Zeitschrift "Eindruck", EMBA Berlin (PDF-Datei; ca. 4
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Eindruck Seite 15<br />
Robert Lebeck<br />
Eine Fotografenlegende<br />
E<br />
s dauerte seine Zeit, bis der<br />
1929 in <strong>Berlin</strong> geborene Robert<br />
Lebeck von seinen Fotos leben<br />
konnte. Aber sein starker<br />
Wille und sein Talent, seine Umgebung<br />
so wahr zu nehmen, wie<br />
sie ist, sowie sein besonderer<br />
Charme haben ihn zu einem der<br />
bekanntesten Fotografen dieses<br />
Landes gemacht.<br />
Bereits als Kind träumte Robert Lebeck davon,<br />
zu verreisen und Abenteuer zu erleben.<br />
Ein paar Semester eines Völkerkundestudiums<br />
brachten ihn zwar theoretisch<br />
den Völkern und Kulturen der Welt näher,<br />
aber es sollte das Geschenk seiner ersten<br />
Frau Ruth zum 23. Geburtstag sein, das ihn<br />
zu einem der bedeutendsten Fotojournalisten<br />
der deutschen Nachkriegszeit<br />
machte: Eine Retina 1A. Dies war nicht seine<br />
erste Kamera, aber es war das erste Mal,<br />
dass er die beiliegende Gebrauchsanweisung<br />
aufmerksam las und seine Fotografien<br />
„brauchbar“ wurden. Einzig aus dieser Anweisung<br />
und dem genauen Studium der Arbeiten<br />
der Größen seines Fachs bestand<br />
seine autodidaktische Fotoschule.<br />
Schon bald entdeckten Chefredakteure<br />
sein Talent und er arbeitete für <strong>Zeitschrift</strong>en<br />
wie GEO, Revue, Kristall und Stern,<br />
und wurde für seine Leistungen als erster<br />
Fotojournalist überhaupt mit dem Henri-<br />
Nannen-Preis ausgezeichnet.<br />
Mit seinen Fotoreportagen, die ihn durch<br />
Afrika, Sowjetunion und Asien führten, ermöglichte<br />
er den Menschen in Deutschland<br />
Einblicke in andere Völker und Kulturen, die<br />
vielen nach dem zweiten Weltkrieg verwehrt<br />
blieben. Er brachte so ein Stück der<br />
fremden Welt nach Deutschland. Dabei<br />
zeigte er den Aufbau und Aufschwung eines<br />
Landes genauso, wie den Verfall und Abschwung.<br />
Er fotografierte Menschen mit<br />
Hoffnungen und Träumen, Obdachlose und<br />
Hungernde, wütende und lachende Menschen.<br />
Kurz gesagt, er lichtete die Menschen<br />
und ihr Land genau so ab, wie sie<br />
waren.<br />
Eines seiner berühmtesten Fotos entstand<br />
in den 1960er Jahren, als sich Europas Kolonialmächte<br />
aus den afrikanischen Gebieten<br />
zurückzogen: König Baudouin von Belgien<br />
fuhr mit seinem offenem Cabriolet bei<br />
einer Abschiedsparade durch die Straßen in<br />
Léopoldville, als ein junger Mann ihm seinen<br />
Degen, ein Zeichen der Macht, entriss<br />
und ihn somit sinnbildlich entwaffnete. Lebeck<br />
war genau zum richtigen Zeitpunkt<br />
zur Stelle und konnte so diesen sehr bedeutungsvollen<br />
Moment mit seiner Kamera<br />
festhalten.<br />
Dass dieses Foto entstehen konnte, ist zum<br />
einen Lebecks intuitiver Fähigkeit zu zuschreiben,<br />
genau im richtigen Moment<br />
nicht davor zurückzuschrecken, mit der Kamera<br />
einfach „drauf zu halten“ während<br />
etwas besonderes passiert. Zum anderen<br />
liegt es auch daran, dass Lebeck ein Glückspilz<br />
ist:<br />
Foto: Holger Doetsch<br />
Robert Lebeck in seinem Archiv.<br />
Er konnte damals nämlich nicht von einem<br />
leckeren Dessert lassen, verspätete sich so<br />
und bekam Baudouin nur noch von hinten<br />
zu sehen - was sich am Ende als der beste<br />
Platz für einen Fotografen herausstellte. Er<br />
selbst hat dazu passenderweise einmal gesagt:<br />
„Ohne Glück kannst du nichts werden“.<br />
Nicht nur mit seinen Reportagen-, sondern<br />
auch mit seinen Portraitfotografien hat sich<br />
Lebeck einen Namen gemacht. Die Liste<br />
portraitierter Prominenter ist lang: Alfred<br />
Hitchcock, Elvis Presley, Andy Warhol,<br />
Romy Schneider, Konrad Adenauer, Willy<br />
Brandt, Klaus Kinski, Joseph Beuys, Loriot,<br />
Sophia Loren, Maria Callas und viele, viele<br />
mehr.<br />
Eine ganz besondere Bindung hatte er zu<br />
Romy Schneider. Als sie 1976 in <strong>Berlin</strong><br />
„Gruppenbild mit Dame“ drehte, wurde er<br />
vom Stern beauftragt, Fotografien für eine<br />
Geschichte zu machen. Schon von Anfang<br />
an mochte Romy den unaufdringlichen Lebeck<br />
und flirtete gerne mit seiner Kamera.<br />
Dass Lebeck mehr als nur irgendein Fotograf<br />
für sie war, erkennt man an einem von<br />
ihr geschriebenen Zettel, den er eines<br />
Abends unter seiner Hotelzimmertür fand.<br />
Auf diesem stand geschrieben: „Du machst<br />
mir Angst, und ich mach mir Angst, vergiss<br />
mich schnell, aber bitte sag mir gute Nacht“.<br />
Er verstand, dass sie reden wollte und<br />
machte sich zusammen mit seiner Kamera<br />
auf den Weg in ihr Hotelzimmer. Sie redeten<br />
die ganze Nacht hindurch, tranken<br />
Rotwein und schossen ein paar Fotos, bis<br />
sie nebeneinander einschliefen.<br />
Das von gegenseitiger Zuneigung geprägte<br />
Verhältnis hielt von da an, ganz egal, wie lange<br />
sie sich nicht gesehen hatten. Sogar zu<br />
Zeiten, als Romy Schneider eine Abneigung<br />
gegen die Presse und ihre Fotografen hegte,<br />
freute sie sich dennoch ihren „Lebo“, wie<br />
sie ihn liebevoll nannte, zu sehen und sich<br />
von ihm für eine weitere Stern-Geschichte<br />
fotografieren zu lassen.<br />
Hätte man Romy gefragt, warum sie sich zu<br />
ihm hingezogen fühlte, sie hätte wohl<br />
geantwortet: Weil er so charmant ist. Weil<br />
er mir keine Anweisungen gibt wie ich mich<br />
inszenieren soll, sondern mir die Möglichkeit<br />
gibt, mich selbst darstellen zu können.<br />
Und weil er nie versucht hat, das Negative<br />
eines Menschen absichtlich darzustellen.<br />
Auf seinen Aufnahmen bin ich Ich!<br />
Robert Lebeck kann mittlerweile auf eine<br />
über 50 Jahre andauernde Karriere zurückblicken.<br />
Heute überlässt er es seinem Sohn<br />
Os<strong>ca</strong>r die Welt zu bereisen und Bilder zu<br />
knipsen – vielleicht einer der nächsten bedeutenden<br />
Fotojournalisten.<br />
Franziska Seilkopf