Grundsätze nicht nötig gewesen, denn es ist keiner kirchlichen Instanz eingefallen, die U n b e w e glich k eit der Erde als eine „res fidei“, als G lau b en ssach e festzulegen191). KardinalBellarmin selbst, der allerdings in seiner Antwort an den Kopernikaner F oscarin i behauptete,wenn es sich nicht um eine Sache des Glaubens ex parte objecti handle, so sei es doch eine Sachedes Glaubens ex parte dicentis, hat sich nicht gescheut, es trotzdem offen zuzugeben, daß für denFall, es könnte ein wahrhafter Beweis die Erdbewegung erhärten — Galileis Demonstrationenerkannte er offenbar als solchen nicht an — , müßten eben die betreffenden Stellen der HeiligenSchrift eher so beurteilt werden, daß wir sie nicht verstehen, ehe man für falsch erklärt, was sichbeweisen lasse. Der Karmeliter Foscarini hatte in seinem „Brief an Sebastian F a n t oni, den Generalseines Ordens, über die Meinung der Pvthagoräer und des Copernicus192) , der die Maßnahmengegen die heliozentrische Lehre mit ins Rollen brachte, schon entsprechende Vorschläge zurAufklärung der angeblichen Widersprüche zwischen Bibel und Erdbewegungslehre gemacht.Bellarmin exponierte sich also als Theologe einigermaßen, wenn er einerseits immerhin hypothetischdie Möglichkeit einer anderen Auslegung für die entsprechenden Schriftstellen ins Auge faßte,andererseits den in Frage stehenden Sachverhalt aber als „res fidei ex parte dicentis hinstellte.Tatsächlich ist denn auch in den entsprechenden Festlegungen der Indexkongregation nur vonden übereinstimmenden Auslegungen der heiligen Väter die Rede, von denen abzuweichen durchKonzilsbescheid verboten wäre, worauf schon Bellarmin Foscarini gegenüber hingewiesen hatte,dabei weiter ausführend, daß in betreff der wörtlichen Auslegung der in Betracht kommendenStellen die Übereinstimmung ersichtlich bis in die neueste Zeit vorhanden sei193).Es kann hier nur eine knappe Schilderung der Entwicklung bis zur Verurteilung der kopernikanischenLehre im Zusammenhang mit dem Eintreten G alile is für sie gegeben werden. Der speziellerInteressierte möge die Vorgänge in den zahlreichen oben angeführten Darstellungen zum Galileiproblemverfolgen194).In einem Brief vom 21. Dezember 1613, der durch Abschriften starke Verbreitung fand195),an seinen Schüler, den Benediktiner C a ste lli, der an der großherzoglichen Tafel in Pisa196)am 12. Dezember 1613 die Ansichten seines Lehrers verteidigt hatte197), legte Galilei dar, nichtdie Heilige Schrift, wohl aber ihre Ausleger könnten irren. Entsprechend den Ausführungen deshl. Augustinus und anderer Kirchenväter betonte er also mit vollem Recht, daß die Exegeseder Bibel den sichergestellten Ergebnissen der Naturwissenschaft anzupassen sei ).Gewiß konnte es den Theologen nicht willkommen sein, daß ein Laie sie über die Auslegungder Heiligen Schrift belehrte. Dabei ist das doch, soweit es das Verhältnis von Bibel und Naturwissenschaftbetrifft, nicht ein-, sondern hundertmal passiert. „Die Geschichte der Beziehungenzwischen Theologie und Naturwissenschaft ist fast nur eine Geschichte von Streitigkeiten, beidenen die Theologie letzten Endes stets gezwungen war, ihren Konservativismus aufzugeben;andererseits erfuhr sie bei diesem Nachgeben immer eine Erweiterung ihres Gesichtskreises undeine Veredlung ihrer Vorstellungen199).“191) Über die Frage der Beurteilung der Indexentscheidung von 1616 als widerruflich im Gegensatz zu einer päpst-liehen Glaubensdefinition s. u.192) s. W o h lw ill, I , 5561Mj Relativ sachliche W ürdigung und knappe Darstellung bei P a s t o r , Ludwig Freiherr v ., Geschichte der Päpsteseit dem Ausgang des Mittelalters, X I I . B d ., Freiburg 1927, 203 ff, der aber auch in schulmeisterhchen, dieGegebenheiten einer geistigen Persönlichkeit großen Formats völlig ubersehenden W orten meint: „Für die % lssenschaftwie für Gablei wäre es wohl besser gewesen, wenn er nach diesen ersten astronomischen Entdeckungenzu seinem eigentbchen Fach, der Physik, zurückgekehrt wäre (zit. Pastor X I I ) .19t) W o h l w ill, I , 507 ff.199) W o h lw ill, I, 506 ff.19’ ) P a s to r , X I I ., 207.198) P a s to r , X I I . und die dort angeführte Literatur.199) M ü lle r A l., 565.122
