einen Kreisbewegungen zusammensetzen lassen. Das gerade unterscheidet Kopernikus vonKepler, dessen ganzes Bemühen um die Darstellung der Beobachtungen des Mars darauf gerichtetwar, die wahre Bahnform zu ergründen. Kepler kam vom exzentrischen Kreis, der auf unbefriedigendgroße Reste zwischen Beobachtung und Theorie führte, durch mühsame, mit langenRechnungen verknüpfte Versuche über „eiförmige“ und „pausbackige“ Kurven, wobeimehrfach betont, daß er nicht von vornherein sich auf eine bestimmte geometrische Bahnformfestlegen wollte, zu der für ihn grundlegenden Erkenntnis: „Die wahre Gestalt der Marsbahnist eine vollkommene Ellipse“ .Diese Erkenntnis war die zwangsläufige Folge einer neuen Grundeinstellung zu den Problemen:ohne andere Voraussetzung als die, daß die Bewegungen der Planeten auf den Mittelpunkt derSonne als den Sitz einer diese Bewegungen lenkenden Kraft zu beziehen seien, — während Kopernikus,ganz innerhalb seiner rein geometrischen Auffassung bleibend, den Mittelpunkt derErdbahn als Bezugspunkt wählt — nur aus den Beobachtungen selbst die wahre Form der Bahndurch „Auslotung“ , d. h. durch Berechnung der Abstände ihrer einzelnen Punkte vom Sonnenmittelpunkt,zu bestimmen.Indem Kopernikus zur Erklärung der Ungleichheiten in den Bewegungen der Sonne, desMondes und der Planeten sich zum Teil doch wieder des Rüstzeuges der alten Astronomiebediente, der zur Erklärung ungleichförmiger Bewegungen nur exzentrische Kreise und Epizykelzur Verfügung standen, mußte die Einfachheit der Grundannahmen über den Bau des Planetensystemsbei der Umsetzung der Theorie in die Praxis notwendigerweise zurücktreten hinter derKompliziertheit der gesamten himmlischen Maschinerie, die in Bewegung gesetzt werden mußte,um den beobachteten Lauf der Planeten restlos zu erklären. Noch bis in das späte 17. Jahrhunderthinein, fast anderthalb Jahrhunderte nach dem Erscheinen des Werkes des Kopernikus,mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Entdeckung der Keplerschen Gesetze, werden dahervereinzelte Stimmen aus dem Kreise der Himmelskundigen selbst laut, die in der kopernikanischenLehre nur eine unbewiesene und für die Darstellung der beobachteten Planetenbewegungen unnötigeHypothese sehen wollen. War doch auch der praktische Erfolg, wenn man ihn maß ander Genauigkeit, mit der die Sonnen-, Mond- und Planetenörter vorausberechnet werden konnten,zunächst keineswegs besonders überzeugend, die Übereinstimmung der neuen Planetentafelnmit den Beobachtungen manchmal sogar weniger gut als die der alten.Solche Erwägungen über die Grenzen, die auch Kopernikus noch gesetzt waren, verringern inkeiner Weise die Bedeutung des Mannes und seiner Leistung. Sie machen aber bis zu einemgewissen Grade verständlich, warum Kopernikus so lange zögerte, seine „Nachtarbeiten zu Tagezu fördern“, wie er sich in der Vorrede an den Papst Paul III. ausdrückt. So sicher er selbst warin dem Glauben an die Richtigkeit seines Weltsystems, so gering schätzte er vielleicht die formaleÜberzeugungskraft seiner Argumente auf die Zeitgenossen ein. Auf der einen Seite betont er stolz:„Wenn aber leere Schwätzer kommen, die, obgleich sie von Mathematik nichts verstehen, dennochsich ein Urteil darüber anmaßen und es wagen sollten, wegen einer Stelle der Heiligen Schrift,die sie zugunsten ihrer Hypothese böswillig verdreht haben, dieses mein Werk zu tadeln oderanzugreifen: aus denen mache ich mir nichts, und zwar so sehr nichts, daß ich sogar ihr Urteil alsfreche Anmaßung verachte.“ Auf der anderen Seite gibt er zu: „So bewog mich die Verachtung,welche ich wegen der Neuheit und scheinbaren Widersinnigkeit meiner Meinung zu fürchtenhatte, fast, daß ich das fertige Werk ganz beiseite legte“ .Uns, die wir es erleben, daß neue Theorien ihren Weg in die Tagespresse und über den Runkfunkbis in das fernste Dorf finden, noch bevor sie kaum sachlich ganz zu Ende gedacht sind, mages seltsam erscheinen, daß ein Werk, das bestimmt war, eine Welt umzustürzen, „nicht neunJahre nur, sondern bereits in das vierte Jahrneunt hinein verborgen gelegen hat“, bis der Verfasserdem Drängen der Freunde nachgab „daß sie die Herausgabe des Werkes, das sie so lange66er
