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18.04.2011 - Der Reinbeker

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18 politik<br />

»Wählt die weniger Schlechten!«<br />

Joachim Gauck sprach über die Einheit, die Freiheit und das Glück<br />

Reinbek – Ganz besondere Gäste hatte Krankenhausdirektor<br />

Lothar Obst für den diesjährigen<br />

Frühjahrsvortrag am St. Adolf-Stift gewinnen<br />

können. Joachim Gauck sprach über »20 Jahre<br />

deutsche Einheit – ist zusammengewachsen,<br />

was zusammengehört?« Zwei Tage zuvor konnte<br />

bereits Gerhard Lauter, letzter Zuständiger für das<br />

Pass- und Meldewesen in der DDR und Verfasser<br />

des legendären »Schabowskis Zettel« Spannendes<br />

zu den Tagen um den 9. November 1989 berichten.<br />

»Ich würde eigentlich viel lieber über die<br />

Freiheit als Verantwortung sprechen« begrüßte<br />

Joachim Gauck sein <strong>Reinbeker</strong> Publikum, davon<br />

über 200 in der Aula der Krankenpflegeschule<br />

und noch einmal 120 am Bildschirm in einem<br />

Nebenraum. Ohne einen Satz Manuskript trat er<br />

ans Rednerpult und schaffte es binnen weniger<br />

Minuten, die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen.<br />

Es gelang ihm, das immer noch schwierige<br />

Verhältnis zwischen Deutschen Ost zu Deutschen<br />

West humorvoll bis komisch zu schildern, dabei<br />

aber in jedem Moment deutlich zu machen, wie<br />

wichtig ihm die Menschen, die Demokratie, die<br />

Freiheit sind.<br />

Last der Vorurteile<br />

Die Jahre der Einheit seien mit Vorurteilen<br />

bepflastert. Ossi: arbeitsscheu, undankbar, schuld<br />

am Soli; Wessi: verschlagen, egoistisch, mit<br />

Hornhaut an den Ellenbogen. »Je weniger man<br />

weiß, desto sicherer ist man sich«, erklärte Gauck<br />

das Entstehen der Stereotype.<br />

Als »zweitgrößter Feind der PDS« ließ der<br />

ehemalige Kandidat zum Amt des Bundespräsidenten<br />

keinen Zweifel aufkommen, dass er bei<br />

dieser Partei kein Konzept für die Zukunft sieht.<br />

Doch »Die Mauer ist in Berlin immer noch bei<br />

den Wahlen erkennbar«, akzeptiert der frühere<br />

Rostocker Pastor und erste Leiter der Behörde<br />

für Stasi-Unterlagen, dass viele Menschen in der<br />

DDR unter Rollenverlust leiden, sich heimatlos<br />

und fremd im geeinten Deutschland fühlen. »Wir<br />

stellten uns 1990 vor, nach 20 Jahren könne man<br />

Ossi und Wessi nicht mehr unterscheiden. Das<br />

war ein schwerer Irrtum«, erklärt er, wie Prägung<br />

von Haltung und Mentalität in der DDR unterschätzt<br />

werde. Als »unüberzeugte Minimalloyalität«<br />

benennt er die Haltung vieler Familien in der<br />

DDR, in der man mit Kindern nicht über Politik<br />

sprach, um sie zu schützen.<br />

Plädoyer für das Wählen<br />

Und so kommt Gauck denn doch noch zu seinem<br />

Lieblingsthema, die Freiheit als Schatz und<br />

zugleich als Aufgabe. Es sei eine selbstgewählte<br />

Ohnmacht, Verbraucher statt Bürger zu sein«<br />

wettert Gauck gegen Nichtwähler. In jede Abiturklasse<br />

gehöre vor einer Wahl die Schilderung<br />

von Annette Simon (Tochter von Christa Wolf)<br />

zur Wahl in der DDR. Und Gauck schildert das<br />

»Zettelfalten«, wie DDR-Wahlen im Volksmund<br />

hießen so komödiantisch schockierend, dass<br />

jeder im Saal ihm diesen Satz aufs Wort glaubt:<br />

»Ich kann heute gar nicht NICHT wählen.«<br />

Man solle sich nicht das Schlaraffenland erhoffen.<br />

»Wählt die weniger Schlechten!«, gibt er den<br />

Zuhörern mit auf den Weg.<br />

»Man muss etwas riskieren, statt das Leben<br />

zu ver-warten« ist für ihn ein Schritt zum Glück<br />

und eine der Lehren der Wende, wo Massen mit<br />

dem hartnäckigen »Wir sind das Volk« die DDR-<br />

Führung erschüttert haben.<br />

Chaos im November<br />

Über die entscheidenden Tage im November<br />

berichtete Zeitzeuge Gerhard Lauter. Als Leiter<br />

Gerhard Lauter, heute Anwalt in<br />

Leipzig, besitzt noch die originalen<br />

Dokumente, die die Maueröffnung<br />

herbeiführten.<br />

des Pass- und Meldewesens hatte<br />

er den Auftrag, am Morgen des 9.<br />

Novembers 1989 eine Übergangsregelung<br />

bis zum geplanten Reisegesetz<br />

zu formulieren. Er setzte<br />

sich über die Anordnung des Zentralkomitees<br />

hinweg und regelte<br />

nicht nur Ausreisen, sondern auch<br />

zeitweilige Privatreisen.<br />

»Ich hatte die Hoffnung, dass<br />

die Führung erkennen würde, dass<br />

es nicht anders geht«, erklärte er<br />

seine Eigenmächtigkeit. »Das war<br />

kein konspirativer Akt, sondern<br />

eine Reaktion darauf, dass DDR<br />

bereits in Agonie lag. Ich wollte<br />

politisch logisch handeln.«<br />

Lauter saß im Theater<br />

Seine Papiere gingen fast ohne<br />

Änderung durch die Sitzung<br />

des Politbüros und des ZK zur<br />

Pressekonferenz und wurden als<br />

»Schabowskis Zettel« berühmt,<br />

die die Mauer öffneten. Dabei<br />

war dies gar nicht Lauters Absicht,<br />

denn er hatte die Mitteilung mit<br />

einer Sperrfrist für den folgenden<br />

Morgen versehen. Bis dahin sollte<br />

es »geordnete« Regeln geben. Er<br />

saß im Theater, während sich vor<br />

den Grenzübergängen schon die<br />

Menschen drängten.<br />

Das Chaos bei der politischen<br />

Führung habe eine Kettenreaktion<br />

herbeigeführt, ist sich Lauter sicher.<br />

Die Massendemo am 4. November<br />

in Ost-Berlin sei der Partei<br />

unter die Haut gefahren, dazu<br />

am 7. November die Drohung der<br />

tschechischen Regierung, ihre<br />

Grenze zur DDR zu schließen. Die<br />

Regierenden seien gar nicht fähig<br />

gewesen, mit den Forderungen<br />

der Menschen umzugehen. »Die<br />

lebten doch hoch oben in den<br />

Wolken.«<br />

Elke Güldenstein<br />

FOTO: ElkE GüldEnsTEin<br />

18. April 2011<br />

Im Anschluss an seine Rede signierte Joachim Gauck seine Erinnerungen<br />

»Winter im Frühling – Sommer im Herbst«. Sigrid Müller (re.) aus Börnsen<br />

schob ihm dabei ein altes Bild zu: Tanzstunde 1957 in Rostock, Joachim<br />

Gauck 17-jährig dabei. Er bedankte sich begeistert.<br />

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