der feine Unterschied Der Diesseits - Humanistischer Verband ...
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Patricia Block<br />
20Jahre diesseits<br />
■ Schon ein Jahr lang diskutiert <strong>der</strong> Vorstand<br />
über die <strong>Verband</strong>szeitschrift „Stimme<br />
des Freidenkers“. Nach einer Kompletterneuerung<br />
soll sie bundesweit agieren und<br />
den Spagat zwischen Mitglie<strong>der</strong>zeitung und<br />
Publikumsmagazin schaffen.<br />
Ein entsprechendes Papier benennt das<br />
Problem: „Freidenker wissen, dass in <strong>der</strong><br />
Öffentlichkeit, in den Medien nur selten<br />
und unvollkommen Ziele und Arbeit <strong>der</strong><br />
Freidenkerbewegung diskutiert werden.<br />
Um die eigenen Sprachlosigkeit und die<br />
Medien-Barriere zu überwinden, wird eine<br />
qualitativ gute Freidenkerzeitschrift bundesweit<br />
immer wichtiger.“ Diese müsse „als<br />
öffentliches Forum für die … Verbreitung<br />
einer mo<strong>der</strong>nen humanistisch-wissenschaftlichen<br />
Weltanschauung wirken. (…) Die<br />
Zeitschrift will in populärwissenschaftlicher<br />
Form dazu betragen, die kulturellen, sozialen,<br />
politischen und ethischen Probleme <strong>der</strong><br />
Gegenwart für eine humane und friedliche<br />
Zukunft <strong>der</strong> Gesellschaft, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Mensch<br />
das höchste Wesen für die Menschen ist, zu<br />
lösen“. Ein hehres Ziel und angesichts <strong>der</strong><br />
Leserzahl vielleicht etwas hoch gegriffen. Als<br />
Zielgruppe fasste man „junge anpolitisierte<br />
Menschen zwischen 20 und 35 Jahren“ ins<br />
Auge. Das, daran lässt sich nichts schönreden,<br />
ist nie erreicht worden und wird heute<br />
in dieser Ausschließlichkeit auch nicht mehr<br />
angestrebt.<br />
Dezemberschreck<br />
Am 12. Januar 1987 fällt die Entscheidung,<br />
das Konzept steht, unter verschiedenen Titeln<br />
wird „diesseits“ ausgewählt.<br />
Und so verabschiedete sich die letzte<br />
Ausgabe <strong>der</strong> seit 1958 herausgegebenen<br />
„Stimme des Freidenkers“ mit dem Hinweis,<br />
man wolle mit einer neuen Zeitschrift<br />
„mehr und mehr über die verbandsinternen<br />
Erörterungen hinausgehen“. Was auch gelingt.<br />
Dem ersten neuen Heft ist seine Herkunft<br />
nicht anzumerken, ein buntes Sam-<br />
1987 – große Ereignisse schicken ihre Vorboten voraus. Anfang des Jahres kündigt Michail<br />
Gorbatschow auf einem Plenum seines Zentralkomitees die beabsichtigte Perestroika an.<br />
Bald darauf landet Matthias Rust mit seiner Cesna auf dem Roten Platz in Moskau. Erich<br />
Honecker zieht es in die an<strong>der</strong>e Richtung – er besucht als erster DDR-Staatschef die BRD.<br />
Gorbatschow und Reagan unterzeichnen den Vertrag zum vollständigen Abbau aller nuklearen<br />
Mittelstreckenwaffen. Aufbruchstimmung allerorten – so auch beim Berliner Freidenkerverband.<br />
Jüngere, politisch und weltanschaulich interessierte Mitglie<strong>der</strong> gelangen in<br />
Führungspositionen. Das Projekt „Lebenskunde“ war erfolgreich gestartet. Mit viel Enthusiasmus<br />
gehen diese Aktivisten daran, ihre Bewegung aus den Hinterzimmern <strong>der</strong> Vereinslokale<br />
zu holen. Öffentlichkeitsarbeit hieß schon damals das Zauberwort.<br />
melsurium von Beiträgen ohne <strong>Verband</strong>sklammer.<br />
