Unternehmensführung – Kolumne Ein großer <strong>de</strong>utscher Kommunikationskonzern, <strong>de</strong>ssen Geschäft naturgemäß das Optimieren von Kommunikation ist, führte einen Selbstständigen neulich an seine psychischen und existenziellen Grenzen – und keiner war dafür verantwortlich o<strong>de</strong>r zuständig. Alle Beteiligten waren überwiegend nett, häufi g hilfsbereit und manchmal sogar mitfühlend. Die Geschichte in Kürze: Nach Rückkehr von einer Geschäftsreise stellte unser Mann fest, dass er über mehrere Tage keine Mails erhalten hatte. Das war so ungewöhnlich, dass es ihn beunruhigte. Ein Versuch, <strong>de</strong>n aktuellen Banksaldo über das Internet abzurufen, scheiterte. Da dämmerte ihm: Er war von <strong>de</strong>r Außenwelt abgeschnitten! Der IT-Berater seines Vertrauens bemühte sich sofort und setzte sein ganzes Können ein, fand aber keine Lösung. Damit begann ein 18-tägiges Drama. Die Tage waren mit Warten gefüllt, mit täglich mehreren längeren – manchmal auch etwas emotional gefärbten – Telefongesprächen, mit immer wie<strong>de</strong>r stattfi n<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Technikerbesuchen (die immer nur das Gleiche tun wollten, nämlich „die Leitung messen“, weil sie sonst offenbar nichts gelernt hatten), mit endlosen Kontakten zu freundlichen, aber uninformierten und offenbar machtlosen Call-Center-Mitarbeitern, die unserem Mann immer wie<strong>de</strong>r neue Versionen <strong>de</strong>r Geschichte auftischten, aber, wie sich dann herausstellte, alle keine Ahnung von <strong>de</strong>r Sachlage hatten. Nach<strong>de</strong>m schließlich noch verschie<strong>de</strong>ne Vertragsversionen und wi<strong>de</strong>rsprüchliche Aussagen über die Vertragsgültigkeit auftauchten und als Krönung <strong>de</strong>s Ganzen auch noch verschie<strong>de</strong>ne Versionen <strong>de</strong>s Geburtsdatums unseres Mannes kursierten, verließ ihn fast <strong>de</strong>r Mut. Im gesamten Prozess hatte unser Held keine einzige Chance, zu einem wirklich Verantwortlichen vorzudringen, und auch keine Gelegenheit, die Sachlage in Ruhe mit einem wirklich kompetenten Menschen zu besprechen. Das System schottete sich ab und ließ <strong>de</strong>n Kun<strong>de</strong>n mit seinem Problem allein. Es war Quer<strong>de</strong>nker Zutiefst gestört Von Professor Martin Beck Martin Beck Der Unternehmensberater ist Großhan<strong>de</strong>lskaufmann, Diplom- Betriebswirt (FH) und Honorarprofessor an <strong>de</strong>r Hochschule Nürtingen. www.prof-beck.net an keiner Stelle ein wirkliches Interesse <strong>de</strong>r vielen Gesprächspartner erkennbar, sich <strong>de</strong>r Existenznot unseres Mannes anzunehmen. Die glatte Oberfl äche <strong>de</strong>s Kommunikationsunternehmens ließ sozusagen alles abperlen. Offenbar gab es bei <strong>de</strong>m Kommunikationskonzern auch keine verlässliche Dokumentation <strong>de</strong>r Gespräche. So sagte eine <strong>de</strong>r wenigen höheren Chargen, die in diesen Tagen ans Telefon zu bekommen waren: „Ach wissen Sie, wir können die Gespräche nicht immer gleich dokumentieren. Manchmal ist zu viel los, und manchmal ist auch <strong>de</strong>r Rechner kaputt.“ Mit je<strong>de</strong>m neuen Gesprächspartner begann die Geschichte von vorn, je<strong>de</strong>r hörte aufmerksam zu, aber keiner tauchte wirklich tief in die Problemlage ein. Am En<strong>de</strong> dieser Lei<strong>de</strong>nszeit löste sich übrigens das Ganze in eine Kleinigkeit auf: Keiner <strong>de</strong>r vielen Techniker war auf die I<strong>de</strong>e gekommen, <strong>de</strong>n Datenfl uss innerhalb <strong>de</strong>s Hauses zu prüfen. Alle hatten sie das Netz zwischen Außen- und Innenwelt überprüft, immer erfolglos. Per Zufall o<strong>de</strong>r Eingebung stellte einer <strong>de</strong>r Techniker fest, dass beim Eingang <strong>de</strong>r Leitung in das Haus ein Kabel abgeklemmt wor<strong>de</strong>n war. In fünf Minuten war alles geheilt. Alle Kommunikationsmittel versahen wie<strong>de</strong>r ihren Dienst. Fast lächerlich also. Aber 18 lange Tage ohne Außenkontakt hatten einen hohen Preis. Fast wäre das Geschäft unseres Mannes daran zerbrochen. Was lernen wir daraus? Aus <strong>de</strong>r Perspektive <strong>de</strong>s kleinen Kun<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r zu einem Millionenheer weitgehend rechtloser Nutzer gehört, lässt sich lei<strong>de</strong>r wenig Nutzbringen<strong>de</strong>s ableiten. Der Kleinkun<strong>de</strong> geht in einer Massenorganisation unter. Das ist bitter. <strong>Als</strong> Alternative böte sich <strong>de</strong>r Wechsel zu einem kleineren, regionalen Dienstleister an. Aber <strong>de</strong>r ist in <strong>de</strong>r Umsetzung seiner Aufträge wie<strong>de</strong>r auf die Netze und Einrichtungen <strong>de</strong>r Großen angewiesen, bietet also keine wirkliche Unabhängigkeit. Bleibt die Hoffnung, dass auch unbeweglich scheinen<strong>de</strong> Organisationen irgendwann dazulernen. 30 ProFirma 05 2012
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