Zeitschrift "Eindruck", EMBA Berlin (PDF-Datei; ca. 4
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Eindruck Seite 13<br />
Digitale Kunst<br />
Malen mit Maus<br />
D<br />
ie Kunst ist ein Spiegel ihrer<br />
Zeit. Die gesellschaftlichen<br />
Umstände und die Verfügbarkeit<br />
der Produktionsmittel haben direkten<br />
Einfluss auf das geschaffene<br />
Kunstwerk. Nur allzu verständlich<br />
ist es dann, dass in einer<br />
Welt, in der das Leben zum Teil<br />
digital im Internet stattfindet,<br />
auch in der Kunst das Medium des<br />
Computers an Attraktivität gewinnt.<br />
Welche „Werkzeuge“ verwendet werden,<br />
um ein Kunstwerk zu schaffen, ist irrelevant.<br />
Allein das Ergebnis zählt. Dem Künstler<br />
sollte also niemand vorschreiben, ob er<br />
hierfür einen Pinsel, eine Fotokamera oder<br />
eben einen Computer benutzt. Die Musik-<br />
Szene macht es vor: Der Großteil der aktuellen<br />
Unterhaltungs-Musik besteht aus am<br />
Computer programmierten Melodien und<br />
Rhythmen, gespielt von digitalen Instrumenten.<br />
Ob Computergrafik, Animation, 3D, Software,<br />
Internet-Kunst, virtuelle Realität<br />
oder interaktive und computerunterstützte<br />
Kunst-Installation – die digitale Kunst bietet<br />
vielfältige Stilmittel. Digitale Kunst stellt<br />
eine Verbindung aus Wissenschaft und<br />
Kunst dar und ist somit weitgehend experimentell.<br />
Eine Maschine oder ein Computer<br />
wird darauf programmiert was er zu tun<br />
hat, worauf er es ausführt. Die ersten<br />
Zeichnungen die so entstanden, waren sogenannte<br />
Plotterzeichnungen, eine veraltete<br />
aber qualitativ hochwertige Technik. Wie<br />
auch bei anderen Computerprogrammen<br />
liegt einer Plotterzeichnung ein Algorithmus<br />
zu Grunde. Algorithmen sind komplexe Anweisungen<br />
in einer Computersprache, die<br />
sich viele Künstler autodidaktisch aneigneten.<br />
Ein vereinfachter Algorithmus kann<br />
beispielsweise eine Bauanleitung für ein Regal<br />
sein. Befolgt man die Anweisungen, so<br />
wird immer dasselbe Ergebnis erzielt. Der<br />
Künstler schreibt die Anweisung, den Algorithmus,<br />
und die Maschine führt ihn aus,<br />
zeichnet also das Bild. Oft spielt dabei auch<br />
der Zufall eine Rolle. Zufallsvariablen wer-<br />
den als künstlerisches Stilmittel eingesetzt,<br />
unter Anderem um ein entstehendes Werk<br />
Einzigartig zu gestalten. Vom Computer<br />
ausgeführte Zeichnungen könnten unendlich<br />
reproduziert werden, durch einen programmierten<br />
Zufall jedoch erhält jedes<br />
Werk eine individuelle Handschrift.<br />
Digitale Kunst wird neben realen und greifbaren<br />
Werken auch komplett elektronisch<br />
und virtuell realisiert. Man spricht von sogenannter<br />
Net Art, der Netzkunst, die ausschließlich<br />
im Internet zu finden ist. Dies<br />
meint nicht den Verkauf von Kunstwerken<br />
über das Word Wide Web, sondern die<br />
Darbietung von Kunst auf einer Internet-<br />
Plattform. Die Internet-Künstler Joan<br />
Heemskerk und Dirk Paesmans ließen sich<br />
von ihrem Besuch im Silicon Valley, Kalifornien,<br />
inspirieren, und gründeten daraufhin<br />
die Website wwwwwwwww.Jodi.org. Sie experimentierten<br />
mit vorhandenen HTML-<br />
Skripten, die sie bunt durcheinander<br />
mischten. Das Ergebnis erinnert an die<br />
Kunstform des Dadaismus. Auf dieser Website<br />
werden digitale Konstrukte aufgebrochen<br />
und scheinen das Internet wieder dekonstruieren<br />
zu wollen. Man glaubt, sich auf<br />
einer von Viren verseuchten Website wiederzufinden.<br />
Ein weiteres, auf den ersten Blick ebenfalls<br />
verstörendes Netzkunstwerk, ist die Website<br />
www.mouchette.org, kreiert von einem<br />
bis heute unbekannten Autor. Auf der Seite<br />
wird eine virtuelle Persönlichkeit namens<br />
Mouchette, französisch für „Kleine Fliege“,<br />
kreiert. Mouchette beruht sowohl auf<br />
einem Roman von Georges Bernanos aus<br />
dem Jahre 1937, als auch dem dazugehörigen<br />
Film von Robert Bresson von 1967.<br />
Ihre Person und Geschichte ist geprägt von<br />
Armut, Vergewaltigung, Depression und<br />
schließlich Selbstmord, was auf der Website<br />
mit grotesken Abbildungen und kleinen<br />
Fliegen, die als Links fungieren, thematisiert<br />
wird.<br />
Ebenfalls im Internet zu finden, genauer gesagt<br />
auf You-Tube, sind die computerbasierten<br />
Animationen von John Whitney wie<br />
„Arabesque“, „Catalog“ oder<br />
„Permutations“. Diese oft mit<br />
psychedelischer Musik unterlegten<br />
Video-Kunstwerke stellen<br />
erste Schritte dar, sich<br />
mit digitalen Mitteln<br />
künstlerisch<br />
cken.auszudrü-<br />
Digitale Kunst hat seitdem<br />
einen mühseligen<br />
Weg hin zu ihrer Anerkennung<br />
hinter sich. Der<br />
Einsatz von Maschinen und Computern galt<br />
in der Künstlerszene als verpönt, da in ihnen<br />
ein unkreatives, ausdrucks- und emotionsloses<br />
Arbeitsmittel gesehen wurde. Im<br />
Jahr 1971 in Frankreich erfuhr Manfred<br />
Mohr, ein Computerkünstler, dies am eigenen<br />
Leib. Bei einem Vortrag zu einem Digitalen<br />
Kunstwerk wurde er mit Tomaten<br />
beworfen und seine Produktionsmittel als<br />
„kapitalistisches Kriegswerkzeug“ beschimpft.<br />
Jedoch fanden solche Arbeiten Unterstützung<br />
in einer der ersten und wichtigsten<br />
Ausstellung zu diesem Thema, der Cybernetic<br />
Serendipity, die 1968 in London stattfand.<br />
Zudem wird alle zwei Jahre der mit 20.000<br />
Euro dotierte d.velop digital art award [ddaa]<br />
vom Digital Art Museum in <strong>Berlin</strong> [DAM]<br />
verliehen. Das DAM ist neben dem Zentrum<br />
für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe<br />
[ZKM] das bedeutendste Museum,<br />
welches sich der Digitalen Kunst verschrieben<br />
hat.<br />
Es ist für die Zukunft nur zu hoffen, dass<br />
weiter mit „digitalen Werkzeugen“ experimentiert<br />
wird, und sich die Skepsis am<br />
Kunstmarkt gegenüber der technoiden und<br />
neuartigen Ausdrucksform legen wird.<br />
Maximilian Fritz