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Zeitschrift "Eindruck", EMBA Berlin (PDF-Datei; ca. 4

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Eindruck Seite 25<br />

einem neuen Ministerpräsidenten Ausschau<br />

gehalten. Es fielen eine ganze Menge von<br />

Namen, jeden Tag neue, darunter auch meiner,<br />

weil davon auszugehen war, dass ich<br />

eine gewisse Regierungserfahrung hatte<br />

und wusste, wie es geht, Ministerpräsident<br />

zu sein. Diese Erfahrung hatte Herr Duchac<br />

nicht in diesem Maße mitgebracht. Auf<br />

Grund dessen kamen Thüringer Christdemokraten,<br />

insbesondere der damalige Parteivorsitzende<br />

Willibald Böck, auf die Idee,<br />

mich zu fragen, ob ich bereit sei. Ich habe<br />

die Angelegenheit selbstverständlich mit<br />

dem Bundesvorsitzenden und Bundeskanzler<br />

Helmut Kohl besprochen, und bin an<br />

einem späten Sonntagabend in einem Telefonat<br />

zu dem Ergebnis gekommen, Nein, zu<br />

sagen. Die Konrad-Adenauer-Stiftung stand<br />

vor völlig neuen Aufgaben, es schien plötzlich<br />

möglich, nicht nur in den neuen Bundesländern<br />

Bildungswerke einzurichten,<br />

sondern in ganz Osteuropa. Eine Vorstellung,<br />

die uns wenige Monate zuvor völlig<br />

utopisch erschienen war. Wir sind also zu<br />

dem Ergebnis gekommen, dass ich nicht<br />

nach Thüringen gehe. Am nächsten Morgen<br />

bin ich dann zu einer Besprechung mit der<br />

Leitung der Hanns-Seidel-Stiftung nach<br />

München gefahren, und bin dort sehr überrascht<br />

von den Gesprächspartnern empfangen<br />

worden. Diese sagten: „Im Radio<br />

hört man Sie gehen nach Thüringen und<br />

jetzt kommen sie hier her?“ Daraufhin<br />

sagte ich: „Nein, das hat sich erledigt, wir<br />

können unser Gespräch machen.“ Nachdem<br />

die Besprechung beendet war, sind wir<br />

in ein Wirtshaus gegangen. Dort hat mich<br />

dann ein Anruf erreicht aus dem Bundeskanzleramt.<br />

Die Führung der Thüringer<br />

CDU hatte sich bei dem Parteivorsitzenden<br />

eingefunden und sie seien zu dem Entschluss<br />

gekommen, dass man sich auf keine<br />

Foto: Holger Doetsch<br />

Lösung einigen könne, außer ich sei doch<br />

bereit mich zur Verfügung zustellen. Ich<br />

habe noch schnell die Suppe aufgegessen<br />

und bin dann nach Erfurt gefahren. In der<br />

Nacht hat die Parteiführung und die Fraktion<br />

beschlossen mich als Nachfolger vorzuschlagen.<br />

Dann musste noch der Koalitionspartner<br />

gewonnen werden, wir hatten<br />

damals eine Koalition mit der FDP. Das ist<br />

dann am nächsten Morgen gelungen, und<br />

am 5. Februar bin ich zum Ministerpräsidenten<br />

gewählt worden.<br />

Wie lange, haben sie gedacht, wird<br />

die DDR noch existieren, im Mai<br />

1989?<br />

Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht,<br />

jedes Jahr einmal für ein paar Tage in die<br />

DDR zu fahren. Ich war der Meinung, ein<br />

deutscher Ministerpräsident, der natürlich<br />

alle westdeutschen Länder kannte, müsste<br />

auch die ostdeutschen Länder kennen. In<br />

den elf Besuchen, die ich gemacht habe,<br />

zwischen 1976 und 1988 hat sich schon<br />

eine deutliche Veränderung vollzogen. Am<br />

Anfang haben die Leute es nicht gewagt,<br />

mich zu grüßen. Sie kannten mich ja aus<br />

dem Fernsehen, insbesondere durch die<br />

Mainzer Fastnacht, was sie alle gesehen hatten.<br />

Beim letzten Besuch 1988 in Halle sind<br />

Leute gekommen und haben Autogramme<br />

erbeten. Man hat gemerkt es ändert sich<br />

was, aber dass ein paar Monate später die<br />

Mauer fallen würde, habe ich mir nicht vorstellen<br />

können.<br />

Nun ein paar persönliche Fragen zu<br />

ihrer Person. Haben sie sich manchmal<br />

mehr Privatleben gewünscht?<br />

Ich hätte mir das sehr gewünscht, aber sie<br />

müssen sehen, es gibt Situationen, bei denen<br />

heißt es: Ganz oder gar nicht! Sie kön-<br />

Interview in der Konrad Adenauer Stiftung. Prof. Dr. Vogel (hinten rechts) ist dort inzwischen Ehrenvorsitzender.<br />

nen nicht Privatleben haben wollen, und<br />

Ministerpräsident sein. Als Ministerpräsident<br />

haben sie ein minimales Privatleben,<br />

und wenn sie das nicht haben wollen, dann<br />

dürfen sie auch nicht Ministerpräsident<br />

werden.<br />

Was machen sie in ihrer Freizeit?<br />

Ich bin auch als Ministerpräsident jeden<br />

Sommer ins Hochgebirge gefahren zum<br />

Bergsteigen. Ich habe versucht, so oft es<br />

geht zu schwimmen, habe mitunter Skat gespielt<br />

und versucht, über Geschichte, Politik<br />

und deutsche Literatur einen Überblick<br />

zu behalten und einiges auch gelesen.<br />

Was erwarten Sie heute von jungen<br />

Menschen, die ihren Weg in die Politik<br />

gehen wollen?<br />

Zunächst möchte ich die junge Generation<br />

dazu aufrufen: Es lohnt sich, sich zu engagieren!<br />

Es lohnt, sich für andere zu engagieren! Das<br />

kann auf vielfältigster Weise geschehen, und<br />

ist auch in der Politik möglich. Sollte sich<br />

jemand dazu entscheiden, sich in der Politik<br />

zu engagieren, dann rate ich ihm oder ihr,<br />

einen Beruf zu erlernen, in den er oder sie<br />

jeder Zeit zurückkehren kann. Politik-machen<br />

darf nicht zur Abhängigkeit führen.<br />

Wer also in die Politik geht, sollte seine Unabhängigkeit<br />

bewahren, und nicht vor der<br />

Partei betteln müssen, ein weiteres Mal nominiert<br />

zu werden.<br />

2012 werden sie 80 Jahre alt. Was<br />

wünschen sie sich?<br />

Zwei Jahre vor meinem 80. Geburtstag<br />

wünsche ich mir, dass ich ihn erlebe.<br />

Und dann?<br />

Das wird man sehen.<br />

David Koch

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