von mir gewünscht hatten, bewirken könnten“ . Aber gerade diese Tatsache läßt die Art desKopernikus und seines Schaffens in einem besonderen Licht erscheinen.Man spricht oft von der „Tat“ des Kopernikus und erweckt damit unwillkürlich die Vorstellung,als ob der Künder des neuen Weltsystems zugleich Kämpfer gewesen sei für die Durchsetzungseiner Lehre gegen die Widerstände der Zeit; so wie man wohl auch gern die Parallele zieht zudem Reformator auf geistlichem Gebiet, Martin Luther. Es entspricht indessen wohl kaum einersolchen kämpferischen Haltung, ein Werk, über dessen säkulare Bedeutung der Verfasser sichdurchaus klar ist, jahre-, ja jahrzehntelang in der Schreibtischlade liegen zu lassen. Vielmehrtritt hier etwas zutage, was zum innersten Wesen des Kopernikus gehört und das seine Art desSchaffens kennzeichnet, die so ganz anders ist als die seines großen Vollenders Johannes Kepler.In Kopernikus sehen wir jenen Typus des Forschers verwirklicht, der in aller Stille seiner Arbeitsich hingibt, nur bemüht um die Erringung reiner Erkenntnisse, absoluter Wahrheiten, unbekümmertdarum, ob er bei der Allgemeinheit Anerkennung findet oder nicht. Ruhig und sorgenlosläuft das äußere Leben des Frauenburger Domherrn ab, dem seine nicht sehr umfangreichenDienstgeschäfte genügend Zeit lassen für die selbstgewählte Aufgabe, eine neue Theorie des Weltsystemsin allen Einzelheiten auszuarbeiten. Freigebig macht er Freunden gegenüber Mitteilungenvon den Einsichten, zu denen er gelangt ist, so daß sich die Kunde von dem neuen System inden Kreisen der Mathematiker und Astronomen allmählich verbreitet. Nichts aber drängt ihnselbst dazu, seine Theorie durch den Druck allgemein bekannt zu machen.Vielleicht macht gerade darum das Buch, dessen erstes gedrucktes Exemplar der 70jährige Verfasserauf dem Sterbelager in der Hand gehalten haben soll, diesen unübertrefflich abgeklärtenEindruck, den nur ein Meisterwerk hervorbringen kann, bei dem jede Zeile und jedes Wort überlegtund oft überprüft ist.Es ist bis auf das Vorwort mit der Widmung an den Papst und die Einleitung zum ersten Buchmit dem schönen Bekenntnis zur Himmelskunde als der Krönung aller Wissenschaften unpersönlichtrotz des Gebrauches des „Ich“ oder „W ir“ . Nüchtern-sachlich werden die Ergebnisse derverschiedenen Überlegungen abgeleitet, ohne etwas durchschimmern zu lassen von dem Erlebnisdes Forschers bei ihrer Gewinnung. Beobachtungstatsachen und mathematische Sätze werdenmit zwingender Logik aneinander gereiht. Nie wird der Versuch gemacht, den Leser mehr zuüberreden als zu überzeugen. Die im Vorwort aufgestellte Devise: „Mathematische Dinge werdenfür Mathematiker geschrieben“ beherrscht das Werk von der ersten bis zur letzten Zeile. Fasttrocken wirken die formal bei der Behandlung jedes einzelnen Planeten sich wiederholendenRechenvorschriften und die Durchführung der Reduktionen der Beobachtungen. Das großeWerk des Kopernikus ist nur zum kleinen Teil der Darstellung und Begründung des neuenSystems gewidmet und ist alles andere als eine glanzvolle Apotheose dieses Systems. Es istnicht mehr und nicht weniger als ein Lehrbuch der Himmelsmechanik seiner Zeit, worunter zuverstehen ist die Geometrie der Bewegung der Erde, des Mondes und der Planeten auf derGrundlage des heliozentrischen Gedankens.Alles ist so ganz anders bei Kepler! Er ist der Kämpfer, der nie müde wird, in Wort und Schriftfür die neue Lehre einzustehen, und der dem kopernikanischen System erst zum eigentlichenDurchbruch verhilft. Bedrückt von Sorgen um sein und seiner Familie tägliches Leben, in einermehr und mehr sich verwirrenden Zeit ruhelos von einem Ort zum ändern wandernd, verfaßter neben Kalendern, Prognostiken und Horoskopen jene unsterblichen Werke, in denen ein weiterBogen sich spannt von der mathematisch klaren Formulierung unverrückbarer Naturgesetzedurch den scharf denkenden Interpreten großer Beobachtungsreihen bis zu den dunklen Speku67
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gebührenden Platz bei der Durchset
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Die harten Äußerungen Luthers und
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So mußte also G alilei auch für d
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Grundsätze nicht nötig gewesen, d
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eschritten, indem er das Vatikan-Ma
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nicht beweiskräftig, weil die Unte
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Durch diesen Dialog wurde der zweit
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P lo tin s besonders wirkungsweitem
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Heyse P ., s. Leopardi.Hilgers J.,
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Schottenloher K ., Bibliographie zu
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