NUTZTIEREGesäuge-Check für eine hoheAufzuchtleistungBEREITS BEI FERKELN lohnt es sich, genau hinzuschauen und das Gesäuge zukontrollieren. Neben angeborenen Mängeln können auch Infektionen oder Verletzungendie Zitzen und damit die Aufzuchtkapazität der späteren Sau beeinträchtigen.FriederikeZeehGerangel wegenMangel: Sind einigeZitzen ausser Betrieb,bedeutet dies Stressfür die Ferkel.Das Gesäuge der Sau ist ein Hochleistungsorgan.Anders als bei derKuh wird ihm aber wesentlich wenigerBeachtung geschenkt. Diesliegt auch daran, dass Sauenmilch keinLebensmittel für die Menschen darstellt,sondern «nur» der Versorgung derFerkel dient. Diese ist aber essenziell, daSaugferkel, in den ersten Lebenstagen,unbedingt auf eine genügende Kolostrum-und Milchversorgung angewiesensind. Ein Blick «unter die Sau» lohnt sichin jedem Fall.Geschwollenes Euter in Folgeeiner Mastitis.Immer mehr Zitzen Gesäugeschädenkönnen angeboren oder erworbensein. Angeborene Fehler äussern sich alsüberzählige Zitzen wie Zwischenzitzen,Beizitzen oder Afterzitzen. Bei der Selektionvon Zuchttieren sollen Tiere mitüberzähligen Zitzen möglichst ausgeschlossenwerden. Im weiteren Sinnezählen zu den angeborenen Mängelnauch zu wenige Zitzen.In den letzten Jahrzehnten hat sichdie Zitzenanzahl der europäischen Sauenstark erhöht. 14 bis 16 werden angestrebt,um die grossen Würfe ausreichendversorgen zu können. So wiesenin der Schweiz reine Edelschweinjungsauen2012 im Mittel links 7.59 undrechts 7.72 Zitzen auf (Jahresbericht Suisag2012). Grund für die Zunahme derZitzenzahl ist die gute Erblichkeit (zirka25%) und die gezielte Selektion.Intakte Stülpzitzen Auch dieForm der Zitze ist entscheidend. BeiSchweizer Landrassetieren treten abund zu Stülpzitzen auf. Die Ausführungsgängedieser Zitzen sind eingesenktund daher für die Ferkel nichtnutzbar. Interessanterweise geben diemeisten Zitzen, die bei 100kg Lebendgewichtals Stülpzitze notiert werden,später dennoch voll Milch. BeimSchweizer Edelschwein kommen Stülpzitzennur selten vor.Sehr kurze oder sehr dicke Zitzenkönnen von Ferkeln schlechter besaugtwerden. Die angeborenen Gesäugefehlerwerden auf den Remontierungsbetriebenspätestens bei der Jungsauenselektionerkannt.MMA kritisch hinterfragt Eineausgelieferte Remonte mit 14 schönenZitzen ist das eine, die Gesäugeentwicklungauf dem Zuchtbetrieb das andere.Viele Faktoren können dazu beitragen,dass einzelne Gesäugekomplexe wenigproduktiv sind oder ganz versiegen.Gut bekannt und beschrieben ist dasMMA-Syndrom, das sich als Mastitis-(Gesäugeentzündung), Metritis (Gebärmutterentzündung)und Agalaktie (Versiegendes Milchflusses) äussert. DerBegriff hat sich historisch entwickelt,wird aber in der neueren Literatur kritischhinterfragt und teilweise umbenannt.Häufig sind nicht alle Symptomebeteiligt oder zeigen eine andere Ausprägung,wie beispielsweise Milchmangel(Hypogalaktie).Die Gesäugeentzündung währendder frühen Säugezeit lässt sich meist gutdurch Betasten und Betrachten der Gesäugekomplexeerkennen. Stark geschwollene,heisse, verhärtete undschmerzhafte Zustände sind typisch.Auch das Verhalten der Sau verändertsich. Sie lässt sich weniger gut säugenoder liegt in Bauchlage. Ein wesentlicherHinweis für das Vorhandensein vonStörungen ist das Verhalten des Wurfes.Unruhige, hungrige und frierende Ferkelsind deutliche Anzeichen.Strahlenpilz Auch andere Gesäugeinfektionenkommen immer wieder vor.In Schweizer Betrieben handelt es sichdabei vor allem um den sogenannten«Strahlenpilz», eine bakterielle Infektiondes Gesäuges. Die Eitererreger dringendurch Verletzungen in das Gewebe undzerstören dieses zunehmend. Die Eiteransammlungensind abgekapselt undbrechen teilweise nach aussen durch,wodurch wiederum der Stall kontaminiertwird. Solche infizierten Komplexelassen sich häufig erst nach dem Abset-74 7-8 2013 · <strong>UFA</strong>-REVUE
