Durch diesen Dialog wurde der zweite ungleich dramatischere Zusammenstoß Galileis mit denrömischen Behörden ausgelöst, für dessen Entwicklungsgang wir auf die oft zitierten allgemeinenDarstellungen bei R eu sch , W o h lw ill usw. verweisen müssen258).Nach mehreren Verhören und umständlichster Beweisaufnahme wurde am 22. Juni 1633 das initalienischer Sprache abgefaßte Urteil verkündet259), wonach der Dialog verboten, Galilei förmlicheKerkerhaft und bestimmte Bußvorschriften auferlegt wurden, er außerdem in italienischerSprache schriftlich der Lehre des Heliozentrismus abschwören und sie verfluchen und verwünschenmußte260).Eine schon vor der Entscheidung von 1616 von dem Dominikaner Thomas C a m p a n ella , demErdichter des idealen „Sonnenstaats“ , verfaßte Verteidigungsschrift für Galilei261), die aber erst1622 in Frankfurt gedruckt wurde, war 1632 mit anderen Schriften Campanellas auf den Indexgekommen. (Campanella hatte in seiner, wie er sagt262), auf Anordnung des Kardinals G aetan izurückgehenden „Apologie“ gezeigt, daß die Lehre der Erdbewegung keineswegs mit allen Kirchenlehrernin Widerspruch stehe263)).Trotz des allgemeinen Verbots der die kopernikanische Lehre vertretenden Bücher wurde nach1634 kein solches mehr ausdrücklich auf den Index gesetzt, obgleich schon im 17. Jahrhundertauch in Italien, ja selbst in Rom, einzelne derartige Schriften erschienen264).Auch die Übersetzungen des galileischen Dialogs wurden nicht ausdrücklich indiziert. 1693 bestandzwar in Rom die Absicht, die besten und fortschrittlichsten Autoren der Physik und Mathematikinsgesamt namentlich auf den Index zu bringen265), aber es kam nicht dazu. Allerdings hatteL eib n iz schon bei einem Besuch in Rom geraten, die Zensuren gegen das kopernikanische Systemausdrücklich oder stillschweigend aufzuheben, hatte dafür auöh Verständnis gefunden, wie er 1699schreibt266), jedoch erst am 10. Mai 1757 beschloß die Indexkongregation, in den neuen Ausgabenihres Opus das Dekret gegen alle kopernikanischen Bücher wegzulassen267) (bestätigt am 11. MaiVon B e n e d ik t X IV .), nachdem an den katholischen Universitäten in Deutschland die kopernikanischeAuffassung von 1719 an gelehrt worden war268).In der kirchlich genehmigten Ausgabe der Werke Galileis in Padua 1744 erschien im 4. Bandzwar auch der immer noch indizierte Dialog über die Weltsysteme, aber redigiert und mit demHinweis, die Bewegung der Erde gelte selbstverständlich als reine mathematische Hypothese269).Als im Jahre 1820 dem Kanoniker S e ttele , Professor an der Sapienza, die Druckerlaubnis fürseine „Elemente der Optik und Astronomie“ verweigert wurde, da er die kopernikanische Theorienicht als bloße Hypothese vortrage, reichte der Verfasser eine Beschwerde an P ius V II., der sieder Inquisition weitergab, die ihrerseits am 16. August 1820 das Buch als nicht zu beanstanden25S) S. auch P a s t o r , X I I I , 2, 617 ff.269) R e u s c h , 323.26°) R e u s c h , 330 ff.261) Titel usw, R e u s c h , 6 1/62.262) P ie r a lis i, 26, deutsch bei R e u s c h , 62 A 2.26S) Eine völlig freie Äußerung C a m p a n e lla s ist diese Abhandlung allerdings nicht, da er sie 1616 im Geiängmsder Inquisition in Neapel schrieb. In einer offenbar aus der Zeit nach Galileis Verurteilung stammenden Bemerkungsagt er, er habe die Apologie verfaßt, trotzdem er sie als naturwissenschaftlich falsch verwarf. Pieralisi meintwohl mit Recht, daß Campanella oft je nach den Umständen die Karten legte ( P ie r a lis i, 27).2M) R e u s c h , 438 zu vergleichen.265) R e u s c h , 439.266) Brief an Antonio Magliabechi in Florenz vom 13. Okt. 1699 bei K e u s c h , 439 A 3.“ ’ ) Vgl. R e u s c h , 439 A 4.26S) Z in n e r , Bibi. 43, Die ersten Scholastiker, die sich für das heliozentrische System emsetzten, waren der JesuitG r a m m a tic i (1726), der Benediktiner Ulrich W e iß (um 1750) und der Jesuit Jakob Z a llin g e r (B r a c h v o g e l,Zs. Erml. 25. 727 A 81).269) Näheres R e u s c h , 440.130
