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Zeitschrift "Eindruck", EMBA Berlin (PDF-Datei; ca. 4

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Seite 06 Eindruck<br />

Blieben viele Menschen den Messen<br />

fern, nachdem bekannt wurde, dass<br />

sie als Staatsfeind eingeschätzt wurden?<br />

Wer zu uns kam, wusste von dem Risiko,<br />

das er eingeht. Manche fühlten sich durchaus<br />

überfordert, andere sahen sich als Held.<br />

Manchmal war es auch frustrierend für die<br />

Besucher dieser Messen, denn sie merkten<br />

ja, dass sie zwar ein Risiko eingehen, sich<br />

aber in diesem Staat ungeachtet dessen<br />

überhaupt nichts verändert! Viele blieben<br />

dann irgendwann fern. Daher haben viele<br />

nur ein-, oder zweimal bei uns reingeguckt.<br />

Unser harter Kern bestand allenfalls aus 25<br />

Frauen und Männern.<br />

Gerd Poppe, auch er ein Bürgerrechtler, hat<br />

mal gesagt, es gab nur 500 bis 800 DDR-<br />

Bürger, die Mitte der 70er Jahre durch ihr<br />

öffentliches Auftreten zu erkennen gaben,<br />

dass sie mit der Entwicklung der DDR<br />

nicht einverstanden waren. Eine Massenbewegung<br />

ist es erst im Sommer 1989 geworden.<br />

Ein DDR-Bürger sagte mal: Uns wird<br />

eine Weltanschauung offenbart,<br />

ohne dass wir uns die Welt anschauen<br />

dürfen... Sie haben sich darüber<br />

mal bei Erich Honecker beklagt.<br />

Honecker war bei einem Staatsbesuch in<br />

Japan, wo ihm nach politischen Gesprächen<br />

auch Land und Leute gezeigt wurden. Beim<br />

Rückflug setzte er ein sogenanntes „Überflugtelegramm“<br />

an Japans Regierungschef<br />

ab und bedankte sich darin. Sinngemäß<br />

schrieb er: Ich habe mich natürlich auf diese<br />

Reise vorbereitet und mir viele Fotos<br />

angeschaut und viele Bücher gelesen, aber<br />

was sind Fotos und Bücher gegen das Erleben?<br />

Beeindruckend war natürlich das, was<br />

ich jetzt alles in der einen Woche erlebt<br />

habe.<br />

Dieses Telegramm stand am nächsten Tag in<br />

allen DDR-Zeitungen! Eine Unverschämtheit,<br />

denn jeder DDR-Bürger wusste ja,<br />

dass er hier nicht raus kommt!<br />

Ich habe dann in einem Brief an den Genos-<br />

sen Honecker meine „Freude“ darüber<br />

ausgedrückt, dass er so eine erfolgreiche<br />

Reise gehabt hat. Und mit dieser „Freude“<br />

habe ich dann auch meiner Hoffnung Ausdruck<br />

verliehen, dass nun die notwendigen<br />

Konsequenzen folgen, und er uns vergleichbare<br />

gute und hilfreiche Erfahrungen machen<br />

lässt. Eine Antwort bekam ich nie…<br />

Irgendwann wurde Ihnen dann nahe<br />

gelegt, entweder auszureisen oder<br />

ins Gefängnis zu gehen.<br />

Nachdem wir den „<strong>Berlin</strong>er Appell“ verfasst<br />

und veröffentlicht hatten, wurde ich<br />

drei Tage festgehalten. Die ersten Fragen<br />

des Vernehmers bezogen sich merkwürdigerweise<br />

darauf, ob wir irgendwelche wertvollen<br />

Kunstwerke oder Immobilien besitzen.<br />

Dafür gab es nur eine Erklärung: Die<br />

wollten mich abschieben. Aber die Mächtigen<br />

in der evangelische Kirche der DDR<br />

haben der Staatsführung dann klar gemacht,<br />

dass das nicht geht!<br />

Denn ich war im westlichen Ausland nicht<br />

unbekannt, und eine Sorge der Stasi war es,<br />

dass, sitze ich im Gefängnis oder würde ich<br />

abgeschoben, es im Ausland eine Diskussion<br />

darüber geben würde, und die wäre für<br />

