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uNseR maNN IN euRopa

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! Der Europäische Rechnungshof führt<br />

sogenannte Financial Audits“ durch, die dann<br />

”<br />

im Annual Report zusammengefasst werden.<br />

Geprüft werden alle Ausgaben des Europäischen<br />

Haushaltes. Daneben gibt es sogenannte<br />

” Performance Audits“, die in Spezialberichte<br />

münden, sowie weitere Produkte wie Stellungnahmen<br />

zu Fragen der Finanzregulierung<br />

etc. Dass hierbei Fehler gefunden werden,<br />

ist zwangsläufig. Aber es gibt Bereiche, zum<br />

Beispiel landwirtschaft, bei denen die Verwendung<br />

der mittel nahezu beanstandungsfrei läuft.<br />

Die Fehlerquote liegt dort unter zwei Prozent.<br />

Im Bereich der Forschungsmittel, für die ich<br />

Verantwortung habe, liegen wir bei drei Prozent<br />

Fehlerquote! Die Fehlerquote bei den sogenannten<br />

Strukturfonds liegt leider immer noch<br />

deutlich höher, bei ca. elf bis zwölf Prozent<br />

? das betrifft zum Beispiel den<br />

straßenbau?<br />

! Das sind unter anderem Straßen,<br />

aber auch andere Infrastrukturmaßnahmen.<br />

Die Fehlerquote ist zwar nicht hinnehmbar,<br />

hat aber unterschiedliche und teilweise nachvollziehbare<br />

ursachen: Wie zum Beispiel ein<br />

zu kompliziertes Regelwerk. Hintergrund dafür<br />

ist, dass wir in Europa natürlich noch keine<br />

einheitliche Administrationskultur haben.<br />

Insofern trägt die Arbeit des ERH auch dazu<br />

bei, hier zu Verbesserungen zu kommen.<br />

? zum Beispiel Bulgarien?<br />

! Ja, da sind wir bei einem anderen<br />

Thema. Beitrittsstaaten, wie zum Beispiel<br />

Bulgarien, müssen natürlich ihren unterschied<br />

bei Regelungen und Administrationsinstrumenten<br />

beseitigen. Die fehlerhafte<br />

Verwendung europäischer mittel kann zu einer<br />

ungünstigen Stimmung führen. Dies muss<br />

vermieden werden.<br />

was passIeRT, weNN euRopÄIsche<br />

GeldeR veRschweNdeT weRdeN?<br />

? was könnte dann passieren?<br />

! Im Falle Bulgariens hat die Kommission<br />

in einem Bereich ihre Zahlungen eingestellt<br />

und Bulgarien aufgefordert, dafür zu sorgen,<br />

dass vorhandene Regelungs- und Verwaltungsdefizite<br />

beseitigt werden.<br />

? und das, was Bulgarien in<br />

diesem Bereich an mittel bekommen hat,<br />

können sie – trotz des nicht hinnehmbaren<br />

verhaltens – behalten oder müssen<br />

sie das zurückzahlen?<br />

! In den Fällen, in denen es zu Fehlverwendungen<br />

gekommen ist, müssen mittel<br />

zurückgezahlt werden.<br />

? der europäische Rechnungshof<br />

ist also keine zahnlose Institution?<br />

! Er ist schon ein ” Ritter ohne<br />

Schwert“. Wir können keine Strafen aussprechen.<br />

Aber in unserem Jahresbericht empfehlen<br />

wir der Kommission zum Beispiel neben<br />

den Rückzahlungen auch Vertragsstrafen zu<br />

nutzen. Vertragsstrafen sind beispielsweise ein<br />

mittel, das die Kommission einsetzt, um die<br />

Zuwendungsempfänger zu ordnungsgemäßem<br />

Verhalten anzuhalten.<br />

? welchen stellenwert hat das<br />

Thema ” compliance“ in europa?<br />

! Compliance ist ein wichtiger Bestandteil<br />

unserer Prüfungen, wobei wir zunächst<br />

sehr formal vorgehen im Sinne von ” regelgerechter<br />

Anwendung“ der Rechtsvorschriften<br />

und Guidelines, die es auf der europäischen,<br />

der nationalen und gegebenenfalls der regionalen<br />

Ebene gibt. Die Arbeit des ERH trägt dazu<br />

bei, dass die Verwendung öffentlicher mittel<br />

ordnungsgemäß und regelgerecht erfolgt.<br />

Wenn der Europäische Rechnungshof Sachverhalte<br />

entdeckt, die Indikatoren für Betrug,<br />

für Bestechung oder Bestechlichkeit enthalten,<br />

geben wir solche Fälle sofort an das OlAF in<br />

Brüssel ab, das dann in Zusammenarbeit mit<br />

den Staatsanwaltschaften in den mitgliedstaaten<br />

die Sachverhalte ermittelt und Strafverfahren<br />

einleitet. Wenn wir also derartige Sachverhalte<br />

finden, machen wir nicht alleine weiter<br />

– weil wir ja keine Kriminalbehörde sind. Ein<br />

anderes Hilfsmittel ist die Öffentlichkeit, die<br />

öffentliche meinung, die zu Reaktionen bei den<br />

Verantwortlichen in den Einrichtungen, die<br />

europäisches Geld erhalten, führt. Außerdem<br />

sind es die nationalen Regierungen, die ihrerseits<br />

adäquate Reaktionen einleiten können.<br />

In dem Kontext darf schließlich nicht die<br />

macht des Europäischen Parlaments vergessen<br />

werden, dem wir berichten.<br />

