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NIKOLAUS KOPERNIKUS D I E B U R G

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seien Täuschungen unterworfen, so müsse man zum wenigsten durch zuverlässigere Sinneswahrnehmungensie aufdecken.Solange das nicht gelinge, müsse man den Sinnen glauben115). Sollman denn der sinnlichen Erkenntnis („intellectui“) überhaupt nicht mehr trauen dürfen? Mögensich die Anhänger der kopernikanischen Auffassung nur hüten, daß sie nicht aller WissenschaftFundament untergraben116)!Galilei hatte bereits zwei Jahrzehnte vor Riccioli in seinem berühmten Dialog über die Weltsysteme117),durch welchen der allbekannte Prozeß im Jahrel633 ausgelöst wurde (s.u.), an mehrerenStellen das B eh a rru n gsv e rm ö gen bewegter Körper erörtern lassen, um dem peripatetischenGegner mit dem aufreizenden Namen S im p lic iu s zu zeigen, daß alle K örp er an derE rd b ew egung teiln eh m en . Es wurde nämlich von den Antikopernikanern immer wiederbehauptet, daß ein von einem Turm frei herabfallender Stein bei Ansetzung einer Drehung derErde von West nach Ost sich während des Fallens immer mehr vom Turm entfernen und schließlichso weit westlich von ihm auffallen müsse, wie weit sich dieser während der Fallzeit mit derErde gegen Osten fortbewegt habe118).Eine allgemeinere Formulierung des neuen Begriffs der Beharrung in der Bewegung gab Galileijedoch eher in Form einer „zusammenfassenden Inhaltsangabe“ 119) des betreffenden Abschnittsseines Buches, denn als deutlich festgelegtes Prinzip jeder dynamischen Betrachtung: „GeworfeneKörper setzen ihre Bewegung längs derjenigen geraden Linie fort, die sie beschrieben,als sie noch mit dem Werfenden in Verbindung waren“ 120). Trotzdem genügt eine solche Fassung,um anzusetzen, daß Galilei sich der allgemeinen Gültigkeit dieses Satzes bewußt war. Obwohler aber darüber hinaus durch Hinweise auf Erfahrungen bei Schiffsreisen, wo ja ein Stein trotzschnellster Fahrt auch v e r tik a l herabfällt und n ich t sch räg121), diese Erkenntnis des Beharrungsbegriffsden Peripatetikern geläufig machen wollte, hält Riccioli die oben ausgeführtenBedenken aufrecht und bringt noch neue, ähnliche dazu, besteht also auf dem ungenügendenTrägheitsbegriff der genannten Schule. Das Beispiel des Schiffes fruchtet nichts, denn die Vorgängeauf diesem und auf der Erdoberfläche seien zu verschieden, um Parallelschlüsse zuzulassen.Im übrigen könne ja dafür, daß die Erde und wir uns mit ihr bewegen, kein evidentes Beweismaterialbeigebracht werden122). Daß der freie Fall längs einer Geraden geschieht, welche senk­115) „Hypothesis enim, in qua tellus per orbem annuum movetur, non praestat phaenomena sensu evidentia, seddestructis et inversis quae sensui communi sunt evidentia, cuiusmodi est solis motus, et planetarum harmoniaad solem attemperata, et quidem absque ulla necessitate destructis, inducit m otum , a quo intellectus sensui (utpatet in physicis) innixus magis abhorret, quam a multiplicitate m otuum ; neque est quod illud toties decantatumobtrudatur, sensus fallaces esse, neque ex illorum aestimatione decemendam banc litem : Respondetur enimnec semper, nec plerumque fallaces esse et eorum fallaciam detegi adhibita ratiocinatione, sed ea ipsa certioribussensationibus innixa; alioquin quamdiu in aliquo speciali obiecto non sic deprehenduntur errare; standum estiis, et illorum aestimatio est in possessione pro exigentia assensus nostri." Riccioli I, 2, 340.116) „A n igitur ne intellectui quidem fidendum est? Videant igitur, qui sunt huiusmodi, ne scientiarum omnium fundamentasubruant.“ Riccioli I, 2, 340.117) Ed. Naz. V II. Literarische Kritik s. Leonardo O ls c h k i, Gabiei und seine Zeit, Halle 1927, 330 ff. (zit. O ls c h k i}.118) Ausgeführt bei L in s m e ie r , IV . 5.119^Vp’l 01s pVi lci 34.Q12°) E d.'N az. V II.’ 2 0 1' Z. 10, bei Olschki 349 A 6.lal) Hierzu und zum folgenden L in s m e ie r , IV . 5 ff.122) „Exem plum vero de observante casum corporis gravis in navi, n o n h a b e t p a r it a t e m , siquidem nec omnes,nec semper ignorant navim eam moveri, et dantur media naturaba detegendi eam ignorantiam, ac proinde corrigendifallaciam sensus. Contra vero nullum datur naturale medium, quo possimus certo et evidenter deprehendere,terram moveri, et nos cum terra, ac proinde sensum in aestimatione motus rectibnei gravium decipi.“ RicciobI, 2, 420.D aß das scharfe Urteil G o e t h e s gegen B r a b e , den er als beschränkten K o p f bezeichnet, viebeicht doch trifft,mag beweisen, daß auch er, genau wie R ic c io li, die Theorie vertrat ,daß ein von einem Turm herabfallendesO bjekt bei Ansatz einer Erdbewegung nie lotrecht herabfaUen könnte: „N un sage mir, wie kann denn eine Bleikugel,die man von einem recht hoben Turm in passender W eise faßen läßt, den genau lotrecht unter ihr liegenden Punktder Erde treffen? Eine einfache mathematische Überlegung zeigt Dir, daß dies bei bewegter Erde voßkommenunmögbcb ist. Selbst bei unserer hohen geographischen Breite m üßte sich ein F.rdpunkt in einer Sekunde nochum etwa 150 Doppelschritte weiter drehen. D am it rechne Dir das übrige aus! Das faßende Bleistück folgt zudemnicht der L uft, sondern durchschneidet sie gewaltsam.“ (Kistner, 41).111

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