Einheitssatz: Aus Liebe zu den KMU - Schweizerischer ...
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2<br />
diese woche<br />
christoph Juen – Der Direktor des Branchenverbandes hotelleriesuisse rechnet mit schwierigen<br />
Zeiten und fordert eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung für die Beherbergung.<br />
«DerBundsolleingreifen»<br />
gewerbezeitung: Bis September<br />
dieses Jahres ging die Anzahl der<br />
Logiernächte um 2 Prozent <strong>zu</strong>rück.<br />
Dies ist doch angesichts der<br />
Umstände gar nicht so schlecht?<br />
n christoph Juen: Diese Zahl sagt für<br />
sich betrachtet wenig aus. In der<br />
Schweizer Hotellerie schlägt der starke<br />
Franken derzeit voll durch. So<br />
haben Gäste aus dem Euroraum bis<br />
September dieses Jahres um 7 Prozent<br />
abgenommen. Besonders deutlich<br />
ist der Logiernächterückgang<br />
aus Deutschland. Die Städtehotellerie<br />
hat im letzten halben Jahr stark<br />
von der positiven Konjunktur profitiert,<br />
da sie direkt vom Geschäftstourismus<br />
abhängt. In der Ferienhotellerie<br />
ist die Entwicklung jedoch teilweise<br />
dramatisch. Hoteliers berichten<br />
mir von Umsatzausfällen von bis<br />
<strong>zu</strong> 30 Prozent, verbun<strong>den</strong> mit einem<br />
ruinösen Preiskampf.<br />
Was kommt nächstes Jahr auf die<br />
Schweizer Hotellerie <strong>zu</strong>?<br />
n Für die laufende Wintersaison ist<br />
wichtig, dass das Wetter mitspielt<br />
und genügend Schnee fällt. Das ist<br />
für die Ferienhotellerie entschei<strong>den</strong>d.<br />
Was <strong>den</strong> weiteren wirtschaftlichen<br />
<strong>Aus</strong>blick angeht, bin ich pessimistisch.<br />
Angesichts der derzeitigen Turbulenzen<br />
auf <strong>den</strong> Finanzmärkten<br />
schliesse ich ein Durchschlagen auf<br />
die Realwirtschaft nicht mehr aus.<br />
Diese Einschät<strong>zu</strong>ng wird durch die<br />
kürzlich publizierten Prognosen der<br />
BAK Basel bekräftigt, die in 2012 von<br />
einem markanten Logiernächterückgang<br />
aufgrund rezessiver Ten<strong>den</strong>zen<br />
ausgehen. Sollte sich dies bewahrheiten,<br />
wird es auch im Geschäftstourismus<br />
<strong>zu</strong> einem Einbruch kommen.<br />
Insgesamt rechne ich also mit<br />
einer branchenspezifischen Rezession<br />
in der Tourismus- und Hotelwirtschaft.<br />
«ich rechne mit einer<br />
branchenspezifischen<br />
rezession in der<br />
tourismus- und<br />
hotelwirtschaft»<br />
Gibt es auch positive Nachrichten?<br />
n Die Hotellerie hat in <strong>den</strong> letzten<br />
Jahren ihre Hausaufgaben gemacht<br />
und gezielt Investitionen in die Qualität<br />
getätigt, die gerade jetzt wichtig<br />
sind, um im globalen Wettbewerb<br />
bestehen <strong>zu</strong> können. Was mich ebenfalls<br />
optimistisch stimmt, ist die Tatsache,<br />
dass ausländische Investoren<br />
im Schweizer Tourismus ein hohes<br />
Potenzial erkannt haben und sich erheblich<br />
engagieren. Auf der Nachfrageseite<br />
wirkt sich einerseits das<br />
Inland stabilisierend auf die Logier-<br />
<strong>zu</strong>r person<br />
Dr. oec HSG Christoph Juen ist CEO<br />
des Branchenverbandes hotelleriesuisse.<br />
Studium der Volkswirtschaft<br />
in Lausanne und St. Gallen sowie SEP<br />
Stanford Business School. Über<br />
Stationen beim Bundesamt für<br />
<strong>Aus</strong>senwirtschaft (heute SECO), wo<br />
der heute 58Jährige als Experte für<br />
Wirtschafts, Währungs und Finanzfragen<br />
tätig war, und dem Schweizerischen<br />
Handels und Industrieverein<br />
Vorort (heute economiesuisse) wurde<br />
er Ende 1999 an die Spitze der<br />
