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anschauen“, sagt Yu-Jin Embacher, die<br />
mit Josef Nachmann die Insolvenzabteilung<br />
der Kanzlei aufgebaut hat. Deshalb<br />
”<br />
saßen wir gleich am nächsten morgen<br />
in der Zentrale von Automag Buchner<br />
& linse – und trafen dort auf sehr<br />
kooperative mitarbeiter. Wenn man ein<br />
unternehmen wieder flott machen soll“,<br />
fährt sie fort, dann ist diese Kooperati-<br />
”<br />
onsbereitschaft ein ganz wichtiger Punkt.<br />
Denn der Insolvenzverwalter muss sich ja<br />
in kürzester Zeit ein möglichst realistisches<br />
Bild von der wirtschaftlichen lage<br />
des insolventen unternehmens machen,<br />
um zu wissen, welche Teile noch wirtschaftlich<br />
arbeiten könnten – und welche<br />
nicht. und wenn dann mitarbeiter da<br />
sitzen und auf die gestellten Fragen keine<br />
Antworten geben oder sich auch nicht<br />
die mühe machen, Antworten zu finden,<br />
dann vergeudet man sehr viel Zeit mit<br />
dieser Recherche.“<br />
Doch warum das Ganze überhaupt,<br />
wenn doch sowieso schon die Insolvenz<br />
da ist, wird sich mancher fragen?<br />
” Neben den realistischen Zahlen vom<br />
wirtschaftlichen Ablauf, durch die man<br />
möglichen Investoren noch ein funktionierendes<br />
unternehmen zur Investition<br />
anbieten kann, ist es aber ebenso wichtig,<br />
den wirtschaftlichen Durchblick in dem<br />
insolventen unternehmen zu haben.<br />
Schließlich geht ab sofort keine Zahlung<br />
mehr raus ohne unsere Einwilligung“,<br />
sagt Frau Embacher. Das erfordert natürlich<br />
auf Seiten des Insolvenzverwalters<br />
nicht nur gute Kenntnisse der Betriebswirtschaft,<br />
sondern vor allem unternehmerisches<br />
Geschick. Wenn erst einmal<br />
”<br />
alles brach liegt, dann kann man Investoren<br />
nur noch für substantielle Assets wie<br />
Grundstücke und Gebäude interessieren.<br />
Für den Betrieb und die Arbeitsplätze<br />
aber gibt dann keiner mehr wirklich Geld<br />
aus. Es ist also durchaus im Sinne der<br />
Arbeitnehmer, hier kooperativ und zügig<br />
mitzuarbeiten.“ Dazu muss ihnen aber<br />
erst einmal klarer Wein eingeschenkt<br />
werden. Deshalb hielt die Geschäftsführerin<br />
Batdorf und der Insolvenzverwalter<br />
Nachmann als nächstes eine Betriebsversammlung<br />
ab, in der den mitarbeitern –<br />
immerhin 200 an der Zahl – der Sachverhalt<br />
erklärt und ihre Fragen beantwortet<br />
wurden. Der letzte Punkt – das Eingehen<br />
auf die Fragen und letztlich auch Sorgen<br />
der mitarbeiter – ist ein wichtiger Aspekt,<br />
den ein guter Insolvenzverwalter beherzigt.<br />
Denn die menschen eines insolventen<br />
unternehmens bewegt zuallererst die<br />
Angst vor der ungewissen Zukunft. Statt<br />
ungewissheit brauchen sie aber Zuversicht,<br />
dass das unternehmen zu retten<br />
ist, und den Willen, das Beste aus dieser<br />
Situation zu machen. Beides kann sich<br />
jedoch erst einstellen, wenn die mitarbeiter<br />
verstehen, was die nächsten Schritte<br />
und Ziele sind – und was sie selbst dafür<br />
tun können.<br />
Auch in diesem Punkt haben die<br />
mitarbeiter von Automag Buchner & linse<br />
und der Insolvenzverwalter Nachmann<br />
geradezu vorbildlich zusammengearbeitet.<br />
Die mitarbeiter haben ihre Arbeit<br />
weitergeführt und so den funktionierenden<br />
Betrieb aufrechterhalten, während<br />
der Insolvenzverwalter dafür sorgte, dass<br />
die Fortzahlung der Gehälter für die<br />
nächsten drei monate finanziert wurde<br />
und die mitarbeiter dadurch für ihre<br />
Arbeit auch bezahlt wurden.<br />
Gleichzeitig passierte das, was die<br />
Süddeutsche in ihrem Artikel so treffend<br />
beschrieb: ” Die wichtigste Aufgabe des<br />
Insolvenzverwalters dürfte jetzt die Suche<br />
nach einem Investor sein.“ Stimmt genau.<br />
und Josef Nachmann fand nicht nur<br />
einen, sondern insgesamt vier.<br />
Bei dieser Suche kam (und kommt<br />
es generell) auf drei Faktoren an: Zum<br />
einen muss das insolvente unternehmen<br />
ein gutes Investitionsobjekt sein (was<br />
durch die Fortführung der Arbeiten im<br />
Betrieb und volle Auftragsbücher im<br />
Bereich der PKW Reparatur gesichert<br />
war). Zum anderen ist es aber auch und<br />
gerade eine Frage des guten Netzwerkes<br />
auf Seiten des Insolvenzverwalters, ob<br />
und welche Investoren er für das unternehmen<br />
begeistern kann. Im Fall Buchner<br />
& linse waren das BmW-Händler aus<br />
dem In- und Ausland, die den mit 90<br />
Jahren unternehmensgeschichte weltweit<br />
