Grundriss der menschlichen Erblichkeitslehre und ... - dullophob
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Auslese <strong>und</strong> Geisteskrankheiten. 17<br />
zum kleineren Teil auf sorgfältigere Musterung in Frankreich zurückzu-<br />
führen sein, zumal da <strong>der</strong> Prozentsatz <strong>der</strong> Zurückgestellten dort ja nur.<br />
ganz klein war. Ich möchte annehmen, daß schizophrene Konstitutionen<br />
sich unter den einfacheren Lebensverhältnissen des russischen Bauern<br />
leichter halten <strong>und</strong> fortpflanzen können als in Westeuropa. Von beson<strong>der</strong>er<br />
Wichtigkeit dürfte dabei <strong>der</strong> beträchtliche Unterschied des durchschnittlichen<br />
Heiratsalters sein. Da in Mittel- <strong>und</strong> Westeuropa die Ehe erst gegen Ende<br />
des 3. Jahrzehnts geschlossen zu werden pflegt, zu einer Zeit, wo die Mehr-<br />
zahl <strong>der</strong> Fälle von Schizophrenie schon zum Ausbruch gekommen sind, so<br />
kommen hier die <strong>der</strong>art Veranlagten nur zum kleinen Teil zur Fortpflan-<br />
zung, In Osteuropa aber, wo die Eheschließung schon am Ende des zweiten<br />
Jahrzehnts stattzufinden pflegt, kommen Träger <strong>der</strong> .\nlagen offenbar in<br />
großer Zahl zur Eheschließung; <strong>und</strong> bei <strong>der</strong> Seelenverfassung mancher<br />
Bauern kommt es vor, daß eine Frau, auch wenn sie infolge <strong>der</strong> Krankheit<br />
verblödet ist, noch mehrere Kin<strong>der</strong> bekommt.<br />
Wenn auch in vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ten zahlreiche Geisteskranke<br />
einer barbarischen Rechtspflege zum Opfer fielen <strong>und</strong><br />
noch zahlreichere einfach als Narren verkamen, so glaube ich<br />
trotzdem, daß unter unseren Lebensverhältnissen die natürliche<br />
Auslese in bezug auf die Anlagen zu Geisteskrankheiten eher<br />
intensiver ist als damals. Immerhin ist die gegenwärtige Ent-<br />
artung erschreckend groß. Bei <strong>der</strong> Volkszählung von 1910 w^ur-<br />
den 392 Geisteskranke <strong>und</strong> Geistesschwache auf 100 000 Einwohner<br />
gezählt, was für das ganze Reich mehr als eine Viertel-<br />
million ergibt ; <strong>und</strong> dabei konnten natürlich nur die ohne wei-<br />
teres bekannten Fälle gezählt werden, während bei allgemeiner<br />
ärztlicher Untersuchung <strong>der</strong> Bevölkerung sich offenbar eine<br />
noch viel größere Zahl ergeben haben würde. In <strong>der</strong> Schweiz,<br />
wo Zählungen unter ärztlicher Mitwirkung stattgef<strong>und</strong>en haben,<br />
fanden sich 800 bis 1000 Geistesgestörte auf 100 000 Einwohner;<br />
<strong>und</strong> dabei handelt es sich in <strong>der</strong> großen Mehrzahl offenbar um<br />
erblich bedingte Zustände, da die durch äußere Ursachen entstandenen,<br />
wie Paralyse o<strong>der</strong> Delirium, entwe<strong>der</strong> schnell zum<br />
Tode führen o<strong>der</strong> bald vorüberzugehen pflegen.<br />
Die eigentliche Idiotie wird heute ebenso sicher ausge-<br />
tilgt wie vor Jahrtausenden. Ein großer Teil <strong>der</strong> idiotischen<br />
Kin<strong>der</strong> stirbt schon in den ersten Lebensjahren, <strong>und</strong> auch jene<br />
Idioten, die ein höheres Alter erreichen, kommen natürlich nie-<br />
mals zur Eheschließung <strong>und</strong> auch kaum zur außerehelichen Fort-<br />
pflanzung. Auch die Fortpflanzung ausgesprochen schwachsinni-<br />
Baur-Fischer-Lenz, <strong>Erblichkeitslehre</strong> U.<br />
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