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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Der Text beginnt mit einer Dreiteilung desmöglichen Verständnisses von Recht. Dieseskönne entweder als eine Regel, als eine Entscheidungoder als eine konkrete Ordnungaufgefaßt werden. Daraus resultieren die vonSchmitt behaupteten drei Arten des <strong>recht</strong>swissenschaftlichenDenkens: Das RegelundGesetzesdenken, das Entscheidungsdenkensowie das konkrete Ordnungs- undGestaltungsdenken. Das germanische Rechtdes Mittelalters sei durch konkretes Ordnungsdenkengeprägt gewesen, doch sei diesesdurch die Rezeption des römischenRechts verdrängt worden und habe einemabstrakten Normativismus Platz machenDie rein normativistische Methode isoliereund verabsolutiere die Norm. Das Gesetzwäre der Herrscher über die Menschen, dielex der rex, womit erreicht werden könne,daß die Norm die konkrete Königs- oderFührerordnung zerstören könne. Ein normativistischerRechtsbegriff sei aber verfehlt,weil nur von einem konkreten Ordnungsdenkenher beispielsweise der Begriff desVerbrechers gedacht werden könne. In einemstreng normativistischen Verständniserfülle ein Verbrecher nur einen Tatbestand,sei nicht mehr der Inbegrifffür Unordnung.Man könne nicht mehr zwischen Ordnungund Unordnung, zwischen der juristisch gebotenenBehandlung eines Verlöbnisses, dasfälschlicherweise als bloßer Vertrag begriffenwerde, und eines Raubmordes unterscheiden,weil beide ja bloß Anlässe einer Gesetzesanwendungwären. Zwar könne man sichdas Funktionieren menschlicher Beziehungenals eine bloße Funktion genereller, berechenbarerNormen vorstellen, dies wäreaber nur in inhaltlich nicht "aufgeladenen"Bereichen wie der Erstellung eines Fahrplanssinnvoll. Die allgemeine juristische13egrifflichkeit setze hingegen einen Rekursauf die konkrete Ordnung voraus, ein Terlninuserhalte erst dadurch seine Bedeutung,derer sich der Normativismus bedienenmUsse. "Eine gesetzliche Regelung setztNormalbegriffe voraus, die so wenig aus dergesetzlichen Regelung entstehen, daß vielmehrgerade die Normierung ohne sie ganzunverständlich wird und man nicht einmalmehr von einer ,Norm' sprechen kannn. Einegenerelle Regel soll zwar von der konkrerenEinzellage unabhängig sein und sichtlber den Einzelfall erheben, weil sie vieleFlille und nicht nur einen einzelnen Fall regelnsoll; aber sie erhebt sich nur in einemsehr beschränkten Maße, nur in einem ganzbestimmten Rahmen, und nur bis zu einerbescheidenen Höhe über die konkrete Lage.Überschreitet sie dieses Maß, so trifft undbetrifft sie nicht mehr den Fall, den sie regelnsoll. Sie wird sinn- und beziehungslos. "(OdA, S. 23). Die Rechtsordnung sei also an"konkrete Normalbegriffe" gebunden, dienicht aus allgemeinen Normen abgeleitetseien, sondern solche aus ihrer eigenen Ordnungheraus und für ihre eigene Ordnunghervorbrächte.Der zweite "ewige Typus" (ÜdA, S. 25)des Umgangs mit dem Recht sei der Dezisionismus,als dessen typischer VertreterThomas Hobbes anzusehen sei. Der Dezisionistentscheide um des Entscheidens willen.Die Entscheidung .entstehe aus einemnormativen Nichts und in einer konkretenJURIDIKUMUnordnung, die in Ordnung gebracht werde,indem entschieden würde, egal wie. DieEntscheidung mache den Entscheidendenzum Souverän und erzeuge Ordnung.Aus Normativismus und Dezisionismusentstehe als uneigenständige Mischformzwischen Entscheidungs- und Gesetzesdenkender Positivismus, das Rechtsdenken seihier zum bloßen am Konfliktfall orientiertenLegalitätsdenken degeneriert. Nur der zweifelloseInhalt der Norm sei für den PositivistenMaßstab der Entscheidung, dieser klareInhalt könne aber nicht aufgefunden werden,weil die Suche nach dem Zweck oderdem Willen des Gesetzes sinnlos, die Sicherheitder Entscheidung nicht daraus, sondernnur aus der relativ stabilen Situation desStaats im 19. Jahrhunderts deduzierbar sei."Schon die einfachsten Probleme der Auslegungund der Beweiswürdigung [!) mußteneinen darüber belehren, daß die Festigkeitund Sicherheit auch der ganz sorgfältig undumständlich geschriebenen Gesetzestexte insich selbst überaus fraglich blieb. Wortlautund Wortsinn, Entstehungsgeschichte,Rechtsgefühl und Verkehrsbedürfnisse wirkenbei der Entstehung des ,zweifellosen'Inhalts des Gesetzestextes [ ... ) in der verschiedenartigstenWeise durcheinander."(ÜdA, S. 34) Daher müsse sich der Positivistdezisionistisch einer nicht letztbegründbarenEntscheidung unterwerfen, wodurch die Suchenach dem Geltungsgrund der Norm abgebrochenund stattdessen der Wille der geradeherrschenden Macht anerkannt werdenmüsse, ohne daß diese Macht als konkreteOrdnung verstanden werden könne.Wie in GuU negiert Schmitt also wiederumdie Möglichkeit, rational begründbareErkenntnisse aus normativen Texten zu gewinnen.Den Ausweg aus den Dilemmata vonNormativismus, Dezisionismus und derMischform des Positivismus bietet fürSchmitt daher nun nur mehr die (Rück-)Besinnungauf konkrete Ordnungen, als derenVordenker Hegel reklamiert wird, im Volke.Als EinbruchsteIlen dieses neuen Denkensdienten Generalklauseln und unbestimmteBegriffen neuer Art, wie gute Sitten, Treuund Glauben, deren Auftreten sich im neuenStaat häufe und derer weder Gesetzgebungnoch Rechtsprechung mehr entbehrenkönnten. Wohin seine methodische Konzeptionführt, erkennt Schmitt selbst in bestechenderKlarheit: "Sobald Begriffe wie,Treu und Glauben', ,gute Sitten' usw. nichtauf die individualistische bürgerliche Verkehrs<strong>gesellschaft</strong>,sondern auf das Interessedes Volksganzen bezogen werden, ändertsich in der Tat das gesamte Recht, ohne daßein einziges ,positives' Gesetz geändert zuwerden brauchte. Ich bin deshalb der Über-(17) Vgl. zu vergleichbaren antiromanistischen Reflexenin der juristischen Diskussion Richard Gamauf, DieKritik am Rtimischm Recht im 19. und 20. Jahrhundert,erscheint voraussichtlich in: Wiener HumanistischeBlätter 1995.Nr 2/95

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