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dieses ” Heu“ liegen, damit wir zum Ersten<br />
bei der lese besser arbeiten können und<br />
zum Zweiten damit das Kleinklima im<br />
Weinberg trocken bleibt.<br />
Außerdem sprühen wir während<br />
des Wachstums unsere Reben bei Bedarf<br />
mit einem Cocktail aus Algen und anderen<br />
pflanzlichen Substanzen ein – zur Stärkung<br />
der Pflanze an sich.<br />
Sie können sich vorstellen, dass<br />
man den ganzen Tag im Einsatz ist, wenn<br />
man auf 35 Hektar eigenem Weinberg und<br />
weiteren 15 Hektar gepachtetem seine<br />
Reben so pflegen und aufziehen will, dass<br />
nachher der bestmögliche Rebensaft entstehen<br />
kann. Ich koste deshalb während<br />
der lese den most in den Tanks bestimmt<br />
zehn bis zwanzig mal am Tag. So wie<br />
der Saft dann schmeckt, so geht es dann<br />
weiter. Denn eins ist klar: Nur wenn das<br />
Grundprodukt richtig gut ist, können Sie<br />
daraus einen exzellenten Wein machen. Ist<br />
der Traubensaft nur mittelmäßig, können<br />
Sie daraus keinen Spitzenwein hinbiegen.<br />
? was machen sie, wenn der<br />
most nicht ganz Ihren vorstellungen<br />
entspricht?<br />
! Im selben Jahr kann man nichts<br />
mehr machen. Aber man kann sich für das<br />
nächste Jahr darauf einstellen. mir waren<br />
die moste für den Sauvignon Blanc 2007<br />
zum Beispiel zu grasig. Der Wein später<br />
dann auch. und daraufhin haben wir uns<br />
im nächsten Jahr entschieden, die Sonnenseite<br />
der Reben stark zu entblättern<br />
– dadurch werden die Trauben gelber und<br />
schmecken dann auch reifer. Außerdem<br />
haben wir sie länger hängen lassen.<br />
Aber generell gilt: Einen guten Rebsaft<br />
bekommen Sie nur, wenn Sie lesegut<br />
von einem guten Boden hochreif und gelb<br />
ernten. Außerdem sollte der Weinberg<br />
vital sein.<br />
? was ist ein vitaler weinberg?<br />
! Das erkennen Sie an den Rebstöcken.<br />
Das laub soll dunkelgrün und<br />
saftig sein und die Rebstöcke sollten<br />
viel Aktivität entfalten, also viele kleine<br />
Spitzen ausbilden. Das hat man früher<br />
nur mit 100 Kilo Kunstdünger pro<br />
Hektar hingekriegt. Heute erzielt man ein<br />
besseres Resultat, wenn man es so macht<br />
wie ich eben beschrieben habe. und man<br />
schmeckt das eben auch. Wobei es zur<br />
legendenbildung gehört, dass der Wein<br />
mehr nach Kräutern schmecken könnte,<br />
wenn man Kräuter um die Rebstöcke<br />
anbauen würde. Das ist Aberglaube.<br />
? Bleiben wir bei den aromen<br />
im wein. kann man ” altes sattelleder“<br />
tatsächlich riechen oder ist das<br />
wichtigtuerei?<br />
! man kann das riechen. Aber<br />
das ist kein gutes Zeichen für den Wein.<br />
Das alte Sattelleder“ oder auch Pferde-<br />
” ”<br />
schweiß“ weist ganz klar auf Bakterien<br />
der Gattung Brettanomyces hin und<br />
das bedeutet, dass die Holzfässer in der<br />
Kellerei nicht sauber sind, sondern mit<br />
” Brett“ – so nennen wir das hier in der<br />
Gegend – verseucht sind. Solche Fässer<br />
müssen Sie verbrennen, sonst verseuchen<br />
die einem den ganzen Keller. um<br />
das zu vermeiden, kaufen wir unsere<br />
Fässer nur bei einer bestimmten, sehr<br />
sauberen Tonnellerie in Frankreich.<br />
” Brett“ macht einen Wein übrigens nur<br />
vordergründig interessant“, lässt ihn<br />
