Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und ... - dullophob
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Auslese <strong>und</strong> Tüchtigkeit de r Organe.<br />
Eine biologische Benachteiligung <strong>der</strong> mit Kurzsichtigkeit <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en<br />
leichteren Augenfehlern Behafteten findet heute in <strong>der</strong> Hauptsache nur bei<br />
<strong>der</strong> Ehewahl statt. Das Tragen einer Brille wird beim weiblichen Ge-<br />
schlecht als recht störend empf<strong>und</strong>en. Da aber überhaupt nur ein kleiner<br />
Teil <strong>der</strong> Bevölkerung ehelos bleibt, hat auch diese Auslese keine große Be-<br />
deutung mehr. Die schweren, zur Erblindung führenden erblichen<br />
Augenleiden sind heute zwar im Gegensatz zu primitiven Kulturzuständen<br />
mit <strong>der</strong> Erhaltung des Individuums vereinbar, weil die Blinden in beson<strong>der</strong>en<br />
Anstalten o<strong>der</strong> in Famihen gepflegt werden. Da aber Heiraten von<br />
Blinden verhältnismäßig selten sind, so wirkt auch heute noch die natür-<br />
liche Auslese <strong>der</strong> Ausbreitung <strong>der</strong> schwersten erblichen Augenleiden ent-<br />
gegen. Auch vorübergehend können sich nur solche zur Erblindung füh-<br />
rende Erbanlagen einige Generationen lang halten, welche erst im mitt-<br />
leren o<strong>der</strong> späteren Lebensalter zum Ausbruch kommen, wie manche Formen<br />
des Glaukoms <strong>und</strong> <strong>der</strong> Sehnervatrophie.<br />
Von den schwereren erblichen Störungen des Gehörsinnes<br />
gilt Entsprechendes wie von denen des Gesichtssinnes, nur mit dem Unter-<br />
schiede, daß Taubstumme erheblich häufiger zur Eheschließung <strong>und</strong> Fort-<br />
pflanzung gelangen als Blinde. Aber auch von den Schwerhörigen bleibt<br />
immerhin ein viel größerer Bruchteil ehelos als von den Normalhörenden.<br />
Von <strong>der</strong> großen Zahl <strong>der</strong> erblichen Hautleiden hat keines eine<br />
beson<strong>der</strong>e Verbreitung erlangt. Hautkrankheiten wirken bei <strong>der</strong> geschlecht-<br />
lichen Wahl beson<strong>der</strong>s abstoßend, ein „reiner Teint" dagegen beson<strong>der</strong>s<br />
anziehend. An<strong>der</strong>erseits scheint aber die Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>und</strong> Elasti-<br />
zität <strong>der</strong> Haut geringer zu werden. Der schweifende Jäger <strong>und</strong> <strong>der</strong> primi-<br />
tive Ackerbauer bedurfte einer festen <strong>und</strong> <strong>der</strong>ben Haut, die ihm gegen<br />
die Dornen des Busches, gegen das Ungeziefer <strong>der</strong> Hütten <strong>und</strong> gegen die<br />
eitererregenden Bakterien seiner unreinlichen Umgebung einen gewissen<br />
Schutz gewährte. Heute aber richtet sich die geschlechtliche Zuchtwahl<br />
gerade auf eine weiche <strong>und</strong> zarte Haut. Deutliche Zeichen von Entartung<br />
finden sich heute beson<strong>der</strong>s an den Anhängen <strong>der</strong> Haut, den Nägeln <strong>und</strong><br />
Haaren. Der primitive Mensch brauchte feste, harte Nägel zum Graben,<br />
zum Öffnen <strong>der</strong> Früchte <strong>und</strong> als Waffe. Heute aber haben sehr viele Men-<br />
schen nur noch ganz kümmerliche Nägel. Auch Haarmangel <strong>und</strong> Glatzen-<br />
bildung scheinen in Zunahme begriffen zu sein, obwohl reiches, volles<br />
Haar beson<strong>der</strong>s beim weiblichen Geschlecht sehr anziehend wirkt. Von<br />
kleineren Hautmälern o<strong>der</strong> Leberflecken sind heute wohl nur noch wenige<br />
Menschen frei; <strong>und</strong> das ist sicher nicht seit je so gewesen.<br />
Alle schwereren Mißbildungen waren für den Menschen<br />
auf <strong>der</strong> Stufe des Jägers <strong>und</strong> Sammlers natürlich von verhäng-<br />
nisvoller Bedeutung. Bei vielen Völkern wurden daher auch<br />
noch auf <strong>der</strong> Stufe geregelten Ackerbaues Kin<strong>der</strong> mit Mißbildungen<br />
gar nicht erst aufgezogen, son<strong>der</strong>n gleich nach <strong>der</strong> Geburt<br />
ausgesetzt o<strong>der</strong> getötet, wie es von den alten Spartanern be-