der 1. Auflage71) gesagt wird72), daß der Überlieferung gemäß vom Zeitpunkt der Schöpfungbis zum laufenden Jahr „1545“ 5507 Jahre verflossen seien, woraus zweifellos zu schließen ist,daß die betreffenden Abschnitte der „Initia“ in diesem Jahr niedergeschrieben wurden. DaßMelanchthon 1549 die oben erwähnten scharfen Worte gegen Kopernikus noch hat drucken lassenkönnen, muß dann eben auf mangelnde Zeit beim Korrigieren, auf ein Versehen o. ä. geschobenwerden, wenn nicht eher der ganze Abschnitt seine Änderung im wesentlichen dem Einwirkenvon Freunden usw. unter dem Eindruck des hart in die Augen springenden gedruckten Worteszuzuschreiben ist, nicht so sehr einer inneren Wandlung. Ich lasse die Frage offen. Bezeichnenderweisefindet sich nämlich das Wort „absurd“ für die neue Lehre, trotz der entsprechendenÄnderung der „Initia“ -Stellen durch Melanchthon, im Werk seines Schwiegersohnes KasparPeucer „Elementa doctrinae de circulis coelestibus et primo motu“ . Noch in seinen 1571 inWittenberg erschienenen Vorlegungen spricht Peucer davon, die Lehre des Kopernikus seikeineswegs in den Schulen vorzutragen, denn ihre „absurditas“ stoße ab!Melanchthon hat sich in seiner Abneigung gegen den kopernikanischen Gedanken, die ihn zuehrenrührigen Vorwürfen auch gegen die Person des Frauenburger Domherrn verleitete, wie wiroben bei der Anführung der ersten Auflage seiner „Initia Doctrinae Physicae“ gesehen haben,zu einer Äußerung hinreißen lassen, die den polnischen Publizisten, die gar zu gern aus Kopernikuseinen Angehörigen ihres Volkes machen möchten, gerade recht kam.Aus sehr durchsichtigen Motiven wird von den polnischen Emigranten zum Monat der Feiernder 400jährigen Wiederkehr des Todestages des Schöpfers des heliozentrischen Weltbildes vorallem in England und Amerika eine riesige Stimmungskampagne entfaltet, um „diesen Tag zueinem Tag der Huldigung der europäischen Wissenschaft für die . . . polnische Wissenschaft zumachen“72“).Ich hatte an sich der Frage der Volkszugehörigkeit des Kopernikus in unserem thematischen Zusammenhangkeine besonderen Ausführungen mehr widmen wollen, nachdem dies Argumentdurch ausgezeichnete Spezialuntersuchungen72b) erschöpfend und für jeden, der guten Willens ist,überzeugend genug behandelt und dadurch die Inanspruchnahme des Genies Kopernikus’,für den deutschen Kulturkreis unangreifbar gemacht worden ist.Es wird nun aber von dem Direktor der Kopernikusstiftimg in Amerika, Herrn S. Mierzwa,eine Äußerung des Melanchthon sozusagen als „Beweis“ für das „Polentum“ unseres Astronomenausgeschlachtet, so daß eine Antwort darauf notwendig ist.Da Herr Mierzwa offenbar erst durch die politische Konjunktur zu einem „Kopernikusforscherwurde, kann man es ihm kaum verübeln, daß er „während der Vorbereitungen zur Herausgabeeiner Kopernikusmonographie, die im Zusammenhang mit dem sich nähernden Jahrestag in denUSA erscheint“720), auf eine Äußerung „eines deutschen Reformators aus der Lutherzeit, PhilippMelanchthon“72d), gestoßen ist, die er als „äußerst interessante Entdeckung“ natürlich sofort seinenPressefreunden mitteilte, obwohl sie in der Kopernikusforschung — auch in der polnischen71) Bei W ohlwill die „zweite“ zitiert, aber unter irreführendem Hinweis auf Corp. R ef., wo ja die e r s te Auflagenachgedruckt ist.72) Corp. Ref. X I I I . Sp. 221.72a) „Dziennik Polski“ (London): Nr. 785 v. 30. 1. 1943:„V or dem 400. Todestag des Nikolaus Kopernikus“ .72M Ich verweise hier nur auf den grundlegenden Aufsatz von Hans S ch m a u c h , Nikolaus Copernicus Ein Deutscher— in: Jomsburg 1. (1937), H . 2, S. 161 ff und die dort aufgeführte Literatur.720 S. Artikel A 72a. . . ,72
seit Jahren bekannt ist und dort wegen der offenbaren Unwichtigkeit des MelanchthonschenAusspruchs, der auf persönliche Ablehnung und Herabsetzung des großen Frauenburger Astronomenzielt, nie eine entscheidende Rolle spielen konnte72').Die Originalstelle bei Melanchthon lautet :72f): „sed quidam putant esse egregium xaTÖpffu)|Aa remtarn absurdam ornare, sicut illi Sarmaticus astronomus, qui movet terram et figit solem“ .In Übersetzung: „Manche halten es für etwas Großes, eine so absurde Sache als glänzende Tatauszuschmücken, wie es jener sarmatische Astronom tut, der die Erde bewegen, die Sonne aberanhalten will.