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Zeitschrift "Eindruck", EMBA Berlin (PDF-Datei; ca. 4

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Seite 08 Eindruck<br />

ehemaligen DDR und kein Außenstehender<br />

hatte Zutritt. Das Gebiet rund um das Gefängnis<br />

wurde mit Mehrfamilienhäusern bebaut,<br />

in denen die Gefängnisbeschäftigten<br />

mit ihren Familien wohnten. Zum Teil tun<br />

sie das noch heute.<br />

Der Neubau grenzt sich äußerlich sehr<br />

stark vom Altbau ab. Die Zellen sind nun<br />

größer und heller, mit Fenstern ausgestattet.<br />

Auf einigen Pritschen wurden Decken<br />

und Kissen gelegt. Eine Toilette gibt es auch.<br />

Der Geruch nach dem Reinigungsmittel<br />

„Wofasept“ verfolgt einen auch heute noch<br />

während des Rundganges.<br />

Auch wenn einem der Eindruck des Neubaus<br />

„humaner“ erscheint, blieben die Umgangsformen<br />

und Folterungen doch grausam.<br />

Es wurde nun vor allem psychisch<br />

gefoltert. Die Inhaftierten lebten in Ungewissheit,<br />

wussten nicht, wo sie sich überhaupt<br />

befanden, zusätzlich wurden sie isoliert,<br />

hatten keinen Bezug zu anderen<br />

Gefangenen. Schon im Vernehmungsraum<br />

begann die psychische Qual. Die Psychologen<br />

wandten spezielle angelernte Psychotricks<br />

an, um selbst den Unschuldigen ein<br />

schnelles Geständnis zu entlocken. Viele<br />

hielten die psychische Qual nicht aus und<br />

bejahten verzweifelt die vermeintlichen<br />

Vorwürfe. Dazu kam, dass bei einigen Neuinhaftierten,<br />

die im Vernehmerraum saßen,<br />

Telefonate inszeniert wurden, in denen es<br />

um schwere Familienunglücke ging. Dabei<br />

wurde der Häftling aber in Ungewissheit<br />

gelassen, ob es sich dabei um die eigenen<br />

Verwandten handelt oder nicht.<br />

Besonders perfide: Bei der „erkennungsdienstlichen<br />

Bestandsaufnahme“, sprich bei<br />

der Fotoaufnahme des Häftlings, vernahm<br />

Rudolf Bahro ein summendes Geräusch<br />

hinter ihm. Der Politiker und bekannte<br />

DDR-Dissident saß stundenlang auf einem<br />

Stuhl vor dem Fotoapparat und wartete.<br />

Was niemand ahnen konnte: Das Summen<br />

Vernehmerzimmer der Stasi.<br />

Foto: Maximilian Fritz<br />

kam von der radioaktiven Bestrahlung, der<br />

er ausgesetzt war. Rudolf Bahro erkrankte<br />

an Krebs.<br />

Er starb 1997 an den Folgen.<br />

Die Folterungen und die unmenschliche<br />

Lebenssituation haben bis heute Auswirkungen<br />

bei den Opfer. Richter etwa leidet<br />

an einem Waschzwang, der ihn dazu verleitet,<br />

morgens, mittags und abends zu duschen.<br />

Trotzdem fühlt er sich dreckig, erzählt<br />

er. Die mangelnden hygienischen<br />

Verhältnisse im „Stasi-Knast“ haben ihn geprägt.<br />

So auch die Isolation in den Dunkelkammern.<br />

Tage und Nächte waren die Inhaftierten<br />

in Kammern mit Zwangsjacken<br />

eingeschlossen. Nichts als Dunkelheit. Sie<br />

verloren ihr Zeitgefühl und allmählich den<br />

Verstand. Jahrelang konnte Richter nicht in<br />

der Dunkelheit sein, zu groß war die Angst<br />

davor.<br />

12 000 Gefangene wurden insgesamt im<br />

Neubau des Gefängnisses zwischen 1958<br />

und 1990 inhaftiert. Auch nach dem Mauerfall<br />

im November 1989 wurde das Gefängnis<br />

weitergeführt. Der „Stasi-Knast“ Hohenschönhausen,<br />

so wie die anderen<br />

Stasi-Gefängnisse, waren nun Teil der Verwaltungsarbeit<br />

des Ministeriums des Innern<br />

der DDR. Nachdem der letzte Häftling im<br />

Frühjahr 1990 entlassen wurde, wurde der<br />

„Stasi-Knast“ Hohenschönhausen Ende<br />

desselben Jahres geschlossen. Seit 1994 besteht<br />

die Gedenkstätte Hohenschönhausen<br />

und wirkt mit bei der Aufarbeitung der<br />

SED-Diktatur sowie deren Folgen. Bisher<br />

haben 1,7 Millionen Menschen, darunter<br />

vor allem Schüler und Studenten, den ehemaligen<br />

Knast besucht. Laut Prognosen<br />

wird im Herbst dieses Jahres der zweimillionste<br />

Besucher erwartet.<br />

Annalena Jung<br />

Gedenkstätte Hohenschönhausen<br />

Genslerstraße 66<br />

13055 <strong>Berlin</strong><br />

Tel.: 030 / 98 608 230<br />

www.stiftung-hsh.de<br />

• Führungen werden täglich angeboten.<br />

• Der Eintritt liegt bei vier Euro, ermäßigt zwei Euro.<br />

• Jeden Montag ist der Eintritt frei.<br />

Anfahrt:<br />

• S-Bahn bis Landsberger Allee von dort aus<br />

MetroTram 6 bis Haltestelle Genslerstraße<br />

• Metro Tram 5 und 6 vom Alexanderplatz bis<br />

Genslerstraße<br />

• Bus 256 vom Bahnhof Lichtenberg bis zur<br />

Haltestelle Liebenwalder Straße/Genslerstraße<br />

• Von Gesslerstraße cir<strong>ca</strong> 800 Meter per Fuß<br />

Foto: Maximilian Fritz

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