Willi Volka - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV
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<strong>Willi</strong> <strong>Volka</strong><br />
S<br />
pontan fällt die Entscheidung, mehr<br />
aus dem Instinkt nach Frühling, nach<br />
einem Weg aus dem nasskalten Grau des<br />
Nachwinters hier, hinein in ein duftendes,<br />
grünes und blühendes Arkadien zu<br />
schweben: längst gebucht, gepackt, unter‐<br />
wegs sein. Die Welle der Vorfreude brandet<br />
gegen Flughafenschalter. Wir laufen auf,<br />
stehen Schlange, warten, dürfen endlich<br />
passieren, irgendwann uns in die Sitze<br />
schnallen. Die Phantasie eilt mit dem<br />
Dröhnen der Düsentriebwerke zu sonnigen<br />
Badestränden, in eine mythische Welt,<br />
voraus. Wir schweben in doppelter Welt,<br />
real im Bauch eines Flugzeuges und irreal<br />
als ein wandernder Punkt auf einer<br />
Monitorkarte, auf der wir unsere Fort‐<br />
bewegung im Raum verfolgen können.<br />
Als wir nach Stunden sanft aufsetzen,<br />
wird die Landung in Iraklion beklatscht. Es<br />
klingt wie das Flattern von Zugvögeln, die<br />
einen Augenblick aufgeschreckt wieder ge‐<br />
landet sind.<br />
„Da hätte ich in Hamburg bleiben<br />
können“, meint mürrisch eine Stimme. Ein<br />
milder Wind treibt ein paar Regentropfen<br />
ins Gesicht. Wir lösen uns aus der Masse,<br />
finden den Autoverleih, die Adresse, eine<br />
Unterschrift, Papiere, die Schlüssel.<br />
„Come to see me for a cup of coffee.“<br />
„Thank you.“ Die Lingua franca greift<br />
auch auf Kreta.<br />
Erschrocken blicken wir in die Schroffheit<br />
und Kahlheit von zerklüfteten Kalkwänden,<br />
sehen die Bauwunden, die in die Berghänge<br />
gerissen sind, starren auf unfertige Beton‐<br />
MYTHISCHE INSEL<br />
„Ich fürchte nichts, ich erhoffe nichts, denn ich bin frei.“<br />
Kazantzakis (Kreter)<br />
IGdA‐aktuell, Heft 1 (2009), Seite 15<br />
mauern, die aus dem Boden wuchern. Kaum<br />
ebenes Land. Ein schmaler Küstenstreifen.<br />
Ein Dreißigstel der Inselfläche gilt als eben.<br />
Rücken und Schluchten durchsetzt und von<br />
Gipfeln überragt ist der Rest.<br />
Bald finden wir, dank einer guten Be‐<br />
schreibung, unsere Ferienwohnung in Agios<br />
Nikolaos, treffen Leute mitten in der Arbeit,<br />
beim Streichen, Verputzen und Herrichten.<br />
Die Saison wird in Kürze erst richtig be‐<br />
ginnen.<br />
Der Blick fällt von der Terrasse der<br />
Ferienwohnung direkt auf die glitzernde<br />
Mirbellobucht, die am Horizont von Berg‐<br />
zügen begrenzt ist. Geranienrot leuchtet am<br />
Gartenweg gegen das saftige Rasengrün,<br />
prall gegen den fest geschlossenen Himmel.<br />
Ein paar Schritte und wir stehen an einer<br />
Uferböschung, am Rande des müde<br />
schwabbenden Meeres. Wir sind versöhnt.<br />
Schaukelnde Möwen. Klick, klick ... Fotos<br />
entstehen.<br />
Am nächsten Morgen erwachen wir im<br />
Steigen des Lichts. Sonne, die ersehnte! Der<br />
Blick verliert sich noch im weißdunstigen<br />
Schleier der Bucht. An fernen Bergrücken<br />
hängen Wolkenbänke. Sonne als kurze<br />
Spanne zwischen Wolkengrau? Auf dem hell<br />
gefliesten Fußboden unserer Ferienwohnung<br />
stolpern wir über scheinbar willkürlich ver‐<br />
teilte rundgeschliffene Gerölle mit Schrift‐<br />
zeichen. Ein Fantasierelief mit lauter<br />
klingenden Namen: Gournia, Kalidon, Lato,<br />
Noar, Kroustas, Knossos, Malia oder Kriti.<br />
Die Bodensteine sind nicht nur schön,<br />
sondern auch praktisch und bewähren sich<br />
später als Türstopper gegen Notias, einem