Groß und stark werden - Vorsprung durch Bildung
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voneinander. D. h. ein Kind unterscheidet nicht<br />
nur zwischen den verschiedenen Bindungspersonen,<br />
sondern jede dieser Bindungen wird für sich<br />
aufgebaut <strong>und</strong> die Bindungsbeziehungen sind<br />
von unterschiedlicher Qualität. Bindungspersonen<br />
können neben den Eltern z. B. die <strong>Groß</strong>eltern,<br />
Tagesmütter oder Erzieherinnen in der Tageseinrichtung<br />
sein. Eine gute Eltern-Kind-Bindung<br />
wird <strong>durch</strong> die Betreuung des jungen Kindes in<br />
einer Kindertageseinrichtung oder bei einer<br />
Tagesmutter nicht verschlechtert. Dagegen unterstützen<br />
sichere Bindungsbeziehungen das Kind<br />
dabei, befriedigende soziale Interaktionen mit<br />
anderen Erwachsenen <strong>und</strong> Kindern (z. B. in Spielbeziehungen)<br />
zu gestalten – eine wichtige Gr<strong>und</strong>lage<br />
für seine seelische Ges<strong>und</strong>heit.<br />
Der Aufbau von Bindungsbeziehungen <strong>und</strong> Spielbeziehungen<br />
außerhalb des vertrauten familiären<br />
Netzes stellt eine besondere Entwicklungsaufgabe<br />
<strong>und</strong> Entwicklungschance für Kleinkinder dar.<br />
Mit der angemessenen pädagogischen Unterstützung,<br />
d. h. einem auf individuelle Bedürfnisse abgestimmten<br />
Eingewöhungsverfahren, gelingt es<br />
Kindern, eine gute Beziehung zunächst zu „ihrer“<br />
Erzieherin aufzubauen. Sie lassen sich dann von<br />
ihr führen <strong>und</strong> anregen <strong>und</strong> wenden sich ihr in<br />
belastenden Situationen zu, lassen sich trösten<br />
<strong>und</strong> gewinnen so ihre Sicherheit zurück. Die<br />
Bindungssicherheit des Kindes zur Erzieherin wird<br />
getragen von Ermutigung <strong>und</strong> Unterstützung in<br />
vielfältigen Situationen des Alltags in einer Kindertageseinrichtung.<br />
Mit der Eingewöhnung entwickelt<br />
das Kind auch zu den anderen Erwachsenen<br />
<strong>und</strong> ganz besonders auch mit Kindern seiner<br />
Gruppe vielfältige <strong>und</strong> anregende Beziehungen.<br />
12<br />
Dafür ist eine entspannte Gruppenatmosphäre, in<br />
der sich das Kind wohl fühlt, wichtig.<br />
Aus der Sicht der Bindungsforschung spricht<br />
heute nichts mehr gegen eine frühe Betreuung<br />
eines Kindes außerhalb der Familie, wenn die<br />
Qualität stimmt. Bindungs- <strong>und</strong> Spielbeziehungen<br />
in der Familie <strong>und</strong> in der Tageseinrichtung<br />
sind nicht nur für die emotionalen Bedürfnisse<br />
der Kinder wichtig. Sie sind die Gr<strong>und</strong>lage für<br />
Explorations- <strong>und</strong> Lernprozesse, denn Kinder,<br />
die sich wohl <strong>und</strong> sicher fühlen, sind bereit für<br />
neue Erfahrungen.<br />
Schon Babys sind aktive Lerner<br />
Welche Vorstellungen haben wir davon, was<br />
Babys <strong>und</strong> Kleinkinder brauchen, was sie können<br />
<strong>und</strong> was wir ihnen zutrauen können? Die<br />
Säuglingsforschung hat uns gelehrt, dass Kinder<br />
von Geburt an mit Neugier <strong>und</strong> Kompetenzen<br />
ausgestattet sind, um sich selbst <strong>und</strong> die<br />
Welt um sich herum zu erforschen <strong>und</strong> sich Wissen<br />
anzueignen. Von Geburt an sind Kinder aktive<br />
Lerner, die, mit Unterstützung erwachsener<br />
Bezugspersonen oder in Spielbeziehungen mit<br />
anderen Kindern, in sozialen Zusammenhängen<br />
lernen. Für ihre Lust am Forschen <strong>und</strong> Entdecken<br />
nutzen schon ganz junge Kinder alles,<br />
was ihnen zur Verfügung steht. Aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> sind Kinder in Kinderkrippen heute nicht<br />
mehr fest gewickelte Bündel in Gitterbettchen,<br />
die nach der Uhr gefüttert <strong>werden</strong>, sondern<br />
neben der einfühlsamen <strong>und</strong> auf das einzelne<br />
Kind abgestimmten Betreuung spielt die altersgemäße<br />
Förderung aller Entwicklungsbereiche<br />
von Anfang an eine wichtige Rolle. Der Bayerischen<br />
<strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong> Erziehungsplan für Kinder<br />
in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung betont<br />
diese pädagogische Haltung nachdrücklich6 .<br />
(Informationen zum Bayerischen <strong>Bildung</strong>s- <strong>und</strong><br />
Erziehungsplan finden Sie im Kapitel „Ohne Fachkompetenz<br />
geht es nicht“.)<br />
Ein Wort <strong>und</strong> seine Wirkung<br />
In der Diskussion um die Betreuung von Kindern<br />
unter drei Jahren fällt häufig der Begriff „Fremdbetreuung“.<br />
In diesem Wort schwingt mit, dass<br />
das Kind an Fremde gegeben wird. Welche gute<br />
Mutter würde so etwas tun? Der Begriff ist aber<br />
unzutreffend <strong>und</strong> sollte im Zusammenhang mit<br />
der Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen<br />
nicht verwendet <strong>werden</strong>. Eine Pädagogik für die<br />
jüngsten Kinder, die heutigen Qualitätsstandards<br />
entspricht, bezieht Familienerziehung mit ein <strong>und</strong><br />
praktiziert eine umsichtige gemeinsame Eingewöhnung<br />
des Kindes <strong>und</strong> seiner Eltern. Eltern<br />
6 Bayerisches Staatsministerium für Arbeit, Sozialordnung, Familie<br />
<strong>und</strong> Frauen & Staatsinstitut für Frühpädagogik, 2003, überarbeitete<br />
Neuauflage, 2005