die DDR und das Ansehen des Landes sicherlich<br />

nicht hilfreich gewesen.<br />

Der Deutsche Bundestag hat Sie<br />

zum Vorsitzenden der Stiftung Aufarbeitung<br />

gewählt. Was tut die Stiftung?<br />

Wir unterstützen und fördern etwa Bücher<br />

und andere wissenschaftliche Druckwerke,<br />

aber auch Dokumentarfilme für<br />

Multiplikatoren in Schulen und anderswo.<br />

Vieles kann im Schulunterricht verwendet<br />

werden. Weiterhin veranstalten und fördern<br />

wir Ausstellungen, die das Unrecht,<br />

das Menschen in der DDR angetan worden<br />

ist, thematisieren. Auch haben wir Gespräche<br />

mit der Kultusministerkonferenz<br />

geführt, die für die Inhalte der Bildung an<br />

Schulen zuständig ist. So gibt es in den 16<br />

Bundesländern keinen Lehrplan mehr, in<br />

Rainer Eppelmann (Mitte), Bürgerrechtler, Ex-Minister und Ex-Bundestagsabgeordneter, im Interview.<br />

Foto: Holger Doetsch<br />

Robert Havemann (*11.03.1910,<br />

†09.04.1982), bekennender Kommunist<br />

und Verfechter eines demokratischen Sozialismus,<br />

war anfangs noch SED-Mitglied und<br />

zeitweise Kontaktperson der Stasi. Als er<br />

mit der Vorgehensweise der Regierung unzufrieden<br />

wurde, gab er dies öffentlich<br />

kund und erhielt daraufhin Berufsverbot<br />

und Hausarrest. Nach Beendigung des Arrestes<br />

gründete er eine Friedensbewegung<br />

mit Gerd Poppe, Bärbel Bohley und dem<br />

Theologen Rainer Eppelmann, mit dem er<br />

den <strong>Berlin</strong>er Appell verfasste, ein Schriftstück,<br />

das zur Friedensschaffung durch Abrüstung<br />

in Ost und West aufruft.<br />

Das Ministerium für Staatssicherheit<br />

(kurz MfS; umgangssprachlich Stasi),<br />

gegründet am 08.02.1950, war als Geheimdienst<br />

tätig und zuständig für die Verfolgung<br />

politischer Straftaten. Es galt als „Schild und<br />

Schwert“ der Staatspartei SED und diente<br />

als Mittel zur Überwachung und Unterdrückung<br />

der DDR-Bürger und damit letztendlich<br />

dem Machterhalt. Zum Schluss waren<br />

es 91 000 hauptamtliche Spitzel. Der<br />

bekannteste Stasi-Chef Erich Mielke war<br />

von 1957 bis 1989 dort tätig.<br />

dem die Beschäftigung mit deutscher Nachkriegsgeschichte<br />

und damit die DDR-Geschichte<br />

fehlt. Trotzdem: Die meisten<br />

Jugendlichen wissen leider sehr wenig über<br />

die Nachkriegsgeschichte und die Geschichte<br />

der DDR, dies müssen wir ändern.<br />

Es wird Zeit, dass sich die Erwachsenen, die<br />

Eltern, Lehrer, sowie die Kirchen und Vereine<br />

darum kümmern. Denn noch besteht<br />

die Chance Menschen zu befragen, die in<br />

dieser Diktatur gelebt haben und darüber<br />

sehr gut erzählen könnten. Also: Die Vermittlung<br />

jüngerer deutscher Zeitgeschichte<br />

kann nicht mit dem 08. Mai 1949 aufhören.<br />

Es muss vermittelt werden, dass es eine<br />

zweite Diktatur in Deutschland gegeben<br />

hat, nämlich in der DDR. Die beiden Diktaturen<br />

lassen sich nur bedingt vergleichen -<br />

die Nazi-Diktatur war so barbarisch, so<br />

unmenschlich, dass sie uns fast ausradiert<br />

und aus der Völkergemeinschaft rausgeschmissen<br />

hätte. Die DDR-Diktatur hat 17<br />

Millionen Bürgern das Luftholen verboten<br />

und, um es zu wiederholen, uns zu „Flüsterern“<br />

gemacht!<br />

Franziska Seilkopf

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