NUTZTIEREzen im sich rückbildenden Gesäuge alsUmfangsvermehrungen erkennen undertasten. Eine Heilung ist kaum möglichund die veränderten Gesäuge sind meistnicht mehr produktiv. Durch den Eiterkönnen zudem weitere Sauen angestecktwerden. Betroffene Sauen solltendeshalb nach dem Absetzen aus demBestand entfernt werden.Bisse, Klauen und Kanten Verletzungenkönnen einerseits das Wohlbefindender Sau beeinträchtigen, andererseitsauch zu bleibenden Schäden bishin zur Zerstörung der Zitze oder desKomplexes führen. Als häufigste Verletzungwerden Ferkelbisse genannt. Diesestellen sich als kleine, runde Wundenum die Zitze herum dar. In solchen Fällensollte die Milchversorgung und dieAnzahl der Saugferkel überprüft werden.Das Schleifen der Eckzähne nachder Geburt ist bei gehäuftem Auftretensolcher Verletzungen angezeigt. AndereVerletzungen können durch Tritte,durch die eigenen – zu langen – Klauenoder scharfe Spalten oder Ritzen entstehenund als Risse, Schnitte oder Quetschungenvom Sauenhalter wahrgenommenwerden.Desinfektionsmittel Ein Beispielaus der Praxis: Der Schweinegesundheitsdienst(SGD) wurde von einem Betriebsleiterkontaktiert, da fast alle Sauenunterschiedliche Grade vonabsterbenden Zitzen zeigten. Nach intensivemNachfragen und Recherche inEin gesundes Gesäuge ist eine wichtigeVoraussetzung für eine hohe Anzahl erfolgreichabgesetzte Ferkel. Bild: agrarfoto.comverschiedene Richtungen stellte sich heraus,dass ein Desinfektionsmittel falscheingesetzt wurde. Das pulverförmige, ingrossen Mengen verwendete Präparatentwickelte zusammen mit dem Speichelder Ferkel eine dauernde, ätzendeWirkung, die zum Absterben der Zitzenhautführte.Was geschieht bei Nichtverwendung?Neben Infektionen und Verletzungenwird auch die Nutzung desGesäuges immer wieder diskutiert. Esbestehen unterschiedliche Meinungen,ob und wie das Ansäugen eines Komplexessich auf die nächste Laktationauswirkt. Eine Studie an der Hochschulefür Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften(HAFL) Zollikofen ging dieserFrage nach (Professionelle Jungsauenaufzucht,Schafroth, 2012). DurchAbkleben einzelner Zitzen wurde dasNichtansaugen simuliert. Die Tageszunahmenin der zweiten Laktation zeigten,dass der Nichtgebrauch einzelnerZitzen keinen signifikanten Einfluss aufdie zweite Laktation hatte. Allerdingsbewertet die Autorin diese Befundeauch kritisch, da es unvorhergeseheneEinflüsse gab. Andere Studien fanden,dass Ferkel an vorher nicht angesogenenZitzen sich schlechter entwickelten undempfahlen einen Wurfausgleich.Nekrosen bei Ferkeln Bereits inden ersten Lebenswochen ist eine regelmässigeBeurteilung künftiger Ferkelmüttersinnvoll, um rechtzeitig über ihrTabelle: GesäugekontrolleZeitpunkt Befunde KonsequenzSaugferkel Zitzennekrose Zitzen abkleben, Zuchttauglichkeit?Jungsau Miss- und Zuchttauglichkeit?FehlbildungenLaktierende Sau Gesäugeentzündung MMA-Behandlung?Bissverletzungen Zähne schleifen (in Zukunft)Nutzung der Zitzen Weitere Nutzung?Abgesetzte Sau, Verletzungen Frische Wunden versorgen,GaltsauVerletzungsquelle beseitigen,alte Wunden: weitereNutzung?Strahlenpilz AusmerzungSchicksal entscheiden zu können. BeiSaugferkeln können Zitzennekrosen auftreten.Häufig sind die vorderen Zitzenbetroffen. Solche veränderten Zitzenfunktionieren meist nicht mehr undschränken die Nutzbarkeit der Tiere ein.Oft liegt die Ursache in ungeeignetenBöden. Das Abkleben der Zitzen in denersten Lebenstagen hilft dann in der Regelsehr gut. Mittelfristig sollte über eineSanierung des Bodens nachgedachtwerden.Fazit Ein gutes Gesäuge mit ausreichendfunktionstüchtigen Zitzen hateinen entscheidenden Anteil an derAufzuchtleistung. Daher sollte es regelmässigbeurteilt werden. Die Beobachtungenkönnen in einem einfachenSchema (0 = keine Veränderung, 3 =viele Veränderungen/Abweichungen)notiert werden, beispielsweise auf derSauenkarte. Die Notizen liefern bei regelmässigerAuswertung gute Hinweiseauf Probleme im Bestand (Verletzungen,Milchmangel, Zucht). Beim Entscheidüber die weitere Nutzung derSau können sie eine Entscheidungshilfebieten.Autorin Dr. med. vet.Friederike Zeeh,Schweinegesundheitsdienst(SGD), BüroBern-Westschweiz,3001 Bern,www.suisag.chwww.ufarevue.ch 7-8 · 13<strong>UFA</strong>-REVUE · 7-8 2013 75