gebührenden Platz bei der Durchsetzung des kopernikanischen Gedankens einzuräumen, abersie gehen doch in ihrer schwärmerischen Übersteigerung zu weit. Vor allem ist Bertis fachlichesKönnen zweifellos der Größe seines Willens und der historischen Aufgabe nicht gewachsen gewesen137),und es stimmt nur bedenklich, daß selbst Antonio F a v a r o 138), der spätere Direktorder Nationalausgabe der Werke Gahleis, in seiner allerdings schon 1876 geschriebenen Rezensionnicht nur keine einschränkenden Bemerkungen gegen Berti machte, sondern sich sogar völligmit seinen Anschauungen identifizierte139).Der halb d ich terisch e C h arakter der Werke B ru nos läßt wichtige Punkte seiner Philosophiein schillerndem Zwielicht, worin sich innere Schwankungen und Unausgeglichenheitenkundtun140), Feststellungen, die natürlich die Einmaligkeit und grandiose Exzentrizität diesesKopfes durchaus nicht herabsetzen sollen.Leonardo O lsch k i141) hat dem Feuergeist sachlich und klar in sein wirkliches Verhältnis zu -Kopernikus verholfen. Bruno stützte sich in seinen Londoner Schriften, jenen umfangreichenzwischen 1584 und 1585 entstandenen italienischen Werken142), auf die Lehre des FrauenburgerDomherrn, um die Unendlichkeit des Universums und der Welten nachzuweisen. TrotzdemBruno versicherte, von Jugend auf Anhänger des Kopernikus gewesen zu sein, ist von einerAnlehnung an das Weltbild des Frauenburgers in den früheren Pariser Schriften noch nichtszu merken. „Die Prinzipien seiner Weltanschauung, die er in London verteidigte, sind ihmG lau b en ssach e. Sein Glaube bedarf keiner logischen Unterstützung, denn er schließt dieVernunft in sich ein. Mit dem Satze, daß Gott, der unendliche Schöpfer, ein unendliches Abbildseiner selbst im unendlichen Weltall geschaffen habe, ist das Metaphysisch-Irrationale in einenphysisch-rationalen, scheinbar vernunftgemäßen, einwandfreien Satz verwandelt143)“ . Die Schwierigkeiteninteressieren ihn nicht. Er suchte fördernde Argumente für seine Lehre, wo er sie findet,aber „er verachtete die Wissenschaft und verabscheute die syllogistische Logik, weil er voneinem Glauben beseelt war, den er übertragen, aber nicht nachweisen wollte144)“ .Olschki hat mit einer Fülle von Mißverständnissen Brunos seine offenbare „Untauglichkeit zumwissenschaftlichen Denken“ belegen müssen145). Er entwickelte mit „göttlichem Leichtsinn“eine Optik, die die Grundlage seiner im Lehrgedicht „De immenso“ geschaffenen Astronomiebildet, mit Ansichten, „welche die vollkommene Überwindung der kopernikanischen sind“,also keineswegs das heliozentrische System unterstützen. Entscheidend für die BeurteilungBrunos im Zusammenhang mit dem Fortbau des kopernikanischen Gedankens ist die Tatsache,daß er mit diesem mathematisch streng aufgebauten Weltsystem „mit der gleichen Willkür,mit, welcher er sich ... die vorsokratischen Lehren zunutze macht146)“, verfährt. Brunos „völligls7) D azu u. a. die Bemerkungen G r is a r s über Bertis Galileobuch: II processo originale di Galileo G a lilei..., R om1876, in seinen Galileistudien 1882 S. 3/4. _188) u. a. Verfasser der: Miscellanea Galileiana inedita, Venedig 1887 und der Dokumentansammlung: Galileo e Finquisizione,Documenti del processo G alileiano..., Florenz 1907 (zit. F a v a r o Doc.).139) Die Rezension in Zs. f. Mathematik und Physik, H ist. Lit. A b t., 21. (1876) 85 ff, bes. 90/91.Auch Ludwig K u h le n b e c k in seinen Übersetzungen der W erke Giordano Brunos (vgl. z. B. Bd 1 S. 191/92 A134), übersieht die tatsächliche Lage, wenn er behauptet, daß Bruno neben Kopernikus der erste gewesen sei,der die heutzutage gemeinverständlichen Wahrheiten der Bahn der Erde um die Sonne und ihre Achsendrehung„wiedererkannt und sozusagen wiedererkämpft“ habe. S. dazu u.14°) Ü b e r w e g , Geschichte der Philosophie, 3. Teil, 48 ff bis 50.141) O ls c h k i, Gesch. d. neusprachl. Lit. B d 2: Bildung und Wissenschaft im Zeitalter der Renaissance in Italien,Leipzig usw. 1922 (zit. O ls c h k i II). B d 3 : Galilei und seine Zeit, Halle 1927 (zit. O ls c h k i III).142) Hierzu und zum folgenden O ls c h k i I I I , 12 ff., bes. 16 A 1: „D ie chronologische Reihenfolge der italienischenSchriften ist folgende: La Cena de le Ceneri; D e la causa, principio et uno; De l’ infinito, universo et mondi;Lo spaccio della bestia trionfante; Cabala del Cavallo Pagaseo con l’ aggiunta delF asino Cillenico; Gli Eroicifurori.“ Alle zwischen 1584 und 1585 entstanden und veröffentlicht.145) O ls c h k i, I I I , 31.144) O ls c h k i, I I I , 32.146) O ls c h k i, I I I , 32 ff.V gl. dazu auch W o h l w ill E m ü, Galilei und sein K am pf für die copernicanische Lehre, Hamburg u. Leipzig1909 (zit. W o h lw i ll I), 22 ff. — Der I I. B d 1926 aus dem Nachlaß herausg. von Dr. med. F. W ohlwill (E.W ohlwill starb bereits am 2 .2 .1 9 1 2 ) (zit. W o h lw i ll II).148) O ls c h k i, I I I , 34.114