Ungeteilte Zustimmung findet<br />
das nicht. Das Editorial weist auch mit keinem<br />
Wort auf die Neugründung hin. Erst<br />
in Heft 2 ging <strong>der</strong> damalige verantwortliche<br />
Redakteur Wolfgang Jaskulski auf den<br />
Schreck ein, den das neue Blatt bei einigen<br />
Lesern ausgelöst hatte. Erst hier erklärte<br />
man dem Neuling in <strong>der</strong> Leserschaft, dass es<br />
sich um die Nachfolgepublikation <strong>der</strong> Freidenkerzeitung<br />
handelt. Welcher Art die<br />
Schrecken waren, bleibt unerwähnt. Vielleicht<br />
war es neben <strong>der</strong> <strong>Verband</strong>sferne etwas<br />
ungeschickt, ausgerechnet als ersten Autor<br />
eines freidenkerischen Magazins den Katholiken<br />
Otto Schuhmacher über gegensätzliche<br />
Positionen innerhalb <strong>der</strong> katholischen<br />
Kirche zum Thema Aids schreiben<br />
zu lassen.<br />
Lange Vorlaufzeiten und ehrenamtliche<br />
Autoren und Redakteure können oft nicht<br />
gewährleisten, dass das aktuelle gesellschaftliche<br />
Geschehen sich im Heft wi<strong>der</strong>spiegelt.<br />
Das Winterheft 1989, erschienen am<br />
15.12., sprach von zukünftigen Verän<strong>der</strong>ungen<br />
in <strong>der</strong> DDR, <strong>der</strong> Mauerfall wurde<br />
nur am Rande erwähnt. Tod war das<br />
Schwerpunktthema. Man veröffentlichte lediglich<br />
einen Brief an die Freidenker im<br />
Osten, in dem man sich enttäuscht zeigte,<br />
dass die DDR-Freidenker sich in keiner<br />
Weise in die Verän<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> DDR<br />
einbrachten, son<strong>der</strong>n diese Bewegung den<br />
Kirchen überließen.<br />
Erst ein Jahr später wendet man sich dem<br />
Thema zögerlich zu – die großen Chancen<br />
für die humanistische Bewegung wurden zu<br />
diesem Zeitpunkt noch immer nicht erkannt.<br />
Von Gemeinsamkeit noch keine<br />
Spur. Schuld daran war sicher auch <strong>der</strong><br />
schlechte Ruf des Freidenkerverbandes Ost,<br />
<strong>der</strong> auf Geheiß des Ministeriums für Staatssicherheit<br />
gegründet wurde.<br />
Sprachrohr des Bundesverbandes<br />
Und plötzlich wird es rasant. Neue Mitglie<strong>der</strong>,<br />
neue Projekte, neue Strukturen. 1991<br />
beginnen in diesseits die Diskussionen um<br />
die Umbenennung des <strong>Verband</strong>es. <strong>Diesseits</strong><br />
druckt auch die offensichtlich weniger<br />
ernst gemeinten Vorschläge ab (HumBuK –<br />
<strong>Humanistischer</strong> Bund <strong>der</strong> Konfessionslosen,<br />
ZWAU – Zwangsgemeinschaft <strong>der</strong><br />
Ungetauften). Ältere Mitglie<strong>der</strong> finden das<br />
wenig lustig und wehren sich dagegen über<br />
mehrere Ausgaben hinweg. Auf den traditionellen<br />
Namen Freidenker möchten viele<br />
gar nicht verzichten, egal welche Alternative<br />
auch gefunden wird.<br />
Ab 1992 wird überlegt, inwieweit es<br />
möglich sein würde, diesseits zum Sprachrohr<br />
des neu zu gründenden Bundesverbandes<br />
zu machen. Dessen Gründung war<br />
im November 1992 beschlossen und am 14.<br />
Januar 1993 formal vollzogen worden. Das<br />
nächste Jubiläum steht uns daher in Kürze<br />
ins Haus. <strong>Der</strong> erste Versuch als Bundeszeitung<br />
war nicht von Erfolg gekrönt, finanzi-<br />
4/2007 15