Geschäftsstelle von hotelleriesuisse<br />
berufen. Juen ist verheiratet und<br />
Vater von drei erwachsenen Kindern.<br />
Der CEO von hotelleriesuisse Christoph Juen verlangt vom Bund energisches Eingreifen.<br />
nächte aus. Andererseits ist ein<br />
starker Boom aus <strong>den</strong> Wachstumsmärkten<br />
wie China, Indien und die<br />
Golfstaaten <strong>zu</strong> beobachten, der <strong>den</strong><br />
Wegfall aus <strong>den</strong> gesättigten Märkten<br />
teilweise auffängt. Dank eines höheren<br />
Rahmenkredits wird hier Schweiz<br />
Tourismus weitere neue Gästemärkte<br />
erschliessen können.<br />
Der Bundesrat hat kürzlich verlauten<br />
lassen, dass es kein zweites<br />
Massnahmenpaket gegen die<br />
Frankenstärke gibt.<br />
n Das ist für mich sehr bedauerlich,<br />
<strong>den</strong>n die bundesrätliche Ankündigungspolitik<br />
hat in der Branche entsprechende<br />
Erwartungen geweckt.<br />
Das erste Massnahmenpaket hat ein<br />
wichtiges Signal an die betroffenen<br />
Unternehmen im Tourismus gesendet.<br />
Es greift jedoch <strong>zu</strong> kurz und<br />
wirkt erst mittelfristig. Zentral ist jedoch<br />
der rasche Erfolg der eingesetzten<br />
Instrumente. Einen sinnvollen<br />
Anknüpfungspunkt bietet unseres Erachtens<br />
die Mehrwertsteuer. hotelleriesuisse<br />
fordert daher, dass diese für<br />
die Beherbergung für ein Jahr erlassen<br />
wird. Damit wird die Hotellerie<br />
wirkungsvoll entlastet, bis die wirtschaftliche<br />
Talsohle durchschritten<br />
ist. Die Wirtschaftskommission des<br />
Nationalrates hat im November einen<br />
wichtigen ersten Schritt gemacht,<br />
indem sie <strong>den</strong> Bundesrat beauftragt<br />
hat, einen dringlichen Bundesbeschluss<br />
<strong>zu</strong> formulieren und die notwendigen<br />
Entscheidungsgrundlagen<br />
vor<strong>zu</strong>legen.<br />
Wird eine vorübergehende Mehrwertsteuer-Senkung<br />
dem Exportcharakter<br />
des Tourismus gerecht?<br />
n Absolut! Rund 60 Prozent aller Logiernächte<br />
sind ausländischer Herkunft.<br />
Eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung<br />
für die Beherbergung<br />
ist damit ein taugliches Instrument<br />
<strong>zu</strong>r Exportförderung. Sie wirkt<br />
unmittelbar und stärkt <strong>den</strong> Investitions-<br />
und Preisgestaltungsspielraum<br />
der Hotellerie. Gleichzeitig wird dem<br />
Verlust schweizerischer Gäste, die<br />
verstärkt im <strong>Aus</strong>land Ferien machen,<br />
wirkungsvoll begegnet.<br />
Ihr Verband hat in <strong>den</strong> vergangenen<br />
Monaten verschie<strong>den</strong>e Forderungen<br />
an die Politik gerichtet.<br />
Was ist Ihrer Ansicht nach <strong>zu</strong> tun?<br />
n Oberstes politisches Ziel von hotelleriesuisse<br />
ist die Schleifung der<br />
Hochkosteninsel Schweiz. Ich erwarte<br />
von Parlament und Bundesrat,<br />
dass in dieser Hinsicht griffige, dauerhaft<br />
wirksame Massnahmen <strong>zu</strong>r<br />
Verbesserung der wirtschaftlichen<br />
Rahmenbedingungen verabschiedet<br />
wer<strong>den</strong>. Das geht nur über eine konsequente<br />
Deregulierung, Entbürokratisierung<br />
und Öffnung der Märkte.<br />
Denn eines geht oft vergessen: Die<br />
Hotellerie ist eine ausgeprägte Exportbranche,<br />
die <strong>zu</strong> hohen Schweizer<br />
Kosten geschäftet, aber <strong>zu</strong> Weltmarktpreisen<br />
bestehen muss. Zwar<br />
ist es der hiesigen Tourismus- und<br />
Hotelwirtschaft in <strong>den</strong> letzten Jahren<br />
gelungen, die Kostennachteile gegenüber<br />
dem umliegen<strong>den</strong> <strong>Aus</strong>land kontinuierlich<br />
ab<strong>zu</strong>bauen. Die rasche<br />