“ Im folgenden Satz („Profecto sapientes gubernatores deberent ingeniorum petulan-tiam cohercere“) fordert Melanchthon gar das Eingreifen der Regierungsstellen gegen die Leichtfertigkeitund Frechheit(!) gewisser Geister, als deren Musterbeispiel also hier Kopernikus hingestelltwird, was seiner Auffassung von reformatorischer Geistesfreiheit nicht gerade ein glänzendesZeugnis ausstellt. Man ermesse an einem solchen Satz im Zusammenhang mit einer geistigenAuseinandersetzung den Wert, den hier der Terminus „sarmaticus“ als „objektiver“ Beleg füreine angebliche Volkszugehörigkeit des Frauenburger Astronomen haben kann! Abgesehen alsovon diesem Faktum der seelischen Erregtheit Melanchthons, die dem Ausdruck „sarmatisch“hier eo ipso eine sachliche Beweiskraft äbsprechen muß, ist natürlich weder von Herrn Mierzwanoch von anderen die Tatsache in Betracht gezogen worden, daß Melanchthon hier gar nicht aufdie Volkszugehörigkeit des deutschen Astronomen anspielen muß, sondern nur auf seine Stellungim Verhältnis zum polnischen Staat, die sich für ihn einfach daraus ergab, daß er von Rheticuswissen mochte, Kopernikus sei in Thorn, einer damals offiziell staatsrechtlich'-8) zum Königreichvon Polen gehörenden Stadt, geboren.Es wirkt sehr eigenartig, daß auf diese im übrigen ganz vereinzelte Stelle bei Melanchthon vonpolnischer Seite ebensoviel Wert gelegt worden ist wie auf jene völlig apokryphe Behauptungbei dem recht unzuverlässigen Historiker der Universität Padua, Papadopoli, in der er vermerkte(im Jahre 1728, also über zwei Jahrhunderte nach dem Studium Kopernikus’ in Italien!),unser Astronom habe sich in das Album der polnischen Nation eingetragen72h), merkwürdiger72e) Man darfbei dieser„Vertrautheit“ des Redakteurs der neuen, in Amerika erscheinenden Kopernikusmonographie,m it den Schriften seiner eigenen Landsleute auf die „Ergebnisse“ des Buches gespannt sein!720 Brief an B . M it h o b iu s in: Corpus Reformatorum, IV . B d ., Sp. 679, nr. 2391. 16. Okt. 1541.72g) D aß eine solche Auslegung keineswegs eine bloße Erfindung darstellt, wird durch folgende Stelle bei D lu g o s c hin seiner Historia Polonica I, 3 belegt:„Inde oceanus septentrionalis, qui versus septentrionem aliquando S a r m a t ic u m nommatur mare, quod mlittoribus suis S a r m a t a e sive Poloni regiones et urbes p o s s id e a n t .“ Selbst Dlugosch also behautet nur, daßPolen die Städte b e s a ß , nicht aber, daß die polnisch waren, was ja im übrigen durch alle erhaltenen Originaldokumentebezeugt wird.Uber den Begriff „sarmatisch“ und „Sarmatien“ vgl. weiter Dlugosch H ist. Pol. I , 28; I, 47. Ferner: Fünf BücherEpigramme von Konrad C e lte s (|1508), her. von K . Hartfelder, Bln. 1881, nr. 9, 12, 14, 29, 36, 37, 38, 43, 44.1515: Bernardi Yapowski de Radochonice: Panegiris, Script, rer. Pol. II, Krak. 1874, S. 347, 350Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang, was Jost Ludwig D ie t z (Jodoci Ludovici Decii: De Sigismundiregis temporibus liber, 1521, K rak., Bibi, pisarzow polsk. nr. 39), der sich bei Krakau die schöne Renaissancevillain italienischem Stil erbauen ließ, 1521 schreibt:„Regnum S a r m a t ia e , quod posterior aetas P o lo n ia m appellavit, hodie Sarmatiam totam partemque G e r m a n ia ehabet.“ (a. a. O. S. 11) „...q u o d iam pridem Turcarum imperator Sarmatis pacis instrumentum transmiserat,contra ius gentium esse visum , si Poloni etiam Ethnico principi fidem violarent.“ (a. a. O. S. 45).W ie wenig inhaltlich genau Umrissen der Begriff „sarmatisch“ selbst bei Leuten war, die m it ^dem Weichselraumdirekt verbunden waren, zeigt „Mathiae de Mechovia: Descriptio Sarmatiarum, Cracoviae 1521“ , der nicht wenigerals drei Teile des europäischen Sarmatien unterscheidet, nämlich Rußland, Litauen m it Samogitien und das MoskauerGebiet. Es wird also als sarmatisch der weitere Osten bezeichnet (ganz deutlich S. X V I I I : Nam in Sarmatia(quae nunc Russia dicitur)...“ , woraus zu schließen ist, daß der Begriff „sarmatisch“ für unseren Melanchthoneine wahrscheinlich nur sehr unklaren geographischen und ethnischen Vorstellungen verdankte Äußerung war.Vgl. weiterhin den Brief R udolf A g r ic o la s aus Krakau vom 11. 12. 1520 an V a d ia n (Vadianische Briefsammlung,herausg. von E . Arbenz, St. Gallen 1894, I I , S. 319 (127).Die vorgenannten Stellen sind die wesentlichsten zeitgenössischen Äußerungen bis zum Zeitpunkt des MelanchthonschenBriefes an M it h o b iu s (1541). .720 Hierzu und zum folgenden S c h m a u c h S. 176: Antonio Favaro hatte bereits 1881 festgestellt, daß ein solchesAlbum überhaupt nicht existiert und eine Natio Polonorum sich in Padua erst gegen Ende des 16. Jh. gebildet hat.Der bedeutende polnische Kopernikusforscher L . A . B ir k e n m a je r stützte sich trotzdem noch 1923 auf P a p a d o p o li und bezeichnete den Nachweis Favaros als „häßlichen Fehler“ , lieferte allerdings die von ihm in Aussichtgestellte Berichtigung nicht. Mit Schmauch also werden wir die Auffassung Favaros bis zum Erweis des Gegenteilsals richtig teilen dürfen.99
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