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Blickpunkt Ausgabe 2-2011 - DJV Thüringen

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Aktuell Nachrichten Medien Internes Personalien<br />

28 2/<strong>2011</strong><br />

Foto: mip<br />

Über Qualitätsjournalismus. Wortmeldung eines Traumtänzers:<br />

Dienst an der Öffentlichkeit<br />

zur Verbesserung der Welt<br />

Was für ein blödes Wortspiel.<br />

Qualitätsjournalismus verkommt<br />

zur Leer- und Lehrformel, er<br />

wird benutzt und ist beschädigt,<br />

je nach Interessenlage.<br />

Christine Dressler und Rainer<br />

Aschenbrenner haben im letzten<br />

„<strong>Blickpunkt</strong>“ das Feld vermessen,<br />

das sie als Qualitätsjournalismus<br />

bezeichnen. Das ist ein anregender<br />

und anmaßender Beitrag.<br />

Anregend, weil sehr viele Aspekte<br />

von Qualität und Journalismus<br />

aus der Alltagserfahrung von<br />

Journalistinnen und Journalisten<br />

thematisiert und refl ektiert werden.<br />

Anmaßend, weil bei dem<br />

Thema seit mindestens zehn Jahren<br />

eine mehr oder weniger öffentliche<br />

Diskussion läuft. Im Berufsalltag<br />

aber, so ist von vielen<br />

Kolleginnen und Kollegen zu hören,<br />

geht ’s mit der Qualität von<br />

Journalismus tendenziell bergab.<br />

Hier soll keine akademische Diskussion<br />

geführt werden, aber das<br />

„Dschungelcamp“ hat nichts und<br />

die „Tagesschau“ viel mit Qualität<br />

und Journalismus zu tun. Natürlich<br />

geht es immer um Maßstäbe,<br />

die Journalisten an ihre Arbeit<br />

legen und die sie leben, um<br />

Maßstäbe an die Qualität ihrer<br />

Texte, Töne, Filme und Bilder, um<br />

Qualitätsjournalismus? Die Schweiz gilt<br />

als das Land mit den meisten Zeitungen<br />

und meisten Journalisten pro Kopf.<br />

Maßstäbe an Informationen und<br />

deren Interpretation. Die Maßstäbe<br />

von Lesern, Hörern, Zuschauern<br />

und Internetnutzern an guten<br />

Journalismus können andere<br />

sein. Und die Maßstäbe von Verlagsmanagern,<br />

Intendanten und<br />

anderen „Ermöglichern“, was<br />

Qualitätsjournalismus ist oder<br />

sein könnte, beziehen sich auf<br />

wirtschaftliche Daten, Aufl age,<br />

Einschaltquote, Nutzungsdauer.<br />

Geist und Genuss<br />

„Schreib was auf über Qualitätsjournalismus.“<br />

Leichtfertig<br />

sage ich zu und suche nach<br />

einer Idee. Tage später treffe ich<br />

Gerhard Renner. Der Künstler<br />

aus Sonneberg malt realistische<br />

Porträts, Stillleben und noch<br />

mehr. Er kommt mir in Erfurt mit<br />

zwei dicken Zeitungen unterm<br />

Arm entgegen, er macht mich<br />

neugierig. Was lesen Sie da? Er<br />

rollt die beiden Exemplare auf:<br />

„Neue Zürcher Zeitung“ und<br />

„Le Monde“. Warum lesen Sie<br />

ausgerechnet die? Er interessiere<br />

sich eben für andere Menschen,<br />

Kulturen und Identitäten, nicht<br />

nur für <strong>Thüringen</strong>. In hiesigen<br />

Zeitungen, so der Maler, sei ja<br />

immer weniger darüber zu lesen.<br />

Der Künstler formuliert einen<br />

hohen Anspruch. Thüringer<br />

Zeitungen erfüllen den offenbar<br />

nicht. So ist das mit den Erwartungen<br />

des Publikums. Die einen<br />

blicken über ihren Gartenzaun,<br />

erwarten Geistvolles und Genuss.<br />

Andere leben in und lieben ihre<br />

„kleine Welt“. Kritiker dieser<br />

Position mögen das Publikumsbeschimpfung<br />

nennen oder<br />

Missachtung legitimer Leserbedürfnisse.<br />

Aber zahlende Abonnenten<br />

müssen bedient werden.<br />

Tage später schreibt mir Gerhard<br />

Renner einen Brief, darin<br />

liegt eine Wochenbeilage für vier<br />

Schweizer Zeitungen. Das sei ein<br />

lustiges Heft, das viel über die<br />

Identität der Menschen verrate,<br />

notiert der Maler. Da geht es<br />

um „500 Beiträge der Schweiz<br />

zur Verbesserung der Welt“. Auf<br />

48 Seiten sind zumeist skurrile<br />

Texte abgedruckt: Nachrichten,<br />

Geschichten, ein Porträt, das<br />

beste Schweizer Kreuzworträtsel<br />

und andere Fundstücke. Darunter<br />

entdecke ich einen Fünfzeiler:<br />

„Schützt euere Journalisten! Die<br />

Schweiz gilt als das Land mit den<br />

meisten Zeitungen und meisten<br />

Journalisten pro Kopf, was allerdings<br />

nichts über die Qualität<br />

der Erzeugnisse aussagt.“<br />

Über das Zitat lässt sich trefflich<br />

refl ektieren. Die Qualität<br />

von Journalismus steht und<br />

fällt mit der Qualität von Journalisten.<br />

Ein Allgemeinplatz,<br />

na klar. Wie in allen anderen<br />

Branchen auch gibt es gute und<br />

schlechte Journalisten. Aber das<br />

ist ein ganz heikles Thema, ein<br />

weites und vermintes Feld.<br />

Ideen und Recherche<br />

Eine lange Bahnfahrt nach Norddeutschland<br />

bietet genügend Zeit<br />

für Zeitungslektüre. Die „Süddeutsche“<br />

ist für mich ein Qualitätsblatt.<br />

Heribert Prantl schreibt<br />

auf Seite 1 über die „bocca di leone“<br />

im Dogenpalast in Venedig.<br />

Vor Jahren habe ich das Löwenmaul<br />

auch entdeckt und darüber<br />

recherchiert. Prantls brillanter<br />

Text schlägt einen grandiosen<br />

Bogen vom einstigen Beschwerdebriefkasten<br />

zu Whistleblowern<br />

im journalistischen Alltag. Prantl<br />

informiert, analysiert, refl ektiert<br />

und kommentiert letztendlich<br />

einen aktuellen Gesetzentwurf<br />

im Deutschen Bundestag.<br />

Ein Beleg für Qualität von<br />

Journalismus sind Journalistenpreise,<br />

jedenfalls in der Regel.<br />

In der gleichen <strong>Ausgabe</strong> der<br />

Süddeutschen lese ich die Geschichte<br />

über Ruben Vives und<br />

Jeff Gottlieb, Journalisten der

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