Lernstraße: „So wurde die Bibel“ - service.bistumlimburg.de
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Doch nicht nur <strong>de</strong>n Notlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s auch seinen „Jüngerinnen“<br />
Beatriz und Andara versucht er, <strong>die</strong><br />
christliche Botschaft nahezubringen: Er<br />
predigt ihnen von <strong>de</strong>r „reinen Liebe“,<br />
<strong>de</strong>r Liebe, <strong>die</strong> sich auf alle Menschen<br />
richtet. Seine Botschaft von <strong>de</strong>r christlichen<br />
„caritas“ scheint aber nur bei Beatriz<br />
auf fruchtbaren Bo<strong>de</strong>n zu fallen –<br />
für sie scheinbar ein Gegenmo<strong>de</strong>ll zur<br />
„amor“, <strong>die</strong> sie bereits leidvoll erfahren<br />
hat –, während Andara nicht nur vom<br />
Verständnis, son<strong>de</strong>rn auch von <strong>de</strong>r Umsetzung<br />
her sich damit schwer tut.<br />
Der letzte Teil <strong>de</strong>s Films beginnt<br />
mit <strong>de</strong>r Verhaftung Nazarins und Andaras,<br />
<strong>die</strong> sich ihr mit Gewalt zu wi<strong>de</strong>rsetzen<br />
versucht und von Nazario <strong>de</strong>shalb<br />
zurechtgewiesen wird. Beatriz begleitet<br />
freiwillig „ihren Heiligen“, <strong>de</strong>r auf<br />
<strong>de</strong>m Weg zum Gefängnis <strong>de</strong>m Spott an<strong>de</strong>rer<br />
Mitgefangener ausgesetzt ist. Ein<br />
Vierter im Bun<strong>de</strong> ist Ujo, ein „hässlicher<br />
Zwerg“, <strong>de</strong>r sich in Andara verliebt<br />
hat („du bist hässlich, trotz<strong>de</strong>m<br />
mag ich dich“). Doch <strong>die</strong>ser Bund<br />
Zum an<strong>de</strong>ren ist wohl auch erkennbar,<br />
dass Buñuels Film ein „Thesenfilm“<br />
ist: Weniger in <strong>de</strong>r „Psychologie<br />
<strong>de</strong>r Figuren“ als in Strukturen und<br />
Konstellationen <strong>de</strong>s Films artikuliert<br />
sich Buñuels Kritik an Kirche und<br />
Dogma. Aus einer Gegenüberstellung<br />
<strong>de</strong>r Hauptfigur mit <strong>de</strong>n Personengruppen<br />
<strong>de</strong>s Films, lässt sich <strong>die</strong>s m.E. auch<br />
im Unterricht erarbeiten.<br />
Eine Leitfrage für Schüler kann dabei<br />
eine Gegenüberstellung Szenenbe-<br />
bricht am En<strong>de</strong> auseinan<strong>de</strong>r: Andara<br />
wird – von Ujo begleitet – mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Gefangenen abtransportiert. Beatriz,<br />
<strong>die</strong> ihrer Mutter von <strong>de</strong>r „reinen<br />
Liebe“ und Nazarin vorschwärmt,<br />
muss erkennen, dass ihr Verhältnis zu<br />
Nazario ein erotisches ist und bricht zusammen.<br />
Sie wird – obwohl ein weiteres<br />
Mal von ihrem Geliebten ge<strong>de</strong>mütigt,<br />
<strong>de</strong>r sie um Wasser bittet, nur um es<br />
vor ihr auszuschütten – zu ihm zurückkehren.<br />
Und Nazarios Scheitern kulminiert<br />
in einer Szene im Gefängnis:<br />
Auch hier wird er von Mitgefangenen<br />
drangsaliert und kann nur noch mit<br />
Mühe seine Friedfertigkeit aufrechterhalten,<br />
bis ihm ein Mitgefangener zu<br />
Hilfe kommt. Als er <strong>die</strong>sen daraufhin<br />
als „guten Menschen“ bezeichnet,<br />
muss er erfahren, dass er einem<br />
Schwerverbrecher <strong>die</strong>se Hilfe verdankt,<br />
<strong>de</strong>r Nazarios ethische Orientierung<br />
zusammenbrechen lässt: „Ja, du<br />
bist gut und ich bin schlecht, aber was<br />
macht das für einen Unterschied? Wir<br />
können bei<strong>de</strong> nichts än<strong>de</strong>rn!“ Am<br />
