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28 Die Letzte<br />
WOZ Nr. 49 9. Dezember 2010<br />
Milena schärer (4/4)<br />
Die Welt in tausend Jahren<br />
Endlich, ist man versucht zu sagen. Endlich<br />
hat sich jemand die Mühe genommen, all die<br />
verstreuten Schnipsel und Puzzleteilchen zu<br />
einem Gesamtbild zusammenzusetzen; zu jenem<br />
wenig erspriesslichen Bild, das die Schweizer<br />
Medien derzeit abgeben. Alleine das ist<br />
schon eine Leistung. Denn die kontinuierliche<br />
Berichterstattung über Medien fiel lange bevor<br />
es <strong>mit</strong> den wirklich einschneidenden Sparübungen<br />
losging <strong>dem</strong> Kostendruck zum Opfer.<br />
Richard Aschinger und Christian Campiche,<br />
zwei altgediente Zeitungsjournalisten,<br />
holen nun nach, was die Medien selbst nicht<br />
mehr zu leisten vermögen. «NewsFabrikanten<br />
– Schweizer Medien zwischen Tamedia und<br />
Tettamanti» zeichnet nüchtern nach, wie die<br />
grossen Medienunternehmen – wenn auch in<br />
unterschiedlichem Ausmass – den Journalismus<br />
immer stärker <strong>dem</strong> Gewinnstreben unterordnen.<br />
Faktenreich und umfassend dokumentiert<br />
gingen Aschinger und Campiche ans Werk<br />
und können aufgrund eigener Berufserfahrungen<br />
aus <strong>dem</strong> Vollen schöpfen. Etwa im Kapitel<br />
zur Verlagsodyssee des «Bunds» durch die<br />
Hände von Ringier, NZZ und Tamedia innert<br />
fünfzehn Jahren, die Richard Aschinger über<br />
reklame<br />
Medientagebuch<br />
Hoffen auf Morgen<br />
Nick LütH i über «NewsFabrikanten», eine nüchterne Analyse der Medienkrise<br />
Die Koalition<br />
gegen Korruption<br />
Unterstützen Sie uns: www.transparency.ch<br />
weite Strecken als Redaktor der Berner Tageszeitung<br />
selbst <strong>mit</strong>erlebt hatte.<br />
Von den aktuellen Entwicklungen in<br />
Basel überholt wurden die Buchautoren, was<br />
ihre Einschätzung der Figur von Tito Tettamanti<br />
angeht. Aschinger und Campiche präsentieren<br />
den Tessiner Financier als politischen<br />
Überzeugungstäter, der vom Rhein aus ins Mittelland<br />
vorstossen wolle. Mit <strong>dem</strong> Verkauf der<br />
«BaZ» an Moritz Suter scheint dieses Vorhaben<br />
zumindest vorübergehend gestoppt.<br />
Als zentralen Befund sehen die Autoren<br />
keine Fehlentwicklung, «sondern die Erfolgsstory<br />
der Liberalisierung der Medienwirtschaft».<br />
Für Nostalgie gebe es keinen Anlass.<br />
Auch der Zeitung auf Papier trauern Aschinger<br />
und Campiche nicht nach. Die Qualität der Medien<br />
sei keine Frage der Vertriebstechnologie.<br />
Es geht den beiden Medienkritikern also nicht<br />
darum, das Rad der Geschichte zurückzudrehen<br />
und die guten alten Zeiten (die es so gar<br />
nie gab) heraufzubeschwören, sondern <strong>mit</strong><br />
einer Zustandsbeschreibung eine Grundlage<br />
für die Diskussion der Frage zu schaffen, wie<br />
in Zukunft journalistisch aufbereitete Information<br />
mehr als nur ein industriell gefertigtes<br />
ich abonniere die WOZ<br />
inklusive «Le Monde diplomatique» (Monatszeitung)<br />
Produkt zur Gewinnoptimierung von ein paar<br />
Grosskonzernen sein könnte. Die Antworten<br />
hierauf klingen nicht besonders originell: Sie<br />
reichen von staatlicher Presseförderung bis zur<br />
Medienfinanzierung durch Stiftungen. Interessant<br />
ist dabei das Fazit, das direkt an die einleitende<br />
Absage an Nostalgie anknüpft: Aschinger<br />
und Campiche setzen grosse, wenn auch diffuse<br />
Hoffnungen auf den weiteren Verlauf der<br />
Digitalisierung der Medien sowie auf staatliche<br />
Fördermassnahmen. Ohne den teuren Druck<br />
und Vertrieb lasse sich «<strong>mit</strong> relativ wenig Geld<br />
viel Qualitätsinformation und Medienvielfalt<br />
‹kaufen›».<br />
Hoffen darf man bekanntlich immer, und<br />
den Autoren einen Vorwurf zu machen, dass<br />
ihnen nicht mehr einfällt als der Glaube an<br />
ein besseres Morgen, wäre unfair. Was man<br />
Aschinger und Campiche hingegen klar vorhalten<br />
muss, ist die unsorgfältige Präsentation<br />
ihres Werks. Zahlreiche Flüchtigkeitsfehler, ärgerliche<br />
