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Download - juridikum, zeitschrift für kritik | recht | gesellschaft

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Studium & BerufBESTANDSAUFNAHME ZU EINEM EXOTISCHEN PHÄNOMEN (1)Frauenforschungam JuridicumFrauenforschung wird amWiener Juridicum erst seitca. zwei Jahren betrieben.Wie könnte an diesemHort des Traditionalismusder "Fremdkörper" Frauenforschunginstitutionalisiertwerden?Die Frauenforschung an der Juridischen Fakultätder Universität Wien hat eine sehrjunge Geschichte, die in engem Zusammenhangmit den Möglichkeiten steht, die dersogenannte "Frauentopf" bietet. Da nämlichjede verfügbare Lehrveranstaltungsstundeaus dem Fakultätskontingent dazu benötigtwird, um die Studierenden für ihre Prüfungenvorzubereiten, können unhabilitierte AssistentInnenan der Juridischen Fakultät faktischnur vorlesungsbegleitende Lehrveranstaltungen(Repetitorien, Übungen) abhalten.Wollen diese Aktivitäten auch im Bereichfrauenspezifischer Lehre setzen, sindsie gänzlich auf das Kontingent für Frauenforschungangewiesen., Zwei Spezifika lassen sich bislang feststellen:Seit Ilse Zatloukat-Reiter mit ihrenKollegen Nikolaus Benke und MarkusGrassl die erste einschlägige Lehrveranstaltungim Sommersemester 1993 über die"Frau in der europäischen Rechtsgeschichte"abgehalten hat, war Frauenforschung -wiewohl von einzelnen Frauen initiiert - amJuridicum niemals nur "Frauensache". Dieszum einen auf der Ebene des Lehrpersonals,wobei sich die Kooperation mit den angesprochenenKollegen, die Frauenforschungzu ihrem echten Anliegen gemacht haben,als sehr fruchtbar erwiesen hat. Zudem gibtes nur wenige Frauen am Juridicum, die sichmit derart einschlägigen Themen befassen.Zum anderen ist das Publikum weitgehendgemischt, wiewohl freilich tendentiell dieStudentinnen in der (großen) Überzahl sind.Das zweite Charakteristikum betrifft den Inhaltder angebotenen Lehrveranstaltungen.Bislang werden sie vor allem von VertreterInnender sogenannten "Grundlagenfächer",also Rechtsgeschichte, RömischesRecht und Rechtstheorie veranstaltet. Indiesem Rahmen sind die angebotenen Veranstaltungenzumeist interdisziplinär.FrauenforschungsgruppeJuridicumDas Angebot an frauenspezifischen Lehrveranstaltungenexpandierte in den darauffolgendenSemestern. So entstand das Anliegen,ein hausinternes Netzwerk zu schaffen,um der Frauenforschung eine Art Heimat zubieten, die sie an dieser Fakultät noch nichthat. Die Gruppe soll eine Plattform zur Vermittlungvon Informationen (2), zum Erfahrungsaustauschund für grundsätzliche Überlegungenbieten. Ein weiterer Anlaß für derenvon Ilse Zatloukal-Reiter und ElisabethI-Iolzleithner initiierte Gründung war derEntwurf eines Frauenförderungsplans fürdas Wissenschaftsressort. Eine der erstenAktivitäten der Gruppe war es, eineStellungnahme dazu zu verfassen.I.l)de Kontinuitäten zugunsten von Perspektivenzu überwinden.Denn juridische Fakultäten fungiertenbislang vielfach als Beschützer und Bewahrerpatriarchaler Systeme. Tradition wirdhochgehalten, gerade in <strong>gesellschaft</strong>spolitischenBelangen. Traditionalismus kann geradezuals "Berufskrankheit" des Juristenbezeichnet werden. (4 ) Denn das traditionalistischeElement stellt, wie Nikolaus Benkeformuliert, nicht allein einen "Faktor objektivierterRechtsfindung" dar. Benke identifiziertden juristischen