B 2042 F CC-Blätter - Coburger Convent
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Sapere aude, incipe!<br />
Dritter Präsidialbrief der Gründungslandsmannschaft<br />
Teutonia Bonn<br />
Präsidierende im <strong>Coburger</strong> <strong>Convent</strong> 2008 / 2009<br />
Bonn, an einem Samstag im März<br />
2009: Auf dem zentral gelegenen<br />
Münsterplatz sind junge Leute versammelt.<br />
Die Konterfeis von Che<br />
Guevara und Rosa Luxemburg beherrschen<br />
auf Hemden und Plakaten die<br />
Kulisse, auf der Bühne lamentiert ein<br />
Nachwuchs-Rapper über ›Kapitalisten<br />
und Faschisten‹, nebenan wirbt die<br />
DKP mit Karl Marx um die ›Vergesellschaftung‹<br />
der Banken und Versicherungen.<br />
Es gibt Kuchen und Bier und<br />
für den Nachwuchs rote Luftballons.<br />
Ein ungestörter Frühlingsnachmittag<br />
unter jungen Revolutionären, den wir<br />
nicht weiter bewerten wollen.<br />
Die Frage ist: Würde das Volksfest<br />
ebenso munter verlaufen, wenn bunte<br />
Bänder und Mützen und – statt der<br />
Rapmusik – deutsche Kommerslieder<br />
die Szenerie beherrschten? Wer weiß,<br />
vielleicht wären sie von Trillerpfeifen<br />
oder Gebrüll übertönt worden,<br />
möglicherweise hätte die Polizei die<br />
Veranstaltung schließlich hilflos beendet.<br />
Kein völlig irrer Albtraum, wie<br />
bekannte Vorgänge in Universitätsstädten<br />
zeigen.<br />
Wir wollen kein Mitleid erhaschen,<br />
sondern eine angemessene<br />
Sensorik für einen gesellschaftlich<br />
etablierten Freiheitsbegriff pflegen,<br />
der in vielen Fällen nicht der unsrige<br />
ist. Eine Gesellschaft mit demokratischen<br />
Ansprüchen ist auf denkselbständige<br />
Menschen angewiesen.<br />
Hierin liegt wohl auch ein Grund für<br />
die Zustimmung, die wir in unserer<br />
Aufgabe als Präsidierende durch uns<br />
zuvor fremde Menschen erfahren.<br />
Unsere Praxis läßt uns konservativ<br />
werden im Sinne Bergengruens, und<br />
so verstehen wir Konservatismus als<br />
›Widerstand gegen das Unfundierte<br />
und Konstruierte‹. Die Welt der<br />
Medien und der Parteipolitik hat<br />
sich vielfach von der realen Welt abgetrennt,<br />
durch die ständige Fixierung<br />
auf sich selbst, mit den beliebig<br />
austauschbaren Gesprächspartnern.<br />
Um so erfreulicher ist es, in unseren<br />
Reihen Menschen anzutreffen, deren<br />
Gehirn aus mehr als lediglich wenigen<br />
Schubladen besteht.<br />
Die aktuellen Probleme der Weltwirtschaft<br />
geben den Blick frei auf<br />
Indizien dafür, daß sich das ›demokratische<br />
Zeitalter‹ verändert, sich<br />
vielleicht gar dem Ende zuneigt.<br />
Eine Institution, die – wie unser Verband<br />
– bereits sieben Staatsformen<br />
erlebt hat, dürfte innerlich kaum<br />
zu übertriebener Staatsgläubigkeit<br />
neigen. Die Frage ›Was kommt?‹<br />
muß uns gleichwohl beschäftigen.<br />
Auch vor diesem Hintergrund wird<br />
sich die Präsidierende weiter darum<br />
bemühen, den Verband in ein<br />
Gespräch darüber zu verwickeln,<br />
›was unsere Werte wert sind‹, was<br />
sie vor allem den Mitgliedern selbst<br />
wert sind. Ein jeder mag seine eigene<br />
Meinung dazu finden. Daß auf<br />
dem gesellschaftlichen Markt der<br />
Möglichkeiten die Masse tendenzi-<br />
ell zur Unverbindlichkeit neigt und<br />
die politischen Eliten immer mehr<br />
in eine imaginäre Mitte drängen,<br />
legt den Schluß nahe, daß traditionelle<br />
Werte zunehmend zum<br />
Qualitätsmerkmal werden – sofern<br />
sie denn auch aktiv verfochten,<br />
vor allem aber gelebt werden. Die<br />
gesellschaftliche Randlage dürfte<br />
angesichts dessen, wer und was sich<br />
da alles in dieser erwähnten Mitte<br />
tummelt, eher attraktiv als stigmatisierend<br />
wirken.<br />
In diesem Kontext mögen die<br />
Mitglieder des Verbandes weiterhin<br />
den Mut aufbringen, sich im Sinne<br />
des Humboldtschen sapere aude!<br />
des eigenen Verstandes zu bedienen.<br />
Mögen sie zudem stets über die Kraft<br />
verfügen, den Versuchungen der<br />
Masse zu widerstehen und all denjenigen<br />
Gegnern die Stirn zu bieten,<br />
die sie ihrer geistigen Freiheit berauben<br />
wollen!<br />
Die Sprecher der Präsidierenden<br />
Andreas von Dahlen Rüdiger Gerald Franz Alexander Robert Reinhold<br />
1. stv. Sprecher Sprecher 2. stv. Sprecher<br />
<strong>CC</strong>-<strong>Blätter</strong> 2/2009<br />
11<br />
Das Amtsblatt