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Schluss mit lustig<br />
Business affairs<br />
Kein Entkommen<br />
von <strong>de</strong>r Kunst<br />
Speditionsunternehmer Olaf Gute schätzt<br />
Hubraum mehr als die malerischen Fähigkeiten<br />
seiner Frau. Zum Biertrinken hätte er trotz<strong>de</strong>m<br />
einen besseren Ort fi n<strong>de</strong>n können.<br />
VON MICHAEL BAHNERTH<br />
Er stand vor seinem Fenster, blickte auf <strong>de</strong>n leeren Fuhrpark<br />
und lächelte. 17 Lastwagen hatte er, 17 waren mit Ladung unterwegs.<br />
Irgendwo in <strong>de</strong>r Schweiz und Italien. Es war ein gutes<br />
Gefühl, zu <strong>de</strong>n Gewinnern <strong>de</strong>s Güterverkehrs zu gehören,<br />
obwohl er manchmal dachte, dass das Ganze ein Irrsinn war.<br />
Weil ein Schweizer Mineralwasserhersteller sein noch stilles<br />
Wasser in die Nähe von Genua fahren ließ, um es dort mit<br />
Kohlensäure zu versetzen. Und wie<strong>de</strong>r zurück. Das machte<br />
die Flasche, nach Abzug <strong>de</strong>r Transportkosten, zwei Cent billiger<br />
für <strong>de</strong>n Hersteller. Und ihn machte es wohlhabend. Ich<br />
sollte glücklich sein, dachte er.<br />
Noch eine halbe Stun<strong>de</strong>, und sein neuer 911er Porsche wür<strong>de</strong><br />
geliefert, <strong>de</strong>r 1973er Carrera RS, weiß, 2,7-Liter-Motor, 232 PS,<br />
wür<strong>de</strong> hier in <strong>de</strong>n Hof einfahren. Er stellte sich vor, dass er ihn<br />
zuerst hören, bevor er ihn sehen wür<strong>de</strong>. Er wür<strong>de</strong> ihn starten,<br />
sich eine Landstraße suchen und ein paar G-Kräfte in <strong>de</strong>n Kurven<br />
spüren. Das wür<strong>de</strong> ihn glücklich machen. Wenn er fahren<br />
konnte, vergaß er alles an<strong>de</strong>re. Vor allem seine Frau, die heute<br />
<strong>de</strong>n wichtigsten Tag in ihrem Leben als Künstlerin hatte.<br />
Natürlich nahm er das ernst. Auch wenn sie noch ein Leben<br />
als Yoga-Lehrerin hatte. Und eines als Dolmetscherin. Und<br />
eines als Ernährungsspezialistin. Und eines als Frau sowieso.<br />
„Bitte, Olaf“, hatte sie gesagt, „komm zu meiner Vernissage.<br />
Du musst nicht wegen meiner Bil<strong>de</strong>r kommen. Aber komm<br />
wegen mir. Wegen uns. Und als Zeichen, dass ich dir noch etwas<br />
be<strong>de</strong>ute.“ Er hatte ja hingehen wollen. Nicht wegen <strong>de</strong>r<br />
Bil<strong>de</strong>r. Die waren, fand er, na ja, farbig. Seine Frau malte Sonnen<br />
in allen Variationen und Farben. Weil die Sonne <strong>de</strong>r Quell<br />
allen Lebens sei. Etwas pampig hatte er geantwortet, für Männer<br />
seien dies Benzin und Hubraum. Danach wollte sie mit<br />
ihm diskutieren, aber er gab vor, noch arbeiten zu müssen,<br />
und verschwand in seinem Dachzimmer, wo er im Grun<strong>de</strong><br />
die meiste <strong>de</strong>r gemeinsamen Zeit mit seiner Frau verbrachte.<br />
Er hörte jetzt, wie ein Motor beim Runterschalten mit Zwischengas<br />
immer ein wenig aufheulte. Kurze Zeit später saß er<br />
im Porsche und fuhr allem davon. Das Auto lag gut, entwickelte<br />
ab 3.500 Touren einen unglaublichen Zug. Er mochte<br />
diese älteren Autos, die keinen Schnickschnack hatten, son<strong>de</strong>rn<br />
nur Autos waren. Er wusste gar nicht mehr, wie lange er<br />
gefahren war, bis er zu diesem Gasthof kam, anhielt, die Blicke<br />
<strong>de</strong>r Gäste im Garten genoss, sich hinsetzte und ein Stück<br />
Fleisch bestellte und ein Bier. Er blickte auf sein Handy. Drei<br />
Anrufe in Abwesenheit; seine Frau.<br />
Er blickte auf seine Uhr. Zu spät. Er aß, trank und dachte nach.<br />
Ob er allein glücklicher wäre. Ob Ehen eine Halbwertszeit haben,<br />
die man akzeptieren musste, anstatt so zu tun, als ob man<br />
gemeinsam glücklich in die Urne gehen könnte. Er lehnte sich<br />
zurück, trank sein Bier aus und freute sich schon auf die Fahrt<br />
zurück. Schaute noch <strong>de</strong>n fünf Fahrzeugen zu, die gera<strong>de</strong> auf<br />
<strong>de</strong>n Parkplatz <strong>de</strong>r Gaststätte einbogen. Sah die meist elegantschwarz<br />
geklei<strong>de</strong>ten Leute, die aus <strong>de</strong>n Autos stiegen und<br />
gleich anfi ngen zu plappern. Ein Wagen hatte eng neben seinem<br />
Porsche geparkt. Versaut mir nicht meinen Lack, dachte<br />
er. Eine Frau stieg aus, in langem weißem Kleid. Seine Frau.<br />
Er zuckte kurz zusammen, überlegte, ob er auf die Toilette<br />
fl üchten sollte, entschied sich dann aber, ein Mann zu sein<br />
und einfach sitzen zu bleiben. Seine Frau führte die Gruppe<br />
<strong>de</strong>r Vernissage-Gäste lächelnd ins Lokal. <strong>Als</strong> sie ihn bemerkte,<br />
vollzog sich auf ihrem Gesicht eine Sonnenfi nsternis. Dann<br />
drehte sie sich einfach um, fi ng an, mit einem jungen Mann<br />
zu sprechen, hängte sich bei ihm ein und lief wortlos an ihm<br />
vorbei. Er stand auf, setzte sich in seinen Wagen und gab Gas.<br />
Lange noch suchte er nach Kurven, die ihn alles vergessen lassen<br />
wür<strong>de</strong>n.<br />
IM NÄCHSTEN HEFT: Manfred Müller, Marketingfachmann, und die Tücken einer Powerpoint-Präsentation.<br />
82 ProFirma 05 2012<br />
Teil 4<br />
Illustration: Reinhold Harwath