Lernstraße: „So wurde die Bibel“ - service.bistumlimburg.de
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UNTERRICHTSPRAXIS<br />
130<br />
kannt ist. Es han<strong>de</strong>lt sich um <strong>de</strong>n Film<br />
NAZARIN <strong>de</strong>s spanischen Regisseurs<br />
Luis Buñuel. Buñuel, <strong>de</strong>r sich in seiner<br />
Autobiographie einmal als „Atheist<br />
von Gottes Gna<strong>de</strong>n“ bezeichnet hat,<br />
galt noch bis vor wenigen Jahrzehnten<br />
als Regisseur, <strong>de</strong>ssen Filme von kirchlichen<br />
Stellen als für <strong>de</strong>n Katholiken<br />
„abzuraten“ bezeichnet <strong>wur<strong>de</strong></strong>n. In <strong>de</strong>r<br />
Tat sind Kritik, ja Spott gegenüber Kirche<br />
und Christentum Motive, <strong>die</strong> fast<br />
alle Filme Buñuels durchziehen, häufig<br />
eher am Ran<strong>de</strong>, in einigen Fällen aber<br />
auch zentrale Elemente seiner Filme,<br />
so etwa in SIMON IN DER WÜSTE, DIE<br />
MILCHSTRASSE o<strong>de</strong>r VIRIDIANA.<br />
Von <strong>die</strong>sen Filmen unterschei<strong>de</strong>t<br />
sich NAZARIN wohl vor allem dadurch,<br />
dass Buñuel sich hier sehr ernsthaft und<br />
tiefgründig mit <strong>de</strong>m Christentum auseinan<strong>de</strong>rsetzt<br />
und zwar sowohl im Hinblick<br />
auf seine „sichtbare Erscheinungsform“,<br />
<strong>die</strong> Kirche, als auch in Bezug<br />
auf <strong>de</strong>ren I<strong>de</strong>ale und Ansprüche. Es ist<br />
leicht, eine solche Kirchenkritik von<br />
<strong>de</strong>r Differenz zwischen Anspruch und<br />
Wirklichkeit her zu formulieren (und<br />
vielleicht auch ebenso leicht, <strong>die</strong>se Kritik<br />
„abzutun“), schwieriger hingegen,<br />
wenn sie das I<strong>de</strong>al, <strong>de</strong>n Anspruch selbst<br />
berührt, noch dazu in einem Bereich,<br />
<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> auch von außen betrachtet<br />
eine <strong>de</strong>r großen Stärken <strong>de</strong>r christlichen<br />
Kirchen ausmacht: ihr soziales<br />
Engagement, ihre karitative Arbeit.<br />
Genau das tut Buñuel, und das macht<br />
m.E. seinen Film, trotz einer gewissen<br />
Patina, <strong>die</strong> er nach über 45 Jahren natürlich<br />
angesetzt hat, noch immer aktuell<br />
und be<strong>de</strong>nkenswert.<br />
Haupt- und Titelfigur <strong>de</strong>s Films, <strong>de</strong>r<br />
1958 in Mexiko produziert und auf <strong>de</strong>n<br />
folgen<strong>de</strong>n Filmfestspielen in Cannes<br />
prämiert <strong>wur<strong>de</strong></strong>, ist ein katholischer<br />
Priester, Padre Nazario, <strong>de</strong>r im Armenviertel<br />
eines Dorfes irgendwo in Mexiko<br />
gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
lebt. Deutlich setzt Buñuel <strong>die</strong>se Figur<br />
von an<strong>de</strong>ren Priester-Figuren seines<br />
Films ab: Nazario verzichtet auf je<strong>de</strong>n<br />
unnützen Besitz und erst Recht auf<br />
Reichtümer. Alles was er bekommt und<br />
nicht zum Leben braucht, gibt er <strong>de</strong>n<br />