Es wirkt jedenfalls peinlich oberflächlich, wenn Galilei kleinlich gerügt wird, er hätte sich fahrlässigauf ein ihm nicht zustehendes Gebiet begeben und so das Einschreiten der kirchlichenBehörden selbst heraufbeschworen! Allerdings hat sogar K ep le r 1619 sich in ähnlichen Gedankengängenbewegt, wenn er in einer Flugschrift an die ausländischen Buchhändler schrieb, es sei„durch die Schroffheit einiger Leute, welche Fragen der Sternforschung an Unrechter Stelleund in unpassender Weise behandeln, dahin gekommen, daß das Lesen des Buches Koppernicks,das fast 80 Jahre lang ganz unbehelligt blieb, schließlich untersagt wurde, bis das Werk verbessertsei“ 200).Die eigentlichen Zusammenhänge lagen viel tiefer: Solche Kämpfe „sind aus dem Charakter derbeteiligten Kulturfaktoren und der Organisation des Menschengeistes notwendig geborene Produktedes Entwicklungsprozesses von Theologie, Philosophie und Naturwissenschaft. Irgendeinmal mußtedas kopernikanische System mit Theologie und Kirche in Konflikt kommen. Daß es gerade beiGalilei geschah, lag nicht an äußerlichen Eigenschaften, sondern daran, daß dieser Geistesriesean naturwissenschaftlichem, theologischem und — dieser Umstand ist bisher in seinem Einflußnoch viel zu wenig gewürdigt — an philosophischem Verständnis seiner Zeit weit voraus war;Theologie und Kirchenbehörde waren nicht fähig, ihm zu folgen. Bei allem Großen, dasseine Zeit überragt, wandelt sich die Berührung mit der Theologie in einen Konflikt mitderselben“ 201).Ein Florentiner Dominikaner, Tommaso Caccini, griff Galilei auf offener Kanzel wegen seinesEintretens für Kopernikus an, was zwar vielfach als übereilt abgelehnt wurde, jedoch zur Folgehatte, daß nun auch andere Florentiner Dominikaner darauf ausgingen, in Rom ein Verbot derLehre von der Erdbewegung zu erwirken202).Durch zahlreiche Gespräche mit Freunden, durch die nun öffentlichen Angriffe seiner Gegner mußteGalilei zu einer ebenso öffentlichen Abwehr der Herausforderung geradezu gedrängtwerden203).Seine Stellungnahme erfolgte in dem berühmten B r ie f an die Großherzogin C h ristin a204),worin Galilei im übrigen durchaus als kirchlich gesinnter Forscher das Wort ergreift205).Der schon genannte Karmeliter Paolo Antonio F o sca rin i stimmte Galilei in dem an seinenOrdensgeneral gerichteten öffentlichen Brief206) volkommen bei, ja machte die weise Bemerkung,da die kopernikanische Lehre einst als W a h rh e it völlig sicher erwiesen werden könne, sei esangezeigt, sich beizeiten mit den „scrupuli“ aus der Heiligen Schrift abzufinden207). Im übrigenhatte Galilei sehr klug in seinem Brief an Christina unter Berufung auf Augustin darauf hin gewiesen,daß eine Entscheidung gegen die Wissenschaft unter Zugrundelegung der Schrift für dieerstrebte Bekehrung der Ketzer sich nicht eben förderlich auswirken würde208). Durch KardinalB ellarm in war nämlich zu der vonFoscarini an ihn geschickten Verteidigung der kopernikanischenLehre gegen den Vorwurf, sie zu vertreten sei „Verwegenheit“, eine Antwort erteilt worden, ausder klar hervorging, daß für die bevorstehende Entscheidung der römischen Zensoren, die jedenfallsnur hypothetisch von dem neuen Weltbild zu sprechen gestatten würden, n ich t die W is s e n sch aft, sondern eben die Berufung auf die Schrift den Ausschlag geben sollte209).20°) Z in n e r , Bibi. 43.201) M ü lle r A l., 585/86.202) Müller, I, 94.203) W o h lw ill, I, 542.2M) Ed. Naz. V , 307 ff.205) V gl. das Zitat bei W o h lw ill, I , 543.20e) Gedruckt Neapel 1615, Titel bei M ir b t 367, M ü lle r I , 98.207) M ü lle r , I. 98/99.208) W o h lw ill, I. 552/53.20s) W o h lw ill, I, 561 f.123
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