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Quatsch und ohne Belang. Stoiber war immer<br />

Sachargumenten zugänglich und ein ausgesprochen<br />

angenehmer Chef. Aber nachdem er sich<br />

selbst schwer beschädigt hatte, war er fällig.<br />

? sie waren unter stoiber in der<br />

staatskanzlei Geschäftsführer der projektkommission<br />

zum kabelpilotprojekt<br />

in münchen und haben bei der einführung<br />

des kommerziellen fernsehens in<br />

Bayern maßgeblich mitgewirkt. heute<br />

sind sie verwaltungsdirektor der deutschen<br />

welle. da stellt sich mir die frage:<br />

sind sie als jurist eher ein ” ermöglicher“<br />

oder ein ” verhinderer“?<br />

! Ich stelle diese Frage immer so: Bin<br />

ich ein Gestalter oder bin ich ein Verwalter?<br />

ter?<br />

? und sie sind eher ein Gestal-<br />

! Ja, obwohl ich den Titel ” Verwaltungsdirektor“<br />

habe.<br />

? was würden sie in dieser frage<br />

jungen juristen auf ihren Berufsweg<br />

mitgeben?<br />

! Die Juristerei erzieht zu sehr zum<br />

Bedenkentragen und zum Verhindern. Im<br />

Grunde muss man diese Wissenschaft ummünzen<br />

in die Wissenschaft ” Wie kann man<br />

Gesetze und das Recht gestalten?“.<br />

Diese Fähigkeit ist etwas, was man<br />

bei Juristen trainieren muss. Denn das geht<br />

über das juristische Wissen hinaus, das man<br />

fürs Examen lernt. man lernt, Probleme zu<br />

sehen, Gesetze auszulegen und Gesetze anzuwenden.<br />

Die Anwendung muss die lücken<br />

erkennen, muss die möglichkeiten eruieren,<br />

im Wege der Anwendung weiterzukommen,<br />

ohne das Gesetz ändern zu können. Da gehört<br />

viel Pragmatismus dazu, viel juristisches<br />

Wissen und die Fähigkeit, Wege zu finden.<br />

? kommen wir zurück zum<br />

privaten fernsehen. wie haben sie das<br />

problem gelöst, privaten Rundfunk in<br />

Bayern möglich zu machen, obwohl im<br />

artikel 111a der Bayerischen verfassung<br />

steht, dass Rundfunk nur in öffentlichrechtlicher<br />

Trägerschaft betrieben<br />

werden darf?<br />

! In dieser Sachlage habe ich damals als<br />

Hilfsreferent in der Staatskanzlei mit meinem<br />

exzellenten und charismatischen Chef, dem<br />

Professor Ring, nachgedacht, wie man diese<br />

Ausgangslage nutzen kann, ohne die Bayerische<br />

Verfassung zu ändern – was ja auch kaum möglich<br />

gewesen wäre.<br />

Der Gedanke, der uns diesen Wandel<br />

erfolgreich durchführen ließ, war: Wenn man<br />

eine rundfunkpolitische Entwicklung will,<br />

braucht man eine mehrheit. und die mehrheit<br />

ruht in der gesellschaftlichen Breite, also in den<br />

Kommunen, den Kirchen, den Gewerkschaften<br />

– kurzum: Alle müssen dabei sein, wenn man<br />

so ein System aus der Taufe heben will. In einer<br />

Demokratie braucht man nun mal mehrheiten.<br />

und wenn alle dafür sind, dann klappt es ja auch.<br />

Daraus entstand das Kabelpilotprojekt.<br />

Es war der Versuch, vermehrt Programme in<br />

einem Versuchsgebiet anzubieten. Im Aufsichtsrat<br />

saßen der Bayerische Rundfunk, das ZDF,<br />

der Freistaat und noch eine ganze menge von<br />

gesellschaftlichen Vereinigungen wie Handwerkskammern<br />

und dergleichen. Die saßen –<br />

wie gesagt – im Aufsichtsrat. Aber der Träger im<br />

rundfunkrechtlichen Sinne war der Bayerische<br />

Rundfunk. Also auch der Träger der Programme,<br />

die von Privaten gestaltet wurden! Nochmal:<br />

Programmliche Angebote, die private Anbieter<br />

gemacht haben, wurden damals vom Bayerischen<br />

Rundfunk verantwortet!<br />

Dann war der nächste Schritt zu sagen:<br />

Wenn es rechtlich geht, dass der Bayerische<br />

Rundfunk private Angebote verantwortet, dann<br />

kann das auch eine andere öffentlich-rechtliche<br />

Anstalt wie zum Beispiel eine ” landeszentrale<br />

für neue medien“ machen. und so haben wir<br />

dann damals die notwendigen Schritte zur<br />

Gründung der landeszentrale eingeleitet.<br />

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof<br />

hat übrigens entschieden, dass es sich bei diesem<br />

Vorgehen um das klassische Ergebnis einer<br />

Rechtsgestaltung handelt. Denn die Bayerische<br />

Verfassung ist – wie beabsichtigt – nicht umgeschrieben<br />

worden.<br />

? und das haben sie mit professor<br />

Ring durchgezogen?<br />

! Wir in der Staatskanzlei haben dieses<br />

System erfunden, haben dann einen Gesetzesentwurf<br />

gemacht – das ” medienerprobungs- und<br />

-entwicklungsgesetz“ –, der dann vom landtag<br />

beschlossen wurde. und diese ” landeszentrale<br />

für neue medien“ verantwortet heute noch die<br />