Armen, <strong>die</strong> beständig vor seiner Tür<br />
INFORMATIONEN 32 2/2003<br />
stehen. Er hat dadurch schon einen gewissen<br />
Ruf, so dass sich gelegentlich<br />
auch einmal Angehörige <strong>de</strong>r Oberschicht,<br />
<strong>de</strong>r Politik in <strong>die</strong>sem Viertel sehen<br />
lassen, um sich <strong>die</strong>sen „seltsamen<br />
Heiligen“ aus <strong>de</strong>r Nähe anzusehen,<br />
nicht ohne abschließend eine Spen<strong>de</strong> zu<br />
hinterlassen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser dann entwe<strong>de</strong>r<br />
sogleich an einen Bettler weitergibt<br />
o<strong>de</strong>r sich stehlen lässt. Eines Tages steht<br />
Andara, eine Prostituierte, vor <strong>de</strong>r Tür.<br />
Sie hat in einem Streit mit einer Kollegin<br />
<strong>die</strong>se nie<strong>de</strong>rgestochen und <strong>wur<strong>de</strong></strong><br />
selbst dabei verletzt. Nun bittet sie Nazario<br />
um Zuflucht. Nur wi<strong>de</strong>rwillig<br />
nimmt Nazaio sie auf und auch nur bis<br />
sie wie<strong>de</strong>r gesund ist, vielleicht auch in<br />
<strong>de</strong>r Hoffnung, <strong>die</strong>se „Sün<strong>de</strong>rin“ zu einem<br />
besseren Leben bekehren zu können.<br />
Doch das ungleiche Paar bleibt<br />
nicht unent<strong>de</strong>ckt. Bald spricht man<br />
schon davon, dass ein Pater mit einer<br />
Prostituierten unter einem Dach lebt.<br />
Um einer Ent<strong>de</strong>ckung durch <strong>die</strong> Polizei<br />
zuvor zu kommen, flüchtet Andara und<br />
vernichtet alle Spuren in <strong>de</strong>r Wohnung,<br />
in<strong>de</strong>m sie <strong>die</strong>se in Brand steckt. Hilfe<br />
bei <strong>die</strong>ser Brandstiftung, wenn auch unfreiwillige,<br />
erhält sie dabei von einer<br />
jungen Frau aus <strong>de</strong>r Nachbarschaft.<br />
Beatriz lei<strong>de</strong>t unter <strong>de</strong>r schroffen Zurückweisung<br />
ihres Geliebten – ein Macho<br />
reinsten Wassers –, <strong>de</strong>m sie offenbar<br />
nicht willig genug ist, weshalb sie<br />
schon einen (wenngleich eher halbherzigen)<br />
Selbstmordversuch verübt hat.<br />
Nach <strong>de</strong>m Brand wird Padre Nazario<br />
vor seinen Vorgesetzten, Don Angel, zitiert,<br />
gut situiert und angesehen, <strong>de</strong>r ihm<br />
eine Tasse Schokola<strong>de</strong> anbietet, um ihm<br />
dann zu eröffnen, dass er das Dorf zu<br />
verlassen habe. Er persönlich wisse<br />
zwar um Nazarios Unschuld, doch aufgrund<br />
<strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong> sei er nicht länger<br />
als Priester tragbar. Er wer<strong>de</strong> zwar nicht<br />
seines Amtes enthoben, dürfe sich aber<br />
nicht als Priester zu erkennen geben.<br />
Nazario lässt <strong>die</strong> Tasse Schokola<strong>de</strong> unberührt<br />
stehen und geht – gehorsam und<br />
ohne erkennbaren Groll.<br />
Erste Station auf seiner nun folgen<strong>de</strong>n<br />
Wan<strong>de</strong>rschaft, <strong>die</strong> Buñuel zunehmend<br />
als Kreuzweg inszeniert, ist eine<br />
Gruppe Bauarbeiter. Nazario bittet um<br />