Traditionalismus als"Systemelement". Daß die Rechtsstrukturvor allem zwei Qualitäten - Kohärenz undKontinuität - aufzuweisen hat, sei mit massivenKonsequenzen verbunden: "U mkohärent zu sein, wird [die Rechtsordnung]ein hohes Maß von Schlüssigkeit in Begriffund System anstreben - ein Ziel, für das siebereit ist, Verkürzungen ihrer Weitsicht undihrer Rechtsanschauungen vorzunehmen."Damit lassen sich freilich rasche Adaptierungenan geänderte Verhältnisse schlecht vereinbaren,was einen "Traditionalismus imDenken und Handeln der Juristinnen undJuristen" begünstige.Juridische Fakultätenund JuristinnenSo ist es auch kein Wunder, daß Frauenforschungan der Wiener RechtswissenschaftlichenFakultät keinerlei Tradition hat, wederin der Lehre noch in der Wissenschaft. Ganzim Gegenteil wird die Option, sich auf diesemGebiet publizistisch oder in der Lehrezu betätigen, von vielen Frauen eher als karriereschädigendund wenig profilierungsträchtigeingestuft. Als fatal erweist sich indieser Hinsicht, daß es zur Zeit keine einzigeordentliche Professorin, lediglich vieraußerordentliche Professorinnen und nur eineDozentin gibt. Es fehlen also "Gallionsfiguren"mit entsprechender Vorbildwirkung,die es Assistentinnen ermöglichen könnten,sich an ihnen zu orientieren und die auch jeneaktive Unterstützung auf diesem Gebietgeben könnten. So überwiegt die Angst vorGhettoisierung, denn die überwiegende,wenn auch nicht ausnahmslose Haltung, dieseitens der Professoren eingenommen wird,pendelt zwischen offener und versteckter,aber merkbarer Ablehnung und "Gewährenlassen".Nicht zuletzt ist für viele die Möglichkeit,Recht aus feministischer, also einer"parteilichen" Perspektive zu betrachten,neu und ungewohnt. Darüber hinaus ist dasInteresse an Rechtsfragen, die vorrangigFrauen betreffen, kaum vorhanden. Das istumso erstaunlicher, als die Situation vonFrauen seit Jahren immer wieder Thema(1) Ich danke insbesondere IIse Zatfoukat-Reiter fürihre Diskussionsbereitschaft und Mithilfe bei der Erstellungdieses Textes. Eine e1Weitnte und er@as andersakzClltuierte Fassung dieses Aufsatzes erscheint in: IngvildBirlchan (Herausgeberin), Feministische Kontexte.Seite 42Mittlerweile hat die Frauenforschungsgruppeeinen monatlicher Jour Fixe eingerichtet.Jeden ersten Mittwoch im Monattreffen sich interessierte Fachvertreterinnenund Studentinnen zum Informationsaustausch.Ein wichtiges Anliegen ist dabei, dieinterdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern,also etwa Forschung und Lehre in geltend<strong>recht</strong>lichenFächern mit jenen ausGrundlagenfächern zu kombinieren. Geradeaus feministischer Sicht scheint es wichtig,aus <strong>recht</strong>shistorischer und <strong>recht</strong>sphilosophischerPcrspektive heraus einen <strong>recht</strong>spolitischenAnspruch zu erheben. So könnte derAnstoß gegeben werden, noch zu schildernfIlstit/ltionen,Projekte, Debatten und der Frallenfo·rdenlllgspltl1l,Zeitschrift für Hochschuldidaktik2/1995.(2) Viele KollegInnen wußten etwa gar nicht, daß es den"Frauentopf' gibt.JURIDIKUM(3) Dieser Frauenfördertl1lgsplan wurde als BGBI.Nr.229/1995 mit 1. April 1995 erlassen.(4) Vgl. dazu Nikolaus Benke, Juristl1ltlCllatlsbildungeinfemimstischer Ir1Weg? Manuskript, erscheint imÖsterreichischen loumal für Rechtspolitik 1/95.Nr 2/95

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