deR lIssaBoN veRTRaG – was sTehT<br />

eIGeNTlIch dR<strong>IN</strong>?<br />

? lieber herr dr. Noack, obwohl<br />

ich weiß, dass man juristen nicht die<br />

frage stellen soll, was denn ” im wesentlichen“<br />

in einem vertrag steht, stelle ich<br />

Ihnen genau diese frage: was steht im<br />

lissabon-vertrag eigentlich im wesentlichen<br />

drin?<br />

! Der lissabon-Vertrag ist – wie die<br />

Verträge von maastricht und Nizza – ja nichts<br />

anderes als eine Fortentwicklung der Römischen<br />

Verträge, also der ursprungsverträge,<br />

die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft<br />

und später die Europäische union auf eine<br />

rechtliche und institutionelle Basis stellen. Der<br />

lissabon-Vertrag sieht vor allem vor, dass das<br />

Parlament eine stärkere Rolle gegenüber der<br />

Europäischen Kommission und dem Europäischen<br />

Rat bekommt. Andere kleinere Fragen<br />

betreffen das miteinander der fünf Europäischen<br />

Institutionen, die Europa ” administrieren“<br />

– als da sind Rat, Gerichtshof, Parlament,<br />

Kommission und Rechnungshof. Von daher<br />

müssten eigentlich alle Staaten ein Interesse<br />

daran haben, dass ” lissabon“ verabschiedet<br />

wird. und deshalb wird letztendlich – so<br />

glaube ich – der lissabon-Vertrag auch nicht<br />

aufgehalten werden.<br />

? der europäische Bürger ist ja<br />

im laufe der jahrzehnte in eine sich<br />

immer weiter entwickelnde europäische<br />

Gemeinschaft hineingewachsen. dabei<br />

ist ihm immer wieder erklärt worden,<br />

dass der aktuelle vertraglich abgesicherte<br />

schritt – siehe maastricht, Nizza und<br />

jetzt lissabon – letztlich nur ein zwischenschritt<br />

zu einem großen Ganzen<br />

ist. dabei ist dem Bürger – zumindest<br />

mir ging es so – erst recht spät aufgefallen,<br />

dass das europäische parlament sein<br />

höchstes exekutivorgan – nämlich die europäische<br />

kommission – gar nicht selbst<br />

wählen kann, weil die kommission ja von<br />

den Regierungschefs untereinander – ich<br />

nenne es mal böse – ” ausgekungelt“ wird.<br />

! Solange wir ein Europa der mitgliedstaaten<br />

haben oder – umgangssprachlich<br />

formuliert – solange wir ein Staatenbund<br />

und nicht ein Bundesstaat sind, wird man<br />

die Konstruktion beibehalten müssen, dass<br />

die mitgliedstaaten neben dem Parlament die<br />

treibende Kraft für politische Willensbildung<br />

und politische Entscheidungen sind. In der<br />

Tat kann am Ende eines politischen Prozesses<br />

– der ja schon 50 Jahre lang sehr erfolgreich<br />

läuft, wie ich finde – stehen, dass das Parlament<br />

noch viel größere Einwirkungsrechte<br />

und Gestaltungsmöglichkeiten hat.<br />

? hat die gemeinsame währung in<br />

dieser wirtschaftlichen krise allen europäischen<br />

staaten eigentlich gut getan?<br />

! Ich will das nicht nur auf die gemeinsame<br />

Währung beschränken. In der Finanzkrise<br />

haben die mitgliedstaaten schnell erkannt,<br />

ihre nationalen Wirtschaftsinteressen nicht<br />

gegeneinander zu stellen, sondern gemeinsame<br />

europäische Interessen zu entwickeln.<br />

Es gab für mich in diesem Zusammenhang<br />

eine hoch interessante Kohärenz<br />

zwischen den maßnahmen der Europäischen<br />

Kommission für den gesamten europäischen<br />

Raum und den begleitenden maßnahmen für<br />

die nationalen Wirtschafts- und Finanzräume<br />

der einzelnen mitgliedstaaten.<br />

und hier haben wir inzwischen ein<br />

Denken, das sehr europäisch ist. man hat sein<br />

nationales Interesse zwar im Auge, weiß aber,<br />

dass dieses nationale Interesse auch ein europäisches<br />

Interesse berücksichtigen muss. Ich<br />

glaube, DAS ist die Stärke Europas heutzutage.<br />

? und ein solches vorgehen ist natürlich<br />

auch ein schutz gegen die großen<br />

wirtschaftsräume china und Indien.<br />

! Das ist ja ein weiteres Ziel des<br />

lissabon-Vertrages, Europa zu einem global<br />

sehr starken Wirtschafts- und Finanzraum<br />

zu entwickeln. Das heißt, Europa langfristig<br />

so zu positionieren, dass es den anderen<br />

globalen Akteuren ein gleichstarker, eher noch<br />

ein besserer und stärkerer Wettbewerber ist<br />

und bleibt. Das ist – neben der Stärkung des<br />

europäischen Parlaments – das wichtigste<br />

wirtschaftspolitische Ziel von lissabon.<br />

dIe Rolle deR schweIz <strong>IN</strong> <strong>euRopa</strong><br />

? stört im großen europäischen<br />

käse eigentlich das schweizer loch?

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