Arbeit, und als <strong>de</strong>r Vorarbeiter ihm kein<br />
Geld zusagen kann, bietet Nazario an,<br />
für ein warmes Essen zu arbeiten. Dies<br />
ruft <strong>de</strong>n Groll <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Arbeiter hervor:<br />
Es herrscht große Arbeitslosigkeit<br />
und ein Mann, <strong>de</strong>r nur für Essen arbeitet,<br />
verdirbt nicht nur <strong>die</strong> Löhne, son<strong>de</strong>rn<br />
verhin<strong>de</strong>rt auch, dass an<strong>de</strong>re Arbeit fin<strong>de</strong>n.<br />
Die Arbeiter machen ihm versteckt<br />
aber <strong>de</strong>utlich klar, dass er hier nicht erwünscht<br />
sei, und Nazario verlässt <strong>die</strong><br />
Baustelle. Nach <strong>de</strong>ssen Abgang stellt <strong>de</strong>r<br />
Aufseher seine Arbeiter zur Re<strong>de</strong> und<br />
zieht schließlich auch eine Pistole. Pater<br />
Nazario, schon weit weg vom Geschehen,<br />
hört aus <strong>de</strong>r Ferne einen Schuss.<br />
Auf seinem Weg trifft er auch Beatriz<br />
und Andara wie<strong>de</strong>r, <strong>die</strong> sich ihm<br />
anschließen. Obwohl er ihre Begleitung<br />
ablehnt, geben sie nicht auf, und<br />
ihm gelingt es nicht, sie abzuschütteln.<br />
Andara bittet ihn zu einem kranken<br />
Kind in ihrem Dorf: Er solle ein „Wun<strong>de</strong>r“<br />
wirken und es wie<strong>de</strong>r gesund machen.<br />
Nazario, <strong>de</strong>r um <strong>die</strong> „Wun<strong>de</strong>rund<br />
Abergläubigkeit“ <strong>de</strong>r Menschen<br />
weiß, lehnt <strong>die</strong>s zunächst ab, erklärt<br />
sich aber dann doch bereit, am Bett <strong>de</strong>s<br />
Kin<strong>de</strong>s um Gottes Hilfe zu beten. Dort<br />
angekommen, sieht er sich mit Befrem<strong>de</strong>n<br />
zunehmend in <strong>die</strong> Rolle eines<br />
Wun<strong>de</strong>rheilers gedrängt, und alle Bemühungen,<br />
Gott als <strong>de</strong>n „einzigen, <strong>de</strong>r<br />
<strong>die</strong>ses Kind retten kann“, darzustellen,<br />
scheitern letztlich. Als das Kind am<br />
nächsten Tag wie<strong>de</strong>r gesund ist, ist Nazario<br />
für alle <strong>de</strong>r „Wun<strong>de</strong>rheiler“.<br />
Nächste Station auf ihrem Weg ist<br />
ein Dorf, in <strong>de</strong>m <strong>die</strong> Pest wütet. Nazario<br />
ist sofort bereit zu helfen, aber Andara<br />
fügt sich nur wi<strong>de</strong>rwillig. Doch sie<br />
können nur wenig tun, <strong>die</strong> meisten<br />
Menschen sind bereits tot. Als Nazario<br />
in einem Haus eine sterben<strong>de</strong> Frau fin<strong>de</strong>t,<br />
will er ihr <strong>die</strong> Beichte abnehmen<br />
und <strong>die</strong> letzte Ölung spen<strong>de</strong>n. Sie aber<br />
verlangt immer nur nach ihrem Geliebten.<br />
Auf seine fast schon verzweifelte<br />
Bitte, zu bereuen, zu beichten, um so<br />
ins ewige himmlische Leben einzugehen,<br />
erhält er nur <strong>die</strong> lapidare Antwort:<br />
„Kein Himmel. Juan!“ Als eben <strong>die</strong>ser<br />
ins Haus tritt, verjagt er <strong>die</strong> ungebetenen<br />
Gäste und umarmt seine Frau.