”<br />
aber flach werden und erhöht die Säure.<br />
Ich habe früher – in meiner Anfangszeit<br />
– viel mit solchen Sachen experimentiert,<br />
um herauszufinden, wie so was einzuschätzen<br />
ist.<br />
? und die Trauben werden bei<br />
der lese natürlich auch von hand<br />
gepflückt?<br />
! Ja, natürlich. Das Erntegut<br />
kommt nach der lese auf einen Edelstahltisch.<br />
Der ist acht meter lang und<br />
wird von Elektromotoren zum schonenden<br />
Vibrieren gebracht. Der Tisch<br />
hat eine sanfte Neigung, weshalb das<br />
Erntegut immer weiter über die acht<br />
meter wandert. Wir sortieren alles noch<br />
mal von Hand und trennen die Trauben<br />
vom Stielgerüst, falls doch noch welche<br />
an den Trauben dran sind. Im Anschluss<br />
daran werden die Stiele der Beeren durch<br />
ganz sanft arbeitende Gumminoppen<br />
” gekämmt“. Am Ende kommen also nur<br />
die Trauben – ohne Stiele – in die Presse.<br />
Im moment gibt es nichts Schonenderes<br />
oder Besseres.<br />
? herr schneider, wenn der<br />
wein nach langer Reifung in der flasche<br />
ist, kommt die Glaubensfrage:<br />
korken oder schraubverschluss? wie<br />
sehen sie den unterschied?<br />
! Spitzenweine, ob weiß oder rot,<br />
die lange lagern, haben bei uns Naturkork.<br />
Weil Weine beim langen liegen die<br />
minimale Atmung, die durch den Korken<br />
möglich ist, einfach brauchen. Aber die<br />
Weine, die in ein, zwei Jahren getrunken<br />
sein sollen, die haben einen Schraubverschluss.<br />
Natürlich hat das auch etwas<br />
mit dem Budget für den Wein zu tun. Ich<br />
sage mal, bis zehn Euro wird bei uns geschraubt.<br />
Aber eigentlich ist der Schraubverschluss<br />
sogar ein Vorteil. Weil er sehr<br />
lange die Frische hält und erst später<br />
loslässt. Das funktioniert super. Vom absoluten<br />
Spitzenhotel bis zur mS Europa, die<br />
ein sehr konservatives Publikum hat, wird<br />
der Schraubverschluss bestens angenommen.<br />
Außerdem haben uns die Schweizer<br />
Winzer den Schraubverschluss schon seit<br />
vielen Jahren bei ihren Weißweinen vorgemacht.<br />
Die Schweizer denken ja grundsätzlich<br />
komplett anders als wir. Aber ich<br />
bin ihnen sehr dankbar, denn gerade die<br />
Kunden, die jedes Jahr in Saas-Fee oder<br />
St. moritz sind, kennen den Schraubverschluss<br />
schon lange und haben erst gar<br />
nicht den Verdacht aufkommen lassen,<br />
dass der Wein dadurch weniger Wert wäre.<br />
? apropos ” wert“. was halten<br />
sie vom kollegen peter mertes, der<br />
aldi mit großen mengen sehr günstiger<br />
weine beliefert?<br />
! Grundsätzlich viel! So was<br />
brauchen wir ja. Wissen Sie, der Region<br />
und dem Weinbau ging es immer gut,<br />
wenn die Großen in ruhigem Fahrwasser<br />
geschwommen sind. Die Basiskunden,<br />
die mit Wein anfangen wollen oder die<br />
nicht mehr als drei Euro für einen Wein<br />
ausgeben wollen – was ja verständlich<br />
und in Ordnung ist – die muss es doch<br />
auch geben. Anderes Beispiel ” Oettinger<br />
Bier“. Diese Brauerei, die den Kasten Bier<br />
fünf Euro billiger anbietet als andere, die<br />
verteufelt doch auch keiner. Entsprechend<br />
sehe ich das für den Wein genauso.<br />
? sie sind hier in der pfalz<br />
doch sicherlich ein exot...<br />
! ... von der Statur nicht, aber sonst<br />
schon...