhalte und Ziele <strong>lokal</strong>er <strong>Bildung</strong>slandschaftenbildung <strong>lokal</strong> <strong>gestalten</strong> 9