und starke Überbewertung des Frankens<br />
macht diese Entwicklung jedoch<br />
mehrfach <strong>zu</strong>nichte, und zwar in kürzester<br />
Zeit.<br />
«die mehrwertsteuer<br />
für die beherbergung<br />
soll für ein Jahr<br />
erlassen wer<strong>den</strong>»<br />
Was steht bei Ihnen für die<br />
kommende politische Legislatur<br />
auf der Agenda?<br />
n Zentral für die Hotellerie ist die<br />
Beibehaltung der Personenfreizügigkeit<br />
mit der EU. Sie ermöglicht uns<br />
<strong>den</strong> direkten Zugang <strong>zu</strong>m europäischen<br />
Arbeitsmarkt und die Rekrutierung<br />
von qualifizierten Arbeitskräften.<br />
Wir fordern ausserdem die<br />
konsequente Öffnung der Schweizer<br />
Märkte für importierte Güter, gerade<br />
für Nahrungsmittel und Landwirtschaftsprodukte.<br />
Wieso nicht die<br />
Fleischmärkte <strong>zu</strong>erst öffnen? Im Infrastrukturbereich<br />
müssen <strong>zu</strong>dem<br />
Preiserhöhungen jeglicher Art vermie<strong>den</strong><br />
wer<strong>den</strong>, insbesondere im<br />
Energiesektor. In der Mehrwertsteuerreform<br />
haben wir lange die Position<br />
des Bundesrates und damit <strong>den</strong><br />
<strong>Einheitssatz</strong> unterstützt. Aufgrund<br />
der derzeitigen parteipolitischen Widerstände<br />
befürworten wir im Sinne<br />
einer ersten Konsolidierung der<br />
Steuersätze ein Zweisatzmodell mit<br />
<strong>den</strong> gastgewerblichen Leistungen im<br />
tieferen Satz als ersten Schritt <strong>zu</strong>r<br />
«Vision <strong>Einheitssatz</strong>».<br />
«wir fordern die<br />
konsequente Öffnung<br />
der schweizer märkte<br />
für importierte güter»<br />
Wie unterstützt hotelleriesuisse<br />
die Mitglieder im Kampf gegen die<br />
aktuelle Frankenstärke?<br />
n Wir stehen unseren Mitgliedern<br />
mit gezielten Initiativen <strong>zu</strong>r Seite,<br />
die ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken.<br />
Eine wichtige Thematik ist die<br />
Macht der Hotel-Buchungsplattformen<br />
und deren hohe Kommissionen<br />
im Internet. Die Schaffung einer nationalen<br />
Buchungsplattform mit tiefen<br />
Kommissionen wird hier eine<br />
Entlastung bringen. Über unser Beratungsnetzwerk<br />
vermitteln wir ausserdem<br />
Know-how <strong>zu</strong> Vor<strong>zu</strong>gskonditionen,<br />
was <strong>zu</strong> tieferen Kosten und<br />
höheren Erträgen führen sollte. Der<br />
Fokus liegt aber im permanenten<br />
politischen Lobbying. Wir befin<strong>den</strong><br />
uns gemeinsam mit dem Gewerbeverband<br />
in einem andauern<strong>den</strong><br />
Kampf gegen administrative Hür<strong>den</strong><br />
und höhere Kosten.<br />
Interview: OG/Lu<br />
Schweizerische<br />
Gewerbezeitung<br />
– 2. Dezember 2011<br />
die meinung<br />
Marco Taddei,<br />
Vizedirektor sgv<br />
mehrwertsteuerreform<br />
<strong>Einheitssatz</strong>: <strong>Aus</strong><br />
<strong>Liebe</strong> <strong>zu</strong> <strong>den</strong> <strong>KMU</strong><br />
Hat das am 23. Oktober 2011 an <strong>den</strong><br />
Urnen gewählte neue Parlament ein<br />
Herz für die Interessen der <strong>KMU</strong>? Um<br />
das <strong>zu</strong> erkennen, braucht man nur bis <strong>zu</strong>m<br />
kommen<strong>den</strong> 21. Dezember <strong>zu</strong> warten, dem<br />
Tag, an dem der Nationalrat <strong>zu</strong>m MWSt-<br />
<strong>Einheitssatz</strong> Stellung beziehen muss. Man<br />
hofft auf einen eindeutigen Entscheid: Wenn<br />
der Nationalrat für die Situation der <strong>KMU</strong><br />
sensibilisiert ist, muss er diese ambitionierte<br />
Reform unterstützen. Denn wer <strong>Einheitssatz</strong><br />