Programme aller privaten Anbieter, die in Bayern<br />

nach bayerischem Recht senden, wenngleich<br />

sich das alles im ” Rundfunkstaatsvertrag der<br />

länder“ weiterentwickelt hat.<br />

? kann man sagen, dass es das<br />

kommerziell-private fernsehen ohne sie<br />

nicht gegeben hätte?<br />

! Das wäre Hybris! Es gäbe es sicherlich,<br />

vielleicht nicht so in dieser Form. Die anderen<br />

länder hätten es sicherlich auf ihre Weise auch<br />

irgendwie durchgezogen – ob es uns gegeben<br />

hätte oder nicht.<br />

? aber sie haben Ihren juristischen<br />

sachverstand eingebracht, damit es in<br />

Bayern so möglich wurde?<br />

! Ja, vielleicht wäre es in Bayern nicht so<br />

entstanden. Aber bitte nicht übertreiben.<br />

? stellt sich nun die frage: und, hat<br />

uns dieses kommerzielle fernsehen<br />

weitergebracht?<br />

! Also, das zentrale Grundrecht unseres<br />

Staates ist die Freiheit. und selbstverständlich<br />

ist die Öffnung zum privaten Rundfunk hin eine<br />

Ausweitung zu mehr Freiheit gewesen. Es ist<br />

dadurch so, dass es in diesem Staat nicht mehr<br />

möglich ist, eine Position zu verschweigen!<br />

Die ” Schweigespirale“, von der Frau Professor<br />

Noelle-Neumann in den 70er und 80er Jahren<br />

geschrieben hatte, findet nicht mehr statt. Deshalb<br />

meine ich: Das deutsche Rundfunksystem<br />

ist sicherlich das beste, das die Welt kennt. Das<br />

ist die positive Seite.<br />

Die negative Seite ist, dass der kommerzielle<br />

Rundfunk auch eine Verflachung, eine<br />

Banalisierung gebracht hat, die wir uns so nicht<br />

vorgestellt hatten. Die medien haben unsere Gesellschaft<br />

stark verändert. und daran haben die<br />

kommerziellen medien – die ja in der mehrheit<br />

sind – einen großen Anteil.<br />

Aber unsere Ausgangsthese von damals<br />

ist bis heute richtig: Wenn wir Veränderungen<br />

nicht im Inneren selbst gestalten, werden wir<br />

von außen gestaltet! Wenn wir uns also nicht<br />

selbst darum kümmern, Innovationen zu konfigurieren,<br />

so wie wir sie für richtig halten, dann<br />

kommen die Angebote von außen – unkontrollierbar.<br />

Denn die Technik ermöglicht alles. und<br />

das ist eine echte Herausforderung.<br />

Wir leben ja inzwischen mit und in<br />

einer sehr bunten medienwelt. Schauen Sie sich<br />

allein die Entwicklungen auf dem Fotohandymarkt<br />

an. Da werden aus Krisengebieten brandaktuelle<br />

Fotos in alle Welt verschickt, von denen<br />

man manchmal gar nicht weiß, ob sie echt sind<br />

oder ein Fake. Deshalb ist es in der aktuellen<br />

medienlandschaft so wichtig geworden, dass<br />

man eine marke hat, die hält, die also glaubwürdig<br />

ist und für Kompetenz und Seriosität steht.<br />

und damit sind wir bei der Deutschen Welle,<br />

die eine marke ist, die inhaltliche Verlässlichkeit<br />

bietet. und zwar weltweit.<br />

? war das öffentlich-rechtliche<br />

fernsehen nicht völlig überfordert mit<br />

dem, was mit zunehmender Geschwindigkeit<br />

aus den kommerziellen kanälen auf<br />

sie zugerast kam?<br />

! Das frühere öffentlich-rechtliche System<br />

war in der damaligen Form nicht zukunftsfähig.<br />

Es hatte sich zu sehr auf seiner eigenen<br />

monopolstellung ausgeruht, hatte die Nase sehr<br />

weit oben und war ein Staat im Staate. Das hat<br />

allen Beteiligten nicht gut getan und musste<br />

geändert werden.<br />

? haben sie das damals auch so<br />

erlebt?<br />

! Der Professor Ring hat damals zu mir<br />

gesagt: ” Sehen Sie sich doch dieses System an –<br />

der riesige Parteieneinfluss, die Überheblichkeit<br />

seiner Vertreter, dieses System kann sich nicht<br />

erneuern und ist auch noch unwirtschaftlich.<br />

Dieses System braucht dringend Konkurrenz.“<br />

Das war übrigens auch die meinung von Stoiber.<br />

Der wusste immer, dass privater Rundfunk<br />

parteipolitisch nicht zuzuordnen ist. Er sah<br />

bei der Privatisierung des Rundfunks immer<br />

den entscheidenden Vorteil in dem Verlust der<br />

beanspruchten Autorität des öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunks. Der Nachrichtensprecher<br />

der Tagesschau war ja früher quasi der Staat.<br />

Deshalb hat Stoiber immer die meinung vertreten,<br />

es müsse Vielfalt her. und damit meinte<br />

er nicht, dass alle Sender CSu-Programme<br />

senden müssten! Im Gegenteil. Das war ein sehr<br />

stark ordnungspolitischer Ansatz bei Stoiber<br />

gewesen. Dabei hat er – übrigens von Anfang<br />

an – die familienpolitische Problematik bei den<br />

kommerziellen Sendern sehr klar gesehen. Also

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