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Willi Volka - Interessengemeinschaft deutschsprachiger Autoren eV

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_____________________________PROSA______________________________________<br />

ein karges Hochland, von dort wieder hinab<br />

nach Kalamafka, vorbei an prächtigen<br />

Gärten, Apfelsinenbäumen mit ihrem be‐<br />

rauschendem Blütenduft, dem Leuchten<br />

reifer Früchte vor einem tiefblauen Himmel.<br />

Eine Welt, so saftig, so reichhaltig gegenüber<br />

den stachligen und Dürre ertragenden<br />

Macchien der Höhen, den kahlgesichtigen<br />

Felshängen mit Brandspuren aus dem<br />

letzten Sommer. Es ist Fotolicht. Ein am<br />

Stock gehender Alter, den ich freundlich mit<br />

‘kalimera’ gegrüßt habe, beobachtet mich bei<br />

der Motivsuche, kommt auf mich zu und<br />

redet auf mich ein. Ich bin hilflos verloren in<br />

seinem Wortschwall. Er zeigt immer wieder<br />

auf den Orangenbaum mit seinen<br />

leuchtenden Früchten und gibt mir zu ver‐<br />

stehen, dass ich ihm folgen solle, bis wir auf<br />

einer nahen Brücke stehen bleiben.<br />

Unter uns tost ein Bach, der schäumend<br />

Wasser führt. Mit seinem Stock weist der<br />

Mann in den blauen Himmel zu den<br />

Schneegipfeln des Dikti‐Lassithiothika‐<br />

Bergzuges. „Nero, Kalamafka.“ „Ne.“ Die<br />

wasserklaren Augen des Alten strahlen auf.<br />

‚Efcharisto’.<br />

Wieder dem Meeresniveau nah erreichen<br />

wir einen reichlich gefüllten Stausee, auf<br />

dessen Grund ein Dorf ertrunken ist. In einer<br />

flachen Furt überqueren wir den Zulauf.<br />

Nun verstehen wir den Reichtum von<br />

Irapetra. Am Tropf dieses Stausees hängen<br />

zahllose Gewächshäuser, eine ganze Ge‐<br />

wächshausstadt, in der unter Folienplanen,<br />

dank des Klimas das ganze Jahr über<br />

Früchte reifen und geerntet werden können:<br />

Bananen, Tomaten, Gurken. Irapetra liegt ei‐<br />

nen Breitengrad südlicher als Spaniens Süd‐<br />

zipfel. Die südlichste Stadt Europas soll zu‐<br />

gleich die reichste sein, reicher als Zürich,<br />

erklärt mir später stolz ein in Deutschland<br />

verheirateter Kreter, der auf Heimaturlaub<br />

ist. Wahrheit, nicht absolute Richtigkeit, liegt<br />

gewiss in dieser Aussage. Es fehlen die<br />

IGdA‐aktuell, Heft 1 (2009), Seite 17<br />

vielen Porsche, Ferraris und Rolls Royce.<br />

Aber vielleicht liegt mehr Glück in den ge‐<br />

bräunten Gesichtern, im Palaver dieser<br />

Sitzmenschen, als eine ausgesinterte Form<br />

des Überlebens im flimmernden Mittelmeer‐<br />

sommer.<br />

An einem anderen Tag, als wir in höheren<br />

Regionen wandern, wagen wir eine Ab‐<br />

kürzung, die uns hinab zu einer Klamm<br />

bringt, durch buschige Macchie, vorbei an<br />

schmalen Oliven‐ und Wiesenterrassen, sind<br />

überglücklich als wir in der Schlucht auf<br />

eine kleine Brücke stoßen und einen Weg<br />

entdecken, der in der anderen Felswand<br />

nach oben führt.<br />

Das Steigen in der Sonne ist anstrengend,<br />

badet uns in Schweiß. Bald haben wir eine<br />

Hochfläche mit Olivenhainen erreicht,<br />

nähern uns Randgärten eines Ortes. Ein<br />

Mann und seine Frau hacken den steinigen<br />

Boden.<br />

„Kalimera.“<br />

„Kalispera“, werden wir sogleich ver‐<br />

bessert. Es ist später Nachmittag. Der Mann<br />

redet auf uns ein. Wir verstehen nur das<br />

Zauberwort, das wir bereits gelernt haben:<br />

Nero.<br />

„Ne, parakalo“, lautet die Kurzunter‐<br />

haltung.<br />

Der bärtige, braungebrannte Mann lässt<br />

seine Hacke fallen und geht zum Auto,<br />

einem offenladigen Nissan, ein Fahrzeugtyp,<br />

den man oft auf der Insel antreffen kann,<br />

greift einen runden Behälter, der fast die<br />

Größe eines kleinen Autoreifens hat, nimmt<br />

einen Plastikbecher, öffnet das Wassergefäß,<br />

spült den Becher aus und reicht frisches und<br />

köstliches Wasser.<br />

„Efcharisto!“

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