freigab, nicht ohne im zweiten Band eine vom Kommissar des heiligen Offiziums stammendeAnmerkung beizufügen, welche die Ablehnung der kopetnikanischen Lehre durch die Kirche alsdem buchstäblichen Sinne der Heiligen Schrift widersprechende zu rechtfertigen versucht. Aufeine weitere Einrede des Magisters Sacri Palatii A n fo ssi sahen sich die Kardinale der Inquisitionnunmehr genötigt, wohl oder übel klar Stellung zu nehmen, und am 11. September 1822 beschlossensie denkwürdigerweise, es sei in Rom der Druck von Werken gestattet, „in denen von der Beweglichkeitder Erde und der Unbeweglichkeit der Sonne gemäß der allgemeinen Ansicht der modernenAstronomen (iuxta communem modernorum astronomorum opinionem) gehandelt werde“ 270).(Bestätigt am 25. September von P ius VII.).In der nächsten Ausgabe des Index vom Jahre 1835 wurden denn auch die Bücher vonK op ern ik u s, F oscarin i, K ep le r und G a lile i weggelassen, nachdem sie 1819 — es istnoch nicht 5/4 Jahrhunderte her — zum letzten Male dort aufgeführt worden waren271).Um unsere Betrachtungen über die Beurteilung des kopernikanischen Systems abzuschließenund — auf unseren Ausgang zurückkommend — zu runden, sei nun noch die Unbegründetheitdes gegen Kopernikus erhobenen Vorwurfs als Vertreter eines rein mechanistischen Weltbildesaufgezeigt, ein Problem, das sich zugleich mit der Frage nach dem Keim, dem geschichtlichenUrsprung der kopernikanischen Idee verknüpft.G old beck hat meines Wissens als erster überzeugend versucht, die heliozentrische Lehre beiKopernikus „in ihren Grundgedanken als einen Abkömmling des Platonismus der Renaissance“ 272)darzustellen.Für viele ist zwar das Licht heute bloß nocb eine Erscheinung, die sachlich auf ihre physikalischoptischenGrundlagen zurückgeführt wird, so daß das Verständnis für metaphysische Zusammenklängeund Urwirkungen durch das Licht stark erschwert ist273). Trotzdem wissen wir alle, daßtrübe oder sonnige Tage vor allem auf stark „integrierte“ (im Sinne Jaenschs) und besondersauch schöpferische Menschen entscheidende Stimmungswechsel bewirken können, das Lichtfür uns also doch mehr ist als eine bloße physikalisch-optische Erscheinung.Wohl ist mathematisch-harmonische Weltbetrachtung der Vorläufer des heutigen Weltbildes,aber wenn es zu einer wesentlich spekulativen Verknüpfung des Mathematisch-Schönen (mandenke an die geometrische Ornamentik, die auch bei heute noch erdverbundensten Völkern zufinden ist) mit den Prinzipien der körperlichen Welt kam274), dann war der G edanke derS ch ön h eit, nicht aber die Vergötterung des mathematischen Schemas hier der Grund. „AlleSchönheit ist Ahnung eines Naturgesetzes“ , sagt Goethe275). Zu diesem Reich von Schönheitund Mathematik führt aber das Licht hinan, und zwar durch die Betrachtung des Sternenhimmels276).Bei P la to führt diese Spekulation für die Lichtphilosophie zur Sonne, für die Schönheitund Mathematik zur Idee des Guten. „Der Zusammenhang von Licht und Sonne im harmonischenWeltbild und der Gottheit als Idee des Guten wird von den platonischen Schulen in wechselndenAusprägungen im Laufe der Jahrhunderte der beginnenden Neuzeit übermittelt277).“ In27°) R e u s c h , 442.271) Z in n e r , Bibi. 44.272) G o ld b e c k , Plato und Copernicus, in: Sammelband: Der Mensch und sein W eltbild, 1925 (zit. G o ld b e c k ).Für das Folgende besonders noch B r a c h v o g e l, Coppernicus und die neuplatonische Lichtmetaphysik, in: Zs.Erml. 26, 451 ff (zit. Brachvogel). — Brachvogel hatte Goldbeck zunächst (in seinem Beitrag: Nikolaus K op -pernikus im neueren Schrifttum, in: Altpr. Forschungen 1925, H . 2) leichthin abgetan („es lohnt sich kaum , aufEinzelheiten des Goldbeckschen Essays einzugehen“ , B r a c h v o g e l 14), sich dann aber wohl eines anderen besonnen.S. auch W asiutynski, Ergänzungen B d . 6, 625 ff.27S) Vgl. G o ld b e c k , 64/65.274) V g l. G o ld b e c k , 67.a76) Bei G o ld b e c k , 67.27e) Hierzu und zum folgenden G o ld b e c k , 68.ä77) Bei G o ld b e c k , 74/75.131
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