sagt, sagt in erster Linie administrative<br />
Erleichterungen für die 300 000 der MWSt<br />
unterstellten <strong>KMU</strong>.<br />
Die Mehrheit der unter der Bundeshauskuppel<br />
vertretenen politischen Parteien hat <strong>den</strong><br />
Kampf gegen bürokratische <strong>Aus</strong>wüchse <strong>zu</strong><br />
einer Priorität gemacht. Doch ihre konkreten<br />
Vorschläge lassen <strong>zu</strong> wünschen übrig. Im<br />
Klartext: In Sachen administrative Entlastung<br />
hat bis heute keine andere Reform die<br />
Tragweite eines MWSt-<strong>Einheitssatz</strong>es gehabt.<br />
Da<strong>zu</strong> einige aufschlussreiche Zahlen: Das<br />
Verschwin<strong>den</strong> der mit der Existenz von drei<br />
Steuersätzen und 29 <strong>Aus</strong>nahmen verbun<strong>den</strong>en<br />
Unsicherheiten bedeutet eine jährliche<br />
Einsparung von rund 300 Millionen Franken.<br />
Die 1500 Seiten, die heute für die<br />
Anwendung der MWSt erforderlich sind,<br />
wer<strong>den</strong> um zwei Drittel reduziert.<br />
Das vom Bundesrat vorgeschlagene und vom<br />
Ständerat bereits genehmigte Modul <strong>Einheitssatz</strong><br />
bedeutet aber auch, die Behandlungsgleichheit<br />
und die juristische Sicherheit<br />
der Steuerpflichtigen <strong>zu</strong> stärken. Insgesamt<br />
wäre die Gutheissung des <strong>Einheitssatz</strong>es<br />
durch <strong>den</strong> Nationalrat am 21. Dezember ein<br />
willkommenes Weihnachtsgeschenk für die<br />
<strong>KMU</strong>, <strong>zu</strong> einem Zeitpunkt, wo die Schweizer<br />
Wirtschaft <strong>den</strong> <strong>Aus</strong>wirkungen des starken<br />
Frankens ausgesetzt ist.<br />
Doch erstaunlicherweise hat der Nationalrat<br />
bis heute das Modul <strong>Einheitssatz</strong> verworfen<br />
und einem Modell mit zwei Steuersätzen<br />
und <strong>Aus</strong>nahmen <strong>den</strong> Vor<strong>zu</strong>g gegeben. Eine<br />
unverständliche Entscheidung. Warum die<br />
Komplexität der Einfachheit vorziehen?<br />
Wieso ein «Reförmchen» bevor<strong>zu</strong>gen, das<br />
eher <strong>den</strong> Status quo zementiert, als eine<br />
wirkliche Reform, die <strong>den</strong> Interessen der<br />
<strong>KMU</strong> entgegenkommt? Fürchtet die Volkskammer<br />
<strong>den</strong> latenten Widerstand des<br />
Durchschnittsbürgers (und damit des Durchschnittswählers)<br />
gegen das Projekt, weil<br />
dieser seinerseits vor der Erhöhung der<br />
Steuerbelastung Angst hat, <strong>zu</strong> der ein <strong>Einheitssatz</strong><br />
bei <strong>den</strong> Lebensmitteln und medizinischen<br />
Dienstleistungen führen würde?<br />
Sollten das die Befürchtungen des Nationalrats<br />
sein, kann man ihm versichern: Der<br />
<strong>Einheitssatz</strong> wird die Fiskalquote von drei<br />
Vierteln aller der MWSt unterliegen<strong>den</strong><br />
Güter und Dienstleistungen verringern, so in<br />
<strong>den</strong> Bereichen Energie, Verkehr, Bekleidung<br />
oder elektronische Geräte. Deshalb können<br />
die Parlamentarier, die im Laufe der Jahre<br />
ihre Fürsorge für die <strong>KMU</strong> <strong>zu</strong>m <strong>Aus</strong>druck<br />
gebracht haben, die Chance am kommen<strong>den</strong><br />
21. Dezember unbesorgt ergreifen und ihre<br />
verbale Empathie in eine konkrete Tat<br />
umwandeln. Indem sie <strong>den</strong> <strong>Einheitssatz</strong><br />
unterstützen, ersparen sie <strong>den</strong> <strong>KMU</strong> nicht<br />
nur unnötige administrative Kosten, sondern<br />
sie stärken auch deren Wettbewerbsfähigkeit<br />
und sichern damit die Beibehaltung<br />
und Schaffung von Arbeitsplätzen in unserem<br />
Land.