ältesten und bis dahin immer noch<br />
unabhängigen BmW-Händler erwerben<br />
wollten. und zum Dritten ist Psychologie<br />
bei den Verhandlungen ein wichtiger<br />
Faktor. Denn wenn sich erst einmal<br />
Schnäppchen-mentalität bei den Käufern<br />
breit macht, dann kann alles schnell aufs<br />
Ausschlachten des unternehmens hinauslaufen,<br />
während die mitarbeiter leer<br />
ausgehen. Josef Nachmann und sein Team<br />
wollten genau das nicht. Im gleichen Zug<br />
musste der Insolvenzverwalter ständig<br />
mit den Gläubigern verhandeln – in<br />
diesem Fall mit BmW selbst, da viele der<br />
nicht verkauften Neuwagen ebenso wie<br />
die Rückläufe aus dem leasing-Geschäft<br />
sowie der Bau des Geschäftshauses in der<br />
landsbergerstraße durch die BmW-Bank<br />
finanziert waren.<br />
Doch am Ende war das Team von<br />
Josef Nachmann erfolgreich: Sie fanden<br />
einen Investor, der den Betrieb in Fürstenfeldbruck<br />
übernahm, und konnten<br />
BmW überzeugen, dass ein derart traditionelles<br />
unternehmen wie die Automag<br />
Buchner & linse gerettet werden muss.<br />
Also gründete BmW eine eigene Retailgesellschaft,<br />
die alle mitarbeiter übernommen<br />
hat und jetzt deren Beschäftigung<br />
fortführt.<br />
Bleibt nach diesem guten Ausgang<br />
die Feststellung: Sowohl die vormaligen<br />
Inhaberfamilien Klingsohr und linse als<br />
auch deren mitarbeiter sowie der Vertrieb<br />
von BmW – bei dem das Traditionsautohaus<br />
jetzt angesiedelt ist – haben sich<br />
mit voller Kraft für den Fortbestand des<br />
unternehmens eingesetzt.<br />
Insolvenzverwalter Nachmann<br />
resümiert deshalb am Ende: ” Der Begriff<br />
Insolvenz wird in den Köpfen vieler<br />
menschen mit der Zerschlagung eines<br />
unternehmens und dem Verlust aller<br />
Arbeitsplätze gleichgesetzt. Aber das entspricht<br />
meist nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.<br />
Es ist sogar die Regel, dass<br />
ein unternehmen dank der umstrukturierungsmaßnahmen<br />
sachkundiger Insolvenzverwalter<br />
fortgeführt werden kann.<br />
Ich denke, dass hat auch Karl-Theodor zu<br />
Guttenberg erkannt, als er im Falle OPEl<br />
eine geordnete Insolvenz ins Gespräch<br />
brachte. Wie auch immer: unsere heutige<br />
Insolvenzordnung gibt einem guten<br />
Insolvenzverwalter möglichkeiten an die<br />
Hand, ein unternehmen fortzuführen,<br />
wovon nicht nur die Gläubiger profitieren<br />
– weil mehrwerte geschaffen werden –,<br />
sondern auch die Arbeitnehmer. Insofern<br />
verzahnen sich der Gläubigerschutz und<br />
der soziale Schutz der Arbeitnehmer. Die<br />
200 Arbeitsplätze im Fall Automag Buchner<br />
& linse sind z. B. aus meiner Sicht<br />
heute sicherer als vorher.<br />
Ich würde mir allerdings für<br />
andere Insolvenzfälle wünschen, dass<br />
noch weitere gesetzliche möglichkeiten<br />
geschaffen werden, die eine Neustrukturierung<br />
unterstützen. So wäre es sehr<br />
hilfreich, wenn die möglichkeit geschaffen<br />
würde, wie in den uSA Forderungen<br />
der Gläubiger in Eigenkapital umwandeln<br />
zu können, um Werte zu erhalten, die bei<br />
einer Zerschlagung des unternehmens<br />
verloren wären.<br />
Ich denke, verantwortungsvolle<br />
Insolvenzverwaltung ist eine moderne<br />
Form, notwendige Strukturwandel in der<br />
Wirtschaft durchzuführen. In einer globalisierten<br />
Welt macht es einfach keinen<br />
Sinn, Geschäftsmodelle künstlich weiter<br />
zu führen, die keine Wettbewerbsakzeptanz<br />
mehr haben. und weil in einem<br />
globalen markt die Zahl der internationalen<br />
Konkurrenten weiter ansteigen wird,<br />
werden auch die Zyklen der Anpassung<br />
immer schneller und kurzfristiger<br />
werden. unter diesem Aspekt sollte man<br />
professionelle Insolvenzverwaltung als<br />
eine Wachstums-lenkung von unternehmen<br />
sehen, die andere notwendige<br />
Anpassungen an die Erfordernisse der<br />
internationalen märkte aus unterschiedlichen<br />
Gründen versäumt haben. Allerdings<br />
darf man in diesem Zusammenhang<br />
nicht übersehen, dass gerade der mittelstand<br />
in unserem lande grundsätzlich<br />
gut aufgestellt ist. man hat die lehren<br />
aus der letzten großen Krise gezogen und<br />
verstärkt Eigenkapital aufgebaut. Zudem<br />
verfügen die kleinen und mittelgroßen<br />
unternehmen inzwischen über eine Produktpalette,<br />
die sich sehen lassen kann<br />
und technologisch hervorragend ist – und<br />
die damit international absolut wettbewerbesfähig<br />
sind.“<br />
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