Zeitschrift "Eindruck", EMBA Berlin (PDF-Datei; ca. 4
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Eindruck Seite 29<br />
Interview mit einem Schriftsteller<br />
Ein Buch entsteht<br />
E<br />
s gibt unendlich viele Bücher<br />
auf dieser Welt. Doch welche<br />
Arbeit steckt eigentlich hinter<br />
einem fertigen Buch? Wie geht ein<br />
Schriftsteller vor? Um diese Fragen<br />
klären zu können, haben wir<br />
mit Holger Doetsch, der bereits<br />
sein zweites Buch geschrieben<br />
hat, gesprochen.<br />
Es ist morgens kurz vor zehn Uhr, als wir<br />
die <strong>Berlin</strong>er Wohnung von Holger Doetsch<br />
betreten. Er hat uns auf eine Tasse Tee eingeladen,<br />
um unsere Fragen zu beantworten.<br />
Er führt uns in sein Arbeitszimmer und das<br />
erste, was in diesem Raum unsere Aufmerksamkeit<br />
auf sich zieht, ist das riesengroße<br />
Bücherregal. Es erstreckt sich fast<br />
von einem Ende des Raumes bis zum anderen.<br />
Alle Regalreihen sind lückenlos gefüllt<br />
mit Weltliteratur, Biografien, Büchern über<br />
Kunst und Kultur und vieles mehr. Krimis<br />
oder Thriller dagegen findet man dazwischen<br />
kaum. Kleine eingerahmte Fotos und<br />
Bilder hängen an den Regalbrettern oder<br />
stehen vor den Büchern. Aus fast jedem der<br />
Bücher ragen Zeitungsartikel, die etwas mit<br />
dem Inhalt oder dem Autor zu tun haben<br />
und zum Teil auch von Doetsch selber verfasst<br />
worden sind. Es ist also nicht nur eine<br />
Bibliothek, sondern auch ein Archiv. Am<br />
Ende des Raumes befindet sich ein großer<br />
Holzschreibtisch, sein Arbeitstisch, die<br />
Wände sind mit Kunstwerken, Fotos und<br />
anderen Erinnerungsstücken verziert, unter<br />
dem Fenster steht eine Couch. Wir<br />
nehmen jeder auf einen der vier im Raum<br />
verteilten Sessel Platz, Holger, nachdem er<br />
uns mit Roibusch-Vanille-Tee versorgt hat,<br />
auf einem Stuhl vor seiner Bücherwand.<br />
Auf unsere erste Frage, welche Gedanken<br />
ihm durch den Kopf gehen, wenn er beginnt<br />
zu schreiben, antwortet er: „Zuerst entsteht<br />
die Idee. Die Idee, worüber man etwas<br />
schreiben und was einem selbst und<br />
anderen Freude und auch Sinn bereiten<br />
könnte.“ Seiner Meinung nach muss sich<br />
jeder Schriftsteller darüber im Klaren sein,<br />
was er seinen Lesern mitteilen möchte und<br />
welche Botschaft dahinter stecken soll.<br />
„Wenn ich diese Idee im Kopf habe mache<br />
ich mir permanent Notizen und baue sie<br />
später in meinem Buch ein.“ Nach der Ideenfindung,<br />
werden die Charaktere festgelegt<br />
und zum Schluss die Handlungsstränge<br />
in eine Reihenfolge gebracht. „Was ich<br />
überhaupt nicht weiß, ist das Ende.“<br />
Die Ideen für seine Bücher entstehen<br />
spontan. Man benötige dazu eine gewisse<br />
Intuition, die nicht jeder Mensch habe und<br />
auch nicht brauche. „Ich glaube ein guter<br />
Erzähler ist manchmal ein Spinner und auch<br />
umgekehrt, ein Spinner ist ein guter Erzähler.“<br />
Holger findet, dass ein guter Schriftsteller<br />
Bilder in Worte fassen können muss.<br />
Eine Authentizität könne nur entstehen,<br />
wenn der Leser spürt, dass die beschriebenen<br />
Dinge vom Autor selbst oder bei<br />
anderen erlebt wurden und nicht am<br />
Schreibtisch konstruiert worden sind. Nur<br />
dann weiß der Schriftsteller, welche Gefühle<br />
in bestimmten Situationen dahinter<br />
stecken und nur so könne ein gutes Buch<br />
entstehen. Da nicht jedem dieses Feingefühl<br />
zueigen ist, könne auch nicht jeder ein<br />
Buch schreiben, oder zumindest kein gutes.<br />
Was aber sind schlechte Bücher? „Bücher<br />
mit wirrer Handlung. Man kann sich überhaupt<br />
nicht in die Charaktere hinein versetzen.<br />
Es gibt eine unschlüssige Handlung<br />
oder es ist schlichtweg uninteressant“, ur-<br />
Foto: Maximilian Fritz<br />
Des Schriftstellers antikes „Google“: Holger Doetsch vor seiner Bibliothek.<br />
teilt Doetsch. Nicht selten brauche man<br />
„eine gewisse Melancholie. Melancholie ist<br />
ein wichtiger Teil einer jeden Kunst.“<br />
Wenn er ein Buch zu schreiben beginnt, ist<br />
es für ihn sehr wichtig einen festen Tagesablauf<br />
zu haben, um nicht zu bequem zu<br />
werden und die Fertigstellung über einen<br />
langen Zeitraum hinauszuschieben. Es mögen<br />
ihm andere Schriftsteller widersprechen,<br />
aber er selbst geht davon aus: „Wenn<br />
du dir selber keinen positiven Druck<br />
machst, wird das nichts.“ Und: „Jeder<br />
schöpferische Akt ist auch eine Plage.“ Daher<br />
steht er morgens spätestens halb sechs<br />
Uhr auf und setzt sich nach einer Dusche<br />
und einem Kaffee an seinen besagten<br />
Schreibtisch im Arbeitszimmer und beginnt<br />
zu arbeiten. Meistens hält er das bis Mittag<br />
durch, denn nach 14 Uhr ist er, wie er selbst<br />
sagt „nicht mehr zu gebrauchen“ und beschäftigt<br />
sich mit anderen Dingen. Natürlich<br />
könne das nicht für jeden gelten, da<br />
nicht jeder ein Morgenmensch sei. Der<br />
eine könne morgens, der andere nachmittags<br />
oder abends besser arbeiten. Wichtig<br />
sei nur, dass man sich seinen Tag mit Rücksicht<br />
auf seinen Rhythmus einteilt.<br />
Eine Regel, die seiner Meinung nach während<br />
des Schreibens unbedingt eingehalten<br />
werden sollte: kein Alkohol oder andere