Zeitschrift "Eindruck", EMBA Berlin (PDF-Datei; ca. 4
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Eindruck Seite 23<br />
Prof. Dr. Bernhard Vogel im Gespräch<br />
Politisches<br />
Urgestein<br />
Prof. Dr. Bernhard Vogel<br />
Der Christdemokrat und promovierte Politikwissenschaftler<br />
Dr. phil. Bernhard Vogel<br />
(*19. Dezember 1932 in Göttingen) ist der<br />
einzige deutsche Politiker, der in zwei Bundesländern<br />
- Rheinland-Pfalz und Thüringen<br />
- Ministerpräsident war.<br />
Wie sein älterer Bruder Hans-Jochen, der<br />
bereits mit 34 Jahren sozialdemokratischer<br />
Oberbürgermeister von München wurde,<br />
und später gar zum SPD-Bundesvorsitzenden<br />
aufstieg, war auch Bernhard Vogel, der<br />
1960 in die CDU eingetreten war, ein politischer<br />
Frühstarter: mit 32 zog er in den<br />
Deutschen Bundestag ein, 1967 saß er mit<br />
gerade einmal 35 Jahren als Kultusminister<br />
im Landeskabinett von Rheinland-Pfalz. Da<br />
erst, so sagte er es der „Märkischen Oderzeitung“,<br />
habe er gewusst, „dass ich wohl<br />
dauerhaft in der Politik bleiben werde.“<br />
1976 beerbte Vogel, der bei Feind wie<br />
Freund als charmant, belesen, integer und<br />
glaubwürdig, dabei bisweilen aber auch als<br />
ungeduldig gilt, Helmut Kohl als Ministerpräsident.<br />
Als ihm seine Parteifreunde 1988<br />
bei einem Parteitag in Koblenz die Wiederwahl<br />
als CDU-Landeschef verweigerten,<br />
trat der Speyerer gedemütigt auch als Ministerpräsident<br />
von Rheinland-Pfalz zurück.<br />
Vier Monate nach seinem Sturz, im März<br />
1989, wurde er Chef der Konrad-Adenauer-<br />
Stiftung, 1992, die Anführer der innerparteilichen<br />
Revolte von Koblenz waren da<br />
schon längst vergessen, wurde Vogel Thüringer<br />
Landeschef. Ein Amt, mit dem er<br />
dann absolute Mehrheiten gewann, und das<br />
er 2004 an seinen Ziehsohn Dieter Althaus<br />
weitergab. Vogel gilt als „Arbeitstier“. Die,<br />
die ihn kennen, bescheinigen ihm Pflichtbewusstsein<br />
und Selbstdisziplin.<br />
Heute ist der passionierte Wanderer und<br />
Bergsteiger, Weinkenner und Zigarrenliebhaber<br />
Ehrenvorsitzender der Konrad-<br />
Adenauer-Stiftung, viel gefragter Zeitzeuge<br />
und er verfasst regelmässig Kolumnen für<br />
Zeitungen. Sein Motto lautet: „Was du tust,<br />
das tue klug und bedenke das Ende.“<br />
Holger Doetsch<br />
Foto: Maximilian Fritz<br />
Interview Bernhard Vogel<br />
Wenn sie jemandem begegnen würde,<br />
der keinerlei Ahnung von Politik<br />
hat, wie würden Sie ihm „Politik“<br />
erläutern?<br />
Politik ist, das Zusammenleben einer größeren<br />
Zahl von Menschen so zu ordnen,<br />
dass jeder seine Chance hat.<br />
Was sind für Sie Parteifreunde? Sind<br />
das richtige Freunde? Oder braucht<br />
man diese nur zur Umsetzung von<br />
Plänen?<br />
Parteifreunde sollen Menschen sein, die der<br />
gleichen Partei, wie man selber, angehören<br />
und mit denen man befreundet ist. Natürlich<br />
unterscheiden sich die Parteifreunde<br />
von Freundschaften außerhalb der Partei.<br />
Aber leider vor allem dadurch, dass der Begriff<br />
Parteifreund oft verwendet wird, wenn<br />
gar nicht Parteifreunde gemeint sind.<br />
Das heißt, man muss zwischen Parteifreunden<br />
und Freunden differenzieren?<br />
Man muss sich fragen, ob jeder, der sich als<br />
Parteifreund bezeichnet, auch tatsächlich<br />
ein Freund ist.<br />
Kann es auch parteiübergreifende<br />
Freundschaften geben?<br />
Ja, selbstverständlich. Es kann konfessionsübergreifend,<br />
staatenübergreifend, parteiübergreifend,<br />
geschlechterübergreifend und<br />
generationsübergreifend Freunde geben.<br />
Können Sie uns einen Namen nennen<br />
für eine parteiübergreifende<br />
Freundschaft die sie pflegen oder<br />
gepflegt haben?<br />
Beispielsweise hat mich über Jahrzehnte<br />
eine herzliche Freundschaft mit Johannes<br />
Rau verbunden. Obwohl Johannes Rau nun<br />
wirklich ein eingefleischter und überzeugter<br />
Sozialdemokrat war und ich mich<br />
von früher Jugend an den Zielen der CDU<br />
verbunden gefühlt habe.<br />
Warum sind Sie in die Politik gegangen<br />
– was waren Ihre Ziele und Wünsche?<br />
Ich habe zu keinem Tag beschlossen in die<br />
Politik zu gehen. Sondern der erste Schritt<br />
war, dass ein mit mir befreundeter KFZ-<br />
Meister in Heidelberg mich gewonnen hat,<br />
für den Heidelberger Stadtrat zu kandidieren.<br />
Nach der Zusage hat das bedeutet,<br />
dass ich der Partei, für die ich kandidiert<br />
habe, der CDU, auch beigetreten bin. Kein<br />
Mensch, am wenigstens ich selber, hat mit<br />
der Bereitschaft zur Stadtratskandidatur<br />
den Beschluss, ganz in die Politik zu gehen,<br />
vermutet. Ein paar Jahre später kamen Leute<br />
die mich von einem sozialen Seminar her<br />
kannten und sagten: „Wir suchen einen<br />
Bundestagskandidaten, wären sie nicht bereit?<br />
Sie halten immer so gute Reden über<br />
soziale Marktwirtschaft und christliche Soziallehre,<br />
haben sie nicht Lust zu kandidieren?“<br />
Nach einigem Überlegen habe ich<br />
gesagt: „Ach ja, vier Jahre könnte man praktische<br />
Erfahrung sammeln, bevor man wieder<br />
zurückkehrt zu der Absicht in der<br />
politischen Wissenschaft eine Habilitationsschrift<br />
zu schreiben.“ Auch da habe ich<br />
nicht entschieden in die Politik zu gehen.<br />
Dann bin ich nach ein paar Jahren aufgefordert<br />
worden Kultusminister in Rheinland-<br />
Pfalz zu werden. Das hat mich natürlich<br />
gereizt, damals mit 34 Jahren. Das war eine