Faktenfehler sowie eine Gesamtstruktur<br />
<strong>mit</strong> vielen redundanten Passagen, die eine<br />
Straffung gut vertragen hätte, werfen ein unvorteilhaftes<br />
Licht auf Journalisten, die sich in<br />
den Dienst der Qualitätsinformation stellen.<br />
Nick Lüthi ist Medienjournalist in Bern.<br />
Probe-Abo (8 Wochen), Fr. 25.– Halbjahres-Abo, Fr. 155.–<br />
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woznews<br />
Bewegende<br />
Während in Cancún der Klimagipfel tagt, macht<br />
sich in Europa ein – gerade vor <strong>dem</strong> Hintergrund<br />
der Klimaerwärmung – äusserst überraschendes<br />
geophysikalisches Phänomen bemerkbar,<br />
das ohne die Website des Schweizer<br />
Fernsehens unentdeckt geblieben wäre: «Während<br />
die Schweiz <strong>dem</strong> eisigen Griff des Winters<br />
langsam entrinnt, entspannt sich die Situation<br />
im Ausland nur zaghaft.» Noch wissen wir nicht,<br />
wohin die Schweiz unterwegs ist. An die Gestade<br />
des Mittelmeers? In Richtung Atlantik?<br />
Nur eines ist sicher: Ein Tapetenwechsel wird<br />
ihr guttun! k HO<br />
Unordentliche<br />
Als ob die Witterungsverhältnisse letzte Woche<br />
nicht schon beschwerlich genug gewesen<br />
wären, wurden die Räumungsarbeiten auf<br />
<strong>dem</strong> Flughafen Genf-Cointrin zusätzlich durch<br />
Falschparkierer behindert. Wie die oben genannte<br />
Website meldete, wurden «2000 Lastwagen<br />
voll Schnee entfernt». WOZ-Leser S.<br />
stellte die berechtigte Frage, wieso dort 2000<br />
Lastwagen herumstanden. Tja, logistisch können<br />
die Welschen von der Deutschschweiz<br />
noch was lernen. k HO<br />
Bundesrätliche<br />
Mitte Oktober – Hans-Rudolf Merz war noch<br />
im Amt, und strukturierte Produkte wurden<br />
schon wieder ohne Schamgefühl öffentlich<br />
angepriesen – sagte der jetzige alt Bundesrat<br />
in einer Werbebeilage zum Thema «Finanzanlagen»:<br />
«In einem Volk <strong>mit</strong> siebeneinhalb<br />
Millionen Einwohnern muss es sieben Persönlichkeiten<br />
geben, die Kritik einstecken können.»<br />
Leider konnten diese Leute bis heute nicht<br />
aufgespürt werden. Eventuell wurden sie versehentlich<br />
ausgeschafft. k HO<br />
transzendierte<br />
Mani Matters Lied «Dr Sidi Abdel Assar vo El<br />
Hama» wirft zurzeit an einer Oltener Primarschule<br />
hohe Wellen. Interessanter als der Bericht<br />
auf «Tages-Anzeiger Online» scheint uns<br />
die Legende unter <strong>dem</strong> Foto des vor fast vierzig<br />
Jahren tödlich verunglückten Künstlers:<br />
«Sein Lied sorgt für Diskussionsstoff: Der ehemalige<br />
Berner Mundartsänger Mani Matter.»<br />
Ehemalige Lehrer arbeiten vielleicht als Postboten,<br />
ehemalige Bäckerinnen als Architektinnen,<br />
doch was ist aus Mani Matter geworden? Ein<br />
Engel? Dank Reinkarnationslehre sind ja auch<br />
irdische Existenzformen denkbar. Wir vermuten,<br />
er ist Frölein Da Capo. k HO<br />
Unaussprechliche<br />
Für Empörung ist es jetzt zu spät. Aber es<br />
hat uns stark beschäftigt, was da laut «Quartierecho»<br />
im Zürcher Warenhaus abgegangen<br />
sein muss: «Beschenkt werden die Kinder am<br />
6. Dezember, wenn sie im Jelmoli auf den Samichlaus.»<br />
Was, bitte? AugenzeugInnen werden<br />
gebeten, sich umgehend an untenstehende<br />
Mailadresse zu wenden. k HO<br />
kynojuristische<br />
Von einer Leserin, die anonym bleiben möchte,<br />
da ohne Schweizer Pass, erreichte uns ein<br />
wichtiger Hinweis: «Nach<strong>dem</strong> das jahrelange<br />
Ringen um ein eidgenössisches Kampfhundegesetz<br />
zu keiner einvernehmlichen Lösung<br />
geführt hat, bleibt zu hoffen, dass Hasso und<br />
Waldi die kantonalen und ihre eigenen Grenzen<br />
kennen. Nur in einem Punkt konnte kantons-<br />
und partei übergreifend eine Einigung<br />
erzielt werden: Sollte sich ein Deutscher Schäferhund<br />
auf Schweizer Territorium unbotmässig<br />
verhalten, ist er unverzüglich und dauerhaft<br />
auszuschaffen.» k HO<br />
woznews@woz.ch<br />
in der nächsten woz<br />
Noch mehr kohle<br />
Wie die Bündner Repower<br />
<strong>mit</strong> dreckigem Strom Europa<br />
erobern will