unverständliche Darstellung dieser Lehre im letzten Abschnitte des Dialoges (La cena) beweistallzu klar, daß er kaum mit den elementarsten Begriffen und Problemen der Astronomie vertrautwar, so daß wir ebenso den Zorn der gelehrten Widersacher wie das peinliche Schweigenseiner Freunde begreifen können“ . Ja, der Nolaner bekennt, „daß ihm wenig an Kopernikusund seinen Auslegern“ läge147).So sind zwar g ro ß a rtig und re v o lu tio n ä r Brunos für die damalige Zeit völlig überraschendeAussprüche über die V ie lh e it der Welten und ihre U n e n d lic h k e it, die Beseelung der Himmelskörper,seine Behauptungen, daß es mehrere Sonnenalle gäbe, die Sonne sich um ihre Achsedrehe, aber seine Berufung auf den großen Frauenburger an einzelnen Stellen genügt nicht, ihn,wie es etwa Berti wollte, mit Kepler auf eine Stufe zu stellen als Förderer des heliozentrischenWeltbildes. Daß Kepler für Bruno eine sehr große Verehrung fühlte, wird dadurch nicht berührt,ebensowenig, daß die von jeder mathematischen Fessel freien Gedanken des genialen Nolanersauch ihn lebhaft angeregt haben mögen148).Bruno aber kannte kein M a ß 149), nicht nur in seinen Urteilen, und kämpfte mit den gewaltigenMitteln seines Geistes, einer faszinierenden Realistik der Sprache, schärfster Beobachtungsgabeund bis zur Karikatur sich steigernder Satirik, gegen alle Vertreter der offiziellen Wissenschaften,die ihm entgegen waren, Grammatiker und Mathematiker, Reformatoren und Skeptiker,Literaten und Theologen150). So trug die Berufung auf Kopernikus an einigen Stellen seinerWerke zu seiner Verurteilung und schließlichen Verbrennung am 17. Februar 1600 kaum bei151).Anders aber steht es mit G a lile i.Durch die in den Kampf, der sich mit ihm verknüpft, hineingezogenen Personen und Institutionen,die Tragweite der metaphysischen und ethischen Folgerungen nahm dieser A u sm aßeeines w e ltg esc h ic h tlich en E re ig n isse s an152). Olschki sagt: „Vor diesem allgemeinenErgebnis des Kampfes scheinen die astronomischen Entdeckungen Galileis, die nur bedingtdie Hypothese des Kopernikus zu einer Gewißheit machten, in den Schatten zu treten.“ Ichmöchte sagen: sie treten zurück.Es ist bei der Lagerung der menschlichen Psyche verständlich, daß bei einer weltweit gewordenenAuseinandersetzung, die an tiefste Probleme der Situation des Menschen rührt, für die überauszahlreiche Literatur zum Galileiproblem alle die einschränkenden Bemerkungen über Konfessionsgebundenheitenusw., die wir zur Beurteilung der Schriften zum kopernikanischenGedanken oben voraus aufzeigten, ebenso, ja noch schärfer, gelten.l47) Alles bei O ls c h k i, I II , 34.14s) Vgl. die Stelle in: Johannes Kepler in seinen Briefen, herausg. von M ax Caspar und W alther von D yck, Bd I,München u. Berlin 1930, S. 304, aus einem Brief an den Kaufbeuerer Arzt Brengger: „N ach meiner Ansicht findetsich auf den Sternen auch Feuchtigkeit sowie Gegenden, die von den Ausdünstungen der Feuchtigkeit berieseltwerden, daher auch lebendige Geschöpfe, denen diese Zustände zum Nutzen gereichen. Auch hat nicht nur derunglückliche Bruno, der in R om auf glühenden Kohlen geröstet wurde, sondern auch der verehrte Brahe dieAnsicht gehegt, daß es auf den Sternen Bewohner gibt. Ich folge dieser Ansicht um so lieber, da ich ja m it Aristarchbehaupte, daß die Erde m it den Planeten auch die Bewegung gemeinsam hat.“14>) O ls c h k i, III, 64/65.16°) O ls c h k i, I I I , 65.lsl) Ich möchte hier nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß Bruno aus einer offenbar damals noch allüberalllebendigen Tradition heraus von Kopernikus nur als „ G e r m a n o “ , oder „ T e d e s c o “ , nur in „de monade“ als„Borussus“ (Preuße) spricht (bei Berti-Cop., 79 und 79 A 1) in Italien also zu dieser Zeit noch niemand darandachte, aus diesem Deutschen einen Polen zu machen, wie es leider noch in dem großartigen W erk italienischenGeistes, der Enciclopedia Italiana, als selbstverständlich hingestellt wird.Es wäre interessant, die Geschichte der Entwicklung dieses „M ythos vom polnischen Kopernikus“ zu schreiben.Man wird nicht fehlgehen, der jahrhundertelangen Lässigkeit deutscher Forscher in diesem Punkt einen wesentlichen„Anteil“ daran beizumessen.15«) V gl. O ls c h k i, I II , 118.115
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