Biblische Bezugspunkte Pater Nazario – Jesus<br />
· Sammlung <strong>de</strong>r Jünger (� Frauen, <strong>die</strong> aber trotz seiner Ablehnung mitkommen wollen)<br />
· Kritik <strong>de</strong>r Mächtigen (� Priester, Offizier)<br />
· Unbedingte Parteinahme für <strong>die</strong> Armen (� Bauer, <strong>de</strong>r nicht grüßt, � Umgang mit Huren)<br />
· Besitzlosigkeit (� gibt alles, was er hat, <strong>de</strong>n Armen)<br />
· Predigt <strong>de</strong>r Nächstenliebe (� Beatriz)<br />
· Verweigerung eines Zeichens (� Frauen mit <strong>de</strong>m kranken Mädchen – Lk)<br />
· Verhaftungsszene (� Ablehnung <strong>de</strong>r Gewalt)<br />
· Gang nach Golgatha (� Schlusssequenz)<br />
· Verhöhnung und Spott (� Mitgefangene)<br />
· Aussehen (� Stirnkranz)<br />
· Verhalten gegenüber Kranken (� Pestkranke – Aussätzige)<br />
ginn – Szenenen<strong>de</strong> sein. Fast durchgängiges<br />
Prinzip in Buñuels Film ist,<br />
seine Hauptfigur mit „besten Absichten“<br />
in eine Situation hinein gehen zu<br />
lassen. In fast allen Szenen en<strong>de</strong>t <strong>die</strong>s<br />
nicht nur entgegen <strong>de</strong>ssen Erwartungen,<br />
son<strong>de</strong>rn häufig völlig <strong>de</strong>solat (�<br />
Aufnahme Andaras in sein Haus, Baustelle,<br />
pestkranke Frau u.a.m.). Im Anschluss<br />
daran wäre dann nach <strong>de</strong>n<br />
Grün<strong>de</strong>n für <strong>die</strong>se Entwicklung zu fragen,<br />
womit sich Buñuels kichen- bzw.<br />
nächsten Tag wird Nazario allein, nur<br />
von einem Polizisten begleitet, abgeführt.<br />
Auf <strong>de</strong>m Weg begegnen sie einer<br />
Frau, <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Dürsten<strong>de</strong>n eine Ananas<br />
anbietet. Nazario weicht vor <strong>die</strong>ser<br />
Geste zunächst zurück, nimmt dann<br />
aber <strong>die</strong> Gabe zögernd an. Mit <strong>de</strong>r Ananas<br />
im Arm geht er mit verzweifeltem<br />
Gesichtsausdruck weiter. Seinen Gang<br />
begleiten Trommeln ( <strong>die</strong> einzige „Off-<br />
Musik“ im ganzen Film!), und dami<br />
en<strong>de</strong>t auch <strong>de</strong>r Film.<br />
Diese etwas ausführliche Inhaltangabe<br />
macht wohl <strong>de</strong>utlich, wie Buñuel<br />
mit <strong>de</strong>n neutestamentlichen Texten umgeht:<br />
Die Geschichte seines Paters Nazario<br />
wird immer stärker <strong>de</strong>r Passionsgeschichte<br />
Jesu angenähert und man<br />
wird eine Reihe von Parallelen ausmachen<br />
können, nicht selten aber auch in<br />
charakteristischer „Umkehr“. So wird<br />
etwa aus <strong>de</strong>r Sammlung <strong>de</strong>r Jünger das<br />
„Nachlaufen <strong>de</strong>r Jüngerinnen“, und auch<br />
mit <strong>de</strong>r biblischen Erzählung von <strong>de</strong>n<br />
Jungfrauen am Brunnen geht Buñuel<br />
kontrapunktisch um.<br />
christentumskritische Position näher<br />
bestimmen lässt.<br />
Von hier aus kann unter verschie<strong>de</strong>nen<br />
Perspektiven weitergearbeitet wer<strong>de</strong>n.<br />
In einer kirchengeschichtlichen<br />
Einheit könnte gefragt wer<strong>de</strong>n, ob bzw.<br />
wo solche Kritik berechtigt war (und<br />
vielleicht noch ist) und wie damit umzugehen<br />
ist. Unter einer ethischen Perspektive<br />
könnte <strong>die</strong> Gegenüberstellung<br />
von Gesinnungs- und Verantwortungsethik<br />
(neu) thematisiert wer<strong>de</strong>n. Im<br />
INFORMATIONEN 32 2/2003<br />
UNTERRICHTSPRAXIS<br />
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