Zeitschrift "Eindruck", EMBA Berlin (PDF-Datei; ca. 4
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Eindruck Seite 07<br />
Ein Besuch im „Stasi-Knast“ <strong>Berlin</strong>-Hohenschönhausen<br />
Die Abgründe der<br />
Staatssicherheit<br />
ennen Sie den Staats- und<br />
„KParteichef der ehemaligen<br />
DDR?“<br />
Schüler antwortet: „Nein, keine<br />
Ahnung.“<br />
Ein weiterer Schüler meldet sich:<br />
„Edmund Stoiber?!“ Schweigen.<br />
„Nein, es war Erich Honecker –<br />
können Sie etwas mit dem Namen<br />
anfangen?“<br />
Die Klasse unisono: „Nein.“<br />
Diese und ähnlich erschreckende Antworten<br />
erhielten zwei Journalisten in einer<br />
<strong>Berlin</strong>er Berufsschule 2004. Das Beunruhigende<br />
daran: die Schüler sind größtenteils<br />
Ostberliner und zu DDR-Zeiten geboren.<br />
Von der eigenen Geschichte haben sie keine<br />
Ahnung. Und so geht es nicht nur ihnen.<br />
Die DDR-Geschichte geht in den heutigen<br />
Geschichtsstunden unter. Die griechische<br />
Antike und der erste Weltkrieg werden gelehrt,<br />
die Weimarer Republik und letztendlich<br />
der Nationalsozialismus. Schnitt.<br />
Foto: Holger Doetsch<br />
Kein Durchgang, sondern eine Stehzelle.<br />
Warum kam es denn wirklich zum Mauerfall<br />
am 9. November 1989? Das wissen viele<br />
nicht und das Problem liegt nicht an dem<br />
fehlenden Interesse, sondern an den Lehrplänen.<br />
Es ist viel Stoff, was Geschichtslehrer<br />
in den Jahren unterbringen müssen, nur<br />
geschieht das oftmals auf Kosten der DDR,<br />
wie sie bei Umfragen selbst angeben.<br />
Gerade in <strong>Berlin</strong> kann man sehr viel über<br />
die jüngste deutsche Vergangenheit lernen.<br />
In der Gedenkstätte Hohenschönhausen,<br />
auch „Stasi-Knast“ genannt, werden in Führungen<br />
die Abgründe des Wirkens der<br />
Staatssicherheit vor Augen geführt.<br />
Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS)<br />
war die Geheimpolizei der SED und zuständig<br />
für die Überwachung der gesamten<br />
Bevölkerung. Wer sich dem Regime nicht<br />
fügen wollte oder versuchte zu flüchten,<br />
wurde in eines der 17 Untersuchungsgefängnisse<br />
des MfS gebracht. Der „Stasi-<br />
Knast“ Hohenschönhausen war die Zentrale.<br />
Von dort aus wurden alle Gefängnisse<br />
gesteuert.<br />
Menschenverachtend.<br />
Erschreckend.<br />
Nicht nachvollziehbar, was Menschen anderen<br />
Menschen mutwillig zufügen können.<br />
Solche Gedanken überkommen einen,<br />
wenn man an einer Führung im „Stasi-<br />
Knast“ teilnimmt. Die, die durch die Ausstellung<br />
führen, waren selbst einmal Häftlinge<br />
in der heutigen Gedenkstätte oder in<br />
anderen Stasi-Knästen. Sie berichten unverzerrt<br />
von den Grausamkeiten, die sie erlebt<br />
haben.<br />
So auch Karl-Heinz Richter, verurteilt wegen<br />
„versuchter Republikflucht“. Über 30<br />
Jahre lang sprach er nicht über seine Erlebnisse<br />
während der Inhaftierung, 2009 aber<br />
brach er sein Schweigen. „Die DDR wird<br />
heutzutage verschönt“, sagt der 63-Jährige.<br />
Er möchte Verklärungen in den Köpfen auflösen<br />
und aufzeigen, welche Leidenswege<br />
die SED-Diktatur verursachte.<br />
Die erste Station: Das „U-Boot“ im Altbau<br />
des ehemaligen Gefängnisses. Das Gebäude<br />
übernahm 1951 das Ministerium für Staatssicherheit<br />
von den Sowjets. „U-Boot“, so<br />
wurde der Keller von den Häftlingen genannt,<br />
denn man wurde gezwungen abzutauchen<br />
und hatte keinen Bezug mehr<br />
zur Außenwelt. Die Gefängniszellen sind<br />
kaum größer als eine Abstellkammer. Auf<br />
der einen Seite befindet sich eine Holzpritsche.<br />
Es ist es kahl, kalt, verliesartig. Ohne<br />
Fenster. Ohne Tageslicht.<br />
Verhört wurden die Häftlinge nachts, tagsüber<br />
galt ein Schlafverbot. Durch diese Foltermethode<br />
wollten die Verhörer von den<br />
Gefangenen eine möglichst schnelle Unterschrift<br />
ihrer Aussage erzwingen.<br />
Doch was, wenn man unschuldig war, wie<br />
unzählige Inhaftierte? „Entweder war man<br />
für oder gegen das System“, sagt Karl-<br />
Heinz Richter, „egal, ob Freidenker oder<br />
einfach politisch anders orientiert: Verhaftet<br />
wurde jeder wegen allem.“<br />
Für die Verurteilten bedeutet der „Stasi-<br />
Knast“ eine menschenunwürdige Lebenssituation.<br />
Kübel standen als Toilettenersatz in<br />
den Zellen. „Ein bestialischer Geruch“, so<br />
beschreibt es Richter. Mit zwölf Personen<br />
in einer „Großraumzelle“ zusammengefercht<br />
- kaum auszuhalten.<br />
Auch wenn es keine Belege dafür gibt, dass<br />
die Stasi die folgenden Folterungsmethoden<br />
selbst anwendete, gibt es entsprechende<br />
Einrichtungen, wie zum Beispiel die<br />
„Wasserzellen“. Das waren Zellen mit Installationen,<br />
durch die dem Häftling ununterbrochen<br />
ein Tropfen Wasser auf dem<br />
Hinterkopf prallte, was sich nach Stunden<br />
wie Hammerschläge anfühlte. Viele wurden<br />
wahnsinnig und drehten durch. Eine weitere<br />
Folterungsmethode war die sogenannte<br />
„Stehzelle“. Eingefercht zwischen zwei<br />
Türen mussten die Häftlinge auf engstem<br />
Raum stehen. Wenn man größer war, wurde<br />
man dazu genötigt sich tage- und nächtelang<br />
zu ducken (s. Bild).<br />
Ortswechsel. Vom Altbau aus gelangt man<br />
mit wenigen Schritten zum Neubau, der<br />
von Häftlingen errichtet wurde. Beide Gebäude<br />
sind heute noch im Originalzustand.<br />
In den 100 Zellen und 120 Vernehmerräumen<br />
wurden vor allem Republikflüchtlinge<br />
unter Arrest gestellt. „Es war ein geheimes<br />
Gefängnis“, so Richter. Unvorstellbar, aber<br />
wahr: Niemand wusste von dem Gefängnis.<br />
Es befand sich in einem Sperrgebiet der